STREIT 1/2020
S. 38-39
Buchbesprechung: Schwedens feministische Außenpolitik – ein Handbuch
Das Handbuch für Schwedens feministische Außenpolitik vom August 20181
 ist eine Zusammenfassung realpolitischer feministischer Außen-, Entwicklungs- und Außenhandelspolitik, erarbeitet unter den Ministerinnen Margot Wallström (Außenministerin), Isabella Lövin (Internationale Zusammenarbeit und Klima) und Ann Linde (EU-Angelegenheiten und Handel). Es beschreibt die im Oktober 2014 proklamierte gemeinsame Initiative dieser drei Ministerinnen. 
Sein Verdienst ist – neben der klaren Formulierung eines feministischen Ziels – auch noch aus heutiger Sicht seine Ausrichtung auf die tatsächlichen Folgen der schwedischen Politik bei gleichzeitig klarer Verankerung von drei Grundprinzipien als Leitlinien: Rechte, Repräsentation und Ressourcen („die drei R“).
Anders als deutsche oder französische Ansätze bleibt das Handbuch nicht punktuell, sondern formuliert den umfassenden Anspruch, alle Politikfelder der Außenpolitik in den Blick zu nehmen, was in seinen sieben Kapiteln auch erstaunlich gut gelingt.
Die Kapitel erläutern die rechtlichen Grundlagen (Kapitel 2), Arbeitsmethoden innerhalb des Außenministeriums (Kapitel 3), Methoden der kontinuierlichen Integration feministischer Themen in die Arbeit der Außenpolitik, um so neue Standards zu setzen (Kapitel 4), Methoden der Integration in verschiedene Zweige der Außenpolitik, nämlich Sicherheitspolitik, Friedens- und Abrüstungspolitik, entwicklungspolitische Zusammenarbeit und Handelspolitik (Kapitel 5), die konkrete Politik der schwedischen Botschaften vor Ort (Kapitel 6) und den Umgang mit Widerständen gegen diese Politik (Kapitel 7). Zur guten Lesbarkeit und Nutzbarkeit trägt bei, dass in den Kapiteln jeweils kurze Anwendungsbeispiele gegeben werden, die optisch hervorgehoben und gut verständlich erklärt sind.
Dieser Ansatz hat zumindest das Potential, die wunderbar positive Aussage im Vorwort glaubwürdig zu füllen: Veränderung ist möglich! Das Handbuch nennt dies eine „transformative Agenda“.
Für die Außenpolitik bedeutet dies zunächst, die Rechtslage in verschiedenen Staaten der Welt im Hinblick auf für Frauen besonders relevante Rechte zu untersuchen: dazu gehören Chancen der unabhängigen ökonomischen Absicherung von Frauen, also auch die Frage nach Berufsverboten oder der Möglichkeit des Verbots der Arbeitsaufnahme durch Männer, Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und im Bildungssystem, Schutz schwangerer Frauen vor Entlassung und Schutz vor Gewalt in der Familie.
Gleichzeitig geht es um die Repräsentation, die Möglichkeit, an den Entscheidungsprozessen teilzunehmen, in denen es um politische Prioritäten und die Verteilung von Ressourcen geht – in Friedens- wie in Kriegszeiten.
Den dritten Kernbereich bilden die Ressourcen: der Anteil von Frauen an der Wirtschaftswelt und am Vermögen ist derzeit weltweit extrem ungleich im Verhältnis zu Männern, und zwar übergreifend in allen Volkswirtschaften mit ihren unterschiedlichen Wohlstandsniveaus. Gleichzeitig gibt es aber zahlreiche Anhaltspunkte dafür, dass sich die volkswirtschaftliche Entwicklung jedes Landes, egal ob Industrie-, Schwellen- oder landwirtschaftlich geprägtes Entwicklungsland, mit besserer Partizipation von Frauen immer verbessert.
Als rechtliche und politische Grundlagen feministischer Außenpolitik bezieht sich das Handbuch auf die klassischen UN-Menschenrechtspakte sowie die Resolution 1325 und ihre Folgeresolutionen sowie die UN-Nachhaltigkeitsagenda 2030 und den EU-Aktionsplan 2016-2020. Bemerkenswert ist, wie es im Handbuch gelingt, den Bezugsrahmen einerseits breit aufzufächern, dann aber bei der Ableitung aus dem internationalen Recht und den politischen Absichtserklärungen zu klaren und konkreten Prioritäten zu kommen: an erster Stelle stehen die Themen Schutz der körperliche Unversehrtheit sowie Maßnahmen gegen stereotype maskuline Normen und Gewalt gegen Frauen. 
Im Bereich Schutz in Konfliktsituationen liegt der politische Schwerpunkt auf der Beteiligung an Friedensprozessen und der Verfolgung sexueller Gewalt, unter Einbeziehung von Männern und Jungen.
Auch beim Thema sexuelle und reproduktive Rechte gelingt die Konkretisierung: die schwedische feministische Außenpolitik definiert sie als zentrale Rechte für Geschlechtergleichheit und leitet daraus Investitionen in Müttergesundheit ab, wobei sie darunter auch den Zugangs zu legaler und sicherer Abtreibung sowie zu Aufklärung über Verhütung, Abtreibung und Einvernehmlichkeit sexueller Handlungen versteht.
Das Kapitel zu Arbeitsmethoden innerhalb des Schwedischen Außenministeriums entspricht weitgehend den Methoden des Gender Mainstreaming: Klares „Leadership“, d.h. Ansprache der Themen auf der Ebene der Ministerinnen, Staatssekretärinnen, Botschafter*innen in Reden, Artikeln, sozialen Medien, auf Staatsbesuchen und bei politischen Terminen, ergänzt um partizipative Prozesse („Ownership“) und Anleitungen („Guidance“), wie der geschlechterpolitische Aspekt eines Themas erkannt und integriert werden kann. Hinzu kommt strukturelle Unterstützung („Support“) durch eine/n „Beauftragte/n“ mit einem Koordinierungsteam und „focal points“ für feministische Außenpolitik an den schwedischen Botschaften.
Im Kapitel 4 – Mobilisierung und Veränderung von Normen – geht es um das Erreichen von Partizipationszielen. Die Methoden betreffen hier insbesondere die Kommunikation des schwedischen Außenministeriums und der Botschaften zu gesellschaftlichen Themen und gezielte Kampagnen, z.B. die hashtags #morewomenmorepeace oder #EqualityMakesSense, die zum 15. Jahrestag der UN-SR-Resolution 1325 aufgelegt wurden. Auch hier liegt der Verdienst der praxisorientierten Herangehensweise in der Klarheit der Slogans, z.B. sehr schön (im Rahmen der genannten Hashtags): „Counteracting the systematic and global subordination of women is a good thing in itself. However, it´s also a smart practical policy.“
Ein weiteres Beispiel dieser praktischen Politik: zum 18. März 2018 wurde #wikigap ins Leben gerufen, um mit Wikimedia und anderen mehr Informationen über Frauen auf Wikipedia zu bringen.
Das Kapitel 5 greift verschiedene Felder schwedischer Außenpolitik auf und gibt jeweils Beispiele, was in diesen Bereichen an feministischen Strategien und Maßnahmen unternommen wurde, z.B. als Schweden 2017/2018 einen nicht-ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat inne hatte: 2017 enthielten 100% der „presidential statements on crisis situations“ inhaltliche Bezüge zu Frauen, Frieden und Sicherheit. Im Rahmen seines Engagements für Menschenrechte für Frauen propagiert Schweden auch seinen „Sex Purchase Act“, das Verbot des Kaufes sexueller Dienstleistungen. Das Handbuch weist mit gewissem Stolz darauf hin, dass sich auch Südkorea, Südafrika, Island, Norwegen, England und Wales, Nordirland, Kanada und Frankreich dieser Haltung angeschlossen und entsprechende Gesetze verabschiedet haben. 
Im Rahmen der feministischen Außenpolitik verknüpft Schweden auch die Themen Abrüstung und Rüstungsexportkontrolle mit den „drei R“: in diesem Bereich sind Frauen in der Regel stark unterrepräsentiert und in bewaffneten Konflikten werden Frauenrechte in besonderer Weise verletzt. Als Erfolg dieser Politik stellt das Handbuch die Aufnahme des Art. 7.4 in den Arms Trade Treaty (ATT) dar,2
 der das Kriterium „Risiko, dass der exportierte Artikel für Gewalt gegen Frauen und Kinder benutzt werden kann“ in die Exportkontrolle einführt. 
Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit spielen Maßnahmen zur Verbesserung der Geschlechtergleichstellung (nicht nur in Schweden) schon seit längerer Zeit ebenfalls eine große Rolle und wurden durch die ausdrückliche Proklamation einer feministischen Außenpolitik weiter gestärkt. 
Weniger bekannt und verbreitet sind feministische Ansätze in der Handelspolitik. Hier setzt Schweden zunächst auf mehr Informationen zur aktuellen Situation von Frauen im Wirtschaftsleben, um dann gezielt Maßnahmen wie z.B. Kreditgarantien zu ergreifen und einen geschlechterdifferenzierten Blick in IWF- und Weltbankprogramme zu tragen. Schweden setzt sich auch dafür ein, Geschlechtergerechtigkeit als Kriterium in EU-Freihandelsabkommen zu integrieren. 
Das letzte Kapitel ist dann erneut verschiedenen Methoden gewidmet, hier bei der Zusammenarbeit vor Ort, also durch die Botschaften. Dieser Teil hat eher den Charakter einer Darstellung realpolitischer Erfolge, kann aber durchaus als eine Art best-practice-Beispielsliste gelesen werden. 
Mein Fazit: Auch wenn die Methodenkapitel manchmal mehr Berichte über erfolgreiche Kampagnen und Aktionen sind als dauerhafte inhaltliche Strategien zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit, so bleibt das Handbuch doch eine interessante realpolitische und praxisorientierte Anleitung zur Verbesserung der Situation von Frauen durch Außenpolitik – definitiv zur Nachahmung empfohlen!
- Sweden`s feminist foreign policy (www.government.se/reports/ 2018/08/handbook-swedens-feminist-foreign-policy) ↩
- 7.4. The exporting State Party, in making this assessment, shall take into account the risk of the conventional arms covered under Article 2 (1) or of the items covered under Article 3 or Article 4 being used to commit or facilitate serious acts of gender-based violence or serious acts of violence against women and children. ↩