STREIT 2/2017

S. 75-76

AG Bremen, OLG Bremen, § 1 GewSchG, § 95 Abs. 1 FamFG, § 890 ZPO 40 Tage Ordnungshaft nach Verstoß gegen Anordnung nach Gewaltschutzge

40 Tage Ordnungshaft nach Verstoß gegen Anordnung nach Gewaltschutzgesetz

Wegen zweifachen Verstoßes gegen die in dem vollstreckbaren Beschluss getroffene Unterlassungsanordnung, nämlich nicht persönlich oder schriftlich Verbindung zur Antragstellerin aufzunehmen, sie nicht zu bedrohen und keine Zusammentreffen mit der Antragstellerin herbeizuführen, wird Ordnungshaft von 40 Tagen verhängt.
Beschluss des AG Bremen vom 23.11.2016, 65 F 7390/15 ZV
Beschluss des OLG Bremen vom 12.06.2017, 5 UF 14/17

Aus den Gründen des AG Bremen:
Der Antrag auf Verhängung von Ordnungsmitteln ist nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG, 890 ZPO zulässig und begründet.
Der Antragsgegner hat gegen die Untersagungsanordnung nach § 1 GewSchG schuldhaft verstoßen, und zwar Anfang Februar 2016, als er der Antragstellerin ein von ihm mit einer Drohung beschriftetes Papierstück an die Tür heftete. […] Damit hat der Antragsgegner entgegen ausdrücklichen gerichtlichen Verbotes schriftlich Verbindung zu der Antragstellerin aufgenommen. Außerdem hat er die Antragstellerin durch seine Nachricht bedroht „Warte, dafür (den Ordnungsmittelantrag) zahlst Du. Ich habe Zeit, bekomme Dich, verlogenes Miststück … Warte, hab Hass und Zeit“. Diese Äußerungen sind bedrohlich für die Antragstellerin gewesen, das wusste der Antragsgegner auch, denn die Antragstellerin sorgte regelmäßig für Begleitung, wenn sie sich in den Hausflur begeben musste, um sich gegen den Antragsgegner zu schützen. Die Antragstellerin ist eine 80jährige Frau von schmächtiger Statur, der Antragsgegner ein über 1,80 m großer kräftiger Mann mit robustem Auftreten. Äußerungen wie die zitierten muss die Antragstellerin daher als Drohung auffassen und tat dies auch, wie dem Antragsgegner nicht verborgen geblieben ist.
Am 10.05.2016 betrat die Antragstellerin das Haus in der M-straße, in dem auch der Antragsgegner zu dem damaligen Zeitpunkt noch eine Wohnung bewohnte. Der Antragsgegner betrat den Hausflur, um von der Antragstellerin 100 € zu fordern, die sie im schulde, weil sie einen Tisch, den er in den Keller gestellt hatte, zum Sperrmüll gegeben hatte. Wenn auch hierin ein berechtigtes Anliegen des Antragsgegners gelegen haben mag – einmal abgesehen davon, wie er seine Forderung hervorbrachte –, war jedenfalls das anschließende Handeln ein Verstoß gegen die gerichtliche Anordnung. Als die Antragstellerin nämlich vor dem Antragsgegner zurückwich und das Haus wieder verließ, ging er ihr hinterher, was die Antragstellerin so verunsicherte, dass sie stürzte. Ihren Vortrag, der Antragsgegner habe sie geschubst, konnte sie nicht beweisen. Jedenfalls gab es keinerlei Anlass für den Antragsgegner, die Antragstellerin weiter zu behelligen, nachdem er seine Forderung angebracht hatte. Er hat also auch mit diesem Verhalten gegen die gerichtliche Anordnung verstoßen.

Auch wenn der Antragsgegner aus dem Haus in der M-straße mittlerweile ausgezogen ist und die Antragstellerin offenbar in Ruhe lässt, ist auf den Antrag der Antragstellerin hin der Verstoß gegen die gerichtliche Unterlassungsanordnung zu ahnden. Zum Zeitpunkt beider Verstöße war die gerichtliche Unterlassungsanordnung wirksam (bis 15.05.2016), die Zuwiderhandlung mithin ordnungsmittelbewehrt (vgl. hierzu Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rz. 9ff. zu § 890 ZPO).
Da der Antragsgegner immer wieder dazu neigt, gegenüber schwächeren Personen bedrohlich aufzutreten, um seine – vermeintlichen – Ansprüche durchzusetzen und dabei auch kaum Grenzen kennt, ist ihm durch Ordnungshaft von jeweils 20 Tagen für die beiden genannten Vorfälle zu verdeutlichen, dass auch er sich an Regeln halten muss und seine Interessen nicht mit Drohungen durchsetzen kann.

Aus den Gründen des OLG Bremen:
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG FamG Bremen vom 23.11.2016 wird zurückgewiesen.
I. […] Zur Begründung seines Rechtsmittels macht er im Wesentlichen geltend, mit der Frage seiner Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt der Verstöße gegen die Gewaltschutzanordnung habe sich das Familiengericht trotz Kenntnis seines Suchtproblems und bestehender rechtlicher Betreuung nicht auseinandergesetzt. Hätte es dies getan, hätten sich durchgreifende Zweifel an der Schuldfähigkeit ergeben […]

II. […] Das Familiengericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die beiden Verstöße gegen die Gewaltschutzanordnung von dem Antragsgegner schuldhaft vorgenommen worden sind. In seinem Nichtabhilfebeschluss vom 23.02.2017 hat das Familiengericht im Einzelnen – und von dem Antragsgegner unwidersprochen – dargelegt, dass und wie es die Frage der Schuldfähigkeit – mit positivem Ergebnis – geprüft hat. […] In den Gründen des dortigen Beschlusses hat das Familiengericht festgestellt, dass sich aus dem im Betreuungsverfahren des Antragsgegners eingeholten psychiatrischen Gutachten unter anderem ergebe, dass der Antragsgegner an einer chronischen Suchterkrankung leide, jedoch als voll steuerungsfähig anzusehen sei. […]
Die Anordnung von 40 Tagen Ordnungshaft erscheint dem Senat im vorliegenden Fall aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die Bezug genommen wird, nicht unverhältnismäßig. Die Ordnungsmittel des § 890 ZPO haben eine Doppelfunktion. Sie dienen sowohl der Prävention als auch der strafähnlichen Sanktionierung pflichtwidrigen Verhaltens des Schuldners (vgl. Prütting/Gehrlein/Olzen, a.a.O., Rn. 2). Das Gericht entscheidet über die Auswahl des Ordnungsmittels nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. Prütting/Gehrlein/Olzen, a.a.O., Rn. 16). Dabei sind alle Gründe des Einzelfalles, unter anderem Art, Dauer, Umfang und Gefährlichkeit des Verstoßes, der Verschuldensgrad und der Zweck des Ordnungsmittels zu berücksichtigen (vgl. Prütting/Gehrlein/Olzen, a.a.O., Rn. 17).
Ermessensfehler des Familiengerichts sind weder vom Antragsgegner aufgezeigt noch sonst erkennbar. Insbesondere begegnet es keinen Bedenken, dass das Familiengericht unter anderem auf Unterschiede in Alter und körperlicher Verfassung der Beteiligten sowie auf die ihm aus diversen anderen Verfahren – dem Senat haben zur Einsichtnahme Gewaltschutzverfahren gegen den Antragsgegner zu den Geschäftsnummern 65 F 2108/16, 65 F 6671/15, 65 F 4643/15 und 65 F 1024/17 vorgelegen – bekannte Neigung des Antragsgegners, schwächeren Personen gegenüber bedrohlich aufzutreten, um vermeintliche Ansprüche durchzusetzen, abgestellt hat. […]