Radikalität, Fortschritt und Gender Mainstreaming – zum Stand feministischer Rechtspolitik heute (2/2003)

Kritische Auseinandersetzungen mit Recht tendieren dazu, so schrieb einmal die britische Rechtssoziologin Carol Smart, dem „Ruf der Sirenen“ zu folgen, also am Ende doch zu bejahen, was anfangs abgelehnt worden ist. Ereilt die feministische Rechtskritik dieses Schicksal? Haben insbesondere die aus der Frauenbewegung kommenden Rechtsanwältinnen, aber auch die sich mit feministischen Positionen identifizierenden Studentinnen und andere Juristinnen heute ein affirmatives, entpolitisiertes und angepasstes Verhältnis zum Recht, wo anfangs radikale Kritik und die Suche nach Alternativen dominierten? Wird insbesondere mit der Strategie des Gender Mainstreaming derzeit jede Radikalität ad acta gelegt und das getan, was in der ersten und auch in der zweiten deutschen Frauenbewegung als „bürgerlich“ und in der US-amerikanischen Debatte als „liberal“ abgewertet worden ist, wird nämlich traditionell Rechtspolitik betrieben, werden Kompromisse gemacht und Positionen verlassen? Und werden damit dann auch keinerlei Fortschritte erzielt, bleibt also alles beim (diskriminierenden) Alten.

Susanne Baer