2023

Ausgabe 1

Inhalt

Ausgabe 1/2023

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STREIT für Frauenrechte. 40 Jahre Feministische Rechtszeitschrift STREIT

Ein Grund zu feiern: 40 Jahre STREIT – 40 Jahre und länger streiten feministische Juristinnen für Frauenrechte! Vieles konnten wir in dieser Zeit bewegen und erreichen: das macht ein Blick in alte Jahrgangsbände deutlich. Aber viel bleibt zu tun: das steht in jedem neuen Heft der STREIT und macht diese weiterhin nötig.

Alles begann mit der Neuen Frauenbewegung der 1970er Jahre, als feministische Anwältinnen sich zum Ziel setzten, Frauen in ihren Rechtskämpfen zu unterstützen und Frauenrechte zu erstreiten. Die seit 1978 stattfindenden Jurafrauentreffen / ab 1985 Feministische Juristinnentage dienten ihnen als Freiräume bei der Kritik bestehender Gesetze und Rechtslagen und der Entwicklung neuer Rechtsvorstellungen und Strategien in den verschiedenen Verfahren, wie im Familienrecht, im Strafrecht in der Nebenklagevertretung oder im Arbeitsrecht und Antidiskriminierungsrecht.

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Aus dem Archiv

Editorial und Inhalt von Heft 1/1983

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Stimmen aus der Redaktion

Wofür STREITen wir?

Warum streiten?
Recht ist Bewegung. Keine ändert die Welt allein. Praxis braucht Theorie und Theorie braucht Praxis. – Das könnte zusammenfassen, was die STREIT für mich bedeutet. Und das ist keine Abstraktion, sondern in und mit der STREIT intensiv zu erleben.
Ohne die Frauenbewegung, die eigentlich aus unterschiedlichen Bewegungen besteht, und ohne die Bewegung der Anwältinnen, Bürofrauen und Referendarinnen und dann immer mehr Studentinnen, die den Feministischen Juristinnentag begründet haben, ist die STREIT nicht vorstellbar. Auf diesem Pfad des FJT gelangte wohl auch ich in die Redaktion, in der sich allerdings viele Wege kreuzen – bei mir das Engagement gegen häusliche Gewalt, gegen Pornographie, gegen sexuelle Belästigung, für eine geschlechtergerechte Verfassung, für feministische Rechtstheorie. Damals ging ich wohl davon aus, dies alles mache mich zu einem Teil der feministisch-rechtskritischen Bewegung – aber in der STREIT und auf dem FJT ließ und lässt sich immer wieder erfahren, dass es kein solches Credo gibt, kein Programm, dass über (fast) alles immer auch, ja: gestritten wird.

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Marianne Weg

24-Stunden-Pflege neu denken. STREITige Gedanken zu einer emotionalisierten Debatte

1. Stand der Dinge und der politischen Agenda
„Eine Frau aus Osteuropa für die Pflege zu Hause“

Der Pflegenotstand in der Altenpflege ist Dauerthema in Politik, Gesellschaft und Medien. Zur Realität gehört die „24-Stunden-Pflege“ durch osteuropäische „Live-In“-Betreuungskräfte in schätzungsweise 300.000 bis 400.000 Haushalten mit rund 600.000 bis 700.000 Betreuungskräften. Ihre Arbeitsbedingungen sind meist hochbelastend mit rechtswidrigen Arbeitszeiten und Löhnen weit unter dem Mindestlohn. Dienstleistungsagenturen mit Sitz in einem osteuropäischen EU-Mitgliedstaat entsenden die Beschäftigten in Privathaushalte in Deutschland; die Geschäftsanbahnung erfolgt durch eine in Deutschland ansässige Vermittlungsagentur.
Politischer Handlungsbedarf wird seit Jahren beschworen. Die Ampel-Koalition hat im Koalitionsvertrag eine Lösung in Aussicht gestellt, geschehen ist noch nichts. Andere EU-Mitgliedstaaten haben dazu rechtliche Wege geschaffen, die nicht unkritisch zu sehen sind, aber den Gestaltungswillen für rechtssichere, faire und handhabbare Rahmenbedingungen zeigen.
Die 99. Konferenz der Arbeits- und Sozialminister* innen der Bundesländer hat am 30.11./01.12.2022 mit einem einstimmigen Beschluss die Bundesregierung aufgefordert, ein Gesamtkonzept vorzulegen, mit dem diese faktisch bestehende und weiter zunehmende Betreuungsform in legale Bahnen gelenkt, als Gute Arbeit gestaltet sowie für Privathaushalte finanzierbar gemacht wird.

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Arbeits- und Sozialministerkonferenz

Verbesserter Schutz der in Privathaushalten beschäftigten Betreuungskräfte (sog. ,,Live-Ins“)

Die 99. Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) hat am 30.11./1.12.2022 einstimmig beschlossen:

1. Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder stellen fest, dass Tätigkeiten zur Bewältigung des in Deutschland auch aufgrund des demographischen Wandels stetig steigenden Bedarfs an Betreuung pflegebedürftiger Menschen eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellen.

2. Sie erkennen an, dass es häufig der Wunsch der pflegebedürftigen Personen und/oder ihrer Familien ist, dass die pflegerische Versorgung so lange wie möglich im gewohnten häuslichen Umfeld stattfindet, auch in Fällen, in denen sie nicht durch Angehörige übernommen werden kann.

3. Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder sehen jedoch mit Sorge, dass insbesondere im Bereich der sog. ,,Live-Ins“ verhältnismäßig häufig unzureichende Arbeitsbedingungen herrschen.

Preis: 3.00 EUR

Julia Zinsmeister

Häusliche Gewalt gegen Frauen mit Behinderungen und/oder durch Täter mit Behinderungen: Rechtsschutzlücken schließen!

In ihrem Koalitionsvertrag haben SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und FDP die Entwicklung einer ressortübergreifenden politischen Strategie gegen Gewalt angekündigt. Sie soll die Rechte der Betroffenen in den Mittelpunkt stellen und die Bedarfe von vulnerablen Gruppen – darunter Frauen und queere Menschen mit Behinderungen – berücksichtigen. Damit will die Bundesregierung insbesondere die Verpflichtungen Deutschlands aus Art.16 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) und des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) vom 11.05.2011 umsetzen.

Mädchen und Frauen mit Behinderungen haben sowohl im Vergleich mit nichtbehinderten Mädchen und Frauen als auch behinderten Jungen und Männern ein deutlich erhöhtes Risiko, Gewalt, insbesondere sexualisierte Gewalt, zu erfahren.

Preis: 3.00 EUR

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts

Entgeltgleichheit von Männern und Frauen

Eine Frau hat Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Daran ändert nichts, wenn der männliche Kollege ein höheres Entgelt fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgibt.
Die Klägerin ist seit dem 1. März 2017 bei der Beklagten als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Ihr einzelvertraglich vereinbartes Grundentgelt betrug anfangs 3.500,00 Euro brutto. Ab dem 1. August 2018 richtete sich ihre Vergütung nach einem Haustarifvertrag, der u.a. die Einführung eines neuen Eingruppierungssystems regelte. Die für die Tätigkeit der Klägerin maßgebliche Entgeltgruppe des Haustarifvertrags sah ein Grundentgelt i.H.v. 4.140,00 Euro brutto vor. In § 18 Abs. 4 des Haustarifvertrags heißt es: “Für den Fall, dass das neue tarifliche Grundentgelt das bisherige tarifliche Entgelt (…) überschreitet, erfolgt die Anpassung um nicht mehr als 120,00 €/ brutto in den Jahren 2018 bis 2020“ (Deckelungsregelung).

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Beschluss des OLG Karlsruhe

Unwirksamkeit eines Ehevertrages

Der mehrere Monate nach der Heirat geschlossene erste Ehevertrag und der später geschlossene zweite Ehevertrag sind wegen des unausgewogenen Vertragsinhaltes und der ungleichen Verhandlungspositionen zu Lasten der aus Weißrussland stammenden Ehefrau aufgrund einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände sittenwidrig.
Der Staat hat der durch Art. 6 GG begründeten Freiheit der Ehegatten, mit Hilfe von Verträgen die ehelichen Beziehungen und wechselseitigen Rechte und Pflichten zu gestalten, dort Grenzen zu setzen, wo der Vertrag nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft im Sinne des Art. 3 Abs. 2 GG ist.
(Leitsätze der Redaktion)
Beschluss des OLG Karlsruhe vom 31.3.2021 – 5 UF 125/20

Aus dem Sachverhalt:
Die beteiligten, zwischenzeitlich rechtskräftig geschiedenen, Ehegatten streiten um die Folgesachen Zugewinnausgleich und nachehelicher Unterhalt.
Der Antragsteller ist Deutscher, die Antragsgegnerin, die (nur) die weißrussische Staatsangehörigkeit hat, lebte in Weißrussland, sie ist studierte Physikerin. Die Beteiligten fanden über eine Kontaktanzeige zueinander. Im Sommer 2002 hielt sich die Antragsgegnerin mit ihrem 1998 geborenen Sohn aus einer anderen Beziehung erstmals beim Antragsteller mehrere Monate in Deutschland auf. Im Januar 2003 zogen sie und ihr Sohn endgültig zum Antragsteller nach Deutschland um.

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des OLG Saarbrücken

Keine Abtrennung einer Folgesache vom Scheidungsverbund

1. Die Vorschriften über den Scheidungsverbund dienen dem Schutz des wirtschaftlich schwächeren Ehegatten, § 140 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 FamFG ist deshalb eng auszulegen.
2. Der Umstand allein, dass ein Ehegatte, wenn die Ehe nicht vorab geschieden wird, für die Trennungszeit erheblich mehr Unterhalt zahlen müsste als nach der Scheidung, begründet keine unzumutbare Härte i.S.d. § 140 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 FamFG.
(Leitsätze der Redaktion)
Beschluss des OLG Saarbrücken vom 16.11.2021 – 6 UF 139/21

Aus den Gründen:
[…] In dem – nach vorangegangenem Richterwechsel – unter dem 7. Juni 2021 angeordneten schriftlichen Verfahren nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 128 Abs. 2 ZPO hat das Familiengericht – ohne zuvor den Abtrennungsantrag des Ehemannes der Ehefrau bekannt zu geben – mit am 21. Juli 2021 verkündeten gesonderten Beschlüssen, auf die Bezug genommen wird, zum einen die Folgesache nachehelicher Unterhalt gestützt auf § 140 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 FamFG abgetrennt und zum anderen die Ehe der Beteiligten geschieden (Ziffer 1 der Beschlussformel) und den Versorgungsausgleich geregelt (Ziffer 2).

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des OLG Brandenburg

Keine Abtrennung einer Folgesache vom Scheidungsverbund

1. § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG, betreffend die Abtrennung einer Folgesache vom Scheidungsverbund ist eine Ausnahmeregelung und dient dem Interesse der Antragsgegnerin an einer gleichzeitigen Entscheidung auch über alle wichtigen Folgesachen.
2. Trägt der die Abtrennung beantragende Ehegatte selbst in nicht unerheblichem Maße zur Verzögerung der verfahrensmäßigen Erledigung einer Folgesache bei, etwa wenn er geschuldete Auskünfte nicht vollständig erteilt, spricht dies gegen eine Abtrennung.
3. Wird dem Scheidungsantrag von dem Familiengericht zu Unrecht vor der Entscheidung über eine Folgesache stattgegeben, entsteht eine selbstständige Beschwer, die (nur) mit Rechtsmitteln gegen den Scheidungsbeschluss gerügt werden kann. Die unzulässige Abtrennung führt zu einer unzulässigen Teilentscheidung in der Ehesache.
(Leitsätze der Redaktion)
Beschluss des OLG Brandenburg vom 29.04.2021 – 13 UF 173/20

Aus den Gründen:
[…] Die Voraussetzungen für eine Aufhebung und Zurückverweisung liegen vor. Eine Aufhebung und Zurückverweisung kommt gemäß § 69 Abs. 1 S. 2, 3 FamFG in Betracht, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges in der Sache noch nicht entschieden hat oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und zur Entscheidung eine umfangreiche oder aufwändige Beweiserhebung notwendig wäre und ein Beteiligter die Zurückverweisung beantragt. Ein wesentlicher Verfahrensmangel liegt vorliegend in der durch das erstinstanzliche Gericht vorgenommenen Abtrennung der Folgesache Zugewinnausgleich. Die Antragsgegnerin hat Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des VG Magdeburg

Flüchtlingseigenschaft für irakische kurdische Yezidin

1. Alleinstehende Frauen im Irak ohne männliche Begleitung und ohne Möglichkeit der Rückkehr in einen Familienverband bilden eine bestimmte soziale Gruppe i.S.v. § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG, denen geschlechtsspezifische Verfolgung landesweit droht. Yezidinnen, die westliche Kleidung und kein Kopftuch tragen, sind noch schwierigeren Bedingungen ausgesetzt.
2. Die Verfolgungshandlungen gegenüber diesen Frauen sind als schwerwiegende Verletzungen grundlegender Menschenrechte i.S.d. § 3 a Abs. 1 Nr. 1 AsylG anzusehen. Frauen werden nicht nur gehindert, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, sondern es wird ihnen in erheblicher Weise erschwert, alleine zu überleben.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des VG Magdeburg vom 14.06.2022, 4 A 205/21 MD

Zum Sachverhalt:
[…] Die Klägerin ist nach eigenen Angaben irakische Staatsangehörige, kurdischer Volkszugehörigkeit, yezidischen Glaubens. Sie kommt aus Shekan. Im Zeitpunkt der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gab die Klägerin an, im Irak lebten noch eine Schwester und ein Bruder. Diese lebten von der Rente des Vaters, die allerdings zuletzt nicht mehr regelmäßig komme.

Preis: 3.00 EUR

Katharina Gruber

Triumph lateinamerikanischer Feministinnen: Neue Gesetze in Oaxaca (Mexiko) und Chile sehen harte Sanktionen gegen säumige Unterhaltsschuldner vor

Im Bundesstaat Oaxaca (Mexiko) wurde am 14.09.2021 eine Reform der Artikel 100, 226 a und 411 des Bürgerlichen Gesetzbuches verabschiedet. Die neuen Regelungen sehen einen Katalog an Konsequenzen bei Vernachlässigung der Unterhaltspflicht vor. Die Initiative der Reform kam von einigen feministischen Organisationen. Alle 29 anwesenden Abgeordneten haben die Vorschläge der Feministinnen angenommen.
Druck wurde auch von den betroffenen Müttern ausgeübt, die ihre Kinder ohne finanzielle Unterstützung der Väter betreuen. Ihre Lage ist teilweise äußerst prekär, da es in Mexiko keine staatlichen Unterhaltsvorschussleistungen gibt.
Die betroffenen Mütter haben die Namen der Unterhaltsschuldner veröffentlicht, um auf die wirtschaftliche Gewalt aufmerksam zu machen. Unter den säumigen Unterhaltsschuldnern befinden sich viele Politiker, Parteiführer, Regierungsbeamte, Sozialaktivisten, Musiker und Lehrer. Als säumiger Unterhaltspflichtiger gilt, „wer während eines Zeitraums von dreißig Tagen der von der Justizbehörde vorläufig oder endgültig angeordneten oder gerichtlich festgesetzten Unterhaltspflicht ganz oder teilweise nicht nachkommt“.

Preis: 3.00 EUR

Hanah Abdullahi Musse Abucar

Buchbesprechung: Doris Liebscher: „Rasse im Recht – Recht gegen Rassismus. Genealogie einer ambivalenten Kategorie“

Suhrkamp, Berlin 2021

Wie der Titel schon nahelegt zeichnet Doris Liebscher mit Rasse im Recht – Recht gegen Rassismus. Genealogie einer ambivalenten Kategorie zum einen den Begriff der Rasse im Recht und die Geschichte rassistischen Rechts nach, zum anderen beleuchtet sie aber auch Möglichkeiten eines antirassistischen Rechts. Das Buch endet mit dem Satz: „Erinnern heißt verändern“ (S. 489). In diesem Sinne greift es in den (rechts-)wissenschaftlichen Diskurs um den Begriff der Rasse und das Antidiskriminierungsrecht ein und schöpft seine Kraft aus der Bezugnahme auf gesellschaftliche Kämpfe und Anstrengungen.
Die rassismuskritische Rechtswissenschaft knüpft nach Liebscher an die Rassismusforschung an, die „Rassismus als soziales Verhältnis“ untersucht und als historisch gewachsen anerkennt (S. 26). Sie lernt aus der feministischen Rechtswissenschaft, die sich fragt „welches Wissen über Geschlecht als natürliche und/oder soziale Kategorie im Recht zirkuliert, welche Rolle der Rechtsdiskurs bei der Herstellung von Geschlecht und der Zuweisung sowie Rechtfertigung vergeschlechtlichter Positionen einerseits und für den Abbau damit einhergehender Diskriminierungen andererseits spielt“ (S. 30).

Preis: 3.00 EUR

Heinrich-Böll-Stiftung

Joumana Seif erhält Anne-Klein-Frauenpreis 2023

Der Anne-Klein-Frauenpreis geht 2023 an die syrische Juristin, Frauenrechtlerin und Menschenrechtsaktivistin Joumana Seif. Schon lange lebt sie im erzwungenen Exil in Berlin. Die Juryvorsitzende Dr. Imme Scholz, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, begründet die Entscheidung für Joumana Seif: „Engagierten Jurist*innen wie ihr ist es zu verdanken, dass sexualisierte Gewalt als systematisch eingesetzte Kriegswaffe eingestuft und in internationalen Verfahren als Verbrechen gegen die Menschlichkeit juristisch verfolgt und verurteilt werden kann“.

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Programm des 47. Feministischen Juristinnen*tags vom 12.–14. Mai 2023 in Frankfurt am Main

Freitag, 12. Mai 2023
15:00 – 16:15 Uhr / 16:30 – 18:00 Uhr:
Einführung in den FJT für Neueinsteigerinnen*
RAin Heike von Malottki, Landshut; RAin Sabine Rechmann, Rosenheim
Einführungs-AG: Kontroverse feministische Debatten im FJT
Prof. Dr. Lena Foljanty, Uni Wien; Prof. Dr. Ulrike Lembke, HU Berlin

19:00 Uhr:
Festakt zum 40-jährigen Bestehen der Feministischen Rechtszeitschrift STREIT
40 Jahre STREIT – eine Säule der feministischen Rechtsbewegung: Festrede von Dr. Birgit Schweikert, BMFSFJ Berlin
„Justitias Töchter“ live: Selma Gather, FU Berlin und Prof. Dr. Dana-Sophia Valentiner, Uni Rostock im Gespräch mit STREIT-Redakteurinnen
Moderation: RAin und Notarin Dr. Laura Adamietz, Bremen

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Alle Redakteurinnen der STREIT von 1983 bis heute

(Fett: Redakteurinnen 2023)

Gründungsredakteurinnen März 1983

RAin/Notarin a.D. Jutta Bahr-Jendges, Bremen
RAin Jutta Bartels, Münster
RAin Barbara Becker-Rojczyk, Frankfurt/M.
RAin Malin Bode, Bochum
RAin (1983: Stud.) Ulrike Breil, Dortmund
RAin Claudia Burgsmüller, Wiesbaden
RiAG Dr. Bettina Cramer-Frank, Hannover
RAin (1983: Stud.) Martina Flack, Essen
Prof. Dr. (1983: RAin) Sibylla Flügge, Frankfurt/M.
RiAG a.D. (1983: RAin) Sabine Heinke, Bremen
RAin Jutta Junginger-Mann, Markgröningen
RAin Anne-Rose Kocyba, Ludwigsburg
RAin Margret Nimsch, Frankfurt/M.
Prof. Dr. (1983: RAin) Dagmar Oberlies, Frankfurt/M.
RAin Susanne Pötz-Neuburger, Hamburg
(1983: RAin) Anita Roggen, Hamburg
RAin/Notarin a.D. Barbara Schoen, Darmstadt
RAin Sabine Scholz, Flensburg

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Ausgabe 2

Inhalt

Ausgabe 2/2023

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Sabine Heinke, Barbara Steiner

Probleme bei der Durchsetzung von Gewaltschutzanordnungen – Vorschläge für eine Anpassung des Vollstreckungsverfahrens im Sinne der Istanbul-Konvention

Durch Art. 29 der Istanbul-Konvention haben sich die Vertragsparteien verpflichtet, „die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen (zu treffen), um Opfer mit angemessenen zivilrechtlichen Rechtsbehelfen gegenüber dem Täter beziehungsweise der Täterin auszustatten“. Auf die Kennzeichnung der zivilrechtlichen Rechtsbehelfe als „wirksam“ haben die Vertragsparteien verzichtet.
Angemessenheit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und damit auslegungsbedürftig. Die Auslegung kann sich wohl nur an den Zielen der Istanbul-Konvention orientieren. Zweck der Konvention ist es, Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen in dem Bestreben, ein Europa zu schaffen, das frei von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ist. Die einzelnen Staaten treffen dazu „die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen zur Förderung und zum Schutz des Rechts jeder Person, insbesondere von Frauen, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich frei von Gewalt zu leben“. Gewalt gegen Frauen wird als Menschenrechtsverletzung definiert, was die Staaten über die völkerrechtliche Verpflichtung aus dem Vertrag hinaus zum Handeln zwingt.

Preis: 3.00 EUR

Katharina Gruber interviewt Susanne Pötz-Neuburger

Ein Leben als feministische Rechtsanwältin

Katharina Gruber: Liebe Susanne, vor 100 Jahren durften Frauen erstmals beide juristischen Staatsexamina ablegen und Berufe in der Rechtspflege ergreifen. Auch 50 Jahre später gab es nur wenige Frauen in juristischen Berufen. Du aber hast dich – trotz sicherlich einiger Hindernisse – für diesen Weg entschieden. Seit 45 Jahren bist du als Rechtsanwältin tätig, bist Fachanwältin für Familienrecht, Mediatorin und hast dich auch immer neben deinem Beruf für die Belange von Frauen eingesetzt. Außerdem bist du Mitbegründerin des Feministischen Juristinnentags, als Gründungsmitglied der STREIT immer noch aktive Redakteurin. Und sicherlich werden wir heute auch noch über deine weiteren ehrenamtlichen Tätigkeiten und zahlreichen Enkelkinder sprechen.
Zunächst interessiert mich, wie es dazu kam, dass du einen juristischen Beruf für dich in Betracht gezogen hast?

Susanne Pötz-Neuburger: Schon früh habe ich ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden entwickelt. Ich wurde 1951 in eine bürgerliche Familie geboren und wuchs bis zum 12. Lebensjahr in einer Industriestadt am Ruhrgebietsrand mit vier Geschwistern gut behütet auf. Bereits in der Grundschulzeit beschäftigten mich soziale Unterschiede in der Gesellschaft, wenn ich an der Eisenhütte vorbeikam, die auf dem Schulweg lag. Ich erlebte in den 50er Jahren die Ausgrenzung von Kindern, die ein anderes christliches Bekenntnis als die Ortsansässigen hatten oder deren Mutter alleinerziehend war. Ich beobachtete auch, dass nur unverheiratete Frauen einer aushäusigen Erwerbsarbeit nachgingen und das als nicht erstrebenswert galt.

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Beschluss des OLG Zweibrücken

Umgangsausschluss bei schwerer Gewalt gegen die Mutter

1. Ein Umgangsausschluss kann gerechtfertigt sein, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch die Gewährung des Umgangs die körperliche und/oder die seelische Unversehrtheit des Obhutselternteils gefährdet wäre, da das Wohl des Kindes ganz entscheidend von der Unversehrtheit dieses Elternteils abhängt.
2. Eine Gefährdung des Kindeswohls kann auch dadurch begründet sein, dass ein Umgang erstmals in einer Justizvollzugsanstalt stattfinden müsste und das Kind dabei mit den massiven Straftaten des den Umgang begehrenden Elternteils zulasten des Obhutselternteils und deren Folgen konfrontiert würde.
3. Wird mit dem Umgangsverfahren lediglich bezweckt, wieder in Kontakt mit der Kindesmutter zu kommen und das Kind zur Erreichung dieses Ziels instrumentalisiert, kann ebenfalls eine Gefährdung des Kindeswohls gegeben sein.
(amtliche Leitsätze)
Beschluss des OLG Zweibrücken vom 30.6.2022 – 6 UF 18/22

Zum Sachverhalt:
Der Antragsteller ist Vater der Kinder … und … . Die Kindeseltern, die beide die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, sind nicht standesamtlich verheiratet. Eine Eheschließung erfolgte nach islamisch-religiöser Art.

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des OLG Frankfurt a. M.

Ordnungsgeld gegen den Umgangsberechtigten bei Verweigerung des Umgangs

Auch gegen den Umgangsberechtigten können bei Verweigerung der Wahrnehmung gerichtlich angeordneter Umgangstermine Ordnungsmittel jedenfalls dann verhängt werden, wenn die Gründe der Verweigerung (hier Kosten des Umgangs) bereits im Erkenntnisverfahren berücksichtigt wurden.
(amtlicher Leitsatz)
Beschluss des OLG Frankfurt vom 22.08.2022 – 6 WF 112/22

Sachverhalt:
Der Antragsgegner wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes wegen Verstoßes gegen eine gerichtliche Umgangsregelung.
Das Amtsgericht hat mit den Beteiligten zugestelltem Beschluss vom 27. Oktober 2021 den Umgang des Antragsgegners mit den zwei gemeinsamen Kindern der Beteiligten unter anderem dahingehend geregelt, dass in ungeraden Kalenderwochen in der Zeit von Freitag 14 Uhr bis Montag 8 Uhr und in geraden Kalenderwochen am Dienstag von 14:30 Uhr bis 19 Uhr Umgang des Beschwerdeführers mit den beiden Kindern stattfindet. Zu dem Beschluss im Einzelnen wird auf diesen verwiesen.

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des OLG Stuttgart

Keine Rückführung eines Kindes nach dem HKÜ in das Staatsgebiet der Ukraine

Der Rückführung eines von einem Elternteil nach Deutschland entführten minderjährigen Kindes in die Ukraine steht derzeit eine schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind auf dem gesamten Staatsgebiet der Ukraine entgegen.
(Leitsatz der Redaktion)
Beschluss des OLG Stuttgart vom 13.10.2022 – 17 UF 186/22

Sachverhalt:
I. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren des Antragstellers auf Rückführung seiner Tochter K., geb. …2021, in die Ukraine nach den Bestimmungen des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (HKÜ).
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind getrennt lebende Eheleute und die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern des Kindes K. Bis zum 02.03.2022 lebten die Beteiligten zusammen in einer Wohnung in O. in der Ukraine. Bei Fliegeralarm flüchteten sie sich mit K. ins Auto und verbrachten die Nacht in der Tiefgarage.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des VG Aachen

Unterhaltsvorschuss für Grenzgängerin – kein Wohnsitzerfordernis

Das sog. Wohnsitzerfordernis im Bundesgebiet bzw. Inland in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG ist im Hinblick auf den Vorrang der in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (VO (EU) Nr. 492/2011) und in Art. 45 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gewährleisteten Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht anzuwenden, wenn die – alleinerziehende – Mutter des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland als Arbeitnehmerin mehr als geringfügig beschäftigt ist und mit dem Kläger in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (hier: Belgien) wohnt.
(Leitsatz der Redaktion)
Urteil des VG Aachen vom 30.11.2021, 10 K 1393/21

Aus dem Sachverhalt:
[…] Der […] Kläger begehrt Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG). Mit seiner ledigen Mutter – Frau L. S. – war er zunächst in Aachen und ist mit ihr seit Februar 2021 in Eupen/Belgien wohnhaft. […] Die Mutter des Klägers ist seit 2016 in Aachen […] in Vollzeit beschäftigt. […] Die Beklagte lehnte […] die Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen ab. […] Sein Wohnsitz liege bei der Mutter in Belgien außerhalb des Bundesgebietes und damit sei ein Anspruch gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG nicht gegeben.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des SG Berlin

Kein Ausschluss von SGB II-Leistungen für Ausländerin nach freiwilliger Beendigung der Prostitution

Eine Tätigkeit in der Prostitution ist nicht mit einer gewöhnlichen Erwerbstätigkeit vergleichbar. Aus der staatlichen Schutzpflicht für die Menschenwürde folgt, dass eine Arbeit in der Prostitution im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB II als unzumutbar anzusehen ist und von der betreffenden Person nicht ausgeübt werden muss, um ihre Hilfebedürftigkeit zu verringern. Eine unzumutbare Tätigkeit darf die betreffende Person jederzeit aufgeben, ohne dass dies eine freiwillige Arbeitsaufgabe im Sinne von § 2 Abs. 3 FreizügG/EU darstellen würde.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des SG Berlin vom 15.06.2022, S 134 AS 8396/20

Aus dem Sachverhalt:
[…] Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Klägerin zu 1. aus ihrer bis Juli 2019 ausgeübten selbständigen Tätigkeit als Prostituierte für den streitgegenständlichen Zeitraum ein fortdauerndes Aufenthaltsrecht herleiten kann, so dass die Kläger nicht nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind.
Die […] Klägerin […] sowie ihre beiden […] Söhne […] sind bulgarische Staatsangehörige. Die Klägerin hat nach eigenen Angaben seit dem 25.03.2014 ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland […], war ferner nach eigenen Angaben seit April 2014 bis Juli 2019 selbständig als Prostituierte tätig. […] Im Juli 2019 gab die Klägerin ihre Tätigkeit als Prostituierte auf, weil sie […] schwanger war und weil sie die Tätigkeit für sich als nicht mehr zumutbar empfand. […] Der Beklagte […] lehnte […] die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II […] ab. Die Klägerin sei von Leistungen ausgeschlossen, da sie kein anderes Aufenthaltsrecht als das zur Arbeitssuche habe.

Preis: 3.00 EUR

Katharina Gruber

Spaniens Regierung stärkt die Rechte von Frauen

In Spanien wurden in den letzten Monaten zwei Reformpakete verabschiedet, die eine umfassende Stärkung der Rechte von Frauen mit sich brachte. Das umstrittene Gesetzt für die „Garantie der sexuellen Freiheit“ wurde im April 2023 bereits wieder geändert.
Am 7. Oktober 2022 ist das „Nur ein Ja ist ein Ja“- Gesetz zunächst in Kraft getreten. In diesem Rahmen wurde die vorherige Unterscheidung zwischen sexuellem Missbrauch und Aggression aufgehoben und somit das System der Klassifizierung von sexuellen Übergriffen geändert. Es bedarf der ausdrücklichen Zustimmung aller Beteiligten bei sexuellen Handlungen, so dass nicht mehr nachgewiesen werden musste, dass sich die Betroffene gewehrt hat.
Eine Einwilligung liegt nur dann vor, wenn sie frei durch Handlungen zum Ausdruck gebracht wurde, die unter Berücksichtigung der Umstände des Falles eindeutig den Willen der Person zum Ausdruck bringen.

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des OLG Celle

Originäre Verhängung von Ordnungshaft gegen Intensivstalker

Lässt das bisherige (unstreitige) und wiederholte Verhalten des Antragsgegners erkennen, dass ihn die Festsetzung und Vollstreckung eines Ordnungsgeldes von weiteren Verstößen gegen die ergangenen Schutzanordnungen nicht abhalten würde, kommt auch die sofortige Anordnung von Ordnungshaft (vorliegend von 4 Wochen) in Betracht.
(amtlicher Leitsatz, auszugsweise)
Beschluss des OLG Celle vom 30.05.2022 – 21 WF 172/21

Aus dem Sachverhalt:
I. Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind miteinander verheiratet und leben seit Januar 2021 voneinander getrennt. Aus der Ehe ist die am 21. Dezember 2018 geborene Tochter G. hervorgegangen, die im Haushalt der Antragstellerin lebt.
Das Amtsgericht – Familiengericht – Cuxhaven hat dem Antragsgegner mit dem auf Antrag der Antragstellerin ergangenen Beschluss vom 17. September 2021 im Wege der einstweiligen Anordnung, befristet bis zum 17. März 2022, unter anderem untersagt, die Wohnung der Antragstellerin zu betreten, sich der Antragstellerin oder der Wohnung der Antragstellerin auf eine Entfernung von weniger als 50 Metern zu nähern, den Arbeitsplatz der Antragstellerin aufzusuchen und Zusammentreffen mit der Antragstellerin herbeizuführen.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des VG Berlin

Flüchtlingseigenschaft für Betroffene von Zwangsprostitution und sexueller Ausbeutung in Guinea

1. Frauen in Guinea bilden eine bestimmte soziale Gruppe i.S.d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. An die Prüfung des in Buchstabe b von § 3 Abs. 1 Nr. 4 AsylG verankerten sog. externen Elements dürfen in Fällen geschlechtsspezifischer Verfolgungsmaßnahmen besonders im Hinblick auf die Istanbul-Konvention keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden.
2. Für junge alleinstehende Frauen ohne erkennbare (Aus-)Bildung und beruflicher Erfahrung und ohne Möglichkeit auf ein soziales Netzwerk zurückzugreifen besteht in Guinea die Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Verelendung.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil VG Berlin vom 17. August 2022 – 31 K 305/20 A

Zum Sachverhalt:
Die subsidiär schutzberechtigte Klägerin begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Die im Dezember 2002 geborene Klägerin ist guineische Staatsangehörige und der Volksgruppe der Fulla zugehörig. Nach im Januar 2019 erfolgter Einreise in das Bundesgebiet stellte sie am 21. September 2020 […] einen Asylantrag […].
Mit Bescheid vom 3. November 2020 […] erkannte das Bundesamt der Klägerin den subsidiären Schutzstatus zu (Ziffer 1). Im Übrigen lehnte es den Asylantrag ab (Ziffer 2). Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, aufgrund des ermittelten Sachverhalts sei davon auszugehen, dass der Klägerin in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden drohe.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des VG Bremen

Flüchtlingseigenschaft für Iranerin mit westlich geprägtem Lebensstil

1. Eine Iranerin, die das Tragen eines Kopftuchs ablehnt, ist bei Rückkehr in den Iran schon aufgrund der Kontrollen am Flughafen der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt.
2. Ein über dreijähriger Aufenthalt in Deutschland, Berufstätigkeit und finanzielle Unabhängigkeit weisen auf einen westlich geprägten Lebensstil hin.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil VG Bremen vom 30.11.2022 – 1 K 1527/20

Zum Sachverhalt:
Die Klägerin begehrt ihre Anerkennung als politischer Flüchtling […].

Zu den Gründen:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin ist die Flüchtlingseigenschaft zuzusprechen, weil bei ihr die Voraussetzungen von § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylG erfüllt sind. […]
Die Situation von Frauen in Iran wurde vom Verwaltungsgericht Hamburg in seinem Urteil vom 20.7.2021 (10 A 5156/18 –, juris) eindrücklich beschrieben. Darauf wird Bezug genommen.

Preis: 3.00 EUR

Zümrüt Turan-Schnieders

Buchbesprechung: Christina Clemm: AktenEinsicht – Geschichten von Frauen und Gewalt

Antje Kunstmann Verlag, München 2020

Eine Reise in die Gerichtssäle der Republik, an Orte und zu Geschehen von Gewalt gegen Frauen, hat die Fachanwältin für Strafrecht und Familienrecht, Christina Clemm, mit ihrem Buch „AktenEinsicht“ unternommen und damit einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung geleistet. Mit sieben modifizierten Biografien und Beispielen aus ihrer langjährigen Praxis als Rechtsanwältin und speziell auch als Nebenklagevertreterin von Frauen, die von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind, hat die Juristin ungewöhnliche Einblicke in die alltägliche Praxis an deutschen Gerichten ermöglicht. Sie hat den Opferschutz nachvollziehbar gemacht, gezeigt, wie Gerichtsverfahren funktionieren und wo die Tücken und Fallstricke liegen. Deutlich wird, wie sehr Gewalt mit ungleichen Machtverhältnissen zu tun hat – auch vor Gericht. Wer als Täter einen guten Anwalt hat, der kann leichter das Strafmaß reduzieren und zum Beispiel auf Notwehr plädieren, wenn er übergriffig wurde.

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Resolution des 47. FJT am 12.–14. Mai 2023 zu den Forderungen afghanischer Frauen an Deutschland und die Weltgemeinschaft

Wir unterstützen die Forderungen der afghanischen Frauen an Deutschland und die Weltgemeinschaft anlässlich des 47. FJT in Frankfurt am Main.

Forderung der afghanischen Frauen anlässlich des 47. Feministischen Juristinnen*tags

Durch die drakonische Politik der Taliban werden Millionen Afghaninnen und Afghanen seit deren erneuten Machtübernahme im August 2021 ihres Rechts auf ein sicheres, freies und würdiges Leben beraubt. Nach dem fluchtartigen Abzug westlicher Kräfte entwickelte sich das Land binnen weniger Monate zum frauenfeindlichsten Land der Welt. Die dort lebenden Menschen, die sich in den vorangegangenen 20 Jahren für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt, mit westlichen Kräften zusammengearbeitet oder einen westlichen Lebensstil angenommen haben, wurden schutzlos zurückgelassen, bedroht durch die menschen- und freiheitsfeindlichen Taliban.

In Afghanistan herrscht eine Art Gender-Apartheid. Frauen haben ihr Recht auf Bildung, politische Teilhabe, Ausübung eines Berufes verloren. In allen Lebensbereichen werden sie diskriminiert, unterdrückt und aus dem öffentlichen Leben gedrängt. Sie dürfen nicht reisen, keinen Sport treiben, nicht einmal Parks oder öffentliche Bäder besuchen. Stattdessen drohen ihnen bei Verstößen gegen die drakonischen Dekrete der Taliban Auspeitschungen und Steinigungen.

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Hinweise

Die Beschränkung der Mit-Mutterschaft im österreichischen Abstammungsrecht ist verfassungswidrig

Datenbank des DIM ius gender & gewalt

Meldestelle für Antifeminismus

EU-weite Nummer für Hilfetelefone für Betroffene von Gewalt

UN-Sonderberichterstatterin Reem Alsalem: PAS-Theorie ist zu bekämpfen

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Ausgabe 3

Inhalt

Ausgabe 3/2023

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Birgit Schweikert

40 Jahre STREIT – eine Säule der feministischen Rechtsbewegung – eine Festrede

Sehr geehrte Damen, liebe feministischen Jurist:innen, liebe Mit- und Vorstreiterinnen, liebe Geburtstagsdamen der STREIT, liebe Alle!

Wie spreche ich über eine Zeitschrift und die Macherinnen einer Zeitschrift, die mich meinen gesamten bisherigen Weg als feministische Juristin begleitet haben?

Als ihr mich angefragt habt, eine Festrede zu 40 Jahren STREIT zu halten, fühlte ich mich erstens sehr geehrt (Stichwort: „Säule der feministischen Rechtsbewegung“), dann habe ich mich zweitens sehr gefreut, und dann hat es mich drittens persönlich-biographisch sehr bewegt.
Denn beim kurzen Zurückrechnen hatte sich mein Gefühl bestätigt: Die STREIT hat mich in allen Phasen meines Juristinnenlebens begleitet, empowert, inspiriert, an- und aufgeregt – und zwar 40 Jahre lang, von Anfang an bis heute:
– in meiner Entscheidung, Jura studieren zu wollen – und es dann auch zu tun,
– als Referendarin auf der Suche nach meinem Berufs- und Berufungsprofil,
– als NGO-Mitarbeiterin und
– als Ministerialbeamtin in meiner Wanderung in und durch die Institution eines Bundesministeriums.

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Lucy Chebout

Es steht ein Pferd auf dem Flur. Warum der Referentenentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz das Abstammungsrecht für queere Familien schlimmer macht

Der Referentenentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz ist da und befindet sich derzeit in der Verbände- Diskussion. Das Gesetz soll die personenstandsrechtliche Geschlechts- und Vornamensänderung erleichtern. Es will „entbürokratisieren“ und einen „schnellen, transparenten und leicht zugänglichen“ Weg zur geschlechtlichen Selbstbestimmung eröffnen (S. 25). Der Entwurf sieht auch Änderungen des Abstammungsrechts vor, die ausweislich der Gesetzesbegründung lediglich eine „Interimslösung“ sein sollen. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich die „Interimslösung“ jedoch als vorweggenommene Teilreform des Abstammungsrechts, mit der die Eltern-Kind-Zuordnung für queere Personen zukünftig nicht leichter, sondern schwerer, komplizierter und teurer werden würde. Es steht ein Pferd auf dem Flur – und es ist möglicherweise ein trojanisches.

Queere Elternschaft im aktuellen Recht
Das materielle Familienrecht sieht bislang zwei Elternstellen für ein Kind vor, die binär-zweigeschlechtlich konstruiert sind. Demnach soll ein Kind jeweils nur eine „Mutter“ und einen „Vater“ haben können, so jedenfalls auf Grundlage des deutschen Abstammungsrechts. Über Art. 19 Abs. 1 EGBGB ist es allerdings auch jetzt schon möglich, unter Anwendung ausländischer Rechtsordnungen queere Elternschaften in Deutschland zu begründen.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des EGMR

500 Jahre alte Stiftung darf Frauen nicht weiter diskriminieren

Der Gerichtshof wendet auf die Auslegung einer Urkunde aus osmanischer Zeit das Diskriminierungsverbot aus Art. 14 EMRK an, weil die Klage nach Inkrafttreten der Anerkennung des Rechts auf Individualbeschwerde des Staates (hier: Türkei) erfolgte.
Gerichte haben die positive Verpflichtung, auch im Rahmen privatrechtlicher Streitigkeiten die Parteien vor einer diskriminierenden Rechtsanwendung zu schützen.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des EGMR vom 05.07.2022, Dimici ./. Türkei – 70133/16
Eigene Übersetzung mit Hilfe von www.DeepL.com/Translator

Zum Sachverhalt:
Necmiye Dimici hatte 2010 beim Zivilgericht Diyarbakir den Stiftungsrat einer im Jahr 1536 im Osmanischen Reich gegründeten Stiftung auf Auszahlung des jährlichen Ausschüttungsbetrags verklagt, weil dieser ihr als unmittelbarer Nachkommin des Stifters zustehe. Die Stiftung, deren Vermögen 2015 auf 207 Millionen Euro geschätzt wurde, erfüllt die vom Stifter vorgesehenen wohltätigen Zwecke und schüttet den Rest an die direkten männlichen Nachkommen des Stifters aus. Sachverständige, die im Auftrag des Gerichts die Stiftungsurkunde aus der arabischen und türkisch-osmanischen Sprache übersetzten, kamen zu dem Schluss, dass der Stifter ausdrücklich nur männliche Nachkommen begünstigen wollte. Weibliche Nachkommen sollten lediglich einen Beitrag zum Lebensunterhalt erhalten.

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des KG Berlin

Gewalt gegen eine Sache kann eine Drohung im Sinne von § 1 GewSchG darstellen

1. Eine Drohung im Sinn von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewSchG bezeichnet das In-Aussicht-Stellen eines Übels, dessen Verwirklichung davon abhängt, dass die bedrohte Person nicht nach dem Willen des Täters handelt. Dafür bedarf es nicht des ausdrücklichen In-Aussicht- Stellens eines Übels, sondern das kann auch durch Drohgebärden, Gesten oder eine „Drohkulisse“ erfolgen.
2. Ein Verhalten des Täters, das Anlass zum Erlass von Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz gibt, indiziert eine Wiederholungsgefahr und das rechtfertigt es zwanglos, eine zu Recht erlassene Schutzanordnung auch auf ein Rechtsmittel hin weiter aufrecht zu erhalten.
(Leitsätze des Gerichts)
Beschluss des KG vom 08.02.2023 – 16 UF 154/22

Aus dem Sachverhalt:
I. Der Antragsgegner wendet sich gegen den am 5. Oktober 2022 im Wege der einstweiligen Anordnung und nach mündlicher Erörterung der Sache erlassenen Gewaltschutzbeschluss des Familiengerichts. Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Familiengericht im Wege der einstweiligen Anordnung zugunsten der Antragstellerin eine Schutzanordnung nach § 1 GewSchG erlassen und dem Antragsgegner unter gleichzeitiger Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, die beiden Beteiligten gemeinsam gehörende Doppelhaushälfte in der …straße – die Ehewohnung der Beteiligten – nochmals zu betreten, sich der Doppelhaushälfte auf eine Distanz von weniger als 50m zu nähern oder mit der Antragstellerin in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen oder diese auf elektronischem Wege zu orten, zu filmen oder zu überwachen.

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des OLG Köln

Istanbul-Konvention als Auslegungshilfe in Umgangsverfahren

Nach Art. 31 Abs. 1 IK ist sicherzustellen, dass die in den Geltungsbereich des Übereinkommens fallenden gewalttätigen Vorfälle bei Entscheidungen über das Besuchsund Sorgerecht betreffend Kinder berücksichtigt werden.
Art. 31 Abs. 2 IK fordert, dass die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die Ausübung des Besuchs- oder Sorgerechts nicht die Rechte und die Sicherheit des Opfers oder der Kinder gefährdet. Weiter stellt nach Art. 3a IK jede Form sexueller Gewalt gegen Frauen zugleich eine Menschenrechtsverletzung im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) dar
Diese Bestimmungen der IK sind als Auslegungshilfe für die EMRK, insbesondere auch Art. 8 EMRK, das Recht auf Familie, heranzuziehen.
Die Mutter eines Kindes, das vom Umgang verlangenden Vater missbraucht wurde, hat keine wie auch immer geartete Kooperationsverpflichtung.
Konfrontationen – auch indirekte – des Kindesvaters, der die Halbschwester seines Kindes sexuell missbraucht hat, mit der Kindesmutter bergen die direkte Gefahr einer Retraumatisierung der Kindesmutter und Destabilisierung des familiären Umfeldes mit unmittelbaren Auswirkungen für das Kind, für das Umgang verlangt wird.
Das Wissen, dass keine tatsächliche körperliche Gefahr für das Kind bestehen mag, ändert nichts an dem Einfluss, den ein direkter Kontakt mit dem Kind auf die emotionale Erlebenswelt der Kindesmutter und der Schwester des Kindes haben würde. Dies gilt auch für begleitete Umgänge.
(Leitsätze der Redaktion)
Beschluss des OLG Köln vom 29.09.2022 – II-14 UF 57/22, 14 UF 57/22

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des AG Grimma

Auflage an den Kindsvater, beim Umgang nicht zu jammern

Der Vater wird beauftragt, es zu unterlassen, gegenüber dem Kind negativ über die Mutter zu sprechen, Handlungen der Mutter negativ zu bewerten und darzustellen, über seine vergangene, aktuelle und zukünftige Situation zu jammern und traurige Gefühle im Beisein des Kindes auszuleben.
Der Vater wird beauftragt, die Umgänge alleine wahrzunehmen. Mit Ausnahme des Umgangspflegers dürfen keine weiteren Personen an den Umgängen teilnehmen.
Der Vater hat es zu unterlassen, Bilder und Fotos des Kindes und des Umgangspflegers in sozialen Netzwerken zu veröffentlichen.
Der Umgangspfleger wird verpflichtet, den Umgang abzubrechen, wenn der Vater die vorgenannten Auflagen missachtet oder mit dessen Fortführung eine Gefährdung des Kindeswohls verbunden ist.
(Aus dem Tenor)
Beschluss des AG Grimma vom 19.12.2022, 1 F 607/19

Preis: 3.00 EUR

Urteil des BGH

Schwangere Schöffin kann auch bei Beschäftigungsverbot richten

Das einer ehrenamtlichen Richterin nach § 16 Abs. 1 MuSchG ausgesprochene Beschäftigungsverbot führt nicht zu einem Mitwirkungsverbot in der Hauptverhandlung und berührt deshalb den Gewährleistungsgehalt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht.
Dass eine Schöffin aufgrund einer Schwangerschaft aus gesundheitlichen Gründen nicht geeignet sein sollte, das Schöffenamt auszuüben, liegt auch in Fällen des § 16 MuSchG regelmäßig fern.
Eine Strafkammer ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dazu verpflichtet, die Schwangerschaft einer Berufsrichterin oder Schöffin offenzulegen oder Fragen der Verfahrensbeteiligten dazu zu beantworten; jedenfalls bei einer Schöffin gilt Gleiches im Hinblick auf etwaige ärztliche Beschäftigungsverbote nach § 16 MuSchG.
Urteil des BGH v. 30.09.2021, 5 StR 161/20

Aus den Gründen:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt, Einziehungsentscheidungen getroffen und ihn von weiteren Vorwürfen freigesprochen. […] Die mit der Verfahrensrüge sowie der allgemeinen Sachrüge geführte Revision des Angeklagten zeigt keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf.

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des BGH

Strafbarkeit bei heimlich ungeschütztem Geschlechtsverkehr („Stealthing“)

Der gegen den erkennbaren Willen der Frau heimlich ohne Kondom ausgeführte Geschlechtsverkehr (sogenanntes „Stealthing“) stellt eine sexuelle Nötigung gem. § 177 Abs. 1 StGB dar. Auch die Verwirklichung des Regelbeispiels gem. § 177 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 StGB (Vergewaltigung) kommt in Betracht.
(Leitsatz der Redaktion)
Beschluss des BGH vom 13.12.2022 – 3 StR 372/22

Hinweis der Redaktion:
Siehe auch Beschluss des OLG Schleswig vom 19.03.2021 – 2 OLG 4 Ss 13/21 – in STREIT 2021, 63ff.

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Beschluss des VG Minden

Gewerbeerlaubnis für Prostitution nur bei gewährleistetem Notfallruf

Prostitutionsstätten müssen über ein „sachgerechtes Notrufsystem“ verfügen.
Sachgerecht sind allein solche Notrufsysteme, welche im Fall eines Übergriffs effektiven Schutz bieten. Dazu gehört nicht nur die jederzeit mögliche Absetzung des Notrufs, sondern auch die Gewährleistung, dass das Absetzen eines Notrufs automatisch Folgemaßnahmen auslöst, die dazu führen, dass der in Not geratenen Prostituierten im Fall eines Übergriffs schnell und erfolgversprechend geholfen wird. Hierzu bedarf es einer im Einzelnen und im Voraus festgelegten Interaktionskette, an deren Ende in jedem Fall schnellstmögliche und adäquate Hilfe geleistet wird.
Eine solche effektive Hilfe kann grundsätzlich nur durch im Betrieb anwesende und jederzeit verfügbare Personen, welche unmittelbar durch Auslösen des Notrufs alarmiert werden und jederzeit unverzüglich Zutritt zur Räumlichkeit der sexuellen Dienstleistung haben, geleistet werden. Auch muss die alarmierte Person gemäß § 25 Abs. 2 ProstSchG über die erforderliche Zuverlässigkeit verfügen.
In keinem Fall sachgerecht ist ein Notrufkonzept, nach dem die Hilfeleistung durch andere im Betrieb anwesende Prostituierte erfolgen soll.
(Leitsätze der Redaktion)
Beschluss des VG Minden vom 16.05.2023, 3 L 276/23

Preis: 3.00 EUR

Urteil des VG Regensburg

Flüchtlingseigenschaft für Mädchen wegen Gefahr der Genitalverstümmelung in Äthiopien und Somalia

1. Unbeschnittenen Mädchen/jungen Frauen droht sowohl in Äthiopien als auch in Somalia Genitalverstümmelung.
2. Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht aufgrund der Angewiesenheit auf die Clanstruktur ethischer Somalis in Äthiopien auch dann nicht, wenn die Eltern die Genitalverstümmelung ablehnen.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des Bayerischen VG Regensburg vom 13.10.2022, RN 16 K 19.32175

Zum Sachverhalt:
[…] Die Klägerin ist […] Tochter einer äthiopischen Staatsangehörigen somalischer Volkszugehörigkeit und eines somalischen Staatsangehörigen, der der Volksgruppe der Tumaal angehört. […] Die Mutter der Klägerin ist im Rahmen der Anhörung zu ihrem eigenen Asylantrag […] auch zu der Praxis der Genitalbeschneidung befragt worden. Diesbezüglich trug sie vor, dass sie im Falle der Rückkehr nach Äthiopien Angst habe, dass ihre Tochter vergewaltigt oder beschnitten werde. Außerdem sei der Vater der Tochter in den Augen ihrer Familie nicht würdig. Danach gefragt, wie sie zu dem Thema der Beschneidung stünde, erklärte die Mutter der Klägerin, dass sie diese total ablehne, sie habe die Erfahrung selbst durchgemacht. Ihren Ehemann gehe das Thema nichts an, er habe dazu nichts zu sagen, er bestimme das bei ihrer Tochter nicht. Ihre eigene Mutter erkläre die Beschneidung mit der Tradition, ohne Beschneidung könne eine Frau nicht heiraten. Das sei eine falsche Sitte. […] Die Großmutter der Klägerin vertrete zudem die Auffassung, eine Beschneidung sei Voraussetzung für die Ehefähigkeit einer Frau und entspräche der Tradition. Im Falle der Unterstützung durch die Familie wäre die Klägerin damit der Gefahr der Beschneidung ausgesetzt.

Preis: 3.00 EUR

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V.

Empfehlungen für eine Reform des Familien- und Familienverfahrensrechts unter Berücksichtigung von häuslicher Gewalt (Auszug)

Vorbemerkungen
Eine Reform des Sorge-, Umgangs- und Unterhaltsrechts wird seit einigen Jahren intensiv diskutiert. Nunmehr ist eine Modernisierung des Familienrechts auch im aktuellen Koalitionsvertrag festgehalten. Der Deutsche Verein weist ausdrücklich darauf hin, dass bei den anstehenden Diskussionen um eine umfassende Reform des Familienrechts und Familienverfahrensrechts insbesondere auch auf die Fälle zu schauen ist, in denen aus unterschiedlichen Gründen die gemeinsame Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung nicht im Sinne des Kindeswohls ist oder nicht verwirklicht werden kann. Dabei ist vor allem die Situation von Elternteilen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, und deren Kinder in den Blick zu nehmen. In der deutlichen Mehrzahl der angezeigten Fälle von häuslicher Gewalt sind die Opfer weiblich. Häufig handelt es sich bei häuslicher Gewalt auch um geschlechtsspezifische Gewalt.(…)
Der aktuelle Koalitionsvertrag enthält zu diesem Thema Folgendes: „Wenn häusliche Gewalt festgestellt wird, ist dies in einem Umgangsverfahren zwingend zu berücksichtigen.“ Inwieweit dies ausreichend ist, um den Gewaltschutz und die Bedarfe der von häuslicher Gewalt betroffenen Personen und deren Kinder angemessen zu berücksichtigen, kann durchaus hinterfragt werden. Welche Maßnahmen aus Sicht des Deutschen Vereins notwendig sind, ist Gegenstand der vorliegenden Empfehlungen.

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VAMV-Bundesverband e.V.

Unterhaltsrecht: Reform muss an Lebensrealität anknüpfen, um Existenz von Kindern nicht zu gefährden

Bundesjustizminister Buschmann will in Trennungsfamilien mitbetreuende Elternteile beim Unterhalt entlasten und damit für Väter Anreize setzen, sich nach einer Trennung stärker in die Betreuung einzubringen, wie er in einem Zeitungsinterview angekündigt hat. Hierzu erklärt Daniela Jaspers, Bundesvorsitzende des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV):
„Die Reform muss sich an der Lebensrealität von Familien orientieren, statt an einem Leitbild von Gleichstellung, das meistens vor einer Trennung gar nicht gelebt wurde. Sonst sieht der VAMV eine große Gefahr für den weiteren Anstieg der Armutsgefährdung von Einelternfamilien. Wer Anreize für Väter setzen möchte, sich stärker in der Erziehung und Betreuung zu engagieren, sollte in Paarfamilien beginnen und Fehlanreize wie das Ehegattensplitting verabschieden, statt das Pferd von hinten aufzuzäumen.“

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Deutscher Juristinnenbund e.V.

5 Irrtümer über das Ehegattensplitting

I. Zur Regelung und den Wirkungen des Ehegattensplittings
Das Ehegattensplitting ist eine steuerliche Vergünstigung für verheiratete Paare. Das Einkommen der Eheleute wird gemeinsam veranlagt mit zwei wesentlichen Auswirkungen:
– Der Grundfreibetrag und andere steuerliche Abzugsbeträge werden verdoppelt.
– Die Progressionswirkung des Steuertarifsystems wird deutlich gemindert.
Beim Splitting wird das Einkommen beider Partner* innen fiktiv zusammengerechnet, rechnerisch halbiert und dann der Grundtarif auf jeweils die Hälfte des Einkommens berechnet. Tatsächlich steht das Einkommen in der Regel der Person zu, die es erzielt, und nicht etwa beiden Eheleuten gleichermaßen.
Der finanzielle Vorteil fällt umso höher aus, je ungleicher die Eheleute zum Einkommen des Haushaltes beitragen und je höher das Bruttohaushaltseinkommen ist. Bereits bei einem geringen zweiten Einkommen sinkt der Splittingvorteil im Vergleich zur Einverdienstehe erheblich.

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CEDAW-Allianz Deutschland

Alternativbericht CEDAW

bezugnehmend auf den 9. Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen der VN zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW),
April 2023 (Auszug)

5. GEWALT GEGEN MÄDCHEN* UND FRAUEN*
Hilfestrukturen für gewaltbetroffene Frauen* und Mädchen*
Bundesweit gibt es kein flächendeckendes Netz an spezialisierten Fachberatungsstellen, um zeitnah Hilfe und Unterstützung erhalten zu können. Daneben existiert kein barrierefreies und mehrsprachiges Netz an Hilfeangeboten auch über die Fachberatungsstellen hinaus (Gesundheitsangebote für Frauen*, Spurensicherung, Traumahilfe, ausreichend Therapieplätze, Täterberatung etc.). Zusätzlich fehlen intersektionale, inklusive, regelfinanzierte Maßnahmen im Kontext Gewaltschutz, so dass nicht allen Frauen* und deren Kindern Schutz und Unterstützung auf gleichem, qualitativen Niveau ermöglicht wird. Dies betrifft Frauen* mit Behinderungen, Frauen* mit Flucht- oder Migrationsgeschichte, wohnungslose Frauen*, Frauen* mit Suchtgefährdung und Menschen mit diversen geschlechtlichen Identitäten und Körpern, queere Frauen* und Mädchen*.

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Bündnis Istanbul-Konvention

Bündnis Istanbul-Konvention lehnt GEAS-Entwurf ab

Gemeinsames Statement zu den Konsequenzen des geplanten EU-Asylkompromisses für schutzsuchende Frauen und Menschen auf der Flucht, die Mehrfachdiskriminierung erfahren (müssen)

Am 1. Juni 2023 trat die Europäische Union der Istanbul-Konvention (IK) bei. Damit ist nicht nur in Deutschland, sondern auch auf EU-Ebene der umfassende Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt gesetzlich verankert. Dieser Schutz der Istanbul- Konvention ist ausdrücklich diskriminierungsfrei für alle Frauen und Mädchen in der EU umzusetzen – auch für asylsuchende, auch für solche ohne Aufenthaltsrecht.
Nur eine Woche nach dem IK-Beitritt führt der Rat der EU-Innenminister*innen das Bekenntnis zur Istanbul-Konvention ad absurdum: Die Pläne für eine Reform des europäischen Asylsystems (GEAS), auf die sich der EU-Rat am 8. Juni 2023 einigte, hebeln die Menschenrechte von Geflüchteten und dabei besonders von vulnerablen Gruppen wie asylsuchenden Frauen, Müttern, Mädchen, Kindern, Menschen mit Behinderungen und Menschen aus den LSBTIQA* Communitys aus. Wird der Plan des EU-Rats Realität, wird der völkerrechtliche Auftrag zum Gewaltschutz in sein Gegenteil verkehrt. Das Bündnis Istanbul-Konvention lehnt die Pläne des EU-Rats ab. Zu erwarten ist nicht eine bessere Asylpolitik, sondern eine weitere Eskalation der Gewalt an den EU-Außengrenzen.

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Tatjana Volk

Bericht zum 47. Feministischen Juristinnen*tag 2023 in Frankfurt a.M.

Der Tagungsort des 47. Feministischen Juristinnen*- tags im Jahr des Jubiläums zum 40-jährigen Bestehen der STREIT hätte mit Frankfurt am Main, dem Gründungs- und Verlagsort der Zeitschrift, nicht besser gewählt werden können. Die Frankfurt University of Applied Sciences öffnete ihre Türen für die rund 330 Teilnehmerinnen*, denen ein spannendes Programm geboten wurde. Ich war zum ersten Mal dabei und freute mich auf den Input und den spannenden Austausch mit anderen feministischen Juristinnen*. Dass dies wohl auch vielen Anderen so ging, zeigt sich schon an den Anmeldezahlen. Knapp 500 Personen hatten sich angemeldet – ein fantastisches Zeichen für die feministische Rechtswissenschaft. Aus Kapazitätsgründen musste die Anzahl der Teilnehmerinnen* jedoch leider begrenzt werden.

Den Auftakt des FJT bildeten die Einführungs-AGs und alternativ ein Kulturprogramm mit Führungen durch die Stadt und Ausstellungen. Für Neulinge wie mich wurde die Einführung in den FJT für Neueinsteigerinnen* angeboten, bei der RAin Heike von Malottki und RAin Sabine Rechmann die Geschichte und Struktur des FJT vorstellten und von ihren eigenen Erfahrungen der letzten Jahre berichteten. Der Hörsaal war mit über 60 Neueinsteigerinnen* komplett gefüllt. Als eine kurze Diskussion um den Adressatinnen*kreis aufkam, erwies sich die selbstorganisierte Struktur des FJT als praktisch. Die Anmerkungen wurden konstruktiv aufgenommen und auf das Plenum des FJT verwiesen, in das jede Teilnehmerin* Themen zur Diskussion und Abstimmung einbringen kann.

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Resolutionen und Fachstellungnahmen des 47. FJT, 13. Mai 2023

Resolutionen

Resolution des 47. FJT anlässlich der feministischen Proteste in Iran

Der FJT solidarisiert sich mit der feministischen Revolution im Iran und fordert die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen im Iran.

Wir fordern, dass das Auswärtige Amt in seinen Lageberichten zu asyl- und abschieberelevanten Situationen die Berichte folgender Organisationen berücksichtigt:
– Hengaw Organization for Human Rights
– HRANA (Human Rights Activists News Agency)
– Center for Human Rights in Iran

Außerdem fordern wir, dass das Auswärtige Amt sowie die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland im Iran spezifisch die Situation von Frauen*, die an den Protesten teilnehmen, beobachtet und die Erkenntnisse zeitnah in ihre Berichte aufnimmt.

Resolution des 47. FJT zu den Forderungen afghanischer Frauen

Wir unterstützen die Forderungen der afghanischen Frauen an Deutschland und die Weltgemeinschaft anlässlich des 47. Feministischen Juristinnentags.

Hinweis der Redaktion:
Die Forderungen der afghanischen Frauen sind abgedruckt in STREIT Heft 2/23, S. 94 f.

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Hinweise

WSI-Studie zu Berufschancen auf einem digitalisierten Arbeitsmarkt / Hinweis in eigener Sache

Die Soziologin Yvonne Lott kommt in ihrer Studie zur „Verwendung digitaler Technologien und Einschätzung der Berufschancen in einem digitalisierten Arbeitsmarkt“ für das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung vom Februar 2023 (siehe www.wsi.de/fpdf/HBS- 008549/p_wsi_report_81_2023.pdf) zum Schluss, dass die Digitalisierung die Geschlechterungleichheit auf dem Erwerbsarbeitsmarkt erhöht. Der Digital Gender Gap benachteilige Frauen im Erwerbsleben. Frauen nutzten bei der Erwerbsarbeit seltener spezielle Software und vernetzte digitale Technologien als Männer. Am größten sei der digitale Rückstand, wenn weibliches Geschlecht und kürzere Arbeitszeit zusammenkommen. Insbesondere Teilzeitbeschäftigte würden daher auf dem Erwerbsarbeitsmarkt in Zukunft weniger Chancen haben. Gezielte Weiterbildungen seien nötig. Qualifizierungsmaßnahmen hätten aber seit langem eine geschlechtsspezifische Schlagseite: Frauen erhielten seltener und kürzere Weiterbildungen als Männer, und diese erhöhten auch seltener die Chance auf Beförderung oder Lohnerhöhungen.

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Ausgabe 4

Inhalt

Ausgabe 4/2023

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Frau! Leben! Freiheit!

Narges Mohammadi erhält den Friedensnobelpreis 2023 – auch für die Bewegung „Frau – Leben – Freiheit“

Nobelstiftung
„Frau – Leben – Freiheit“
Das norwegische Nobelkomitee hat beschlossen, Narges Mohammadi den Friedensnobelpreis 2023 zu verleihen für ihren Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen im Iran und ihren Kampf für die Förderung der Menschenrechte und der Freiheit für alle.
Der diesjährige Friedenspreis würdigt zugleich die Hunderttausende von Menschen, die im vergangenen Jahr gegen die Diskriminierung und Unterdrückung von Frauen durch das theokratische Regime im Iran demonstriert haben. Das von den Demonstrierenden gewählte Motto „Frau – Leben – Freiheit“ kennzeichnet treffend das Engagement und die Arbeit von Narges Mohammadi.
Narges Mohammadi ist eine Frau, eine Verteidigerin der Menschenrechte und eine Freiheitskämpferin. Ihr mutiger Kampf für freie Meinungsäußerung und das Recht auf Unabhängigkeit war für sie mit enormen persönlichen Kosten verbunden. Insgesamt hat das iranische Regime sie dreizehn Mal verhaftet, fünf Mal verurteilt und zu insgesamt 31 Jahren Gefängnis und 154 Peitschenhieben verurteilt.
Narges Mohammadi befindet sich noch immer im Gefängnis.
Quelle: www.nobelprize.org/prizes/peace/

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Kerstin Feldhoff

Entgeltgleichheit: Widerlegung der Vermutung geschlechtsbezogener Benachteiligung Anmerkung zu BAG v. 16.2.2023 – 8 AZR 450/21

Sachverhalt und Entscheidungsgründe – kurz skizziert

Die Beklagte betreibt ein Unternehmen in der Metall- und Elektroindustrie. Zum 1.1.2017 stellte sie einen staatlich geprüften Techniker als „Mitarbeiter Vertrieb/Außendienst“ ein. Auf Verlangen des Bewerbers erhöhte die Beklagte das Grundgehalt von ursprünglich 3500,– € brutto auf 4500,– € brutto. Dieses Gehalt erhielt der Beschäftigte bis Oktober 2017; danach erhielt er 3500,– € brutto. Für den Monat Juli 2018 wurde sein Gehalt auf 4000,– € brutto erhöht. Die Klägerin, Diplom-Kauffrau, wurde zum 1.3.2017 als „Mitarbeiterin Vertrieb/Außendienst“ eingestellt. Ihr individuell ausgehandeltes monatliches Grundgehalt betrug 3500,– € brutto. Weiterhin wurde eine unbezahlte Freistellung im Umfang von 20 Tagen pro Jahr vereinbart.
Ab 1. August 2018 trat bei der Beklagten ein Haustarifvertrag in Kraft. In Anwendung einer Deckelungsregelung i. H. v. 120,– € erhielt die Klägerin ein Monatsgrundgehalt von 3620,– € brutto. Dementsprechend erhielt auch der Mitarbeiter auf der Grundlage des Monatsgrundgehalts von 4000,– € ein um 120.- erhöhtes Grundgehalt.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des BAG

Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts

1. Eine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts wird nach § 22 AGG vermutet, wenn eine Partei darlegt und beweist, dass ihr Arbeitgeber ihr ein niedrigeres Entgelt zahlt als ihren zum Vergleich herangezogenen Kollegen/ Kolleginnen des anderen Geschlechts und dass sie die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit verrichtet.
2. Der Umstand, dass sich die Parteien eines Arbeitsvertrags im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit auf ein höheres Entgelt verständigen als der Arbeitgeber mit einer Arbeitskraft des anderen Geschlechts mit gleicher oder gleichwertiger Arbeit vereinbart, ist für sich allein betrachtet nicht geeignet, die Vermutung einer geschlechtsbezogenen Entgeltbenachteiligung nach § 22 AGG zu widerlegen.
Urteil des BAG v. 16.02.2023, 8 AZR 450/21

Aus dem Sachverhalt:
(Rn. 1) Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der geschlechtsbezogenen Diskriminierung beim Entgelt verpflichtet ist, an die Klägerin ein höheres monatliches Grundentgelt sowie eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des VG Freiburg (Breisgau)

Equal-Pay für eine Bürgermeisterin

1. Es stellt ein Indiz i. S. d. § 22 AGG dar, das eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lässt, wenn eine Bürgermeisterin auf der Grundlage eines Gemeinderatsbeschlusses während ihrer Amtszeit niedriger besoldet wurde als ihr männlicher Vorgänger in seinem letzten Amtsjahr und ihr männlicher Nachfolger von Beginn seiner Amtszeit an, obwohl es in der Zwischenzeit weder Veränderungen bezüglich des Aufgabenumfangs des Amtes noch ausschlaggebende Änderungen in der Einwohnerzahl der Stadt gegeben hat.
2. Ein Gemeinderatsbeschluss und die zugehörige Vorlage, die keinerlei Erwägungen enthalten, wieso die Bürgermeisterinstelle nach der niedrigeren der beiden in Betracht kommenden Besoldungsstufen bewertet wurde, vermögen es nicht, die Vermutung der Benachteiligung wegen des Geschlechts zu widerlegen, da hierdurch nicht nachgewiesen ist, dass das Geschlecht bei der Entscheidung keine Rolle gespielt hat.
Urteil des VG Freiburg vom 03.03.2023, 5 K 664/21 (r.k.)

Preis: 3.00 EUR

Verena von Deetzen, Eva Kocher, Oda Hinrichs

Feministische Kontroversen zur Regulierung von Live-in-care / Ein Debattenbeitrag zum Artikel von Marianne Weg in STREIT 1/2023

In vielerlei Hinsicht ist die Lage rund um die Pflege und Betreuung älterer Personen verzwickt – auch oder vor allem aus feministischer Perspektive. In aller Regel sind es Frauen, die ältere pflege- und betreuungsbedürftige Menschen pflegen und betreuen, ob unbezahlt als Angehörige oder erwerbsförmig in Pflegeeinrichtungen oder ambulanten Pflegearrangements. Das deutsche Pflegesystem baut immer noch explizit auf eine Struktur, die man „familialistisch“2 oder auch einfach patriarchal nennen kann. Dieses System, das sich auf die (überwiegend unbezahlte) Sorgearbeit von Frauen verlässt, bildet den Hintergrund für ein Arrangement,3 in dem typischerweise mittel- und osteuropäische4 Frauen abwechselnd bzw. zeitweise5 in dem Privathaushalt der zu betreuenden Person arbeiten und wohnen.
Mit diesen Arrangements hat sich auch Marianne Weg in Heft 1 der STREIT 2023 beschäftigt.6 Mit ihrer Analyse über viele der zentralen Probleme dieser Pflege-, Betreuungs- und Arbeitsform stimmen wir grundsätzlich überein. Auch sind wir uns einig, dass dringender politischer Handlungsbedarf besteht. Wie diese Regulierung jedoch erfolgen sollte, bei dieser Frage gehen die Positionen auseinander. So endet der Artikel von Marianne Weg am Ende mit einer Forderung, die wir für nicht mehr akzeptabel halten: die Forderung nach einer Einschränkung

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des BVerfG

Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen (teilweise) verfassungswidrig

1. Ehe im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG ist eine rechtlich verbindliche, im Grundsatz auf Dauer angelegte, auf freiem Entschluss beruhende, in besonderer Weise mit gegenseitigen Einstandspflichten einhergehende, gleichberechtigte und autonom ausgestaltete Lebensgemeinschaft, die durch einen formalisierten, nach außen erkennbaren Akt begründet wird.
Nach ausländischem Recht eingegangene Lebensgemeinschaften ehelicher Art unterfallen dann nicht ohne Weiteres dem Schutzbereich von Art. 6 Abs. 1 GG, wenn diese verfassungsrechtlichen Strukturprinzipien zuwiderlaufen.
2. Die Freiheit der Ehe erfordert und gestattet gesetzliche Regeln, die die als Ehe verfassungsrechtlich geschützte Lebensgemeinschaft rechtlich definieren und abgrenzen. Solche Regelungen müssen mit den Strukturprinzipien vereinbar sein und den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit genügen.
3. Der Gesetzgeber darf Ehehindernisse schaffen, um die das Institut der Ehe im Sinne der Verfassung bestimmenden Strukturprinzipien zu gewährleisten. Dazu können die autonome Entscheidung beider Eheschließenden sichernde Anforderungen an die Ehefähigkeit etwa in Gestalt von Mindestaltersgrenzen für die Eheschließung gehören.
(Amtliche Leitsätze)
Beschluss des BVerfG vom 01.02.2023, 1 BvL 7/18

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Beschluss des Hans. OLG Bremen

Keine Rückführung bei Angst des Kindes vor Gewalt gegen die Mutter

1. Der Ablehnungsgrund des Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ ist unter Berücksichtigung des Zwecks des HKÜ, eine zügige Sorgerechtsentscheidung im Herkunftsstaat zu ermöglichen, restriktiv auszulegen. (2) b) aa)
2. Der dem entführenden Elternteil obliegende Nachweis, dass die Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt, erfordert daher eine über die mit jeder Rückführung verbundenen Belastungen hinausgehende, besonders schwerwiegende Beeinträchtigung des Kindeswohls. (2) b) aa)
3. Eine solche Beeinträchtigung kann vorliegen, wenn die entführende Mutter nachweist, dass der Vater vor der Entführung in Gegenwart des betroffenen Kindes mit einer ungeladenen Pistole auf sie gezielt und abgedrückt hat und deswegen eine hohe psychische Belastung des Kindes festzustellen ist, die sich in psychosomatischen Symptomen und gravierenden Ängsten äußert, und außerdem festgestellt werden kann, dass es für die Wahrscheinlichkeit einer psychischen Dekompensation des Kindes bei der Rückkehr keine Rolle spielt, ob die entführende Mutter das Kind begleitet und das Kind dann die noch gesteigerten mütterlichen Ängste vor dem Vater erleben müsste oder ob das Kind gegen seinen Willen in die Hände des Vaters gegeben würde, vor dem es Angst hat .(2) b) bb); 2) b) cc)

Preis: 3.00 EUR

Urteil des VG Stuttgart

Flüchtlingseigenschaft für lesbische Iranerin

Die lesbische Klägerin hat begründete Furcht, bei einer Rückkehr in den Iran in schwerwiegend menschenrechtsverletzender Weise zum Opfer staatlicher psychischer und physischer Gewalt wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der homosexuellen Personen zu werden.
(Leitsatz der Redaktion)
Urteil VG Stuttgart vom 12.01.2022 – A 11 K 4437/19

Zum Sachverhalt:
Die Klägerin trägt vor, lesbisch zu sein und ihre Sexualität auf heimlichen Partys mit anderen Frauen ausgelebt zu haben. Sie sei dort heimlich gefilmt worden und als sich die Klägerin wenige Tage später in Griechenland aufgehalten habe, habe sie von ihrer Schwester erfahren, dass die Polizei mit einem Haftbefehl gegen sie gekommen sei und die Wohnung durchsucht worden sei. Der Familie wurden auf der Polizeistation Nacktfotos von der Klägerin gezeigt.

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Urteil des VG Potsdam

Flüchtlingseigenschaft für tschetschenische Frau wegen Zwangsehe, subsidiärer Schutz für Kinder wegen drohender Trennung von der Mutter

1. Die Gefahr für eine Frau, eine Zwangsheirat fortzuführen zu müssen, stellt eine Verfolgungshandlung gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 6 AsylG dar, weil die individuelle Lebensführung der Betroffenen aufgehoben wird. Ihr droht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit psychische, physische und sexuelle Gewalt gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG.
2. Drohende häusliche Gewalt und die Trennung von ihrer Mutter gegen ihren Willen und ohne Berücksichtigung ihrer Belange stellt für die Minderjährigen einen schwerwiegenden Eingriff in ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit, Art. 2 EMRK, in ihr Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, Art. 8 EMRK und eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AsylG dar.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des VG Potsdam vom 08.06.2022, VG 16 K 3097/17.A

Preis: 3.00 EUR

Urteil des BGH

AStA darf kritisch über „Pick-Up-Artist“ berichten

1. Unterlassungsansprüche von Studierenden gegen ihre verfasste Studierendenschaft wegen Berichterstattung in deren Mitgliederzeitschrift (AStA-Zeitung) oder wegen sonstiger Verlautbarungen unterfallen dem öffentlichen Recht.
2. Die Studierendenschaft nimmt insoweit eine öffentliche Aufgabe wahr; auf die Ausübung eigener Kommunikationsfreiheiten kann sie sich nicht berufen. Ein sog. allgemein-politisches Mandat steht ihr nicht zu. Soweit die Studierendenschaft Meinungen Dritter zur Diskussion stellt, ist ihr äußerste Zurückhaltung sowie eine am Neutralitätsgebot orientierte Berücksichtigung der verschiedenen Sichtweisen abzuverlangen.
3. Zur Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen einerseits und der Wahrnehmung der sozialen Belange der Studierenden durch die Studierendenschaft andererseits (hier: Berichterstattung über sog. „Pick-Up-Artists“).
BGH, Urteil vom 08.11.2022, VI ZR 65/21

Aus dem Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die beklagte Studierendenschaft auf Unterlassung einer identifizierenden Wort- und Bildberichterstattung in zwei Artikeln in deren Mitgliederzeitschrift („AStA-Zeitung“) in Anspruch.

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Rechtsanwaltskammer Berlin

Berufsbezeichnung „Rechtsanwält*in“

Bis zum Jahr 2007 verwendete die BRAO ausschließlich die Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“. Die Verwendung des generischen Maskulinums war auch nicht zu beanstanden, da mit dieser Verwendung gemäß den anerkannten juristischen Auslegungsmethoden erkennbar kein geschlechtsspezifischer Aussagegehalt verbunden war. Nach dem Dritte-Options-Beschluss des BVerfG (BVerfG, Beschluss vom 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16) hat eine verfassungsmäßige Auslegung der von Ihnen zitierten Norm dahingehend zu erfolgen, dass nunmehr in der Berufsordnung benannten Berufsbezeichnungen „Rechtsanwalt“ und „Rechtsanwältin“ nicht abschließend sind.
Die von unserem Mitglied verwendete Berufsbezeichnung „Rechtsanwält*in“ ist auch nicht geeignet, das Ansehen des Anwaltstandes zu gefährden, sondern ist Ausdruck des grundgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrechts.
Mitgeteilt von Rechtsanwält*in Ronska Grimm

Preis: 3.00 EUR

Zum Tod von

Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit

Die unermüdliche Kämpferin für Frauenrechte ist am 2. September 2023 gestorben. Geboren 1932 gehörte sie zur ersten Generation junger Juristinnen, die sich entschlossen für Frauenrechte einsetzte. Dies war eine Pionierarbeit, waren doch in der NS-Zeit Frauenrechte weitgehend abgeschafft worden, viele Akteurinnen der alten Frauenbewegung vertrieben, ermordet und ihre Organisationen verboten worden.
Mit ihrem Lebensentwurf als geschiedene alleinerziehende und trotzdem beruflich erfolgreiche Mutter dreier Kinder verstieß Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit mutig gegen gesellschaftliche Normen der damaligen Zeit. Sie verlangte und erreichte leitende Positionen in der Gerichtsbarkeit und Politik, die Frauen ihrer Generation fast vollständig verschlossen waren.

Preis: 3.00 EUR

Hinweis

Claudia Goldin erhält den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften

Die 1946 geborene Wirtschaftshistorikerin Claudia Goldin ist die erste Frau, die den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften allein erhalten hat, und sie ist die dritte Frau überhaupt, der der Preis, der seit 1969 verliehen wird, zuerkannt wurde. Auch war sie 1990 die erste Frau, die an der Eliteuniversität Harvard eine unbefristete Professur im Bereich der Wirtschaftswissenschaften erhielt.
Gewürdigt wird von der schwedischen Königlichen Akademie der Wissenschaften, dass Claudia Goldin mit ihren Forschungen Barrieren und Ermöglichungsfaktoren für die Erwerbsbeteiligung von Frauen aufgezeigt und Ursachen des fortbestehenden Gender Gaps analysiert hat.

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Literaturhinweise

Abramowski, Ruth / Lange, Joachim / Meyerhuber, Sylke / Rust, Ursula (Hg.): Gewaltfreie Arbeit – Arbeit der Zukunft, Loccumer Protokolle Band 72/2021, Rehburg- Loccum 2022, Download unter: www.loccum. de/publikationen/9783817272211/

Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hg.): Spiecker gen. Döhmann, Indra / Towfigh, Emanuel V.: Automatisch benachteiligt. Das AGG und der Schutz vor Diskriminierung durch algorithmische Entscheidungssysteme. Rechtsgutachten im Auftrag der ADS, April 2023

Auer, Katja von / Micus-Loos, Christiane / Schäfer, Stella / Schrader, Kathrin (Hg.): Intersektionalität und Gewalt. Verwundbarkeiten von marginalisierten Gruppen und Personen sichtbar machen, Unrast Verlag, Münster 2023

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Hinweis in eigener Sache

STREIT auf neuen Wegen und mit neuen Preisen

Wie wir im letzten Heft 3/2023 bereits angekündigt haben, wird die STREIT – Feministische Rechtszeitschrift – zum Jahreswechsel mit Heft 1/2024 die Produktion und den Vertrieb wechseln. Der Fachhochschulverlag in Frankfurt/M., der uns seit vielen Jahren begleitet und unseren Satz, die Herstellung und den Vertrieb der STREIT übernommen hatte, übergibt seine Aufgaben an einen neuen Verlag. Wir gehen deshalb ebenfalls mit. Wir danken an dieser Stelle dem Fachhochschulverlag in Frankfurt am Main mit Prof. Ulrich Stascheit, Sarah Kalck und Jutta Parthe herzlich für die jahrelange sehr gute Zusammenarbeit.
In diesem Zusammenhang mussten wir auch die Preise neu berechnen und müssen nun wegen der gestiegenen Kosten unsere Preise zum ersten Mal seit sehr vielen Jahren erhöhen.

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