Ausgabe 2

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Ausgabe 2/2025

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Editorial

Immer wieder müssen wir uns mit Gewalt gegen Frauen (und Kinder) auseinandersetzen, Kerstin Feldhoff führt uns in ihrem Beitrag „Sorge- und Umgangsrecht bei Partnerschaftsgewalt: Frauen- und Kinderrechte effektiv schützen“ die dringende Notwendigkeit vor Augen, die Istanbul-Konvention in Sorge- und Umgangsrechtsverfahren zu beachten.

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Kerstin Feldhoff

Sorge- und Umgangsrecht bei Partnerschaftsgewalt: Frauen- und Kinderrechte effektiv schützen

Einleitung
Das Übereinkommen des Europarats vom 11.5.2011 „Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ (Istanbul-Konvention) ist am 1.2.2018 für Deutschland im Range eines Gesetzes in Kraft getreten. Zweck des Übereinkommens ist es, „Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen“ (Art. 1 Abs. 1 a) IK). Unter den Begriff „häusliche Gewalt“ fällt u. a. „körperliche, sexuelle psychische oder wirtschaftliche Gewalt zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen bzw. Partnern“, darüber hinaus auch Gewalt zwischen Eltern und Kindern oder zwischen anderen Familienangehörigen eines Haushalts (Art. 3 b) IK). Der Beitrag behandelt alle Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt i. S. d. Art. 3 a, d IK in (heterosexuellen) Partnerschaften. In Orientierung an der aktuellen polizeilichen Kriminalstatistik des BKA werden bestehende oder aufgelöste Paarbeziehungen erfasst (Ehe, geschiedene Ehe, nicht eheliche Lebensgemeinschaft, nicht eheliche Lebensgemeinschaft nach Trennung).

Preis: 3.00 EUR

Theresia Degener, Vanessa Bliecke

Für ein diskriminierungsfreies neues Abtreibungsrecht: Ein Plädoyer gegen die Aufnahme einer embryopathischen Indikation

Die Diskussion um eine Neuregelung des Abtreibungsrechts in Deutschland hat durch einen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf neue Dynamik gewonnen (ausführlich dazu Godau). Der Vorschlag stützt sich auf den im April 2024 veröffentlichten Abschlussbericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin, bleibt aber hinter dessen Empfehlungen zurück. Eine kontroverse Frage wird – wie bereits im Bericht der Expertenkommission – allerdings nicht final beantwortet: Ist es zulässig, einen gesonderten Erlaubnistatbestand für sogenannte embryopathische Abtreibungen aufzunehmen, also die Abtreibungsmöglichkeiten zu erweitern, wenn bei dem Fötus/ Embryo eine potenzielle Behinderung festgestellt wird? Problematisch ist dabei insbesondere die eigenständige embryopathische Indikation, die an die Lebensqualität des Ungeborenen und nicht der Schwangeren anknüpft.

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des OLG Saarbrücken mit Anmerkung

Zur Amtsaufklärungspflicht beim Verdacht auf häusliche Gewalt gegen die Mutter – und Keine Schutzwirkung durch eine Sorgerechtsvollmacht

1. Wendet der betreuende Elternteil erlittene häusliche Gewalt ein, so verstärkt die Ausstrahlungswirkung von Art. 31 der Istanbul-Konvention zum einen die Amtsermittlungspflicht des Familiengerichts in diese Richtung, zum anderen wirkt jene Norm auch materiell rechtlich auf die Voraussetzungen der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge (hier nach § 1626a Abs. 2 BGB) ein; insbesondere darf es diesem Elternteil nicht als mangelnde Kooperationsbereitschaft ausgelegt werden, wenn er sich gegenüber dem anderen Elternteil aufgrund – erwiesenermaßen – erlebter häuslicher Gewalt ablehnend verhält (vgl. EGMR vom 10.11.2022 – 25426/20).
2. Außerdem kann der gewaltbetroffene Elternteil in der Regel nicht zu einer „Restkooperation“ mit dem anderen Elternteil verpflichtet werden, sodass selbst eine ihm vom anderen Elternteil umfassend erteilte Sorgevollmacht eine Alleinsorge des betreuenden Elternteils häufig nicht entbehrlich machen wird.
Beschluss des OLG Saarbrücken vom 22.04.2024 – 6 UF 22/24

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des OLG Nürnberg

Kriterien für den Umgangsausschluss bei Gewalt gegen die Mutter

1. Ab welcher Dauer ein Umgang „für längere Zeit“ ausgeschlossen wird, hängt vom kindlichen Zeitempfinden ab.
2. Nach Art. 31 Abs. 1 der Istanbul Konvention sind bei miterlebter häuslicher Gewalt die beim Kind fortbestehenden Belastungen in der Vergangenheit sowie die Gefahren wegen andauernder Angst und Bedrohung zu berücksichtigen.
3. Der gewaltausübende Elternteil muss dem Kind die emotionale Sicherheit vermitteln, die es durch die miterlebte Gewalt verloren hat. Wenn er die Gewalt abstreitet, dem Kind gegenüber bagatellisiert, seine Belastung nicht sieht und aufgreifen kann, den anderen Elternteil in Gesprächen mit dem Kind herabwürdigt oder verbal attackiert oder erneute Gewalttaten zu befürchten sind, wird dies in der Regel ausgeschlossen sein.
Beschluss des OLG Nürnberg vom 16.05.2024 – 11 UF 329/24

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des AG-FamG Leipzig

5.000 EUR Ordnungsgeld wegen Verstoß gegen Gewaltschutzanordnung

1. Gegen den Antragsgegner wird wegen Verstoß gegen Ziffer 1.1. und Ziffer 1.2. des Beschlusses vom 09.12.2024 ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR festgesetzt. Für den Fall, dass das verhängte Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, wird für je 100 EUR ein Tag Ordnungshaft angeordnet.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Ordnungsmittelverfahrens.
3. Der Verfahrenswert beträgt 5.000 Euro.
Beschluss des AG Leipzig, Familiengericht, vom 05.02.2025, 332 F 4067/24

Aus den Gründen:
Der Antragsgegner hat den Bestimmungen aus dem Beschluss vom 09.12.2024 schuldhaft zuwidergehandelt, in dem er nach der eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin vom 08.01.2025 am 24.12. und am 25.12.2024 am Wohnhaus der Eltern der Antragstellerin erschien und die Antragstellerin zu sprechen verlangte. In einer E-Mail vom 27.12.2024 habe der Antragsgegner der Antragstellerin gedroht, einen Molotow-Cocktail auf das Wohnhaus ihrer Eltern zu werfen. Seit dem 09.12.2024 habe sie nahezu täglich E-Mails des Antragsgegners mit Drohungen und Beleidigungen erhalten.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des SG Karlsruhe

Kein Zutrittsrecht des Jobcenters zu Wohnräumen in Frauenhäusern

1. § 17 Abs. 2 SGB II stellt keine gesetzliche Ermächtigungslage für Träger der Grundsicherung nach dem SGB II dar, um Wohnräume in Frauenhäusern zu durchsuchen.
2. Das Jobcenter einer Zufluchtskommune kann die Kosten für die Unterbringung und Betreuung von Frauen und Kindern im Frauenhaus auch vom Jobcenter der Herkunftskommune gemäß § 36a SGB II erstattet verlangen, falls das Jobcenter der Zufluchtskommune mit dem örtlichen Frauenhaus nicht gemäß § 17 Abs. 2 SGB II vereinbart hatte, dass Mitarbeiter des Jobcenters Wohnräume des Frauenhauses betreten dürfen.
Urteil des SG Karlsruhe vom 17.09.2024, S 12 AS 1843/22

Aus dem Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für die Unterbringung und Betreuung in einem Frauenhaus […]. Beide Beteiligte sind Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Preis: 3.00 EUR

Urteil des ArbG Siegburg

Fristlose Kündigung wegen sexueller Belästigung auf Betriebsfeier

1. Eine sexuelle Belästigung i. S. v. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB geeignet.
2. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es angesichts der Schwere der Pflichtverletzung nicht (hier: Schlag auf den Po, Zurückziehen am Hals). Gerade aus einer Alkoholisierung des Täters, die enthemmtes Verhalten fördern kann, ergibt sich eine Wiederholungsgefahr.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des ArbG Siegburg vom 24.07.2024, 3 Ca 387/24

Aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen nach Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung […]. Der verheiratete und zumindest einem Kind unterhaltspflichtige Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.03.2023 als Standortakquisiteur im Außendienst beschäftigt.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des VG Stuttgart

Flüchtlingseigenschaft für im Irak von Genitalverstümmelung bedrohtes Mädchen

1. Geschiedene und alleinstehende Frauen mit mehreren Kindern sind auf die Unterstützung ihrer Familien angewiesen, so dass sie nicht in der Position sind, sich dem familiären Druck, ihre Töchter beschneiden zu lassen, zu widersetzen.
2) Trotz eines seit 2011 bestehenden Verbotsgesetzes im Irak gilt die weibliche Genitalverstümmelung in der breiten Gesellschaft weiterhin als religiöse und moralische Pflicht.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des VG Stuttgart vom 19.01.2024, A 2 K 2161/22

Zum Sachverhalt:
Bei der Klägerin handelt es sich um eine am 25.09.2021 in Deutschland geborene irakische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Die Asylanträge der Eltern wurden bestandskräftig abgelehnt, für die Klägerin wurde ein Asylverfahren nach § 14a Abs. 2 AsylG eingeleitet. Bei der Anhörung durch das Bundesamt gab die Mutter der Klägerin an, dass sie selbst beschnitten worden sei und sie nicht möchte, dass das ihren Töchtern widerfahre.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des VG Würzburg

Flüchtlingseigenschaft für äthiopische Frau, die dem Volk der Tigray angehört

1. Weibliche Personen, die dem Volk der Tigray angehören, sind im Norden Äthiopiens als soziale Gruppe von sexualisierter Gewalt bedroht.
2. In Äthiopien existieren inländische Fluchtalternativen; es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass eine Frau mit Kindern im Kleinkindalter und ohne soziales Netzwerk trotz abgeschlossener Berufsausbildung das Existenzminimum sichern kann.
(Leitsätze der Redaktion)
VG Würzburg, Urteil vom 02.07.2024 – W 3 K 22.30534

Zum Sachverhalt:
Die äthiopische Staatsangehörige, orthodoxe Christin und dem Volk der Tigray zugehörige Klägerin stellte einen Asylantrag und trug vor, dass sie aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit von Soldaten fast vergewaltigt und ihr kleiner Bruder getötet worden sei. Der Soldat habe ihr gedroht, sie bei seiner Rückkehr zu vergewaltigen. Die Klägerin hat eine abgeschlossene Berufsausbildung als Krankenpflegerin und zwei Kinder im Kleinkindalter.

Preis: 3.00 EUR

Hinweise

Deutscher Juristinnenbund (djb): Aus gleichstellungspolitischer Sicht weist der Koalitionsvertrag nach Einschätzung des Deutschen Juristinnenbunds (djb) schwerwiegende Leerstellen auf

bff: Frauen gegen Gewalt e.V.: Die Suse-Standards für Gewaltschutz in Einrichtungen

Deutscher Frauenrat: Strategien gegen den Backlash bei UN-Frauenrechtskommission

Deutsches Institut für Menschenrechte: Monitor Gewalt gegen Frauen

Hate Aid und TU-München: Angegriffen & alleingelassen. Wie sich digitale Gewalt auf politisches Engagement auswirkt. Ein Lagebild

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI): Technische Anlaufstelle für Betroffene von digitaler Gewalt in Partnerschaften

Familienrecht in Deutschland: Macht und Kontrolle in familienrechtlichen Verfahren in Deutschland

Studien des gemeinwohlorientierten Medienhauses CORRECTIV:
– Keller, Gabriela: Väterrechtler auf dem Vormarsch
– Keller, Gabriela/Lenz, Miriam: Glaube und Geld: Wie die religiöse Rechte aus den USA Europa finanziell unterwandert

Lucy Chebout: Stiefmütterliche Behandlung

Deutscher Bundestag: Mutterschutzfristen nach einer Fehlgeburt

Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen beim BMFSFJ: Leitideen und Rechtsrahmen für eine familiengerechte Arbeitswelt

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