STREIT 2/2020

S. 72-75

LSG Baden-Württemberg, § 46 SGB VI

Große Witwenrente trotz Ehedauer von weniger als einem Jahr

Auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten ist der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde.
(Leitsatz der Redaktion)

Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 09.10.2019, L 2 R 3931/18

Aus dem Sachverhalt:
Streitig ist die Gewährung einer großen Witwenrente aus der Versicherung des am 8.1.2016 verstorbenen K. S. (im Folgenden: Versicherter) unter dem Gesichtspunkt einer sog. Versorgungsehe.

Am 2.4.2015 schlossen die […] 1940 geborene geschiedene Klägerin und der […] 1940 geborene verwitwete Versicherte die Ehe.
Die Eheleute hatten sich 1997 kennengelernt. Im Jahr 2001 war die Klägerin zum Versicherten in dessen Haus gezogen. 2008 wurde beim Versicherten ein Prostatakarzinom diagnostiziert und zunächst erfolgreich behandelt […]. Im Mai 2013 wurde bei Verdacht auf retroperitoneale (hinter dem Bauchfell) und Lungenmetastasen eine Hormonblockade begonnen, die regredient (zurückbildend) wirkte. Nach der Heirat der Tochter des Versicherten im Mai 2014 ergab sich nach Computertomografie (CT), dass der Befund bei Behandlung stabil war. Beim Versicherten entwickelte sich anschließend eine Depression, die im Juni 2014 im Zentrum für Psychiatrie (ZfP) stationär behandelt wurde. Von September 2014 bis Dezember 2014 wurde der Versicherte im ZfP C. deshalb nochmals stationär behandelt. Als Diagnosen wurden eine rezidivierende Depression, gegenwärtig schwere Episode mit psychotischen Symptomen, sowie eine leichte kognitive Störung festgestellt […]. Ausweislich des Pflegegutachtens vom 15.12.2014 hatte der Versicherte die Pflegestufe II. Im Januar 2015 wurde eine Parkinsonerkrankung festgestellt.
Am 2.4.2015 heirateten die Klägerin und der Versicherte vor dem Standesamt S. Hierbei wurden Geburtsurkunden vorgelegt, die bereits im Juni 2014 ausgestellt worden waren. Die Anmeldung zur Eheschließung war am 4.3.2015 erfolgt.
Im Juli 2015 verschlechterte sich der Zustand des Versicherten zunehmend. Schließlich verstarb er am 8.1.2016. Als Todesursache sind in der Totenbescheinigung […] dekompensierte Herzinsuffizienz, respiratorische Insuffizienz, Pneumonie, Immobilität, Parkinson-Krankheit sowie Prostatakarzinom gestellt.

Am 3.2.2016 beantragte die Klägerin Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes und gab an, dass der Wunsch zu heiraten schon früher bestanden habe aber immer wieder zurückgestellt worden sei […]. Sie selbst beziehe Altersrente der DRV Bund in Höhe von 1.087,81 EUR sowie eine Altersrente aus der Schweiz in Höhe von ca. 300 EUR monatlich.
Die Beklagte […] lehnte […] den Antrag auf Hinterbliebenenrente mit Bescheid vom 13.4.2016 ab, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe bei der Ehedauer unter einem Jahr sei nicht widerlegt worden.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein […]. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.9.2016 zurück. Bei bestehenden Lungenmetastasen sei zum Zeitpunkt der Eheschließung an einen schlechten Ausgang des Leidens zu denken gewesen.
Dagegen hat die Klägerin […] Klage […] erhoben […]. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 13.9.2018 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass auf Grund der zeitlichen Umstände zwischen Eheschließung am 2.4.2015 und Todesfall des Versicherten am 8.1.2016 die Ehe kein Jahr gedauert habe und daher die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe vorliege. […]

Aus den Gründen:
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.
Die […] Berufung ist zulässig […]. Die Berufung ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13.4.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.9.2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung einer großen Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemanns gegen die Beklagte.
Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, unter anderem dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 8.1.2016 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt hatte. Sie hat im Zeitpunkt des Todes des Versicherten auch das 45. Lebensjahr vollendet und nach dessen Tod nicht wieder geheiratet. Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI, der nach § 242a Abs. 3 SGB VI für alle seit dem 1.1.2002 geschlossenen Ehen gilt, ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat vom 2.4.2015 bis 8.1.2016 und damit weniger als ein Jahr gedauert. Entscheidend ist daher, ob „besondere Umstände“ vorliegen, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Solche besonderen Umstände liegen zur Überzeugung des Senats vorliegend vor.

Als besondere Umstände i.S.v. § 46 Abs. 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen (BSG, Urteil vom 5.5.2009 – B 13 R 55/08 R –, juris). Dabei kommt es auf die gegebenenfalls auch voneinander abweichenden Beweggründe, Motive und Zielvorstellungen beider Ehegatten an. Die Annahme des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (BSG, Urteil vom 5.5.2009, a.a.O.). Lediglich wenn der Hinterbliebene keine – glaubhaften – Angaben über die inneren Umstände macht, darf sich die Ermittlung, welche Gründe für die Eheschließung ausschlaggebend waren, und die Prüfung, ob es sich dabei um (anspruchsbegründende) besondere Umstände i.S.d. § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI handelt, auf nach außen tretende objektive Tatsachen beschränken. Ansonsten sind auch die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat zu betrachten und vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist, mit einzubeziehen (BSG, Urteil vom 5.5.2009, a.a.O.). Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand i.S.d. § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten, bei dem bisher kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt („plötzlich“ und „unerwartet“) eingetreten ist (vgl. nur BSG, Urteil vom 5.5.2009 aaO. m.w.N.; siehe auch Ringkamp in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand 2/16, § 46 Rn. 38). In diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat war, dem Ehegatten eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen. In der Gesetzesbegründung wird als ein Beispiel hierfür der „Unfalltod“ genannt (BT-Drucks 14/4595 S 44). Unvermittelt eingetreten in diesem Sinne ist der Tod aber auch bei einem Verbrechen oder bei einer Erkrankung, die plötzlich aufgetreten ist und schnell zum Tode geführt hat (z.B. Infektionskrankheit oder Herzinfarkt bei unbekannter Herzerkrankung). Litt der Versicherte hingegen zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit, ist in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt (BSG, Urteil vom 5.5.2009, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 16.10.2012 – L 11 R 392/11 – und 5.12.2017 – L 11 R 402/17 –, jeweils juris). Auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten ist indes der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (BSG, Urteil vom 5.5.2009, a.a.O.). Der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist nur erfüllt, wenn insoweit nach § 202 SGG i.V.m. § 292 ZPO der volle Beweis erbracht wird (BSG, Urteil vom 5.5.2009 unter Verweis auf BSGE 60, 204, 206 = SozR 3100 § 38 Nr. 5; Ringkamp in Hauck/Noftz a.a.O. Rn. 38). Die Darlegungs- und Beweislast für ihr Vorliegen als ein den Anspruch begründender Umstand und damit auch die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, der den Witwen-/Witwerrentenanspruch geltend macht (vgl. BSG, Urteil vom 5.5.2009, a.a.O., BSGE 60, 204, 208 = SozR 3100 § 38 Nr. 5), vorliegend die Klägerin. Entgegen der Ansicht des SG im angefochtenen Urteil ist zur Überzeugung des Senats ein Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a SGB VI vorliegend erfüllt. Das SG geht zu Unrecht vom offenkundigen Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung beim Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung aus und zieht unter dieser Prämisse fälschlich den Schluss, dass die Vermutung einer Versorgungsehe nicht widerlegt sei.

Anzuknüpfen ist hier zunächst an den Gesundheitszustand des Versicherten. Aus den vorliegenden ärztlichen Auskünften des Dr. J. vom 25.5.2016 und des Urologen Sch. vom 10.5.2016 und vom 9.8.2019 sowie dem MDK Gutachten vom 15.12.2014 und dem ärztlichen Bericht über die mehrmonatige stationäre Behandlung in der Klinik ZfP H. vom 5.12.2014 lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht entnehmen, dass der Versicherte im Zeitpunkt der Eheschließung am 2.4.2015 an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten hat. Als solche kommt bei den zu dem Zeitpunkt diagnostizierten Krankheiten allein die unbestreitbar vorliegende Krebserkrankung des Versicherten in Betracht.
Die im ZfP C. festgestellte und allein als Diagnose genannte schwere Depression mit psychotischen Zuständen sowie kognitive Einschränkungen stellen ohne Zweifel keine lebensbedrohliche Erkrankung dar. Ebenso wenig ist bei einer erst im Januar 2015, somit ca. 3 Monate vor der Heirat, diagnostizierten Parkinson-Erkrankung von einer unmittelbar lebensbedrohlichen Erkrankung zu sprechen. Die Krankheit ist zwar nicht heilbar aber medikamentös gut behandelbar und hat in der Regel einen schleichenden, über mehrere Jahre dauernden Verlauf, der mit zunehmenden körperlichen Einschränkungen einhergeht. Die Lebenserwartung von Parkinson-Patienten ist gegenüber der Allgemeinbevölkerung vermutlich nur geringfügig niedriger. Durch Parkinson-Medikamente lassen sich die Symptome in der Regel lange Zeit, manchmal über Jahrzehnte, sehr gut kontrollieren, was ein nahezu unbehindertes Leben ermöglicht (vgl. www.parkinson-aktuell.de/was-ist-parkinson/parkinson-verlauf).
Hinsichtlich der Herzerkrankung war ausweislich des Befundberichts des Dr. G. vom 1.10.2015 eine leichtgradig reduzierte LVF (Funktion der linken Herzkammer) seit 2011 bekannt. Erst im Oktober 2015, nach der Hochzeit, ist neu eine Rechtsherzbelastung hinzugetreten (Bl. 51 VA), sodass auch diesbezüglich nicht von einer gravierenden oder gar lebensbedrohlichen Herzerkrankung im Zeitpunkt der Eheschließung ausgegangen werden konnte.
Von daher kommt nur die Krebserkrankung des Versicherten als potentiell lebensbedrohliche Erkrankung in Betracht. Dieses Stadium hatte die Erkrankung jedoch beim Versicherten nicht. Nicht jede festgestellte Krebserkrankung ist von vornherein lebensbedrohlich, insbesondere abhängig vom Stadium, in dem die Erkrankung erkannt wird, bieten sich sogar auch gute Heilungschancen. Das beim Versicherten 2008 diagnostizierte Prostatakarzinom war zunächst erfolgreich durch operative Entfernung und Bestrahlung behandelt worden. Zwar sind in der Folge im Jahr 2013 Lungenmetastasen aufgetreten, was per se für ein Fortschreiten der Erkrankung spricht. Aber im Falle des Versicherten war die diesbezügliche Behandlung durch eine Hormonablation mit Trenantone ausweislich der Auskunft des Urologen Sch. vom 9.8.2019 letztlich bis zum Tod des Versicherten erfolgreich. Bis September 2014 war der PSA-Wert – maßgeblich für die Verlaufsbeurteilung von Prostatakrebs (https://www.netdoktor.de/krankheiten/prostatakrebs/psa-wert/) – bis zur Nachweisgrenze auf 0,01 gesunken und die Lungenmetastasen hatten sich sogar verkleinert, sie zeigten eine deutliche Regredienz. Nach Auskunft des Urologen Sch. bestanden hinsichtlich der Primärerkrankung stabile Verhältnisse ohne Anhalt für ein Fortschreiten. Durch die Hormonbehandlung war die Erkrankung im Griff, ein operativer Eingriff war offensichtlich nicht erforderlich. Auch nach dem Absetzen der Hormontherapie im September 2014 wegen der psychischen Erkrankung konnte bis zum Mai 2015, einem Datum nach der Eheschließung am 2.4.2015, nur ein allmählicher Anstieg des PSA-Wertes zuletzt auf 1,58 verzeichnet werden, der jedoch in der Gesamtschau noch nicht als dringend behandlungsbedürftig angesehen wurde und die Nebenwirkungen in keinem Verhältnis zum Nutzen standen. Auch die radiologische, kernspintomografische und computertomografische Befundung hat kein anderes Bild ergeben. So hat der radiologische Bericht des Dr. H. vom 30.6.2014 gleichbleibende Verhältnisse bestätigt, neue Tumoren insbesondere in der Leber und den Lymphomen hatten sich nicht gebildet. Durch die Kernspintomografie im Juli 2014 wurden intracerebrale Metastasen ausgeschlossen. Erst nach der Heirat im Oktober 2015 wurden im CT größenprogrediente intrapulmonale Herde nachgewiesen (Bericht Dr. D. vom 8.10.2015). […] Noch nach der Wiederaufnahme der Hormonbehandlung hat die Therapie gut angeschlagen und der inzwischen auf 4,02 erhöhte PSA-Wert ist wieder auf 1,02 zurückgegangen, so dass von einem guten Ansprechen der Therapie ausgegangen werden konnte. Letztlich erst durch einen Sturz im Juli 2015 wird vom Urologen Sch. ein Einbrechen im Gesundheitszustand des Versicherten beschrieben, der mit einer vollständigen Immobilisierung einherging. Daraus zieht der Senat den Schluss, dass der Kläger trotz der im Pflegegutachten dargestellten stark eingeschränkten Alltagskompetenz jedoch im Zeitpunkt der Eheschließung nicht unter einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten hat, sondern letztendlich in Folge der Immobilität nach dem Sturz, einem Unfallereignis, der Gesundheitszustand sich derart verschlechtert hat, dass letztendlich der Tod nach einer Lungenentzündung eingetreten ist. Auf die nicht mehr einholbare Auskunft des Dr. J., die eine Verbesserung im Gesundheitszustand des Versicherten durch die Umstellung auf die Parkin­sonmedikamente belegen sollte, kam es daher nicht mehr an. Von einer lebensbedrohlichen Erkrankung kann daher auch in dem Zusammenhang zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht gesprochen werden. Insbesondere ist der vorliegende Sachverhalt nicht mit dem der Entscheidung des 13. Senats des LSG Baden-Württemberg zugrundeliegenden vergleichbar (L 13 R 3256/13), auf den sich der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung bezogen hat. In der dortigen Entscheidung war vor der Eheschließung den späteren Eheleuten die Krebserkrankung des Mannes mit Metastasen in den Lymphknoten und nur noch palliativer Behandlung mitgeteilt worden, was zu den stabilen Verhältnissen hinsichtlich der Lungenmetastasen des hiesigen Versicherten gänzlich unterschiedlich zu bewerten ist. Damit haben vorliegend zum Zeitpunkt der Heirat keine gesundheitlichen Umstände vorgelegen, die das Vorliegen besonders gewichtiger innerer und äußerer Umstände verlangen, die im Rahmen der Gesamtabwägung gegen eine Versorgungsehe sprechen würden. Es reichen vielmehr allgemeine Gesichtspunkte aus.

Ausgehend davon hält der Senat daher vorliegend die Verwirklichung des schon lange gehegten Heiratswunsches als leitendes Motiv für die Eheschließung für glaubhaft und ausreichend. Untermauert wird dies durch die glaubhafte Angabe der Tochter, dass die geplante Hochzeit ihres Vaters und der Klägerin wegen der eigenen überraschenden Heirat im Allgäu, an der der Versicherte teilgenommen hat, verschoben wurde. Dass die Heirat der Klägerin und des Versicherten tatsächlich schon 2014 konkret ins Auge gefasst war, ergibt sich aus der Beschaffung der Geburtsurkunden im Juni 2014, die bei der Eheschließung verwendet wurden und ansonsten die Beschaffung keinen anderen Sinn zulässt. Ebenso sind Heiratswünsche glaubhaft gegenüber den Familienmitgliedern geäußert worden und die Eheschließung dann wegen der akut erstmals im Juni 2016 auftretenden psychischen Erkrankung verschoben worden. Auch ist die Klägerin als Bezieherin eigener Renten in Höhe von ca. 1.300 EUR monatlich finanziell abgesichert, sodass sie auf eine Versorgung durch den Versicherten nicht angewiesen war. Grundsätzlich sind diese Gründe allein beim Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung zwar nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen, in der Gesamtschau ergeben die inneren Motive bei der vorliegenden objektiven Konstellation zur Überzeugung des Senats nachvollziehbar und glaubhaft das Bild, dass nicht der Versorgungswunsch, sondern die Verwirklichung des langgehegten Heiratswunsches das zumindest gleichwertig leitende Motiv für die Eheschließung gewesen ist. In der Gesamtbetrachtung sieht der Senat die dargelegten anderen Motive daher als zumindest gleichwertig zur unterstellten Versorgungsabsicht an, weil im Zeitpunkt der Eheschließung keine lebensbedrohliche Erkrankung vorlag.
Auf die Berufung der Klägerin war daher das Urteil des SG aufzuheben.