STREIT 3/2024
S. 132
Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur besseren Verhinderung missbräuchlicher Anerkennungen der Vaterschaft (Auszug)
I. Gesamtwürdigung: Der Referentenentwurf ist abzulehnen
Der djb kritisiert den vorgelegten Referentenentwurf aus verfassungsrechtlicher und familienrechtlicher Perspektive und lehnt ihn deshalb ab.
Der Entwurf bringt ein nicht gerechtfertigtes Misstrauen gegenüber allen Familien zum Ausdruck, in denen zwischen der Mutter und dem Anerkennenden ein vom Referentenentwurf sogenanntes „Aufenthaltsrechtsgefälle“ besteht und beide nicht verheiratet sind. Sie werden pauschal der Zustimmungspflicht der Ausländerbehörde zur Vaterschaftsanerkennung unterworfen. Sie sind jedoch keine Familien „zweiter Klasse“ und können sich insbesondere auch auf den Schutz des Art. 6 GG und das Willkürverbot berufen. Mit dem vorgelegten Vorschlag würden die betroffenen Kinder und ihre Eltern erhebliche Nachteile erleiden – auch wenn tatsächlich kein Missbrauch vorliegt. Schließlich hängen an der rechtlichen Elternschaft sämtliche Ansprüche des Kindes sowie wesentliche Rechte und Pflichten der Eltern (z.B. elterliche Sorge, Unterhalts- und Erbansprüche, sozialrechtliche Ansprüche). Kinder, zu deren Anerkennung die Zustimmung der Ausländerbehörde noch nicht erteilt wurde, sind damit insgesamt schlechter abgesichert als andere Kinder. Würde die Mutter bei der Geburt versterben, wären sie rechtliche Vollwaisen und kämen in die Obhut des Jugendamtes – ob- wohl sie einen fürsorgebereiten Vater haben, der aber gegenüber dem Kind rechtlich als fremde Person gilt.
Der Referentenentwurf steht auch im Widerspruch zur geplanten Abstammungsrechtsreform und den vom Bundesministerium der Justiz hierzu vorgelegten Eckpunkten vom 16. Januar 2024, weil er dem Ziel eines inklusiveren Familienrechts zuwiderläuft. Er steht auch im Gegensatz zu zuletzt erfolgten Reformen des Rechts der Vaterschaftsanerkennung. Der Referentenentwurf weist selbst darauf hin, dass das im Familienrecht geregelte Instrument der Anerkennung der Vaterschaft (§ 1592 Nr. 2 BGB) vom Gesetzgeber aus familienpolitischen Gründen gezielt voraussetzungs- arm ausgestaltet ist. Weiter verweist die Begründung darauf, dass durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16. Dezember 1997 die bis dahin erforderliche Zustimmung des Amtspflegers als Vertretung des Kindes zur Anerkennung einer Vaterschaft (§§ 1706, 1709 BGB a.F.) abgeschafft wurde. Stattdessen muss seitdem grundsätzlich nicht mehr das Kind, sondern die Mutter der Anerkennung zustimmen. Anerken- nung und Zustimmung müssen dabei öffentlich beurkundet werden (§ 1597 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Ziel der Neuregelung durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz war es, die Bevormundung der Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes durch die Amtspflegschaft des Jugendamtes abzuschaffen und die Rechte der Mutter zu stärken.
Wegen der grundsätzlichen Kritik an einer aufenthaltsrechtlich motivierten behördlichen Intervention in das Recht der Vaterschaftsanerkennung verweist der djb auf seine Stellungnahme vom 4. April 2006 zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft. Die Bedenken bestehen hinsichtlich der unverhältnismäßigen pauschalen Stigmatisierung ausländischer und binationaler Familien und Ungleichbehandlung nichtehelicher Elternschaft fort. Wie bereits 2006 fehlt es außerdem weiterhin an einer belastbaren Datengrundlage zu Fällen missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung, die den nun vorgesehenen Eingriff in das familienrechtliche Gefüge rechtfertigen könnte.
II. Milderes Mittel: Vollzug von § 1597a BGB wirksamer gestalten
Die bekannt gewordenen Einzelfälle sogenannter „missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen“ lassen sich mit dem geltenden Recht in den Griff bekommen. Der djb fordert deshalb, zunächst die Möglichkeiten auszuschöpfen, den Vollzug von § 1597a BGB wirksamer zu gestalten. In der gebotenen Kürze weist der djb darauf hin, dass allein Vollzugsprobleme, wie sie dem § 1597a BGB zugeschrieben werden, kein Grund sind, von einer Regelung Abstand zu nehmen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die im Referentenentwurf beschriebene Schwäche der derzeitigen Regelung auch die beabsichtigte Neuregelung teilt, nämlich die fehlende aufenthaltsrechtliche und familienrechtliche (Vor-)Prüfungskompetenz bei den Standesämtern. (…) Fundamentale Eingriffe in das Familienrecht, wie sie der Referentenentwurf vorsieht, sind daher auch in Anbetracht milderer Mittel nicht gerechtfertigt. (…) Stellungnahme 24-19 vom 21.05.2024
Anna Lena Göttsche, Stefanie Killinger