2025

Ausgabe 1

Inhalt

Ausgabe 1/2025

PDF-Download

Editorial

Am 6. November 2024 gab es nicht nur negative Nachrichten, sondern auch gute: Unserer Redakteurin Susette Jörk aus Leipzig wurde mit ihren Kolleginnen Ina Feige und Nadine Maiwald der Maria-Otto-Preis des DAV verliehen. Die ganze Redaktion gratuliert auf diesem Wege noch einmal und eröffnet diese Ausgabe mit der Laudatio von Christina Clemm und der Dankesrede von Susette Jörk.

PDF-Download

Christina Clemm

Laudatio zur Verleihung des Maria-Otto-Preises des Deutschen Anwaltvereins am 06.11.2024 an das Anwältinnenbüro Leipzig: Ina Feige, Susette Jörk, Nadine Maiwald

Sehr geehrte Anwesende, liebe Leipzigerinnen, liebe Ina, liebe Susette, liebe Nadine.
Ich wäre heute lieber zuhause geblieben, hätte mich verkrochen, geheult, vielleicht mich betrunken und mich dem Weltschmerz ergeben. Oder vielmehr in Sorge um die Welt gegrämt. An einem Tag, in dem in den USA ein Menschenverachter, ein Rassist, ein Frauenhasser an die Macht gewählt wurde, an einem Tag, an dem wir uns fragen müssen, ob Trump gewählt wurde, obwohl er all das verkörpert oder ob er vielmehr gerade deshalb gewählt wurde.

PDF-Download

Susette Jörk

Dankesrede zur Verleihung des Maria-Otto-Preises des Deutschen Anwaltvereins am 06.11.2024 an das Anwältinnenbüro Leipzig

Mit welchem Geschlecht wir geboren werden, ist vom Zufall abhängig. Es ist gar nicht einzusehen, dass dieser Zufall, der uns praktisch ereilt, bevor wir auf diese Welt kommen, darüber bestimmen soll, welchen Platz wir später in der Gesellschaft einnehmen dürfen, welche Rechte uns zukommen sollen, welchen Beruf wir ergreifen dürfen.
Vor nunmehr fast 102 Jahren erhielt mit Maria Otto erstmals eine Frau die Zulassung zur Anwaltschaft. Das scheint lange her zu sein, ist es aber nicht. Theoretisch hätten wir drei sie noch persönlich kennenlernen können – wir waren alle im fortgeschrittenen Vorschulalter, als sie verstarb und Alters- und politische Staatsgrenzen beiseite gedacht, wäre eine persönliche Begegnung doch möglich gewesen.

PDF-Download

Reingard Zimmer

Genderaspekte in der Regulierung von Lieferketten

I. Einleitung
Im Zuge der Globalisierung kam es bekanntermaßen zu verstärktem Outsourcing der Produktion, entlang der von transnationalen Unternehmen koordinierten globalen Wertschöpfungsketten sind Millionen Jobs im globalen Süden entstanden, an denen Frauen einen deutlichen Anteil haben. Insgesamt sind die Arbeitsbedingungen jedoch oftmals problematisch und viele der entstandenen Beschäftigungsverhältnisse niedrig entlohnt. Aufgrund der starken Konkurrenz versuchen transnationale Unternehmen niedrigere Preise durchzusetzen, was z.T. zu einem enormen Druck auf Zulieferer führt, die ihre Produktionskosten in erster Linie beim Faktor Arbeit reduzieren können.

Preis: 3.00 EUR

Alema Alema

Rechtslage afghanischer Frauen und Mädchen nach der Machtübernahme der Taliban

Während der Herrschaft der Islamischen Republik Afghanistan wurden im Bereich der Frauenrechte sukzessive Fortschritte erzielt. Hierzu zählte die Verabschiedung einer modernen Verfassung, welche im 2. Kapitel alle Aspekte des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte beinhaltete. In Artikel 22 der afghanischen Verfassung von 2004 heißt es, dass „die Bürger Afghanistans – Männer und Frauen – vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten haben“. Zudem wurden Staatsanwaltschaften und Spezialgerichte zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen eingerichtet. Das Engagement der Islamischen Republik Afghanistan für internationale Verträge und den rechtlichen Rahmen ebnete den Weg für eine grundlegende Unterstützung der Frauenrechte.

Preis: 3.00 EUR

Silke Studzinsky

Die Praxis der Verfolgung sexueller und reproduktiver Gewalt im Völkerstrafrecht in Deutschland

I
Seit längerer Zeit wird national und auch international immer wieder betont, dass die Verfolgung von sexueller und reproduktiver Gewalt ein Schwerpunkt im Völkerstrafrecht sein sollte und diese Straftaten zu lange zu wenig Beachtung fanden bzw. kaum ermittelt wurden. Viele Nichtregierungsorganisationen, aber auch staatliche Ermittlungsbehörden haben in den letzten Jahren dieses Thema in den Fokus genommen. Dies habe ich zum Anlass genommen, für den Feministischen Juristinnentag 2024 die Gründe dafür zu erforschen. Es gab zu dem Zeitpunkt bereits eine selbstkritische Analyse im Hinblick auf das Tribunal für das ehemalige Jugoslawien, wo ebenfalls diese Straftaten vor allem am Anfang kaum oder gar nicht ermittelt wurden, obwohl sehr viele Aussagen von Zeuginnen vorlagen und diese sogar den Anlass zur Gründung des Tribunals gaben.

Preis: 3.00 EUR

Keani Vonge, Katharina Gruber

Frankreich ergreift Maßnahmen zum besseren Schutz von Opfern häuslicher Gewalt

Seit mehreren Jahren fordern feministische Verbände in Frankreich die Einrichtung von spezialisierten Gerichten für Fälle von Gewalt an Frauen nach spanischem Vorbild.
Diese Forderung wurde in einem parlamentarischen Bericht aus dem Jahr 2023 über die Verbesserung der gerichtlichen Behandlung von häuslicher Gewalt aufgegriffen. Allerdings wurde keine besondere Gerichtsbarkeit, sondern lediglich auf häusliche Gewalt spezialisierte Abteilungen bei allen Gerichten eingeführt, die seit dem 01.01.2024 in Frankreich obligatorisch sind. Diese Abteilungen bestehen aus Gerichtsdirektor*innen, Gerichtsschreiber*innen, Jugend-, Familien- und Strafrichter*innen sowie Staatsanwält* innen. Zusätzliche finanzielle Mittel wurden nicht bereitgestellt.

Preis: 3.00 EUR

VAMV-Bundesverband

Zum Diskussionsentwurf für eine Reform des Kindschaftsrechts

Die Regierung hat die geplante Reform des Kindschaftsrechts in der 20. Legislatur nicht abgeschlossen und das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat im Nachgang den Referentenentwurf als Diskussionsentwurf veröffentlicht. Der vorgelegte Entwurf zur Modernisierung von Sorgerecht, Umgangsrecht und Adoptionsrecht hat u.a. das Ziel, den Schutz vor häuslicher Gewalt durch ausdrückliche Regelungen zur Berücksichtigung im Sorge- und Umgangsrecht zu verbessern. Dies ist erforderlich, um die in Deutschland bereits 2018 in Kraft getretene Istanbul- Konvention endlich umzusetzen. Der Entwurf enthält mit Blick auf den Gewaltschutz auf der einen Seite gute Regelungen:

PDF-Download

Beschluss des OLG Frankfurt

Alleinige Sorge wegen Gewalt gegen die Mutter, keine Pflicht zur Restkooperation

1. Vom Kindesvater verübte häusliche Gewalt, Nachstellungen und Bedrohungen gegenüber der Kindesmutter können es im Einzelfall im Hinblick auf Art. 31 GewSchÜ (Istanbul-Konvention) gebieten, das Sorgerecht für ein gemeinsames Kind auf die Mutter zur alleinigen Ausübung zu übertragen.
2. Von einem Kind miterlebte Gewalt gegen seine Mutter ist als eine spezielle Form der Kindesmisshandlung zu bewerten.
3. Der gewaltbetroffene Elternteil kann in der Regel auch nicht zu einer Restkooperation mit dem anderen Elternteil verpflichtet werden, so dass auch die Erteilung einer vom gewalttätigen Elternteil umfassend erteilten Sorgevollmacht eine Alleinsorge des betreuenden Elternteils nicht entbehrlich macht.
Beschluss des OLG Frankfurt vom 10.09.2024 – 6 UF 144/24

Aus den Gründen:
I.
Der Beteiligte zu 4. (im Folgenden Kindesvater) wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Übertragung des Sorgerechts für die vorliegend betroffenen, derzeit neun- und fünfjährigen Kinder, auf die Beteiligte zu 5. (im Folgenden Kindesmutter) allein. Die Kinder leben seit der Trennung der Eltern im Oktober 2020 bei der Kindesmutter. Die Eltern sind mittlerweile geschieden.

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des KG Berlin

Entzug der gemeinsamen elterlichen Sorge nach Gewalttaten des Vaters gegen die Mutter

Bei der Frage, ob die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben ist, sind die Wertungen von Art. 31 Abs. 2 Istanbul-Konvention zu berücksichtigen mit der Folge, dass die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben werden kann, wenn die Gewalttat so schwer war, dass vom Opfer nicht mehr erwartet werden kann, mit dem Gewalttäter in den Belangen des Kindes künftig weiter zu kooperieren.
(Aus den amtlichen Leitsätzen)
Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 19.09.2024 – 16 UF 108/24

Aus den Gründen:
Der Vater wendet sich gegen den am 10.Juni 2024 erlassenen Beschluss des Familiengerichts, mit dem die kraft Sorgeerklärung bestehende gemeinsame Sorge der nicht verheirateten Eltern für den heute (fast) sieben Jahre alten J. sowie die beiden etwas über drei Jahre alten Zwillinge Z. und A. aufgehoben und auf die Mutter allein übertragen wurde. […]

Preis: 3.00 EUR

Urteil des EuGH mit Anmerkung

Grundsatzentscheidung: Afghanischen Frauen ist Flüchtlingsschutz zu gewähren

1. Die systematische Unterdrückung von Frauen durch das Taliban-Regime in Afghanistan ist bereits für sich genommen als eine „Verfolgung“ einzustufen, da durch deren kumulative Wirkung die durch Art. 1 der Charta gewährleistete Wahrung der Menschenwürde beeinträchtigt wird. 2. Bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft für Afghaninnen muss nur das Geschlecht und die Staatsangehörigkeit herangezogen werden, spezifische Verfolgungshandlungen müssen den Antragstellerinnen nicht drohen.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des EuGH vom 4. Oktober 2024 – verbundene Rechtssachen C-608/22 und C-609/22, AH und FN – gegen Österreich

Zum Sachverhalt:
Bei AH und FN handelt es sich um zwei Frauen mit afghanischer Staatsangehörigkeit, die in Österreich auf Anerkennung als Flüchtling geklagt haben, da ihnen lediglich subsidiärer Schutz zugesprochen worden war. Sie argumentierten, dass die Situation der Frauen in Afghanistan schon allein die Gewährung des Flüchtlingsstatus rechtfertige. Der österreichische Verwaltungsgerichtshof wandte sich mit der Frage an den EuGH, ob ein EU-Mitgliedstaat einer afghanischen Frau allein aufgrund ihres Geschlechts Asyl gewähren könne.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des VG Kassel

Drohende Reinfibulation für somalische Frau nach Entbindung kann Flüchtlingseigenschaft begründen

1. Die Praxis der Reinfibulation (Wiederverschließung der Vagina) ist in Somalia verbreitet und wird auch gegen den Willen der betroffenen Frau durchgeführt. 2. Wenn an einer Frau bereits einmal ohne ihr Einverständnis eine Reinfibulation durchgeführt wurde, gilt die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 Qualifikationsrichtlinie (RL 2011/95/EU) einer erneut drohenden geschlechtsspezifischen Verfolgung.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des VG Kassel vom 1.11.2022 – 4 K 5763/17.KS.A

Zum Sachverhalt:
Die Klägerin ist somalische Staatsangehörige sunnitischen Glaubens und stellte einen Asylantrag, welcher vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge negativ beschieden wurde. In Somalia hatte die Klägerin eine Totgeburt, woraufhin bei ihr eine Infibulation ohne ihr Einverständnis durchgeführt wurde. Die Ehe mit dem damaligen Mann ist geschieden worden, in Deutschland hat sie einen Mann nach islamischem Recht geheiratet und mit ihm bereits ein Kind und erwartet ein zweites.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des LAG Baden-Württemberg mit Anmerkung

Entgeltgleichheit – Nachweis von Differenzierungsgründen

1. Wird eine Arbeitnehmerin für gleiche oder gleichwertige Arbeit geringer vergütet als die männlichen Kollegen der Vergleichsgruppe, besteht die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Geschlechts und der Arbeitgeber trägt die Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist.
2. Der Arbeitgeber muss einen konkreten Vortrag leisten, der eine wirksame Kontrolle und Nachprüfung durch die Gerichte ermöglicht. Dafür muss er darstellen, wie er die Kriterien „Berufserfahrung“, „Betriebszugehörigkeit“ und „Arbeitsqualität“ im Einzelnen bewertet und wie die Gewichtung dieser Kriterien zueinander erfolgt.

(Leitsätze der Redaktion)
Teilurteil des LAG Baden-Württemberg vom 19.06.2024, 4 Sa 26/23

Anmerkung:
Die Klägerin hatte u. a. Ansprüche auf Entgeltgleichbehandlung bei zwei Entgeltbestandteilen (Monatsgehalt und Dividendenäquivalente) geltend gemacht und darauf gestützte Vergütungsdifferenz zur männlichen Vergleichsgruppe eingeklagt und war damit erfolgreich. Das LAG Baden-Württemberg hat dabei die Rechtsprechung des EuGH und des BAG konsequent angewendet und weiterentwickelt:

Preis: 3.00 EUR

Buchbesprechung

Anke Stelkens: Alice Bertram: Zeit als Ressource im Recht

Nomos Verlag, Baden-Baden 2024

„Zeit haben“ ist eigentlich etwas Wunderbares, wird aber als solches in unserer Gesellschaft aktuell nicht selbstverständlich mit „Wohlstand“ assoziiert.

Zeit wird eher umgekehrt verstanden: „Zeit ist Geld“ – wer Zeit spart, ist effizienter und hat die Chance auf mehr Geld. „Zeit (übrig) haben“, das ist für „Loser“ oder bedeutet Leistungsverweigerung. Und das gilt heute verschärft insbesondere für Frauen und die Anforderungen an Zeiteffizienz bei unbezahlter Care- Arbeit.

PDF-Download

Heinrich-Böll-Stiftung

Anne-Klein-Frauenpreis 2025 geht an Darya Afanasyeva, Irina Alkhovka und Julia Mickiewicz aus Belarus

Die belarusischen Feministinnen und Frauenrechtsverteidigerinnen Darya Afanasyeva, Irina Alkhovka und Julia Mickiewicz erhalten den Anne-Klein-Frauenpreis 2025. Die Frauen- und Menschenrechtsverteidigerin Irina Alkhovka, die feministische Bloggerin Darya Afanasyeva und die feministische Aktivistin und Politikerin Julia Mickiewicz – sie alle sind Opfer staatlicher Verfolgung und Repressionen und aktuell gezwungen, ihre geschlechterdemokratischen Aktivitäten aus dem europäischen Exil heraus fortzuführen.

Begründung der Jury
Die studierte Journalistin Julia Mickiewicz ist seit 25 Jahren feministisch, politisch und zivilgesellschaftlich engagiert. Nach dem Wahlbetrug von Lukaschenko 2020 gründete sie die FemGroup, um feministische Perspektiven im Koordinationsrat einzubringen, der verschiedene Kräfte der demokratischen Opposition in Belarus vereint.

PDF-Download

Hinweise

medica mondiale und Medica Gjakova
Langzeitfolgen sexualisierter Kriegsgewalt in Kosovo

Deutscher Bundestag
Gewalthilfegesetz – GewHG

PDF-Download

Vorankündigung

Programm des 49. FJT am 9.–11. Mai 2025 in Halle

Nach dem außerordentlich großen FJT 2024 in Berlin wird der diesjährige 49. FJT wieder im kleineren Maßstab stattfinden. Das Anwältinnenbüro Leipzig hat dafür die Jugendherberge in Halle, Große Steinstr. 60, angemietet, wo alle schlafen und essen können und wir ein wie immer vielfältiges Programm genießen und in einen regen Austausch treten können. Die Orgagruppe Halle/Leipzig hat darüber hinaus ein ansprechendes Rahmenprogramm vorbereitet.

PDF-Download

Ausgabe 2

Inhalt

Ausgabe 2/2025

PDF-Download

Editorial

Immer wieder müssen wir uns mit Gewalt gegen Frauen (und Kinder) auseinandersetzen, Kerstin Feldhoff führt uns in ihrem Beitrag „Sorge- und Umgangsrecht bei Partnerschaftsgewalt: Frauen- und Kinderrechte effektiv schützen“ die dringende Notwendigkeit vor Augen, die Istanbul-Konvention in Sorge- und Umgangsrechtsverfahren zu beachten.

PDF-Download

Kerstin Feldhoff

Sorge- und Umgangsrecht bei Partnerschaftsgewalt: Frauen- und Kinderrechte effektiv schützen

Einleitung
Das Übereinkommen des Europarats vom 11.5.2011 „Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ (Istanbul-Konvention) ist am 1.2.2018 für Deutschland im Range eines Gesetzes in Kraft getreten. Zweck des Übereinkommens ist es, „Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen“ (Art. 1 Abs. 1 a) IK). Unter den Begriff „häusliche Gewalt“ fällt u. a. „körperliche, sexuelle psychische oder wirtschaftliche Gewalt zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen bzw. Partnern“, darüber hinaus auch Gewalt zwischen Eltern und Kindern oder zwischen anderen Familienangehörigen eines Haushalts (Art. 3 b) IK). Der Beitrag behandelt alle Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt i. S. d. Art. 3 a, d IK in (heterosexuellen) Partnerschaften. In Orientierung an der aktuellen polizeilichen Kriminalstatistik des BKA werden bestehende oder aufgelöste Paarbeziehungen erfasst (Ehe, geschiedene Ehe, nicht eheliche Lebensgemeinschaft, nicht eheliche Lebensgemeinschaft nach Trennung).

Preis: 3.00 EUR

Theresia Degener, Vanessa Bliecke

Für ein diskriminierungsfreies neues Abtreibungsrecht: Ein Plädoyer gegen die Aufnahme einer embryopathischen Indikation

Die Diskussion um eine Neuregelung des Abtreibungsrechts in Deutschland hat durch einen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf neue Dynamik gewonnen (ausführlich dazu Godau). Der Vorschlag stützt sich auf den im April 2024 veröffentlichten Abschlussbericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin, bleibt aber hinter dessen Empfehlungen zurück. Eine kontroverse Frage wird – wie bereits im Bericht der Expertenkommission – allerdings nicht final beantwortet: Ist es zulässig, einen gesonderten Erlaubnistatbestand für sogenannte embryopathische Abtreibungen aufzunehmen, also die Abtreibungsmöglichkeiten zu erweitern, wenn bei dem Fötus/ Embryo eine potenzielle Behinderung festgestellt wird? Problematisch ist dabei insbesondere die eigenständige embryopathische Indikation, die an die Lebensqualität des Ungeborenen und nicht der Schwangeren anknüpft.

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des OLG Saarbrücken mit Anmerkung

Zur Amtsaufklärungspflicht beim Verdacht auf häusliche Gewalt gegen die Mutter – und Keine Schutzwirkung durch eine Sorgerechtsvollmacht

1. Wendet der betreuende Elternteil erlittene häusliche Gewalt ein, so verstärkt die Ausstrahlungswirkung von Art. 31 der Istanbul-Konvention zum einen die Amtsermittlungspflicht des Familiengerichts in diese Richtung, zum anderen wirkt jene Norm auch materiell rechtlich auf die Voraussetzungen der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge (hier nach § 1626a Abs. 2 BGB) ein; insbesondere darf es diesem Elternteil nicht als mangelnde Kooperationsbereitschaft ausgelegt werden, wenn er sich gegenüber dem anderen Elternteil aufgrund – erwiesenermaßen – erlebter häuslicher Gewalt ablehnend verhält (vgl. EGMR vom 10.11.2022 – 25426/20).
2. Außerdem kann der gewaltbetroffene Elternteil in der Regel nicht zu einer „Restkooperation“ mit dem anderen Elternteil verpflichtet werden, sodass selbst eine ihm vom anderen Elternteil umfassend erteilte Sorgevollmacht eine Alleinsorge des betreuenden Elternteils häufig nicht entbehrlich machen wird.
Beschluss des OLG Saarbrücken vom 22.04.2024 – 6 UF 22/24

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des OLG Nürnberg

Kriterien für den Umgangsausschluss bei Gewalt gegen die Mutter

1. Ab welcher Dauer ein Umgang „für längere Zeit“ ausgeschlossen wird, hängt vom kindlichen Zeitempfinden ab.
2. Nach Art. 31 Abs. 1 der Istanbul Konvention sind bei miterlebter häuslicher Gewalt die beim Kind fortbestehenden Belastungen in der Vergangenheit sowie die Gefahren wegen andauernder Angst und Bedrohung zu berücksichtigen.
3. Der gewaltausübende Elternteil muss dem Kind die emotionale Sicherheit vermitteln, die es durch die miterlebte Gewalt verloren hat. Wenn er die Gewalt abstreitet, dem Kind gegenüber bagatellisiert, seine Belastung nicht sieht und aufgreifen kann, den anderen Elternteil in Gesprächen mit dem Kind herabwürdigt oder verbal attackiert oder erneute Gewalttaten zu befürchten sind, wird dies in der Regel ausgeschlossen sein.
Beschluss des OLG Nürnberg vom 16.05.2024 – 11 UF 329/24

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des AG-FamG Leipzig

5.000 EUR Ordnungsgeld wegen Verstoß gegen Gewaltschutzanordnung

1. Gegen den Antragsgegner wird wegen Verstoß gegen Ziffer 1.1. und Ziffer 1.2. des Beschlusses vom 09.12.2024 ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR festgesetzt. Für den Fall, dass das verhängte Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, wird für je 100 EUR ein Tag Ordnungshaft angeordnet.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Ordnungsmittelverfahrens.
3. Der Verfahrenswert beträgt 5.000 Euro.
Beschluss des AG Leipzig, Familiengericht, vom 05.02.2025, 332 F 4067/24

Aus den Gründen:
Der Antragsgegner hat den Bestimmungen aus dem Beschluss vom 09.12.2024 schuldhaft zuwidergehandelt, in dem er nach der eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin vom 08.01.2025 am 24.12. und am 25.12.2024 am Wohnhaus der Eltern der Antragstellerin erschien und die Antragstellerin zu sprechen verlangte. In einer E-Mail vom 27.12.2024 habe der Antragsgegner der Antragstellerin gedroht, einen Molotow-Cocktail auf das Wohnhaus ihrer Eltern zu werfen. Seit dem 09.12.2024 habe sie nahezu täglich E-Mails des Antragsgegners mit Drohungen und Beleidigungen erhalten.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des SG Karlsruhe

Kein Zutrittsrecht des Jobcenters zu Wohnräumen in Frauenhäusern

1. § 17 Abs. 2 SGB II stellt keine gesetzliche Ermächtigungslage für Träger der Grundsicherung nach dem SGB II dar, um Wohnräume in Frauenhäusern zu durchsuchen.
2. Das Jobcenter einer Zufluchtskommune kann die Kosten für die Unterbringung und Betreuung von Frauen und Kindern im Frauenhaus auch vom Jobcenter der Herkunftskommune gemäß § 36a SGB II erstattet verlangen, falls das Jobcenter der Zufluchtskommune mit dem örtlichen Frauenhaus nicht gemäß § 17 Abs. 2 SGB II vereinbart hatte, dass Mitarbeiter des Jobcenters Wohnräume des Frauenhauses betreten dürfen.
Urteil des SG Karlsruhe vom 17.09.2024, S 12 AS 1843/22

Aus dem Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für die Unterbringung und Betreuung in einem Frauenhaus […]. Beide Beteiligte sind Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Preis: 3.00 EUR

Urteil des ArbG Siegburg

Fristlose Kündigung wegen sexueller Belästigung auf Betriebsfeier

1. Eine sexuelle Belästigung i. S. v. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB geeignet.
2. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es angesichts der Schwere der Pflichtverletzung nicht (hier: Schlag auf den Po, Zurückziehen am Hals). Gerade aus einer Alkoholisierung des Täters, die enthemmtes Verhalten fördern kann, ergibt sich eine Wiederholungsgefahr.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des ArbG Siegburg vom 24.07.2024, 3 Ca 387/24

Aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen nach Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung […]. Der verheiratete und zumindest einem Kind unterhaltspflichtige Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.03.2023 als Standortakquisiteur im Außendienst beschäftigt.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des VG Stuttgart

Flüchtlingseigenschaft für im Irak von Genitalverstümmelung bedrohtes Mädchen

1. Geschiedene und alleinstehende Frauen mit mehreren Kindern sind auf die Unterstützung ihrer Familien angewiesen, so dass sie nicht in der Position sind, sich dem familiären Druck, ihre Töchter beschneiden zu lassen, zu widersetzen.
2) Trotz eines seit 2011 bestehenden Verbotsgesetzes im Irak gilt die weibliche Genitalverstümmelung in der breiten Gesellschaft weiterhin als religiöse und moralische Pflicht.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des VG Stuttgart vom 19.01.2024, A 2 K 2161/22

Zum Sachverhalt:
Bei der Klägerin handelt es sich um eine am 25.09.2021 in Deutschland geborene irakische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Die Asylanträge der Eltern wurden bestandskräftig abgelehnt, für die Klägerin wurde ein Asylverfahren nach § 14a Abs. 2 AsylG eingeleitet. Bei der Anhörung durch das Bundesamt gab die Mutter der Klägerin an, dass sie selbst beschnitten worden sei und sie nicht möchte, dass das ihren Töchtern widerfahre.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des VG Würzburg

Flüchtlingseigenschaft für äthiopische Frau, die dem Volk der Tigray angehört

1. Weibliche Personen, die dem Volk der Tigray angehören, sind im Norden Äthiopiens als soziale Gruppe von sexualisierter Gewalt bedroht.
2. In Äthiopien existieren inländische Fluchtalternativen; es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass eine Frau mit Kindern im Kleinkindalter und ohne soziales Netzwerk trotz abgeschlossener Berufsausbildung das Existenzminimum sichern kann.
(Leitsätze der Redaktion)
VG Würzburg, Urteil vom 02.07.2024 – W 3 K 22.30534

Zum Sachverhalt:
Die äthiopische Staatsangehörige, orthodoxe Christin und dem Volk der Tigray zugehörige Klägerin stellte einen Asylantrag und trug vor, dass sie aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit von Soldaten fast vergewaltigt und ihr kleiner Bruder getötet worden sei. Der Soldat habe ihr gedroht, sie bei seiner Rückkehr zu vergewaltigen. Die Klägerin hat eine abgeschlossene Berufsausbildung als Krankenpflegerin und zwei Kinder im Kleinkindalter.

Preis: 3.00 EUR

Hinweise

Deutscher Juristinnenbund (djb): Aus gleichstellungspolitischer Sicht weist der Koalitionsvertrag nach Einschätzung des Deutschen Juristinnenbunds (djb) schwerwiegende Leerstellen auf

bff: Frauen gegen Gewalt e.V.: Die Suse-Standards für Gewaltschutz in Einrichtungen

Deutscher Frauenrat: Strategien gegen den Backlash bei UN-Frauenrechtskommission

Deutsches Institut für Menschenrechte: Monitor Gewalt gegen Frauen

Hate Aid und TU-München: Angegriffen & alleingelassen. Wie sich digitale Gewalt auf politisches Engagement auswirkt. Ein Lagebild

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI): Technische Anlaufstelle für Betroffene von digitaler Gewalt in Partnerschaften

Familienrecht in Deutschland: Macht und Kontrolle in familienrechtlichen Verfahren in Deutschland

Studien des gemeinwohlorientierten Medienhauses CORRECTIV:
– Keller, Gabriela: Väterrechtler auf dem Vormarsch
– Keller, Gabriela/Lenz, Miriam: Glaube und Geld: Wie die religiöse Rechte aus den USA Europa finanziell unterwandert

Lucy Chebout: Stiefmütterliche Behandlung

Deutscher Bundestag: Mutterschutzfristen nach einer Fehlgeburt

Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen beim BMFSFJ: Leitideen und Rechtsrahmen für eine familiengerechte Arbeitswelt

PDF-Download