STREIT 2/2020

S. 76-77

BGH, §§ 1573, 1578 Abs. 3 BGB

Altersvorsorgeunterhalt: Zuschlag für eine zusätzliche Altervorsorge

Jedenfalls wenn der Unterhaltspflichtige eine unterhaltsrechtlich anzuerkennende zusätzliche Altersvorsorge betreibt, ist es geboten, dies auch dem Unterhaltsberechtigten durch eine entsprechende Erhöhung des Altersvorsorgeunterhalts zu ermöglichen.
(4. amtlicher Leitsatz)

BGH, Beschluss vom 25.9.2019 – XII ZB 25/19

Aus dem Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin begehrt als Scheidungsfolgesache nachehelichen Unterhalt vom Antragsgegner. […]

Aus den Gründen:
[…]
III. […]
e) Rechtsfehlerfrei – und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen – hat das OLG der Berechnung des Altersvorsorgeunterhalts nicht nur den Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern darüber hinaus auch einen Zuschlag von vier Prozentpunkten für eine zusätzliche Altersvorsorge zugrunde gelegt.
aa) Der nacheheliche Unterhalt umfasst gem. § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB den gesamten Lebensbedarf. Im Rahmen eines Unterhaltsanspruchs nach den §§ 1570 – 1573 BGB oder § 1576 BGB gehören nach § 1578 Abs. 3 BGB zum Lebensbedarf auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der verminderten Erwerbsfähigkeit. Der danach geschuldete Vorsorgeunterhalt ist dazu bestimmt, als Teil des einheitlichen, den gesamten Lebensbedarf des Berechtigten umfassenden Unterhaltsanspruchs den Aufbau einer Altersvorsorge zu ermöglichen, die den Einkünften vor Renteneintritt entspricht. Im Rahmen des Aufstockungsunterhalts nach § 1573 Abs. 2 BGB soll der Unterhaltsberechtigte seine weitere Altersvorsorge nicht lediglich aus den erzielten Einkünften, sondern auch auf der Grundlage des Aufstockungsunterhalts aufbauen können. Dabei ist es gerechtfertigt, den Elementarunterhalt zu dem Entgelt aus einer Erwerbstätigkeit und den Vorsorgeunterhalt zu den Versicherungsbeiträgen in Beziehung zu setzen, die im Hinblick auf ein derartiges Erwerbseinkommen zu erreichen wären, und damit den Berechtigten hinsichtlich der Altersvorsorge so zu behandeln, wie wenn er aus einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit Netto­einkünfte in Höhe des ihm an sich zustehenden Elementarunterhalts hätte. Diesen Vorgaben wird es gerecht, wenn der als Elementarunterhalt zugesprochene Betrag dem Nettoarbeitsentgelt gleichgestellt und dieses zur Ermittlung der darauf entfallenden Vorsorgebeiträge mit Hilfe der so genannten Bremer Tabelle in ein fiktives Bruttoeinkommen umgerechnet wird. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Altersvorsorgeunterhalt auch nicht durch die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung der Höhe nach begrenzt (Senat, NJW 2010, 3372 = FamRZ 2010, 1637 Rn. 34 ff. m.w.N. und NJW 2012, 1581 = FamRZ 2012, 945 Rn. 17 m.w.N.).
bb) Die Berechnung des Altersvorsorgeunterhalts durch Multiplikation des so ermittelten fiktiven Bruttoeinkommens mit dem Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung beruht auf der Überlegung, dass mit Zahlung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung eine angemessene Vorsorge für den Fall des Alters und der verminderten Erwerbsfähigkeit betrieben werden kann, die den Anforderungen des § 1578 Abs. 3 BGB genügt. Diese Prämisse gilt im Hinblick auf die Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung jedoch nur noch eingeschränkt. Denn inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Lebensstandard im Alter nur dann zu sichern ist, wenn neben der primären Vorsorge private Leistungen für eine zusätzliche Altersvorsorge erbracht werden (vgl. Senat, BGHZ 163, 84 = NJW 2005, 3277 = FamRZ 2005, 1817 m.w.N.).
Mit Blick darauf hat der Senat bereits ausgesprochen, dass dem Unterhaltspflichtigen und gleichermaßen dem Unterhaltsberechtigen zugebilligt werden muss, in angemessenem Umfang zusätzlichen Vorsorgeaufwand zu betreiben, und beiden die Möglichkeit eröffnet sein muss, diesen Umstand in die Unterhaltsbemessung einfließen zu lassen (Senat, BGHZ 163, 84 = NJW 2005, 3277 = FamRZ 2005, 1817 m.w.N.). Daher erkennt es der Senat in ständiger Rechtsprechung als gerechtfertigt an, dass in Anlehnung an den Höchstfördersatz der so genannten Riester-Rente ein Betrag von bis zu 4 % des Gesamtbruttoeinkommens als angemessene zusätzliche Altersvorsorge durch Abzug vom jeweiligen unterhaltsrelevanten Einkommen berücksichtigt wird (vgl. etwa Senat, BGHZ 163, 84 = NJW 2005, 3277 = FamRZ 2005, 1817 und NJW 2011, 2430 = FamRZ 2011, 1209 Rn. 35 m.w.N.), und zwar unabhängig davon, ob eine solche Vorsorge bereits während der Ehezeit betrieben oder erst nach der Scheidung aufgenommen worden ist (vgl. Senat, NJW 2009, 2450 = FamRZ 2009, 1207 Rn. 31).
cc) Diese Entwicklung kann aber auch bei der Bemessung des Altersvorsorgeunterhalts nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. Borth, FPR 2008, 86, 87 f.; Schürmann in Eschenbruch/Schürmann/Menne, Der Unterhaltsprozess, 6. Aufl., Kap. 1 Rn. 1237; MüKoBGB/Maurer 7. Aufl., § 1578 Rn. 280; Vorstandsempfehlungen des 16. DFGT FamRZ 2005, 1962). Daher ist es jedenfalls dann, wenn der Unterhaltspflichtige eine zusätzliche Altersvorsorge in vergleichbarer prozentualer Größenordnung betreibt, geboten, dies auch dem Unterhaltsberechtigten durch eine entsprechende Erhöhung des Altersvorsorgeunterhalts zu ermöglichen.
dd) Eben dies hat das OLG in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt. Daher ist es gerechtfertigt, dass es den Altersvorsorgeunterhalt der Antragsgegnerin mit einem Zuschlag von 4 Prozentpunkten zum Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung berechnet hat. […]