STREIT 2/2025

S. 92

Deutscher Juristinnenbund (djb): Aus gleichstellungspolitischer Sicht weist der Koalitionsvertrag nach Einschätzung des Deutschen Juristinnenbunds (djb) schwerwiegende Leerstellen auf

Der djb hat eine ausführliche Stellungnahme zum Koalitionsvertrag aus gleichstellungspolitischer Sicht vorgelegt (https://www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st25-17). Eine erste Bewertung hatte er bereits in einer Kurzstellungnahme (https://www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st25-13) vorgenommen. Nun folgte noch eine vertiefte Analyse. Zusammenfassend stellt der djb fest, dass der Koalitionsvertrag in zen­tralen Bereichen hinter den Anforderungen einer geschlechtergerechten Gesellschaft zurückbleibt.
Übersichtlich gegliedert unter Stichworte wie Arbeit und Wirtschaft, Familien und Personenstand, Gewaltschutz, Strafrecht, Soziale Sicherung, Migration, Verkehr und Bauen, Europa- und Völkerrecht u. a. sowie in einem speziellen Kapitel zur Digitalisierung lässt sich die Expertise der verschiedenen Sachverständigenkommissionen des djb zu rechtspolitischen Fragen rund um das Thema Gleichstellung detailliert nachlesen. Ausgehend von dieser Basis und aufgrund der vielen weiteren enthaltenen Nachweise können gleichstellungspolitische Argumentationen nachvollzogen und sachgerecht in den politischen Diskurs eingebracht werden.
Dabei erkennt der djb durchaus an, dass die Koalition institutionelle Stärkungen der Gleichstellungspolitik plant. Gleichzeitig fehle es aber an einem umfassenden Ansatz, der Geschlechtergerechtigkeit als zentralen Auftrag der Verfassung begreift. Insbesondere die mangelnde Bereitschaft, Schwangerschaftsabbrüche endlich außerhalb des Strafrechts zu regeln oder grundlegende strukturelle Reformen im Steuerrecht oder bei der sozialen Sicherung anzugehen, stellten verpasste Chancen dar. Auch in der Digitalpolitik bleibe offen, wie Daten geschlechtergerecht gestaltet, digitale Gewalt wirksam bekämpft und Diskriminierung bei digitalen Anwendungen verhindert werden könne. Der djb befürchtet, dass digitale Diskriminierungs- und Gewalteffekte von dieser Koalition als Kollateralschaden einer politisch nur als „Effizienzpotential“ betrachteten Digitalisierung hingenommen werden. Er fordert daher, im neuen Digitalministerium eine Fachabteilung für Gleichstellung in der Digitalisierung zu schaffen, die sicherstelle, dass Geschlechtergerechtigkeit und Gewaltschutz für Frauen und marginalisierte Personen in allen Bereichen der Digitalisierung zwingend implementiert werde. Politische Handlungsempfehlungen für eine solche Fachabteilung liegen mit dem 3. Gleichstellungsbericht der Bundesregierung „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ schon lange vor (https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/ministerium/berichte-der-bundesregierung/dritter-gleichstellungsbericht).