STREIT 2/2020

S. 79-81

VG Stuttgart, §§ 3, 3a, 3b, 3c, 3e, 15, 25, 77 Abs. 1 AsylG

Flüchtlingseigenschaft bei drohender Zwangsverheiratung für Tunesierin

Eine auf Furcht vor Zwangsverheiratung begründete Verfolgung im Heimatland begründet die Flüchtlingseigenschaft, da eine Zwangsverheiratung die betroffene Frau in ihrem Recht auf individuelle und selbstbestimmte Lebensführung beeinträchtigt und in ihrem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Damit handelt es sich bei den mit einer aufgenötigten Eheschließung einhergehenden Rechtsverletzungen, die insbesondere auch die Anwendung physischer und psychischer Gewalt mit einschließen, um eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte i.S.d. § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG, § 3c Nr. 3 AsylG.
Urteil des VG Stuttgart vom 28.5.2019 – 5 K 16660/17

Zum Sachverhalt:
Die […] Klägerin ist nach ihren Angaben tunesische Staatsangehörige arabischer Volkszugehörigkeit und muslimischen Glaubens. Sie reiste […] am […].10.2015 oder […].10.2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am […].06.2016 einen Asylantrag.
In ihrer persönlichen Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am […].05.2017 gab die Klägerin im Wesentlichen an, das Problem in Tunesien habe mit ihrem Onkel, dem Bruder ihres Vaters, und seinen beiden Söhnen begonnen. Die beiden Cousins hätten unbedingt ihre Schwester und sie heiraten wollen. Die Schwestern hätten dies abgelehnt, da die Cousins nicht das gleiche Niveau und Bildung gehabt hätten. Auch ihr Vater habe das nicht gewollt. Es sei zwar eine wohlhabende Familie gewesen, aber die Cousins seien keine anständigen Männer. Ihr Vater sei Chef einer Bank und sein Bruder ein Landwirt gewesen. Im Jahr 2006 sei ihr Vater verstorben. Ihr Vater habe in Gafsa einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Tieren, Mandel- und Pistazienbäumen geführt. Ein Tag nach dem Tod ihres Vaters sei die Familie, die auf dem Bauernhof gelebt habe, überfallen worden, alle Tiere seien gestohlen worden. Ein weiterer Onkel habe nach diesem Vorfall die Polizei aufgesucht und eine Anzeige erstattet. Ihr Onkel habe später zugegeben, dass er den Überfall begangen habe. Nach seiner Meinung habe er das Recht gehabt, die Tiere zu nehmen, da sie eine Familie und ihre Schwester und sie die zukünftigen Frauen seiner Söhne seien. Er sei ein reicher und einflussreicher Mann, den man gekannt habe. Im Jahr 2006 seien sie nach Tunis umgezogen. Zwischen dem Tod ihres Vaters und dem Umzug hätten sie den Onkel zweimal verklagt, es habe kein Urteil gegeben. Ihr Onkel habe auch in Gafsa ihre Schwester, ihre Mutter und sie beschimpft und geschlagen. In Tunis hätten die beiden Cousins die Schwestern nicht in Ruhe gelassen. Wenn ein anderer Mann sich für sie interessiert habe und sie habe heiraten wollen, hätten die Cousins immer wieder mit diesen Männern geredet und sie so beeinflusst, dass sie an den Schwestern das Interesse verloren hätten. Sie hätten keine Chance gegen diese Männer gehabt. Im Jahr 2010 habe sie einen Libanesen kennengelernt und mit ihm eine geheime Beziehung geführt. Sie seien verlobt gewesen. Ihre Schwester habe auch einen Freund gehabt. Die Cou­sins hätten dies mitbekommen und Ende 2011 beide Männer fast zu Tode geschlagen. Nach diesem Vorfall habe sie einen Anruf von ihrem Cousin erhalten, er habe ihr gesagt, dass die beiden Männer die ersten seien und sie als nächstes dran seien. Danach hätten die beiden Cousins ihr Callcenter gestürmt und dieses völlig zerstört. Mitte 2012 habe sie ihren Rechtsanwalt aufgesucht und nachdem sie die Kanzlei verlassen habe, sei sie von ihrem Cousin abgefangen worden. Er habe sie belästigt und wissen wollen, wann sie heiraten würden. Sie habe ihn ignoriert. Die beiden Cousins hätten danach ihr Auto verfolgt und es gerammt. Sie habe einen Unfall gehabt und dabei drei Zähne verloren. Sie sei zur Polizei, allerdings hätten die Cousins beweisen können, dass sie zu dieser Zeit nicht in Tunis gewesen seien. Nach diesem Ereignis hätten sie in Angst und Furcht gelebt. Der Onkel habe sie vor die Wahl gestellt, entweder würden sie die Söhne heiraten oder er würde sie mit Benzin übergießen. Danach hätten sie beschlossen, Tunesien zu verlassen. Am […].02.2013 seien sie heimlich nach Marokko geflogen. […] In Gafsa sei sie wegen der Bedrohungen durch den Onkel und den Cousins einmal bei der Polizei gewesen. Der Polizist habe sie beinahe geschlagen, da er nicht habe verstehen können, warum sie ihren Onkel anzeige. Nach dem Angriff gegen ihr Callcenter habe sie die Polizei informiert und es sei alles untersucht und aufgenommen worden. Es sei nur eine Anzeige gegen Unbekannt aufgenommen worden. Tunesien sei ziemlich klein, sie habe schon in drei verschiedenen Orten in Tunesien gelebt und sie seien ihr immer wieder gefolgt. Zwischen Tunis und Gafsa würden etwa 350 Kilometer liegen. Ihre Mutter sei nach ihrer Ausreise von dem Onkel und den Cousins beschimpft und nach ihren Töchtern befragt worden. Bei einer Rückkehr nach Tunesien befürchte sie, dass der Onkel und die Cousins sie umbringen werden. […] Es sei für die Cousins eine Frage der Ehre, welche die beiden Schwestern durch deren Heiratsverweigerung und Berufstätigkeit verletzt hätten. Deutschland sei ein Rechtsstaat, wenn man ein Problem habe, könne man die Polizei anrufen und diese helfe einem auch sofort. Deshalb fürchte sie hier keine Verfolgung. In Tunesien könne man getötet werden und die Polizei komme nicht.

Mit Bescheid vom 09.10.2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag der Klägerin auf Asylanerkennung ab, erkannte die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus nicht zu und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen. […] Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin […] Klage […] erhoben. […]

Aus den Gründen:
Die zulässige Klage hat Erfolg.
Der angefochtene Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.10.2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Sie hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Der Klägerin steht ein Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu.
Rechtliche Grundlage für die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG. Danach wird, unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben, einem Ausländer dann internationaler Schutz zuerkannt, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 1), außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Nr. 2a) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Nr. 2b) und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. […] Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für seine Wiederholung in der Zukunft bei (EuGH, Urteil vom 02.03.2010 – RS. C 175/08 –, NVwZ 2010, 505). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei der Rückkehr in sein Heimatland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind. Die Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 – 10 C 5.09 –, juris Rn. 19).
Es ist Sache des Schutzsuchenden, die Umstände, aus denen sich seine Verfolgung ergibt, in schlüssiger Form vorzutragen, §§ 15 Abs. 1, 25 Abs. 1 AsylG. Das Gericht muss die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten individuellen Schicksals und von der Richtigkeit der Prognose drohender politischer Verfolgung gewinnen (BVerwG, Urteile vom 29.11.1977 – C 33.71 –, juris Rn. 15 und vom 16.04.1985 – 9 C 109.84 –, juris Rn. 17; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 19.09.2013 – A 11 S 689/13 –, juris Rn. 25 und vom 03.11.2016 – A 9 S 303/15 –, juris Rn. 34).
Aufgrund der Beweisschwierigkeiten, in denen sich der Schutzsuchende zu den asylbegründenden Vorgängen im Heimatland regelmäßig befindet, muss sich das Gericht jedoch mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig ausgeschlossen werden können (BVerwG, Urteil vom 16.04.1985 – 9 C 109.84 –, juris Rn. 17; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.09.2013 –A 11 S 689/13 –, juris Rn. 13). Dem persönlichen Vorbringen des Schutzsuchenden kommt daher besondere Bedeutung zu. […]
Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG schwerwiegende Verletzungen der grundlegenden Menschenrechte oder Handlungen, durch die eine Person in ähnlicher Weise betroffen ist. Abs. 2 enthält Regelbeispiele für solche Verletzungen. Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung in diesem Sinn ausgehen vom Staat (Nr. 1) bzw. von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder von nichtstaatlichen Akteuren. Nichtstaatliche Akteure im Sinne von § 3c Nr. 3 AsylG können Organisationen ohne Gebietsgewalt oder auch Einzelpersonen sein, von denen eine Verfolgung ausgeht, sofern erwiesenermaßen weder der Staat noch Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen, noch internationale Organisationen in der Lage oder willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten. Nach § 3e AsylG ist aber eine Verfolgung in diesem Sinn ausgeschlossen, wenn interner Schutz besteht. Die Verfolgungshandlung muss überdies gemäß § 3a Abs. 3 AsylG an einen der in § 3b Abs. 1 AsylG genannten Gründe anknüpfen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Eine Zwangsverheiratung kann unter Umständen eine geschlechtsspezifische Verfolgung i. S. d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG begründen, bei der eine Bedrohung für die persönliche Freiheit und körperliche Unversehrtheit vorliegen kann (vgl. VG Oldenburg, Gerichtsbescheid vom 03.04.2018 – 7 A 121/18 –, juris Rn. 98; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.02.2014 – 1 A 1139/13.A –, juris; VG Stuttgart, Urteil vom 14.03.2011 – A 11 S 553/10 –, juris). Eine solche hat die Klägerin glaubhaft gemacht.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Klägerin vorverfolgt ausgereist ist. Sie hat in der mündlichen Verhandlung detailliert und anschaulich dargelegt, dass ihr Onkel sie zwingen wollte, seinen Sohn – ihren Cousin – zu heiraten. Nachdem ihr Vater, der gegen eine Hochzeit seiner Tochter mit dem Cousin gewesen ist, gestoben ist, haben die Probleme erst angefangen. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin plausibel vorgetragen, dass sie die Aufforderung des Onkels, den Cousin zu heiraten, zu Beginn nicht ernst genommen hat, sondern der Meinung war, sie könne das selbst entscheiden. Sie hat sodann mit großer emotionaler Beteiligung und hinsichtlich nachgefragter Details nachvollziehbar dargelegt, dass ihr Onkel und ihr Cousin die Heirat mit dem fünf Jahre älteren Cousin vehement verlangt haben. Dies ging letztendlich so weit, dass ihr Onkel sie mit dem Tode im Falle ihrer weiteren Weigerung bedroht hat. Hinzu kam, dass die Klägerin bereits in Tunesien sehr westlich eingestellt war. Sie hat auch hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Lage sehr glaubhaft dargelegt, dass sie in Tunesien keine wirtschaftlichen Probleme hatte. Sie hat ein eigenes Callcenter aufgebaut und geführt, was ihrem Onkel nicht gefallen hat. Die Tätigkeit ihrer Schwester zur Nachtzeit konnte sie nachvollziehbar damit begründen, dass diese nach der Zerstörung des Callcenters der Klägerin in einem anderen Callcenter arbeiten musste, welches mit Kanada zusammengearbeitet hat. Der Zeitunterschied hat dazu geführt, dass in diesem Callcenter hauptsächlich nachts gearbeitet wurde. Der Onkel war nicht damit einverstanden, dass Frauen (nachts) arbeiten. Dies hat dazu geführt, dass der Onkel der Klägerin und ihrer Schwester letztendlich eine Frist von zehn Tagen für die Hochzeit gesetzt hat. Außerdem hat die Klägerin überzeugend vorgetragen, dass der Onkel nach dem Tod des Vaters der älteste Bruder in der Familie und damit das Familienoberhaupt war. Nach seiner Ansicht hat er die Verantwortung dafür getragen, dass seine Nichten die muslimischen Traditionen einhalten, insbesondere weil sie nur noch Frauen in der Familie waren. Den gesamten Vortrag mit den Detailangaben erachtet das Gericht als glaubhaft. Dem aktuellen Lagebericht zu dem Heimatland der Klägerin Tunesien vom 02.03.2019 des Auswärtigen Amtes (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Tunesien, Stand: Januar 2019, S. 14 f.) lässt sich entnehmen, dass zwar Frauen gesetzlich den Männern gleich gestellt sind, jedoch häusliche Gewalt insbesondere in den ländlichen Gebieten keine Seltenheit ist.
Die geschilderten Vorfälle sind rechtlich als Verfolgung der Klägerin wegen ihres Geschlechts zu werten, denn sie sollte sich als Frau den herrschenden patriarchalischen Anschauungen fügen und musste mit empfindlicher Strafe für Leib oder Leben rechnen, wenn sie sich dem widersetzte. Eine Zwangsverheiratung beeinträchtigt die betroffene Frau in ihrem Recht auf individuelle und selbstbestimmte Lebensführung und in ihrem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Damit handelt es sich bei den mit einer aufgenötigten Eheschließung einhergehenden Rechtsverletzungen, die insbesondere auch die Anwendung physischer und psychischer Gewalt mit einschließen, um eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte i.S.d. § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 16.03.2017 – AN 1 K 16.32047 –, juris Rn. 76–77). Die Verfolgung ging von nichtstaatlichen Akteuren aus. Der tunesische Staat konnte die Klägerin nicht vor Verfolgung schützen. Hiervon ist das Gericht aufgrund der Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung überzeugt. Sie hat glaubhaft dargelegt, dass sie des Öfteren bei der Polizei war, um ihren Onkel und die Cousins anzuzeigen. Auch wenn Ermittlungen eingeleitet wurden, wurde letztendlich nie etwas unternommen. Vielmehr war es so, dass die Polizeibeamten der Klägerin die Schuld zugewiesen und ihr Verhalten als unehrenhaft eingestuft haben. Es war der Klägerin auch nicht möglich, der Verfolgung in einem anderen Teil Tunesiens zu entgehen. In der mündlichen Verhandlung hat sie hierzu angegeben, sie ist von Gafsa bis nach Tunis gereist, die Stadt mit den meisten Einwohnern Tunesiens, selbst dort haben die Cousins sie gefunden. Auch aus dem Lagebericht ergibt sich diesbezüglich, dass einer Flucht innerhalb Tunesiens durch die geringe Größe des Landes enge Grenzen gesetzt werden (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Tunesien, Stand: Januar 2019, S. 14).
Für die Klägerin greift mithin die Vermutung, dass sich eine frühere Verfolgung bei einer Rückkehr in das Heimatland wiederholen wird. Die Vermutung muss durch stichhaltige Gründe widerlegt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 – 10 C 5.09 –, juris). Das erkennende Gericht sieht solche stichhaltigen Gründe jedoch nicht. Bei einer Rückkehr nach Tunesien bestünde die Gefahr, dass die Klägerin wiederum Verfolgung wegen ihres Geschlechts zu erwarten hätte, zumal die Klägerin glaubhaft dargelegt hat, dass es sich nunmehr um eine Ehrensache handelt. Die Klägerin hat sich als Frau nicht den Traditionen entsprechend verhalten und müsse bei einer Rückkehr befürchten, aufgrund ihrer heimlichen Ausreise und ihres „westlichen Lebensstils“ ermordet zu werden. Mithin ist ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. […]