STREIT 4/2020
S. 173-177
VG Berlin, §§ 27, 34 BGleiG, § 25 AGG
Ausschluss einer Gleichstellungsbeauftragten aus dem Auswahlverfahren
Es wird festgestellt, dass die Beklagte die Rechte der Klägerin dadurch verletzt hat, dass sie die Klägerin in dem Auswahlverfahren um die Besetzung der Stelle der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes vor der Mitteilung vom 24. April 2018 an die Bewerberin K., sie könne in diesem Verfahren nicht berücksichtigt werden, nicht beteiligt hat.
(Tenor)
Urteil des VG Berlin vom 27.04.2020 – 5 K 237.18
Aus dem Sachverhalt:
Die Klägerin, die Gleichstellungsbeauftragte in dem von der Beklagten geführten Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (nachfolgend: das Ministerium), begehrt die Feststellung, in eigenen Rechten verletzt zu sein.
Das Amt der Klägerin versah seit 2001 die Beamtin K. (nachfolgend: die Beamtin). Mit Schreiben vom 5. April 2018 teilte der Leiter des Referates für Personalangelegenheiten in dem Ministerium der Beamtin mit, die Stelle der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes solle schnellstmöglich neu besetzt werden. Bewerbungen seien ab Referatsleiterebene möglich. Wegen der Dringlichkeit der neuen Besetzung müsse eine Bewerbung bis zum 10. April 2018 vorliegen. Mit E-Mail vom 10. April 2018 gab die Beamtin an, sie habe an dieser Aufgabe grundsätzlich Interesse. Der Leiter des Referates für Personalangelegenheiten teilte der Beamtin telefonisch am 23. April 2018 und per E-Mail vom 24. April 2018 mit, sie könne in das Auswahlverfahren nicht einbezogen werden. Für die Tätigkeit der Gleichstellungsbeauftragten freigestellt, könne sie aktuell nicht beurteilt werden. Die Dienststellen hätten die berufliche Entwicklung der Gleichstellungsbeauftragten von Amts wegen fiktiv nachzuzeichnen. Fortzuschreiben sei die letzte regelmäßige dienstliche Beurteilung unter Berücksichtigung der Entwicklung vergleichbarer Beamtinnen und Beamten. Das Ergebnis der so vorgenommenen fiktiven Fortschreibung bilde eine taugliche Auswahlgrundlage. In ihrem Falle datiere die letzte dienstliche Beurteilung vom 15. März 2001. Diese Beurteilung sei nicht mehr fortschreibungsfähig, weil sie mittlerweile zu alt sei. Es fehle an einer belastbaren Tatsachengrundlage. Daher könne sie in die Auswahl für die Leitung der Antidiskriminierungsstelle nicht einbezogen werden. Selbst soweit andere Möglichkeiten der Nachzeichnung der beruflichen Entwicklung in den Blick genommen werden könnten, fehle es jedenfalls nach einer vollständigen Freistellung von siebzehn Jahren an der erforderlichen Prognosegrundlage. Eine Bewertung der Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte komme nicht in Betracht.
Die Klägerin legte (in ihrer Organstellung) mit Schreiben vom 27. April 2018 Einspruch ein. […] Mit dem Einspruch verfolge sie nicht ihre persönlichen Rechte als Beamtin. Es gehe ihr allein um die allgemeinen Auswirkungen auf die Beschäftigten des Hauses und die damit verbundenen Verletzungen der Rechte der Gleichstellungsbeauftragten. Abgesehen von der inhaltlichen Rechtswidrigkeit sei die Maßnahme auch beteiligungspflichtig. Es handele sich um eine generelle Personalmaßnahme im Sinne des Bundesgleichstellungsgesetzes. Mit Schreiben vom 2. Mai 2018 wies die Staatssekretärin im Ministerium den Einspruch zurück. […]
Am 14. Juni 2018 hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht erhoben. Die Entscheidung der Dienststelle, die Beamtin, die als Gleichstellungsbeauftragte freigestellt sei, von der Teilnahme an weiteren Auswahlverfahren auszuschließen, habe jedenfalls ihrer Mitwirkung als Gleichstellungsbeauftragte unterlegen. Dies sei nicht erfolgt. Es verletze ferner ihre Rechte im jeweiligen Auswahlverfahren, da sie auf diese Weise von anderen in dieses Verfahren einbezogenen und zu berücksichtigenden Personen nichts erfahre. Die Entscheidung, entlastete und freigestellte Beschäftigte nicht mehr in Auswahlverfahren einzubeziehen, sei eine generelle Personalmaßnahme, an der sie zu beteiligen gewesen sei; diese generelle Entscheidung habe die Beklagte zum ersten Mal auf die Beamtin angewandt. Auch dies habe ihrer Beteiligung – hier in Besonderheit der Stellvertreterin der Gleichstellungsbeauftragten – unterlegen.
Sie beantragt zuletzt wörtlich, festzustellen, dass vor der Mitteilung der Beklagten an die Auswahlbewerberin K., dass sie im Hinblick auf ihre langjährige Freistellung im Auswahlverfahren nicht berücksichtigt werden könne, die Gleichstellungsbeauftragte – hier in Person der stellvertretenden Gleichstellungsbeauftragten – hätte beteiligt werden müssen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Ein Organrecht bestehe allein auf Bescheidung des Einspruchs durch die zuständige Behörde. Die inhaltliche Richtigkeit dieses Bescheides könne sie aber allein dann überprüfen lassen, wenn der dem zurückgewiesenen Einspruch zugrunde liegende Einspruchsgrund auch von einem der – beschränkten – Klagegründe nach dem Bundesgleichstellungsgesetz erfasst sei. […] Der Vortrag der Klägerin, bei zukünftigen Auswahlverfahren unter Einbeziehung von Gleichstellungsbeauftragten werde sich die Rechtsverletzung wiederholen, begründe keinen zulässigen Antrag. Die Anrufung des Verwaltungsgerichtes könne nur darauf gestützt werden, dass Rechte der Klägerin in der Vergangenheit verletzt worden seien. Die Klage sei im Übrigen unbegründet. Den Maßnahmen fehle es vollständig an einem Gleichstellungsbezug. […] Die Bereitschaft, rechtmäßige Entscheidungen zu treffen – hier unter sorgfältigen und einzelfallbezogenen Erwägungen –, sei keine Maßnahme, die eine Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten voraussetze. Denn ein Gleichstellungsbezug scheide nach jeder möglichen Betrachtungsweise aus. Im Übrigen sei eine rechtzeitige Beteiligung der Stellvertreterin der Gleichstellungsbeauftragten erfolgt. Die Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung einzelner Bewerberinnen stehe immer erst mit dem Zeitpunkt der Auswahlentscheidung fest. Vorabinformationen an Bewerber, die formale Anforderungen nicht erfüllten, ergingen lediglich aus Gründen der Fairness.
Die Beamtin hat wegen der Ablehnung ihrer Bewerbung um verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Auf ihren zunächst vor dem Verwaltungsgericht Köln (Beschluss vom 16. August 2018 – 15 L 1118/18 –) erfolglos gebliebenen Antrag hin hat das Oberverwaltungsgericht Münster (Beschluss vom 19. März 2019 – 1 B 1301/18 –) die Besetzung des Amtes der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit der ausgewählten Bewerberin untersagt. Der Berichterstatter hat in diesem Verfahren den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 28. Januar 2019 erörtert. Die Beteiligten haben sich dort mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. […]
Aus den Gründen:
[…] Die Kammer legt den von der Klägerin zuletzt gestellten Klageantrag entsprechend ihrem weiteren Vorbringen und erkennbaren Willen dahingehend aus (§ 88, § 86 Abs. 3 VwGO), dass die Klägerin die fehlende Beteiligung des Organs Gleichstellungsbeauftragte insgesamt, nicht aber in Sonderheit die fehlende Beteiligung ihrer Stellvertreterin rügt. Die so verstandene Klage hat Erfolg.
Die organschaftliche Feststellungsklage ist gemäß § 34 Abs. 2 des Gesetzes für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Unternehmen und Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz – BGleiG –) statthaft. Danach kann die Anrufung des Gerichts unter anderem darauf gestützt werden, dass die Dienststelle Rechte der Gleichstellungsbeauftragten verletzt hat. Es handelt sich dabei um einen gesetzlich besonders ausgeformten Organstreit. Sein Gegenstand ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang mit den Regelungen über das anlassbezogene Einspruchsrecht (§ 33 Abs. 1 BGleiG), das dadurch angestoßene Einspruchsverfahren (§ 33 Abs. 2 bis 5 BGleiG) und den nachfolgenden außergerichtlichen Einigungsversuch (§ 34 Abs. 1 BGleiG): Die Gleichstellungsbeauftragte kann (allein) die Feststellung eines konkreten Rechtsverstoßes durch ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen der Dienststellenleitung begehren (siehe grundlegend BVerwG, Urteil vom 8. April 2010 – 6 C 3.09 – juris Rn. 12 zur Rechtslage nach dem früheren BGleiG).
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Das mit der Klage – wie die Klägerin im Laufe des Verfahrens klargestellt hat – allein verfolgte Feststellungsbegehren war von dem ordnungsgemäß durchgeführten Einspruchsverfahren gemäß § 33 BGleiG noch umfasst. Unschädlich ist, dass die Klägerin sich im Einspruchsverfahren im Wesentlichen auf eine hinter dem konkreten Ausschluss der Person der Gleichstellungsbeauftragten aus dem Auswahlverfahren stehende abstrakte Entscheidung über den grundsätzlichen Ausschluss in bestimmtem Umfang freigestellter Bediensteter bezogen hat. Der Einspruch war insoweit lediglich weiter gefasst; er erstreckte sich ersichtlich aber auch auf den konkreten Sachverhalt als Anlass und Ausgangspunkt des Einspruchsverfahrens.
Die Klage ist von dem erforderlichen Feststellungsinteresse getragen. Die Beklagte hat im Nachgang zu dem Erörterungstermin vom 28. Januar 2019 ausdrücklich darauf beharrt, dass eine Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten in dem von der Klägerin gerügten Zeitpunkt nicht erforderlich, im Übrigen aber jedenfalls erfolgt sei. Die Beklagte hat auch erklärt, dass sie Schreiben wie die an die Klägerin gerichtete Mitteilung vom 24. April 2018 „im Übrigen nicht immer“ – d.h. offenbar aber regelmäßig – verschicke. Daraus ist insgesamt zu schließen, dass der von der Klägerin angenommene Beteiligungsfehler nicht allein in dem zugrunde liegenden Auswahlverfahren vorgekommen ist und auch in Zukunft vorkommen kann, weil die Beklagte weder von ihrer bisherigen Praxis noch der dieser zugrunde liegenden Rechtsauffassung Abstand genommen hat. Bereits in der Vergangenheit hat die Kammer in Streitigkeiten um den Zeitpunkt der Beteiligung der Klägerin in Auswahlverfahren entschieden, ohne dass dieses weitere Verfahren erübrigt worden wäre. Die von der Klägerin aufgeworfenen gleichstellungsrechtlichen Fragen bestehen auch unabhängig des lediglich diesem Verfahren zugrunde liegenden Sonderfalls, dass die Beteiligung des Organs der Gleichstellungsbeauftragten an einen Gegenstand knüpft, der die Person der Gleichstellungsbeauftragten betrifft.
Die Klage ist begründet. Die Beklagte hat die gesetzlichen Beteiligungsrechte des Organs der Gleichstellungsbeauftragten verletzt, indem sie dieses Organ weder in Gestalt der Klägerin noch ihrer Stellvertreterin beteiligt hat, ehe sie einer Bewerberin – hier der Beamtin – am 23./24. April 2018 mitteilte, dass sie im Auswahlverfahren nicht berücksichtigt werden könne.
Die Beteiligungsrechte der Klägerin richten sich nach § 27 BGleiG. In Absatz 1 der Vorschrift heißt es: Die Dienststelle beteiligt die Gleichstellungsbeauftragte frühzeitig, insbesondere bei den in Nummern 1 bis 5 im Folgenden aufgezählten Angelegenheiten. Dazu zählen unter anderem personelle Angelegenheiten (Nummer 1); dies betrifft auch die Einstellung sowie die Abordnung, Versetzung und Umsetzung von Beschäftigten für mehr als drei Monate (Nummer 1 Buchstabe b) sowie die Fortbildung und den beruflichen Aufstieg von Beschäftigten (Nummer 1 Buchstabe c). Absatz 2 bestimmt: Eine frühzeitige Beteiligung nach Absatz 1 liegt vor, wenn die Gleichstellungsbeauftragte mit Beginn des Entscheidungsprozesses auf Seiten der Dienststelle beteiligt wird und die jeweilige Entscheidung oder Maßnahme noch gestaltungsfähig ist.
Den Anforderungen dieser Vorschriften hat die Beklagte nicht genügt. Das von dem Ministerium durchgeführte Auswahlverfahren zur Ernennung einer Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes betrifft in seiner Gesamtheit eine beteiligungspflichtige personelle Angelegenheit im Sinne von § 27 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) BGleiG. Es zielt auf die Vornahme der ausdrücklich im Katalog der Vorschrift aufgeführten Einstellung.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wird bei dem Ministerium errichtet (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – AGG –). Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 AGG ernennt die Bundesministerin oder der Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf Vorschlag der Bundesregierung eine Person zur Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Diese Leitung steht nach weiterer gesetzlicher Maßgabe in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Bund (§ 26 Abs. 1 Satz 1 und 2 AGG), das besondere Regelung durch Vertrag erfährt (§ 26 Abs. 4 AGG). Mit Blick auf die erforderliche Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit bei Ausübung dieses Amtes (§ 26 Abs. 1 Satz 3 AGG) handelt es sich um ein öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis sui generis außerhalb eines etwa bestehenden Beamtenverhältnisses und der mit diesem verbundenen Ämter. Eine Versetzung oder Umsetzung aus einem bisherigen Amt im Beamtenverhältnis in das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis kommt nicht in Betracht. § 26 Abs. 5 AGG ordnet deshalb unter anderem an: Wird eine Bundesbeamtin oder ein Bundesbeamter zur Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes bestellt, scheidet er oder sie mit Beginn des Amtsverhältnisses aus dem bisherigen Amt aus (Satz 1). Für die Dauer des Amtsverhältnisses ruhen die aus dem Beamtenverhältnis begründeten Rechte und Pflichten mit Ausnahme der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit und des Verbots der Annahme von Belohnungen oder Geschenken (Satz 2). Deshalb bedarf es – auch dann, wenn der ausgewählte Bewerber bereits in einem Beamtenverhältnis steht – in jedem Fall der Neubegründung eines öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnisses. Das hier durchgeführte Auswahlverfahren zielt damit – entsprechend der beamtenrechtlichen Begrifflichkeit – bei einem Beamten in jedem Fall auf eine Einstellung. Eine Einstellung und das ihr vorausgehende Auswahlverfahren haben entgegen der Beklagten stets notwendig Gleichstellungsbezug. Denn Einstellungen bestimmen über die Zusammensetzung des Personalkörpers einer Dienststelle; die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten dient wesentlich der Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in solchen Verfahren. Dies liegt im Kernbereich der Tätigkeit einer Gleichstellungsbeauftragten. Auf die Frage, ob Beteiligungsrechte über diesen Bereich hinaus bestehen, kommt es nicht an.
Der Beteiligung der Klägerin als der Gleichstellungsbeauftragten des Ministeriums steht auch nicht entgegen, dass das Auswahlverfahren nicht auf eine Einstellung bei dem Ministerium selbst, sondern auf die Besetzung der gegenüber diesem unabhängigen und von diesem verselbstständigten Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zielte. Es handelt sich dennoch um ein von dem Ministerium durchgeführtes und auch durchzuführendes Auswahlverfahren, das der Vorbereitung des gesetzlich vorgesehenen Vorschlags der Bundesregierung für die von der Beklagten vorzunehmende Ernennung der Leitung diente. Im Rahmen dieses Auswahlverfahrens kam als zu beteiligende Gleichstellungsbeauftragte allein die bei dem durchführenden Ministerium bestellte Gleichstellungsbeauftragte in Betracht. […]
Der frühzeitigen Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten ist nur genügt, wenn die (jeweilige) Maßnahme noch gestaltungsfähig ist (§ 27 Abs. 2 a.E. BGleiG). Ist ein Gesamtbeteiligungsvorgang mehraktig und besteht er aus verschiedenen Zwischenschritten bereits abschließender (Teil-)Entscheidungen, die wegen der damit verbundenen Festlegung die Gestaltungsfähigkeit der späteren Endentscheidung als solche betreffen, bedarf es der Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten vor jeder dieser Entscheidungen, solange diese Entscheidungen ihrerseits noch gestaltungsfähig – d.h. weder bereits verbindlich getroffen noch der Disposition der Dienststelle sonst entzogen – sind. Eine Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten erst bei der den Gesamtbeteiligungsvorgang abschließenden Entscheidung ist unzureichend. Das Bundesgleichstellungsrecht, das die Verwirklichung der gleichstellungspolitischen Belange im Behördenhandeln nicht durch Entscheidungsbefugnisse der Gleichstellungsbeauftragten, sondern durch ihre Verfahrensrechte sichert, sucht durch das Erfordernis der frühzeitigen Beteiligung zu verhindern, dass die Gleichstellungsbeauftragte Entscheidungen und Maßnahmen allein im Nachhinein bilanzieren und kommentieren kann, ohne sie jedoch noch beeinflussen zu können. Die Beteiligung hat deshalb bereits jeweils anzusetzen, bevor sich durch eine verbindliche Vorfestlegung der Gestaltungsspielraum verengt, der einer späteren (weiteren oder abschließenden) Entscheidung noch verbleibt.
Daran gemessen, war die Klägerin – das Organ Gleichstellungsbeauftragte – auch zu beteiligen, bevor der Person der Gleichstellungsbeauftragten am 23. bzw. 24. April 2018 eröffnet wurde, dass sie in dem Auswahlverfahren nicht weiter berücksichtigt werden könne, weil sie der zum Leistungsvergleich erforderlichen Beurteilung auch durch fiktive Fortschreibung nicht mehr zugänglich sei. Mit dieser Mitteilung des Leiters des Personalreferats an die Person der Gleichstellungsbeauftragten schied diese aus dem Auswahlverfahren aus. Dadurch verengte sich die Auswahlentscheidung, an der das Organ Gleichstellungsbeauftragte zu beteiligen war, auf eine Auswahl unter den verbliebenen Bewerbern. Die Dienststelle begab sich mit der Ausscheidungsmitteilung zudem insoweit der eigenen Disposition über die Auswahlentscheidung. Denn diese eröffnete der Beamtin die Inanspruchnahme von Rechtsschutz.
Die Mitteilung des Leiters des Personalreferates an die Beamtin war abschließend. Sie hatte entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten, wie sich aus ihrer schriftlichen Fassung vom 24. April 2018 ergibt, bei verständiger Auslegung nicht nur vorläufigen und informatorischen Charakter. Die Mitteilung ist überschrieben mit der Betreffzeile „WG: Leitung ADS-Ausschluss aus dem Auswahlverfahren“. Sie beginnt mit dem Satz: „wie ich Ihnen bereits telefonisch mitgeteilt habe, können Sie in das Verfahren zur Auswahl der neuen Leitung der ADS nicht einbezogen werden“. Im letzten Absatz heißt es: „Da eine fiktive Fortschreibung Ihrer letzten Beurteilung nicht mehr möglich ist, können Sie in die Auswahl für die Leitung der ADS nicht einbezogen werden.“ Daran ist nichts unklar oder unverbindlich. […] Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte inhaltlich Raum für eine Gegenäußerung gelassen hätte. Die auf höchstrichterliche Rechtsprechung – ob zu Recht oder zu Unrecht – gestützte Mitteilung ist ihrer Begründung nach auch sachlich abschließend.
Den abschließenden Charakter hat die Beklagte nach dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge nicht verkannt. […] In dem Auswahlvermerk (Ministervorlage) des Personalreferats, der schon vom 7. Mai 2018 stammt, werden drei Bewerber benannt. Diese könnten in das Personalauswahlverfahren einbezogen werden, weil sie ausweislich ihrer Bewerbung und Personalakten das Anforderungsprofil hinsichtlich der geforderten Erfahrungen und Fähigkeiten erfüllten und auch keine zwingenden Umstände ihrer Einbeziehung entgegenstünden. Die Beamtin gehört nicht zu den benannten Bewerbern; ihre Bewerbung findet in dem Auswahlvermerk keine Erwähnung. Die Angabe der Beklagten, an die Beamtin sei im Anschluss nur deshalb keine (echte) Konkurrentenmitteilung mehr ergangen, weil sie um Rechtsschutz nachgesucht habe, ist ohne Grundlage in dem Verwaltungsvorgang. […]
Mit der Mitteilung über ihre (endgültige) Nichtberücksichtigung war Rechtsschutz eröffnet. In diesem Umfang trat das Auswahlverfahren aus dem reinen Binnenverhältnis der Dienststelle, innerhalb dessen noch Gestaltungsfähigkeit besteht, heraus. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die verbindliche negative Mitteilung an einen Bewerber über sein Ausscheiden aus dem Auswahlverfahren auch im Vorfeld der abschließenden positiven Auswahlentscheidung zu Gunsten eines anderen Bewerbers die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Rechtsschutz begründet. Eine solche Mitteilung kommt regelmäßig bei Bewerbern in Betracht, die ein konstitutives Anforderungsmerkmal nicht erfüllen und aus diesem absoluten Ausschlussgrund dem in der späteren Auswahlentscheidung anzustellenden relativen Vergleich von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung von vorneherein nicht zugänglich sind (siehe etwa VGH München, Beschluss vom 31. Januar 2020 – 3 CE 19.2456 – juris Rn. 4; OVG Bautzen, Beschluss vom 30. Oktober 2019 – 2 B 243/19 – juris Rn. 5). Dem steht es gleich, wenn – wie die Beklagte annahm – eine Bewerberin in Auswahlverfahren nicht mehr einbezogen wird, weil sie jedem Leistungsvergleich entzogen ist. Die Beamtin hat denn auch Rechtsschutz im Anschluss tatsächlich – und letztlich erfolgreich – vor dem Verwaltungsgericht Köln und nachfolgend vor dem Oberverwaltungsgericht Münster in Anspruch genommen; die Zulässigkeit des gestellten Antrags ist in diesen beamtenrechtlichen Verfahren jeweils nicht in Frage gestellt worden.
Die erforderliche Beteiligung der Klägerin (als Organ) ist durch telefonische und schriftliche Mitteilung an die Beamtin trotz Personenidentität nicht erfolgt. […] Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Klägerin als Organ am 23. April 2018 eine noch nicht abschließende Entscheidung avisiert worden und ihr jedenfalls bis zur textförmigen Mitteilung am Folgetag Gelegenheit gegeben worden wäre, dazu Stellung zu nehmen. Die Auffassung der Beklagten, es habe sich dabei um ein dem Beteiligungsverfahren angelehntes Verfahren gehandelt, ist nicht nachvollziehbar. […]
Die Mitteilung an die Klägerin war auch nicht entbehrlich. Dass die Gleichstellungsbeauftragte als Person durch ihre Bewerbung den Fortlauf des Bewerbungsverfahrens auch aus Bewerbersicht kannte, minderte die Beteiligungs- und Unterrichtungspflichten gegenüber der Gleichstellungsbeauftragten als Organ nicht – insbesondere nicht im Vorfeld des Ausscheidens aus dem Bewerbungsverfahren. Auch etwaige angenommene Interessenskonflikte sind für den Umfang der Beteiligung unerheblich.
Zu beteiligen war die Klägerin selbst, nicht ihre Stellvertreterin. […] Etwaige Interessenskonflikte der Gleichstellungsbeauftragten sind allein Gegenstand einer abstrakten Organisationsregelung in § 24 Abs. 2 Satz 2 BGleiG. Danach darf eine Gleichstellungsbeauftragte mit Personalangelegenheiten allein als Gleichstellungsbeauftragte – und nicht als Bedienstete – befasst sein. Damit beugt das Gesetz insbesondere einer Einflussnahme der Behörde auf das Organ der Gleichstellungsbeauftragten durch die dienstliche Verwendung der Person der Gleichstellungsbeauftragten und einer Herausbildung von Doppelloyalitäten vor. Auf einen konkreten und persönlichen Interessenkonflikt der Person der Gleichstellungsbeauftragte wegen ihrer (alleinigen) Betroffenheit von einer beteiligungspflichtigen personellen und sonstigen Maßnahme bezieht sich die Regelung nicht. […] Sie ist weisungsfrei und nur als verselbstständigtes unabhängiges Organ Teil der Verwaltung. Die Rechtsstellung der Gleichstellungsbeauftragten ist rein verfahrensbezogen. Sie verfügt – anders als die Personalvertretung – zwar über die Rechte der Mitwirkung, Beteiligung oder Unterrichtung, nicht aber über solche der Mitentscheidung oder Zustimmung. Schon deshalb kann sie nicht Richter in eigener Sache sein (vgl. zur Schwerbehindertenvertretung BAG, Urteil vom 22. August 2013 – 8 AZR 574/12 – juris Rn. 43 ff.). In Ermangelung der erforderlichen eigenständigen Kollisionsregelung obliegt es danach allein der Entscheidung der Gleichstellungsbeauftragten, ob sie sich an den §§ 20 ff. VwVfG orientiert (so auch von Roetteken, Bundesgleichstellungsgesetz, 16. AL 01/2020, § 26 BGleiG Rn. 23 f. m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben war die Klägerin zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der schriftlichen Mitteilung – 24. April 2018 – noch die richtige Beteiligungsadressatin. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie der Beklagten nicht mitgeteilt, das Verfahren an ihre Stellvertreterin abzugeben. Sie hatte zuletzt an der Maßstabskonferenz am 20. April 2018 selbst teilgenommen. Nachdem sie noch das Einspruchsverfahren selbst geführt hatte, teilte die Klägerin erst durch E-Mail vom 15. Mai 2018 mit, dass sie den Vorgang an die stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte abgebe. Erst im Anschluss an diese Disposition der nicht von Amts wegen ausgeschlossenen Klägerin – vorher jedoch nicht – war die Beklagte berechtigt und verpflichtet, die Stellvertreterin in die gleichstellungsrechtlichen Beteiligungsverfahren anstelle der Klägerin einzubeziehen. […]
Hinweis der Redaktion:
Immer wieder versuchen Verwaltungen, die Beteiligung der Frauen-/Gleichstellungsbeauftragten bei Verfahrensschritten zu übergehen, die nicht dem Standard der Stellenbesetzungsverfahren entsprechen. Vergleiche zuletzt auch das Urteil des VG Düsseldorf vom 19.06.2020 – 2 L 2448/19:
Rdnr. 13 „Zudem ist die streitgegenständliche Verfügung auch deshalb formell rechtswidrig, weil sie ohne die vorherige Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten erlassen worden ist. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners erfasst das Beteiligungserfordernis der §§ 17 Abs. 1 Nr. 1, 18 Abs. 2 LGG NRW auch den Fall der Verfügung eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte.“