STREIT 4/2021

S. 156-159

Buchbesprechung: Claudia Burgsmüller, Brigitte Tilmann unter Mitarbeit von Ute Weinmann: Institutionelles Versagen beim Umgang mit sexueller Gewalt im schulischen Kontext

Springer VS Verlag für Sozialwissenschaften, Heidelberg 2019

Ein Buch, dem man viele Leser*innen wünscht, ein Buch, das lesenswerter und spannender ist als der etwas spröde Titel und die schlicht-sachliche Aufmachung es erwarten lassen. Schon nach wenigen Seiten war ich gepackt von dem, was da berichtet wurde, ich habe das Buch bis zum Ende mit großen Erwartungen gelesen, die nicht enttäuscht wurden.
Es geht um die Elly-Heuss-Knapp-Schule in Darmstadt. Sie wurde 1954 gegründet als öffentliche Volksschule, später Grund- und Hauptschule, zeitweise mit Förderstufe. Das Besondere war, dass sie im Grünen nach modernen architektonischen Gesichtspunkten errichtet und nach damals neuen aufgeschlossenen pädagogischen Prinzipien geführt wurde. An dieser Schule war der Lehrer Erich Buß von 1954 bis 1992, also 38 Jahre lang, tätig. Während dieser Zeit hat er ungehindert unzählige Jungen auf heftigste Art und Weise sexuell missbraucht.

Das Hessische Kultusministerium erteilte im Mai 2015 einer Kommission den Auftrag, diese Vorgänge an der Schule zu untersuchen und einzuordnen. Die Kommission bestand aus Claudia Burgsmüller, die seit 1981 als Nebenklagevertreterin im Bereich sexueller Gewalt tätig war, zum Thema publiziert und fortgebildet hat, und Brigitte Tilmann, frühere Präsidentin des OLG Frankfurt am Main und Mitglied der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. Ute Weinmann hat als in der Gewaltarbeit und Gewaltforschung erfahrene Sozialwissenschaftlerin den gesamten Forschungsprozess beratend begleitet, an der strukturellen, methodischen und konzeptionellen Vorgehensweise der Studie mitgewirkt sowie die Punkte 6.2. und 6.3. erstellt.
Die Autorinnen verbinden mit der Arbeit hohe Ansprüche: Rekonstruktion der Dimension und der oft lebenslangen Folgen des Unrechts, das die von der sexuellen Gewalt betroffenen Jungen erleiden mussten; Darstellung der institutionellen Strukturen, die ein Wahrnehmen und Eingreifen verhindert haben und Aufzeigen der Möglichkeiten, die es zur Verhinderung weiterer Taten gegeben hätte; Verbesserung der Präventionsmaßnahmen, um nur einige der formulierten Ziele der Arbeit zu nennen.
Sie beabsichtigten nicht ein Nachholen von Ermittlungen, auch sollte eine strafrechtliche Subsumtion nicht vorgenommen werden. Vielmehr ging es darum, den Betroffenen Raum zu geben, das zu berichten, was sie jahr(zehnt)elang nicht zu berichten wagten und was niemand hatte hören wollen. Außerdem sollte – darauf basierend – die gesellschaftliche Verantwortung und der absolut unzulängliche Umgang damit seitens der involvierten Lehrer*innen, Schulleitungen, Schulbehörden, Elternschaft und Justiz abgebildet werden. Das ist gelungen.

Der Auftrag des Hessischen Kultusministeriums öffnete der Kommission einige Tore zur Recherche, allerdings längst nicht alle wünschenswerten. So verzögerte oder erschwerte die Staatsanwaltschaft Darmstadt die Einsicht in die Akten dreier früherer Ermittlungsverfahren gegen den Lehrer sowie in die Vollstreckungsakte. Letztlich haben Betroffene berichtet und Unterlagen zur Verfügung gestellt und damit das Material geliefert, aus dem das Buch entstehen konnte.
Die Kommissionsmitglieder hatten bereits zuvor mehrfach Erfahrungen auf diesem Arbeitsgebiet gesammelt, u.a. mit der Untersuchung des Missbrauchs an der Odenwaldschule. Vorliegend war der Auftrag anders, überschaubarer: Es ging (nur) um einen Täter, es gab keine Mittäter oder Komplizen, der Täter war bekannt und – teilgeständig – tatsächlich 2005 vom Landgericht Darmstadt rechtskräftig verurteilt, 2008 gestorben, er hatte Tagebücher hinterlassen, die zum Teil noch zur Verfügung standen. Um so überraschender und eindrücklicher ist es, dass es bei diesem vermeintlich übersichtlichen Sachverhalt der Kommission gelingt, die ganze Palette des Elends im Umgang mit sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen darzustellen und mahnend ins Bewusstsein zu rücken.
Die Autorinnen geben den Betroffenen viel Raum, ihre jeweils eigene Geschichte zu berichten. Diese beschreiben die ersten Übergriffe für Mitte der 60er Jahre, oft jahrelang andauernd, mitunter missbrauchte der Lehrer mehrere Jungen gleichzeitig. Deutlich herausgearbeitet wird in den Gesprächen mit den Betroffenen die Strategie des Täters, die einem von vielen anderen Fällen her bekannt vorkommt: Er ist freundlich zu den Jungen, lädt sie zu sich nach Hause ein, lässt ihnen Freiheiten, die sie zuhause nicht haben oder bringt ihnen Zuwendung entgegen, womit er auf vorhandene Bedürfnisse trifft. Er gibt sich als Kumpel und moderner, aufgeschlossener Pädagoge – es ist die Zeit, in der antiautoritäre Erziehung Thema ist. Er unterrichtet vormittags an der Schule und spielt nachmittags den Sozialpädagogen, sucht Gelegenheiten zur Annäherung bei Freizeiten und auf Zeltlagern, besticht und kauft die Kinder armer Eltern mit Geschenken und Geld, Kinder intellektueller Eltern ködert er mit Musikunterricht und Literatur. Er unterhält freundschaftliche Beziehungen zu den Eltern seiner Schüler und zu den ihn bewundernden Kolleginnen. Er beginnt die sexuellen Übergriffe langsam, gewöhnt die Kinder daran, steigert dann seine Übergriffe; wenn sie sich widersetzen, wird er aber auch rabiat, packt sie, schließt sie ein, und er gebietet ihnen Schweigen.

Seine Persönlichkeit und seine Lebensverhältnisse werden dargestellt und machen so das jahrzehntelange ungestörte Treiben plausibel:
Er hat keine eigene Familie, damit viel Zeit „für“ die Jungen. Er opfert viel Zeit und Geld für seine „Schützlinge“. Er ist Vertrauenslehrer an der Schule („So jemand tut nichts Böses“). Er weiß genau, was er tut, wo er ablenken muss, falls doch mal ein kritischer Blick auf ihn geworfen wird oder jemand stutzig wird. Er schafft den Spagat, den Eltern freundlich zu begegnen und gleichzeitig ihre Söhne zu missbrauchen. Dabei hatte er wohl trotz allem Angst vor Entdeckung, weshalb er auch immer wieder Ablenkungsmanöver startet. Dennoch korrespondierte er jahrelang mit seinen ehemaligen Schülern, traute sich das, verschickte seine Tagebücher, in denen er den Missbrauch festgehalten hat. Unfasslich bleibt, dass er all die Jahre Briefkontakte zu den Betroffenen unterhielt und trotzdem darauf baute (zu Recht), dass niemand ihn anzeigt.
Für sich selbst bastelt er sich eine Sicht der Dinge zurecht, die ihn entlastet. Er meint, er sei kein Kinderschänder, sondern er habe sich um die Kinder gekümmert, niemals Gewalt angewandt (was nicht stimmt), es habe ihn nie jemand darauf angesprochen (auch das stimmt nicht), er sei letztlich das Opfer. Tatsächlich hatte er Freunde, die ihm zur Seite standen, zum Teil waren es von ihm früher Missbrauchte, die er lange mit Geldleistungen unterstützte, sie nicht aus seinen Fängen ließ und sie von sich abhängig machte.

Auf dem Hintergrund dieses ausführlich und nachvollziehbar dargelegten Sachverhalts mutet das Versagen der Institutionen umso verstörender an:
Die ehemaligen Schulleiterinnen, das überwiegend weibliche Kollegium, die Schulbehörde – sie kommen in dem Buch zu Wort, soweit sie sich dem Gespräch stellen. Dabei wird deutlich, dass sie eigentlich nichts von den Missbrauchstaten mitbekommen haben; wenn von den Kindern und Jugendlichen zaghaft versucht wurde, etwas mitzuteilen, hörten sie nicht hin oder wussten es nicht zu deuten (Formulierungen wie ‚der hat mich angefasst’ als Umschreibung schwerer Taten). Das Schulamt ließ die Schulleitung im Stich, wenn sie schon mal um Hilfe bat. Ein Schulrat hielt jahrelang seine Hand schützend über den Lehrer.
Disziplinarverfahren gegen den Lehrer, die im Zusammenhang mit den strafrechtlichen Ermittlungen zwingend eingeleitet werden mussten, wurden sanktionslos eingestellt. Die Schulamtsjuristin verweigerte ein Tätigwerden unter Hinweis darauf, dass Beweise vorliegen müssten, sonst könne man nichts machen. Augen und Ohren wurden verschlossen, alles unter den Teppich gekehrt, und das jahrzehntelang.
Die Autorinnen machen deutlich, dass dieselben Mechanismen wirksam waren wie in anderen Institutionen (Bundeswehr, Kirche): Man trägt Probleme nicht nach außen, man stellt keine Öffentlichkeit her, man regelt das intern. Im Nachhinein können sich alle an nichts Konkretes erinnern, die Wahrnehmungen bleiben vage, die Passivität wird mit dem Zeitgeist erklärt, der damals herrschte:
Das Kollegium spaltete sich in begeisterte Anhängerinnen des Täters, der sich als Achtundsechziger auf Neills „Summerhill“ und die Abkehr von schwarzer Pädagogik berief, Aufbruch zu einem neuen Verständnis von Pädagogik und Sexualität für sich reklamierte. Sexueller Missbrauch wird als fortschrittlicher Umgang mit der „natürlichen Sexualität von Kindern“ gesehen und getarnt. Der konservative Teil des Kollegiums, der ihm kritisch gegenüber stand, kritisierte das Falsche an ihm, so sein ‚Aufrührertum’, auch der Verdacht, er sei homosexuell, wurde nicht offen ausgesprochen. Sie durchschauten ihn ebenfalls nicht oder sie wollten nicht wahrhaben, was da ablief.
Bisweilen war die Situation in der Schulleitung chaotisch, es gab jahrelang nur kommissarische Schulleiterinnen. Inwieweit das dazu beitrug, dass es unterblieb, dass klar Stellung genommen oder etwas veranlasst wurde, bleibt unklar. Fest steht aber, dass das Schulamt noch nicht einmal auf die Veröffentlichung der rechtskräftigen Verurteilung im Jahre 2005 reagierte.

Sehr plastisch stellt sich das Versagen der Ermittlungsbehörden, der Polizei und insbesondere der Staatsanwaltschaft Darmstadt dar, die über Jahre sämtliche Chancen, einen notorischen, uneinsichtigen, hartnäckigen Täter zu stoppen, haben verstreichen lassen. Die Kommission arbeitet diesen Teil ausführlich auf. Schon in den Jahren 1973/74, 1989, 1997 und 1999 gab es Verfahren gegen den Lehrer. Die polizeilichen Ermittlungen wurden halbherzig bis gar nicht durchgeführt, die Staatsanwaltschaft stellte die Verfahren ein, informierte nicht einmal immer das Schulamt.
Erst als im November 2001 ein früherer Schüler Strafanzeige wegen Bedrohung durch Freunde des Täters erstattete und dabei nur beiläufig erwähnte, dass „sexuelle Kontakte zwischen ihm und dem Lehrer“ bestünden, seit er 8 Jahre alt war, kam damit das einzige Ermittlungsverfahren in Gang, das mit einer Verurteilung des Lehrers endete. Nach unendlich langen und schlappen Ermittlungen – der Beschuldigte wurde erstmals 1 ½ Jahre später, im Juli 2003, vernommen, Anklage wurde im Mai 2005 erhoben – erging vom Landgericht Darmstadt ein Urteil: wegen 15 Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern verhängte es eine Freiheitsstrafe von 4 Jahren gegen den Lehrer, der zu dieser Zeit schon 13 Jahre in Pension war, und verfügte die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Das Urteil wurde am Tag seiner Verkündung rechtskräftig, der Verurteilte starb 2008 in der Forensik.
Dass das Landgericht relativ zügig Hauptverhandlung anberaumt hatte, war erfreulich, jedoch sicherlich in erster Linie der Tatsache geschuldet, dass der Angeklagte sich (teil)geständig zeigte, weshalb die Hauptverhandlung dann auch gerade mal 3 Stunden dauerte. Geständige Täter verurteilen konnte die Justiz schon immer gut. Das täuscht indes nicht darüber hinweg, dass die Strafjustiz nicht in der Lage ist, die Realität auch nur annähernd abzubilden. Schon die Beschränkung der Anklage auf 15 Fälle in einem auf 11 Jahre begrenzten Zeitraum von 1984 bis 1995 – bei tatsächlich stattgefundenen tausenden Übergriffen, die in den 60er Jahren begannen – ist eine Zumutung für die Betroffenen.
Das Urteil des Landgerichts Darmstadt wird von den Autorinnen präzise bewertet, sie arbeiten die Kritikpunkte klar heraus: Die Beweisaufnahme wurde auf die Einlassung des Angeklagten beschränkt, es wurden keine der Betroffenen als Zeugen vernommen. Das war weniger dem Opferschutz, sondern mehr der Prozessökonomie geschuldet, man wollte so wenig wie möglich hören und schnell zum Ende kommen. Letztlich läuft das auf Täterschutz hinaus. Dem Täter wurde Strafmilderung gewährt wegen seines Geständnisses, auch wenn dieses nicht wirklich umfassend war; weitere Strafmilderung gab es wegen (lächerlich geringer) Schmerzensgeldzahlungen an zwei Nebenkläger; dem Täter wurde beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit zugestanden, wie es der psychiatrische Sachverständige vorgegeben hatte (der Täter „leide“ an Pädophilie), das führte zu weiterer Strafmilderung. Deutlich wird auch, dass man sich für den Prozess eine kompetentere und aktivere Nebenklagevertretung gewünscht hätte. Jedenfalls lässt sich feststellen, dass innerhalb der Justiz am allerwenigsten dafür getan wurde (und wird), dass mit dem Thema sexuelle Gewalt angemessen umgegangen und darauf reagiert wird.

Etwas kurz kommt in dem Buch die Beleuchtung der Elternsicht und -tätigkeit. Nur wenige Eltern waren offensichtlich bereit, im Nachhinein einen Blick in die Vergangenheit zu wagen und sich der kritischen Betrachtung des eigenen Verhaltens zu unterziehen. Es fällt auf, dass heute wenig Erinnerung an Konkretes vorhanden ist, dass damals – wenn überhaupt – eher konservative Väter aktiv wurden, halbherzig, ohne weit reichende Folgen. Dem Täter war es gelungen, über Jahrzehnte insbesondere die Mütter für sich einzunehmen. Er hat sie bestochen mit seiner (vermeintlichen) Sorge für ihre Kinder, sie fühlten sich dadurch entlastet.
Schließlich stellt die Kommission das Verhalten der Presse dar: Über die Jahre war nichts in der Presse zu lesen über diesen Lehrer und seine Taten. Selbst das Verfahren beim Landgericht Darmstadt im Juli 2005, das immerhin mit einer Verurteilung endete, war kein Anlass für die lokale oder überörtliche Presse, einen Reporter zur Beobachtung der Hauptverhandlung zu entsenden und mehr als nur ein paar Zeilen über den Prozess zu vermelden. Es wurde lediglich eine dpa-Meldung am 07.07.2005, dem Tag der Urteilsverkündung, im Darmstädter Echo veröffentlicht.
Erst die Berichterstattung vor allem in der taz im März 2015, die auf die Initiative eines Betroffenen zurückging, brachte etwas mehr Informationen an die Öffentlichkeit. Da waren seit dem Urteil aber auch schon fast 10 Jahre ins Land gegangen, und das verwundert schon angesichts der Tatsache, dass spätestens ab 2010 eine öffentliche Diskussion über Missbrauch in Institutionen (Kirche, Internate, Heime u.a.) begonnen hatte.

Ein wichtiger Teil des Buches dreht sich um die Zukunft, Stichwort Prävention. Aufgeführt werden die leider erst spät einsetzenden Bemühungen der Verantwortlichen, etwas dafür zu tun, dass solche Taten künftig unterbunden, verhindert, unmöglich gemacht werden. 2010, also fast 10 Jahre, nachdem der Lehrer in Rente gegangen war und 5 Jahre nach seiner Verurteilung, wurden vom Staatlichen Schulamt „zwei bis drei Fortbildungen zum Thema sexueller Missbrauch“ organisiert, wie eine ehemalige Schulleiterin berichtet. Erst 2015 – nach den Berichten in der taz und im Darmstädter Echo – wurde über ein schon laufendes (?) Präventionskonzept der Schule informiert, welches auf der Homepage der EHKS zu finden sei, teilt eine weitere ehemalige Schulleiterin mit. Ebenfalls 2015 gab es eine bundesweite Diskussionsgruppe (Fokusgruppe) zu den „Herausforderungen von Schutzkonzepten in Schulen“. Was ist daraus geworden, was hat das bewirkt? Deprimierend bleibt die Tatsache, dass gerade in diesem Fall wahnsinnig viel Zeit vergangen ist, bis sich überhaupt was getan hat.

Das in den Bereichen Forschung und Fortbildung vorhandene Manko wird in dem Buch angesprochen: Signale von Betroffenen müssen wahr- und ernstgenommen werden (‚hat mich angefasst’ bedeutet meist sehr viel intensivere Übergriffe); das Zulassen der Vorstellung, dass entsetzliche Taten stattgefunden haben, muss gelernt werden (nur weil jemand freundlich und bekannt ist, heißt das noch lange nicht, dass er nicht Kinder missbraucht); konkretes Beschreiben der Taten ist schwer zu ertragen, macht aber das Ausmaß deutlich; Öffentlichkeit muss hergestellt werden, ein mutmaßlicher Täter muss konfrontiert werden, Totschweigen und Ausflüchte müssen aufhören.
Weiterführende Literatur ist in den Fußnoten genannt, das Literaturverzeichnis enthält zahlreiche Hinweise auf vertiefende Arbeiten zum Thema sexueller Missbrauch allgemein und innerhalb von Institutionen speziell.
Die Empfehlungen der Kommission am Schluss der Arbeit sind präzise und übersichtlich zusammengefasst. Man denkt, es könnte so einfach sein und weiß doch, dass der Weg zu einem effizienten Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch auch an den Schulen ein weiter und mühsamer sein wird.
Auf die Reaktionen auf das Buch darf man gespannt sein. Hat sich in den zwei Jahren seit seinem Erscheinen – am 15.02.2019 war das Buch erstmals online – eine Reaktion gezeigt? Hat in der hessischen Justiz jemand das Buch gelesen und sich dazu geäußert? Vielleicht sogar Konsequenzen daraus gezogen? Gab es Resonanzen von Seiten der Schule? Wurde das Buch in die Schulchronik aufgenommen, wie es der Schulelternbeirat im Mai 2015 gefordert hat? Haben Betroffene oder Eltern sich dazu verhalten?

Fazit:
Die Kommission hat gut gearbeitet, sie ist professionell und mit erkennbarer Expertise an das Projekt herangegangen. Aufbau und Strukturierung des Buches sind transparent und folgerichtig, die Autorinnen enthalten sich bevormundender Bewertungen, ohne eigene erkennbare Positionen aufzugeben. Wo Unklarheiten bleiben, wird dies benannt.
In der zur Verfügung stehenden Zeit – knapp ein Jahr – ist es den Autorinnen gelungen, einen fundierten Überblick über ein Jahrzehnte währendes Tatgeschehen zu geben, den Betroffenen wenigstens im Nachhinein ein offenes Ohr für ihr Leiden zu gewähren und die Bedingungen zu beschreiben, die die Versäumnisse und das Untätigbleiben der damit befassten Institutionen zur Folge hatten.
In diesem Sinne ist dem Buch eine breite Leserschaft zu wünschen, damit sich noch mehr Menschen finden, die bereit und in der Lage sind, die Empfehlungen umzusetzen.