STREIT 3/2021
S. 110
Abschaffung der §§ 218–219b StGB, § 12 SchwKG
Deutschland hat eines der strengsten Abtreibungsgesetze Europas: Nicht nur der Eingriff selbst, sondern auch die bloße, sachliche Information zu diesem Eingriff ist strafbar. Im Abschnitt Straftaten gegen das Leben (§§ 211–222 StGB) findet sich neben Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen unter § 218 der Schwangerschaftsabbruch und § 219 die Beratung einer Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage. Die Strafandrohungen verstärken die Stigmatisierung und Tabuisierung des Schwangerschaftsabbruches in unserer Gesellschaft und verhindern einen offenen und medizinisch fundierten Diskurs über Sexualität und Fortpflanzung. Sie erschweren die Thematisierung in der medizinischen Ausbildung. (…)
Der Schwangerschaftsabbruch darf kein Strafbestand sein, sondern er muss eine öffentliche Gesundheitsleistung werden. Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch sind außerhalb des Strafgesetzes möglich, beispielsweise in Sozialgesetzbüchern oder innerhalb der für den Gesundheitsbereich geltenden Rechtsordnungen. Wir schließen uns den Forderungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO)1
und der Frauenrechtskonvention der UN (CEDAW)2
an: Informationsverbote sowie verpflichtende Beratungen und Wartezeiten gilt es zu überwinden, da sie Zugangshürden darstellen und medizinische Abläufe unnötig verzögern können. Beratungen können ihre helfende Wirkung nur dann entfalten, wenn sie auf freiwilliger Basis ablaufen. Ein flächendeckendes, niedrigschwelliges, wertneutrales und interkulturelles Beratungsangebot ist daher unbedingt notwendig.
Gesundheitspersonal darf nach § 12 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes die Mitwirkung an einem Schwangerschaftsabbruch verweigern. Eine solches explizit formuliertes Verweigerungsrecht ist in anderen Bereichen der Medizin unüblich und problematisch in Hinblick auf die Qualität der ärztlichen Aus- und Weiterbildung sowie des medizinischen Angebots zum Schwangerschaftsabbruch (…). Wir fordern die Streichung des § 12 aus dem Schwangerschaftskonfliktgesetz. Wie in anderen Bereichen der Medizin auch, sollen Ärzt*innen eine Behandlung, die für die Gesundheit ihrer Patient*innen notwendig ist, für die sie ausgebildet wurden und die nur sie durchführen dürfen, nicht aus Gründen der persönlichen Moral ablehnen dürfen. (…)
Abrufbar mit weiteren Forderungen unter:
https://doctorsforchoice.de/
- Weltgesundheitsorganisation (WHO), Safe abortion: technical and policy guidance for health systems, 2012, Stand: 21.08.19. ↩
- United Nations Committee on the Elimination of Discrimination against Women (CEDAW), Concluding observations on the combined seventh and eighth periodic reports of Germany, Paragraph 38b, 2017, Stand: 21.08.19. ↩