STREIT 3/2022
S. 110-117
Die rechtliche Regulierung der Personenbetreuung in Österreich: Das Hausbetreuungsgesetz
Die Organisation der Pflege- und Betreuungsarbeit für ältere Menschen wird zunehmend zur Herausforderung. Die wachsende Zahl an betreuungsbedürftigen älteren Personen1 und sich verändernde Lebens- und Erwerbsrealitäten erschweren die Angehörigenpflege, bislang der wichtigste Pfeiler der Altenpflege, sowohl in Österreich2 als auch in Deutschland.3 Folglich steigt der Bedarf an außerfamiliärer Betreuung. Dies macht zwar die große soziale sowie ökonomische Bedeutung von Care Arbeit sichtbar, hat allerdings bislang kaum zu einer Aufwertung dieser Tätigkeiten geführt. Vielmehr bleibt Sorgearbeit auch als bezahlte Arbeit vergeschlechtlicht und wird kaum als Arbeit wahrgenommen.4 Sowohl bei den zu betreuenden Personen5 als auch bei den pflegenden Angehörigen handelt es sich mehrheitlich um Frauen.6 Aber auch bezahlte Pflege- und Betreuungstätigkeiten werden vornehmlich von Frauen erbracht, meist im Kontext von Migration und unter schlechten Arbeitsbedingungen.7 Ein zunächst verdrängtes, heute aber insbesondere auch in der feministischen Debatte vielbeachtetes Phänomen dieser „Care-Krise“8 sind die sogenannten 24-Stunden-Betreuerinnen oder Live-Ins: Arbeitsmigrantinnen, in Österreich und Deutschland meist aus Osteuropa, die für mehrere Wochen oder Monate im Haushalt einer pflegebedürftigen Person leben und diese betreuen. Diese Arrangements führen allein was die zeitliche Gestaltung betrifft zu offensichtlichen Herausforderungen für das Arbeitsrecht. Früher oft vollständig in die Illegalität gedrängt, erfuhr die Branche durch die EU-Osterweiterungen ab 2004 einen zusätzlichen Anschub und der Regelungsbedarf wurde zunehmend erkannt.9 Allerdings bestehen weiterhin Regelungslücken und rechtliche Rahmen und Praxen stehen in der Kritik. Während die alltägliche Praxis der Live-in-Betreuung in Österreich und Deutschland als ähnlich gelten kann, werden sie rechtlich unterschiedlich behandelt. In Anwendung der EU-Entsenderichtlinie sind viele Betreuerinnen als Angestellte ausländischer Firmen in deutschen Haushalten tätig, während in Österreich die Personenbetreuung 2007 durch das Hausbetreuungsgesetz (HBeG) auf eine eigene Rechtsgrundlage gestellt wurde. Auf dieses Gesetz gestützt dominiert heute ein Selbstständigen-Modell,10 das sowohl von den Betreuerinnen selbst, als auch juristisch stark kritisiert wird.11
Der vorliegende Beitrag stellt die geltende österreichische Rechtslage ins Zentrum und wägt deren Vor- und Nachteile ab. Anlass bietet dazu u.a. ein Urteil des deutschen Bundesarbeitsgerichts aus dem vergangenen Jahr. Darin wurde entschieden, dass eine in einen Privathaushalt entsandte ausländische Betreuungskraft Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn hat, und zwar nicht nur für Vollarbeit, sondern auch für Bereitschaftsdienst.12 Im Fall der „24-Stunden-Betreuerinnen“ können sich solche Bereitschaftszeiten, wie der Name schon sagt, auf bis zu 24 Stunden am Tag erstrecken. Das Urteil wurde von Barbara Bucher ausführlich in der STREIT besprochen.13 Sie zeigt in ihrem Beitrag auf, dass der arbeitsgerichtliche Prozess nur begrenzt dazu geeignet ist, Schieflagen in der Betreuung zu adressieren, da Rechte erst im Nachhinein oder wie im Fall des Schutzes der Gesundheit durch die Einhaltung von Zeitvorgaben gar nicht mehr geltend gemacht werden können.14 Bucher schließt daraus, dass „wirkliche Rechtsklarheit“ nur durch den Gesetzgeber geschaffen werden kann.15 In Österreich ist der Gesetzgeber tätig geworden, und doch führt die konkrete rechtliche Ausgestaltung weiterhin zu Problemen und Betreuerinnen ziehen auch in Österreich für bessere Arbeitsbedingungen und Rechte vor Gericht.16 Während die Nicht-Regulierung Betroffene bis 2007 in die Illegalität drängte, zeigt sich am österreichischen Beispiel, dass auch die rechtliche Einhegung des Verhältnisses neue Abhängigkeiten schafft. In Österreich ist dies insbesondere durch die Konstruktion der Personenbetreuung als selbstständiges Gewerbe bei faktisch großer Abhängigkeit von Betreuten und vor allem von Vermittlungsagenturen der Fall.
Rechtsgrundlagen der Personenbetreuung in Österreich
Mit dem Hausbetreuungsgesetz (HBeG) 2007 wurde die 24-Stunden-Betreuung in Österreich erstmals auf eine rechtliche Grundlage gestellt.17
Zuvor wurde diese Arbeit meist undokumentiert verrichtet, weshalb im Vorfeld Maßnahmen gesetzt wurden, um die Legalisierung im Einzelfall zu erleichtern; das Pflege-Übergangsgesetz18
und das Pflege-Verfassungsgesetz19
schützten für einen begrenzten Zeitraum vor sozialversicherungsrechtlichen Nachforderungen sowie verwaltungsstrafrechtlicher Verfolgung und bildeten die Grundlage für die sogenannte Pflegeamnestie.20
Diese Maßnahmen sind auch im Lichte des Nationalratswahlkampfs 2006 zu sehen, wo die Beschäftigung undokumentierter Betreuerinnen durch Spitzenpolitikerinnen große Wellen schlug.21
Nunmehr finden sich die arbeits- und gewerberechtlichen Spezialnormen für die Personenbetreuung im HBeG und der Gewerbeordnung (GewO)22
sowie in zwei Verordnungen zur GewO. Die Verordnung über die Standes- und Ausübungsregeln für Personenbetreuerinnen trat bereits 2007 hinzu.23
2015 wurde durch eine erneute Änderung der GewO die gewerberechtliche Trennung von Personenbetreuerinnen und Vermittlungsagenturen vorgenommen und mittels Verordnung auch für das neue Gewerbe der „Organisation der Personenbetreuung“ eigene Standesregeln erlassen.24
Weiters von Bedeutung sind einzelne Bestimmung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (GuKG)25
sowie des Ärztegesetzes 1998.26
Bereits seit 1993 steht Pflegebedürftigen in Österreich ein einkommens- und vermögensunabhängiges Pflegegeld je nach Pflegebedarf in sieben Stufen zu.27
Ergänzend zum HBeG wurde zusätzlich die Möglichkeit geschaffen, gemäß § 21b BPGG einen Zuschuss für die Beschäftigung einer 24-Stunden-Betreuer*in zu beantragen.
Hausbetreuungsgesetz
§ 1 HBeG legt fest, dass die „Betreuung von Personen in deren Privathaushalten“ im Rahmen einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit erfolgen kann. Die selbstständige Ausübung erfolgt durch Betreuer*innen als Ein-Personen-Unternehmen im Rahmen des neu geschaffenen Gewerbes der „Personenbetreuung“.28 Soll die Personenbetreuung in einem Anstellungsverhältnis stattfinden, kann dieses entweder direkt mit der betreuten Person bzw. deren Angehörigen (§ 1 Abs. 2 Z1 lit a HBeG) oder aber mit einem gemeinnützigen Anbieter sozialer und gesundheitlicher Dienste präventiver, betreuender oder rehabilitativer Art (§ 1 Abs. 2 Z1 lit b HBeG) eingegangen werden.
Betreuung umfasst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1-2 HBeG primär Hilfestellungen bei der Haushalts- und der Lebensführung, sowie sonstige auf Grund der Betreuungsbedürftigkeit notwendige Anwesenheiten. Ursprünglich waren nur diese Tätigkeiten vom Anwendungsbereich des HBeG umfasst, doch bereits 2008 wurde der Tätigkeitsbereich erweitert.29 Es können nunmehr auch bestimmte Tätigkeiten umfasst sein, die abhängig vom Zustand der betreuten Person als Betreuungs- oder Pflegetätigkeiten gelten. Dies betrifft z. B. die Unterstützung bei der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme sowie bei der Arzneimittelaufnahme oder die Körperpflege.30 So lange keine Umstände vorliegen, die aus medizinischer Sicht eine Delegierung durch qualifiziertes Personal notwendig machen, sind sie gemäß § 1 Abs. 4 HBeG als Betreuungstätigkeiten zu qualifizieren. Wenn aber entsprechende gesundheitliche Umstände vorliegen, sind sie gemäß § 3b GuKG als pflegerische Tätigkeiten anordnungspflichtig. Solche Umstände können beispielsweise Blut-, Herz-, Lungen-, Zucker-, Stoffwechsel- oder Infektionskrankheiten sein, aber auch Allergien, Operationen oder die Einnahme von Medikamenten. Diese Regelung führt freilich nicht gerade zu Rechtssicherheit, es ist jedenfalls als in der Verantwortung der Auftraggeberin zu sehen, über die Vorlage oder Nicht-Vorlage dieser Umstände aufzuklären und gegebenenfalls die entsprechende Anordnung zu organisieren. Dieden jeweiligen Betreuerin trifft in der Folge eine Dokumentationspflicht. Gemäß § 50b Abs. 1, 2 ÄrzteG i.V.m. § 1 Abs. 5 HBeG ist auch die Übertragung einzelner ärztlicher Tätigkeiten an Personenbetreuungskräfte möglich, wenn sie nicht überwiegend von diesen erbracht werden.
Solche Delegierungen pflegerischer Tätigkeiten sind an verschiedene Voraussetzungen geknüpft. Es bedarf gemäß § 3b Abs. 3-5 GuKG der Einwilligung durch die betreute Person oder deren gesetzliche Vertretung sowie der Anleitung und Unterweisung durch qualifiziertes Personal. Die Anordnung muss ferner schriftlich und unter ausdrücklichem Hinweis auf die Möglichkeit der Ablehnung erfolgen. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber die Weitergabe pflegerischer Kompetenzen an Laien eher als Ausnahme und nicht als die Regel sieht.31 In der Praxis sind allerdings fast alle Betreuerinnen mit diesen Aufgaben befasst, was durchaus strukturelle Gründe hat; so ist die finanzielle Förderung für die 24-Stunden-Betreuung nach BPGG an Bedarf und Pflegestufe gekoppelt. Ab Pflegestufe 3 kann die Notwendigkeit einer ganztägigen Betreuung festgestellt werden, ab Pflegestufe 5 oder bei Demenzerkrankung wird diese vermutet.32 Entsprechend sind Betreuerinnen meist in Haushalten, wo bereits erhöhter Pflegebedarf besteht. So sind etwa 40% der Klientinnen dement,33 wobei laut Demenzbericht der Caritas 2/3 der Betreuerinnen keine Ausbildung im Umgang mit Demenzkranken haben.34
Anstellungsmodell
Für die Regelung der Hausbetreuung als Anstellungsverhältnis gelten wie auch in Deutschland arbeitsrechtliche Sonderbestimmungen hinsichtlich der Arbeits- und Ruhezeiten.35
Dabei wird unterschieden, ob die betreute Person bzw. deren Angehörige oder eine öffentliche Stelle Arbeitgeber*in ist.
So ist für Arbeitsverhältnisse mit Privathaushalten grundsätzlich das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz (HGHAngG) anzuwenden,36
entsprechend gilt auch der Mindestlohntarif für im Haushalt Beschäftigte.37
Ausgenommen sind allerdings § 5 HGHAngG über die Arbeitszeit und Entlohnung von Mehrarbeit sowie § 6 Abs.1 bis 3 HGHAngG über die Freizeit und Entgelt für Feiertagsarbeit. An deren Stelle treten die Sonderbestimmungen des § 3 Abs. 2-4 HBeG.
Für Arbeitsverhältnisse mit Trägerorganisationen gilt ebenfalls § 3 Abs. 2-4 HBeG betreffend die Arbeitszeit. Allerdings sind § 19c (Lage der Normalarbeitszeit), § 19d (Teilzeitarbeit) und § 26 (Aufzeichungs- und Auskunftspflicht) des Arbeitszeitgesetzes (AZG)38
anzuwenden und Übertretungen nach § 28 Abs. 2 AZG, d.h. höher als nach dem HGHAngG, zu bestrafen.
Kritisch ist zu betrachten, dass laut § 3 Abs. 2 HBeG Arbeitsbereitschaftszeiten über die Höchstarbeitszeit von 128 Stunden hinaus im Widerspruch zum allgemeinen Arbeitszeitrecht nicht als Arbeitszeit beurteilt werden. Dies wird damit gerechtfertigt, dass grundsätzlich nach HBeG auf maximal 14-tägige Arbeitszyklen eine ebenso lange Ruhepause zu folgen hat.39
Dies ist in der Praxis abhängig vom Herkunftsland der Betreuer*innen allerdings regelmäßig nicht der Fall, bei weiten Anreisen, z.B. aus Rumänien, sind Zyklen von vier Wochen üblich. Da die praktische Bedeutung des Anstellungsmodells verschwindend klein ist,40
wird nicht näher darauf eingegangen.
Selbstständigen-Modell
Das Hausbetreuungsgesetz ermöglicht die „24-Stunden-Betreuung“ nicht nur als Arbeitsverhältnis, sondern auch als selbstständige Tätigkeit im Rahmen des neu geschaffenen Gewerbes der „Personenbetreuung“ (§§ 159-160 GewO).41 In der Praxis wird die Personenbetreuung fast ausschließlich selbstständig durchgeführt, wobei in den meisten Fällen überdies eine Vermittlungsagentur involviert ist. Ursprünglich in einem Gewerbe zusammengefasst, wurden Personenbetreuung und Vermittlung („Organisation der Personenbetreuung“) 2015 gewerberechtlich getrennt.
Selbstständige Personenbetreuung: Personenbetreuer*innen
Personen, die das Gewerbe der Personenbetreuung ausüben, sind berechtigt, betreuungsbedürftige Personen im Haushalt und bei der Lebensführung zu unterstützen. Es handelt sich um ein freies Gewerbe, d.h. gemäß § 5 Abs. 2 GewO ist kein besonderer Befähigungsnachweis zu erbringen. Die umfassten Tätigkeiten sind in § 159 GewO demonstrativ aufgelistet und geben etwas genaueren Aufschluss über die Tätigkeit als die Formulierungen des HBeG. Demnach sind einerseits haushaltsnahe Dienstleistungen zu erbringen, z.B. die Zubereitung von Mahlzeiten oder Reinigungstätigkeiten. Diese Tätigkeiten sind grundsätzlich nur für die zu betreuende Person und nicht für etwaige weitere im Haushalt wohnende Personen zu erbringen, was sich freilich in der Praxis oft nur schwer abgrenzen lässt. Weiters beinhaltet die Personenbetreuung die Gestaltung des Tagesablaufs und Hilfestellung bei alltäglichen Verrichtungen. Hinzu kommen Gesellschafterinnenfunktionen, z.B. das Führen von Konversation und die Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Kontakte. Die Betreuerin ist zur Organisation einer Vertretung im Verhinderungsfall berechtigt, in der Praxis wird dies aber meist von den Agenturen übernommen. Darüber hinaus können seit 2008 nach § 159 Abs. 2 und 3 GewO im Einzelfall auch bestimmte pflegerische Tätigkeiten erfasst sein,42 wie oben beim Anstellungsmodell bereits genauer beschrieben.
Weiters zu beachten sind die Standes- und Ausübungsregeln für die Personenbetreuung.43 Diese wurden bald nach der Einführung des Gewerbes in Verordnungsform ergänzt. Damit sollte „immer wieder auftretenden Missständen“44 begegnet werden bzw. die Qualität gesichert werden. Die Verordnung enthält neben Regelungen zur Leistungsdokumentation und Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit bei Besorgungen für den Haushalt auch ein Geschenkannahmeverbot und schränkt die Kundinnenakquise ein. Das Aufsuchen von Privatpersonen ist demnach nur auf ausdrückliche Aufforderung gestattet, ansonsten ist die Entgegennahme von Leistungsbestellungen nur in den Betriebsstätten gestattet. Freilich verfügen Personenbetreuerinnen überwiegend nicht über eigene Betriebsstätten, arbeiten sie doch meist als Pendelmigrant*innen in Privathaushalten. § 2 stellt Formerfordernisse an den Betreuungsvertrag, dieser hat schriftlich ausgefertigt zu werden und bestimmte Mindestinhalte zu umfassen. Diese sind, neben Namen und Anschriften, Beginn, Dauer und Beendigung sowie Leistungsinhalte der Tätigkeit. Zudem sind Handlungsleitlinien für den Notfall i.S.d. § 160 Abs. 2 Z 1 GewO sowie die Organisation der Vertretung zu vereinbaren. Außerdem sind Fälligkeit und Höhe des Werklohns festzulegen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Gewerbetreibende selbst sämtliche Steuern und Beiträge erklärt und abführt.
Selbstständige Organisation von Personenbetreuung: Vermittlungsagenturen
Bei seiner Einführung 2007 umfasste das Gewerbe der Personenbetreuung auch die Organisation der Personenbetreuung.45 2015 wurden diese beiden Tätigkeiten gewerberechtlich getrennt, und mit § 161 ein eigenständiges Gewerbe „Organisation der Personenbetreuung“ geschaffen.46 Dieser Gewerbeberechtigung bedarf es nunmehr für die Vermittlung von selbstständigen Personenbetreuerinnen an betreuungsbedürftige Personen. Der Tätigkeitsbereich umfasst auch die Beratung und Betreuung dieser Geschäfte. Ergänzend wurden die Standes- und Ausübungsregeln für Vermittlungsagenturen in Verordnungsform erlassen.47 Diese enthalten Anforderungen sowohl an die Gestaltung des Vertragsverhältnisses mit zu betreuenden Personen (Vermittlungsvertrag) wie auch mit Personenbetreuerinnen (Organisationsvertrag). Beide Verträge verlangen die Schriftform, weiters sind Entgelthöhe und Zahlungsmodalitäten festzulegen. Zudem treffen die Vermittlerinnen Dokumentationsverpflichtungen hinsichtlich der erbrachten Leistungen. Auch für die Vermitttlerinnen gilt ein Geschenkannahmeverbot und das Verbot der unaufgeforderten Kund*innenakquise an Wohnorten.
Die genauen Leistungsinhalte gegenüber der betreuten Person sind gemäß § 9 der Standes- und Ausübungsregeln im Vermittlungsvertrag festzulegen, sie können z.B. die regelmäßige Überprüfung des Betreuungsbedarfs und die Durchführung einer entsprechenden Beratung, die Unterstützung bei der Bereinigung von Konflikten mit der Personenbetreuerin und die Organisation von deren Vertretung im Verhinderungsfall enthalten. Gemäß § 7 Abs. 1 sind Vermittlungsagenturen vor Abschluss jedes Vermittlungsvertrags zur Bedarfserhebung vor Ort im Haushalt der zu betreuenden Peron verpflichtet, um die Betreuungssituation zu klären und die Deckung des Bedarfs durch die vermittelte Personenbetreuerin sicherzustellen. Problematisch ist allerdings, dass eine parallele Aufklärungspflicht gegenüber den Personenbetreuerinnen fehlt, diese erfahren oft erst am Arbeitsort näheres über den Betreuungsfall. Gegenüber den Betreuerinnen sind die Leistungen der Vermittler*innen in einem Organisationsvertrag gemäß § 5 der Standes- und Ausübungsregeln transparent festzulegen. Genannt werden z.B. die Unterstützung bei der An- und Abreise, sowie auch hier die Unterstützung bei Konflikten mit der betreuungsbedürftigen Person und bei der Organisation der Vertretung.
Diese gewerberechtliche Trennung zwischen Personenbetreuung und deren Organisation wird in den Gesetzesmaterialien nicht näher begründet, es wird lediglich auf das Arbeitsprogramm der Bundesregierung 2013-2018 verwiesen, wo die Selbstständigkeit älterer Menschen in gewohnter Wohnumgebung und die Unterstützung pflegender Angehöriger als Ziele genannt werden.48 In der Literatur wird zur Begründung die Bekämpfung von Missständen genannt, die bei nicht professionellen Vermittlerinnen regelmäßig auftraten, etwa „mangelnde Transparenz, mangelnde Schriftlichkeit, ‚Schwarzarbeit‘“.49 Als positiv wurde hervorgehoben, dass aus Perspektive der zu Betreuenden bzw. der Angehörigen nun deutlicher zu erkennen ist, „wer ihr/e Ansprechpartner/in bzw. wer der/die eigentliche Leistungserbringer/in ist.“50 Allgemein wurde die Sicherung von Mindeststandards und die Einführung von Vertragsstandards durch die Ausübungs-und Standesregeln begrüßt.51 In der Praxis zeigt sich allerdings, dass nach wie vor mangelnde Transparenz und Schriftlichkeit Probleme darstellen. Zudem festigt diese Zweigliedrigkeit das System der Vermittlungsagenturen. Aus Betreuerinnenperspektive ist es problematisch, dass die Organisation der Personenbetreuung nicht von ihrer Gewerbeberechtigung mitumfasst ist und sie somit weitgehend von der Zusammenarbeit mit Agenturen abhängig sind. Einige der regelmäßig auftretenden Mängel werden im Folgenden in Zusammenschau mit der grundlegenden Problematik besprochen, dass in vielen Fällen von einer Scheinselbstständigkeit auszugehen sein wird.
Kritik am Selbstständigen-Modell
Dem Betreuungsverhältnis liegen in der Regel mehrere Verträge zugrunde: Ein Organisationsvertrag zwischen Betreuerin und Agentur, ein Vermittlungsvertrag zwischen Agentur und zu betreuender Person bzw. deren Angehörigen und der Betreuungsvertrag zwischen Betreuerin und betreuter Person bzw. deren Angehörigen. 2022 sind in Österreich 59.488 Personenbetreuungsunternehmen und 917 Unternehmen zur Organisation der Personenbetreuung registriert.52
Aus den aktuellen Branchendaten der WKO geht der Frauenanteil nicht hervor. Im Jahr 2019 lag dieser bei 94% (von damals 61.989 Personenbetreuer*innen), etwa die Hälfte kam aus Rumänien und ein Drittel aus der Slowakei;53
es ist davon auszugehen, dass dies ähnlich geblieben ist.
Bereits anlässlich der Einführung des HBeG wurde in den Rechtswissenschaften Kritik hinsichtlich des Selbstständigen-Modells laut.54
Die Personenbetreuung sei durch ihre Abstimmung auf die Bedürfnisse der zu betreuenden Person so stark fremdbestimmt, dass auf Basis der rechtlichen „Abgrenzung zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit keine Möglichkeit zu bestehen scheint, die persönliche Betreuung pflegebedürftiger Personen in ihrer Wohnung als selbständige Tätigkeit aufzufassen.“55
Dennoch zeigt das Gesetz, dass der Gesetzgeber bewusst in Richtung „Selbständigkeit“ der Betreuenden steuern wollte. Dies legt auch nahe, dass die Legalisierung stärker aus Perspektive der zu betreuenden Personen gedacht wurde, als aus jener der Betreuer*innen.
Was 2007 kritisch prognostiziert wurde, erweist sich 15 Jahre später auch anhand der konkreten Ausformung typischer Verträge und der Praxis als zutreffend. Die Charakteristika der Selbstständigkeit, die den Ausschluss von bestimmten arbeits- und sozialrechtlichen Ansprüchen rechtfertigen, treffen auf Personenbetreuerinnen typischerweise nicht zu. Sie verfügen nicht selbst über ihre eigene Zeit und den Einsatz ihrer Arbeitskraft und haben keine (eigenen) Betriebsmittel. Auch die Betreuerinnen selbst weisen darauf hin, dass sie in den allermeisten Fällen „beim Arbeitsort, der Arbeitszeit und hinsichtlich des Verhaltens bei der Arbeit an Weisungen ihrer KlientInnen und der AgenturbetreiberInnen“56 gebunden sind. Eine eingehende Befassung mit der Frage, inwiefern Personenbetreuung unter Berücksichtigung des österreichischen Arbeitsrechts und der Rechtsprechung als Selbstständigkeit ausgeübt werden kann, hat Kaltenegger vorgelegt.57 Sie arbeitet mehrere Elemente heraus, die, vorbehaltlich einer Prüfung im Einzelfall, bereits bei abstrakter Bewertung der Personenbetreuung dafür sprechen, dass diese in den meisten Fällen als Scheinselbstständigkeit und folglich als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sein wird. Diese Elemente betreffen die persönliche Weisungsunterworfenheit, die wirtschaftliche Abhängigkeit, die Eingliederung in den betrieblichen Organismus des Haushalts und die damit verbundene Kontrollunterworfenheit gegenüber der zu betreuenden Person bzw. deren Angehörigen.58 Kaltenegger geht allerdings wenig auf die Frage der Organisation der Personenbetreuung ein, der in der Praxis große Bedeutung zukommt.
So werden etwa in der Regel die Honorare nicht zwischen Haushalt und Betreuerin verhandelt, sondern von den Vermittlungsagenturen vorgegeben. Die Agenturen sind meist auch für die Einhebung des Honorars zuständig und führen ihre Provisionen sowie die Sozialversicherungsbeiträge der Betreuerin direkt ab. Personenbetreuerinnen sind als Gewerbetreibende pflichtversichert.59 Grundsätzlich sind sie für die Abführung ihrer Sozialversicherungsbeiträge (und Steuern) selbst verantwortlich, in der Praxis wird dies allerdings oft von den Agenturen übernommen. Die Verträge enthalten zu diesem Zweck typischerweise eine Inkasso-Vollmacht. Ebenso erwähnenswert ist das regelmäßige Bestehen von Vollmachten, die den Agenturen ermöglichen, in die Gewerbe der Betreuerinnen einzugreifen und An-, Um- und Abmeldungen vorzunehmen. Es kommt vor, dass die Agentur das Gewerbe ruhend- oder abmeldet, ohne die Betreuer*in darüber zu informieren, was massive sozialversicherungsrechtliche Konsequenz hat; die Pflichtversicherung wird bei Ruhendmeldung unterbrochen, bei Abmeldung wird sie beendet.
Ein weiterer problematischer Aspekt der Vertragspraxis sind Konkurrenz- bzw. Kundenschutzklauseln. Die Vermittlungsagenturen möchten verhindern, dass einmal vermittelte Personenbetreuerinnen und Haushalte nach Ende des Vertragsverhältnisses mit der Agentur selbstständig Verträge schließen. Zu diesem Zweck werden Klauseln in die Organisations- und Vermittlungsverträge aufgenommen, die pauschalierte Schadenersatzzahlungen für den Fall eines solchen Vertragsabschlusses in bestimmten Zeiträumen in Aussicht stellen. Häufig werden Zeitraum und Summe völlig ausufernd festgelegt. Solche Klauseln schränken die Erwerbsfreiheit unbillig ein, allemal da Betreuerinnen i.d.R. nur diesen einen Haushalt betreuen. Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit nach § 879 ABGB muss im Einzelfall überprüft werden und kann etwa vorliegen, wenn ein auffallendes Missverhältnis zwischen den durch das Verbot zu schützenden Interessen und der auferlegten Beschränkung besteht.60 Infolge einer Verbandsklage des Vereins für Konsumenteninformation entschied 2013 das LG Linz mit Verweis auf die besondere Schutzwürdigkeit von Betreuungsbedürftigen,61 dass eine Konkurrenzklausel über sechs Monate sowohl gegenüber der Betreuer*in als auch gegenüber der zu betreuenden Person sittenwidrig war. Das bloße Interesse der Agentur an Vermittlungsentgelt stehe dem Interesse auf die Betreuung durch eine vertraute Person in grobem Missverhältnis gegenüber.62 Aichberger-Beig spricht solchen Klauseln grundsätzlich ihre Zulässigkeit ab; Vermittlungsagenturen könnten „für die Tätigkeit der Personenbetreuung keinen Kundenschutz beanspruchen, weil sie diese Leistung selbst nicht anbieten.“63 Nichtsdestotrotz sind diese Klauseln in der Praxis weitverbreitet und Agenturen stellen nach Vertragsende die Schadenersatzansprüche auch tatsächlich in Rechnung, wie wohl diese selten einbringbar sind – es handelt sich in erster Linie um eine Einschüchterungsstrategie.
Ganz allgemein sind auch Sprachbarrieren und Intransparenz bei der Vertragsgestaltung zu problematisieren. Meist werden die Verträge nur auf Deutsch ausgefertigt und der Forderung von Betreuerinnen nach Übersetzungsleistungen wird nicht nachgekommen. Der Druck, trotzdem zu unterschreiben, überwiegt allerdings meist. Verträge werden häufig erst vor Ort in Österreich vorgelegt. In vielen Fällen wird der Transport vom Herkunftsland an die Arbeitsorte von den Agenturen organisiert, die Betreuerin bekommt den Vertrag dann erst bei Ankunft am Arbeitsort. Die Betreuerinnen verfügen meist über keinen Wohnsitz in Österreich, weswegen die Gewerbe bei Agentur oder betreuter Person gemeldet werden, allein dadurch kommt es zu Abhängigkeiten. Etwa werden behördliche Schreiben an den Agenturstandort zugestellt. Zuletzt wurde gar der missbräuchliche Umgang mit den zugestellten Wahlkarten zu den Wirtschaftskammerwahlen bekannt. Agenturbesitzerinnen sollen die Stimmabgaben „ihrer“ Betreuer*innen gefälscht haben, ein Verfahren läuft in Oberösterreich.64
Im Burgenland kam es bereits zu Verurteilungen.65
Ein wesentlicher Effekt des Ausschlusses von arbeitsrechtlichen Verbürgungen ist auch der Verlust von Sichtbarkeit und Handlungsmacht. Personenbetreuerinnen ist die Möglichkeit zur kollektiven Organisierung bereits durch die Isolation in Privathaushalten erschwert. Das Recht schafft weitere Hürden: Als Selbstständige fallen die Betreuerinnen nicht in den Zuständigkeitsbereich von Arbeiterinnenkammer und Gewerkschaften, sondern sind Mitglieder der Wirtschaftskammer. Von dieser fühlen sie sich allerdings nicht adäquat repräsentiert, sie sind derselben Fachgruppe zugeordnet wie die Vermittlungsagenturen, deren Interessen sie oftmals nicht teilen. Doch wie so oft entstehen gerade in den Zwischenräumen neue soziale Bewegungen. Zunächst in den slowakischen und rumänischen Communities organisiert haben sich die Personenbetreuerinnen 2021 unterstützt von Aktivist*innen zur IG24 – Interessengemeinschaft der 24-Stunden-Betreuerinnen zusammengeschlossen. Derzeit bemühen sich zwei Prozessführungsinitiativen um die Anerkennung der Arbeitnehmerinneneigenschaft, sowohl von Seiten der Selbstorganisierung der Betreuerinnen IG2466
als auch durch die Gewerkschaft vidaflex.67
Beide Klagen richten sich nicht gegen Klient*innen, sondern gegen Vermittlungsagenturen.
Zusammenfassende Bewertung
Bis 2007 das Hausbetreuungsgesetz in Kraft trat, wurde die Personenbetreuung in Österreich meist in undokumentierten Arbeitsverhältnissen erbracht.68
Vor diesem Hintergrund ist die Legalisierung zu begrüßen, die sogenannte 24-Stunden-Betreuung ist nunmehr rechtlich durch ein eigens geschaffenes Gesetz gedeckt. Dieses sieht zwei Modelle vor, die beide außerhalb des allgemeinen Arbeitsrechts liegen: Die Betreuerinnen können die Tätigkeit als Selbstständige ausführen, damit sind sie dem Schutz des Arbeitsrechts gänzlich entzogen, oder sie sind als Angestellte den speziellen Regelungen des HBeG unterworfen, die das Recht weiter ausdifferenzieren und ein geringes Schutzniveau hinsichtlich Arbeitszeit und Entgelt bieten. In der Praxis überwiegt das Selbstständigen-Modell, die Betreuerinnen stehen weiterhin vor Problemen, insbesondere durch die Abhängigkeit von Vermittlungsagenturen.
Die österreichische Regelung ist im Grunde als eine „gewünschten Annäherung des ‚law in books‘ an das ‚law in action‘“69
zu betrachten und erlaubt eine Fortsetzung der auch zuvor gelebten Praxis. Bei der Gesetzgebung standen weniger die Arbeitsbedingungen, als die Interessen der zu betreuenden Personen im Vordergrund. Der Verrechtlichungsprozess zielte darauf, die bestehenden Verhältnisse rechtlich anzuerkennen,70
was auch ein Festhalten am Ideal der häuslichen Betreuung beinhaltet. Bisweilen ist die Angehörigenpflege die wichtigste Stütze dieses Systems, das auch öffentlich gefördert wird – derzeit laufen etwa in mehreren Bundesländern Pilotprojekte zur Anstellung pflegender Angehöriger bei öffentlichen Trägern.71
Die sinkende Bereitschaft, aber auch die mangelnden ökonomischen Möglichkeiten, diese Sorgearbeit unentgeltlich in der Familie zu leisten, führt in Kombination mit dem wachsenden Anteil älterer Personen in der Gesellschaft zur erhöhten Nachfrage nach außerfamiliärer häuslicher Pflege. Insofern war es ein wichtiges Ziel des HBeG, die „Leistbarkeit und Rechtssicherheit“72
für die zu betreuenden Personen und deren Angehörigen zu gewährleisten. Das Selbstständigen-Modell in der Personenbetreuung stellt für die Auftraggeberinnenseite im Vergleich zur Anstellung „eine einfachere und kostengünstigere Lösung“ dar.73
Tatsächlich scheint die Übernahme von Arbeitgeberinnenpflichten für viele Haushalte abschreckend,74
trotz im Vergleich zum Selbstständigen-Modell höherer Förderung nach dem BPGG bleibt die Anstellung kostenintensiver, hinzu kommt die Verantwortung. Zunehmend deuten Haushalte „ihr arbeitgeberähnliches Handeln um in Kundenhandeln und negieren eine Arbeitgeberrolle und -verantwortung“, was freilich auch mit der tatsächlichen Zunahme von agenturvermittelten Betreuungsverhältnissen zusammenhängt. Rossow und Leiber machen in deutschen Haushalten ein „marktbasiertes Rechtfertigungsmuster“ aus, in dem die eigene Mitverantwortung an strukturellen Ausbeutungspraktiken mit Hilfe eines win-win Narrativs von sich gewiesen wird.75
Zugleich bestehen auch Abhängigkeiten der betreuten Person gegenüber der Betreuerin. Das Fürsorgeverhältnis zwischen Betreuerin und betreuungsbedürftiger Person ist von komplexen Machtdynamiken durchzogen.76
In der Tat ist es pflege- und betreuungsbedürftigen Menschen wohl oft nicht zumutbar, als Arbeitgeberinnen aufzutreten, wobei ihre besondere Schutzbedürftigkeit nicht auf Kosten der Betreuungskräften gehen sollte. Daher ist im Rahmen des HBeG eine Anstellung bei einem öffentlichen Träger vorzuziehen – in diesem Fall unterliegen die Personenbetreuerinnen auch dem für die Trägerorganisation geltenden Kollektivvertrag, womit eine Besserstellung gegenüber dem Mindestlohntarif für Hausangestellte einhergeht. Es darf nicht übersehen werden, dass auch „die – sonst wesentlich stärker geforderten – öffentlichen Träger“77
von der Privatisierung der Betreuung profitieren. Die gesetzliche Gestaltung in Österreich fördert die Einbindung von Sorgearbeit in den Privathaushalt, um den staatlichen Sektor zu entlasten. Sie schafft zugleich neue Märkte, auf denen diese Sorgearbeit angeboten wird, insbesondere die Vermittlung von Pflegekräften durch Agenturen.78
Inzwischen gibt es über 900 solcher Agenturen und Österreich gilt als Vorreiter in der institutionalisierten Vermarktlichung von Care Arbeit.79
Entsprechend richten sich gegenwärtige strategische Klagsführungen auch nicht auf die Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses mit Klient*innen, sondern mit den Vermittlungsagenturen. Abschließend lässt sich die rechtliche Regelung in Österreich nicht als nachhaltige Lösung, sondern viel eher als schneller „Care fix“ fassen.80
Österreich hat dringenden Bedarf an Arbeitskräften im Bereich häuslicher Betreuung und „das krisenhafte Care-Regime wird so kurzfristig unter untragbaren Arbeitsbedingungen stabilisiert“.81
Die rechtliche Regulierung im Hausbetreuungsgesetz stellt zwar eine Verbesserung gegenüber vormals vorherrschenden undokumentierten Arbeitsverhältnissen dar, leistet aber zugleich ihren Teil zur Stabilisierung eines Systems, das auf der Ausbeutung migrantischer Arbeitskräfte beruht und treibt in der Ausprägung als Selbstständigen-Modell die Privatisierung des Care-Sektors voran.
- Die Zahl der pflegebedürftigen Personen stieg in Österreich in den vergangenen 20 Jahren in etwa von 280.000 auf 470.000 an; Statistik Austria, Bundespflegegeldbezieherinnen und -bezieher sowie Ausgaben für das Bundespflegegeld 1999-2019, www.statistik.at/webde/statistiken/menschenundgesellschaft/soziales/sozialleistungenaufbundesebene/bundespflegegeld/020069.html (4.4.2021). ↩
- Nagl-Cupal et al, Angehörigenpflege in Österreich. Einsicht in die Situation pflegender Angehöriger und in die Entwicklung informeller Pflegenetzwerke 2018, Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (Hrsg.), Wien 2018. ↩
- Rossow, Verena; Leiber, Simone, Zwischen Vermarktlichung und Europäisierung. Die wachsende Bedeutung transnational agierender Vermittlungsagenturen in der häuslichen Pflege in Deutschland, Sozialer Fortschritt 66, H. 3–4 (2017) 285–302, 286. ↩
- Leiblfinger, Michael, „Wie liebevoll kümmernde Angehörige“: Die Vergeschlechtlichung von Care und deren Entnennung als Arbeit am Beispiel der 24-Stunden-Betreuung, in Pfeil/Reichel/Urnik (Hrsg.), Pflege und Betreuung – Who cares? (2020), 1-10. ↩
- In Österreich sind 63% der pflegegeldbeziehenden Personen Frauen, wobei ihr Anteil besonders bei den 61-Jährigen und Älteren deutlich höher ist; Statistik Austria, Bundespflegegeldbezieherinnen 2019. ↩
- Bei den pflegenden Angehörigen liegt der Frauenanteil in Österreich bei 73%; Nagl-Cupal et al, Angehörigenpflege in Österreich 2018, 7. ↩
- Statistik Austria, Betreuungs- und Pflegepersonen (Vollzeitäquivalente) nach Geschlecht Ende 2020, www.statistik.at/webde/statistiken/menschenundgesellschaft/soziales/sozialleistungenauflandesebene/betreuungsundpflegedienste/080309.html (17.3.2022). ↩
- Vgl. z.B. Dowling, Emma, The Care Crisis 2021; Fraser, Nancy, Contradiction of Capital and Care, New Left Review 100 (2016); Lutz, Helma, Vom Weltmarkt in den Privathaushalt. Die neuen Dienstmädchen im Zeitalter der Globalisierung, Opladen 2007. ↩
- Rossow, Verena; Leiber, Simone, Zwischen Vermarktlichung und Europäisierung. Die wachsende Bedeutung transnational agierender Vermittlungsagenturen in der häuslichen Pflege in Deutschland, Sozialer Fortschritt 66, H. 3–4 (2017) 285–302. ↩
- Für einen ausführlichen Vergleich der Situation von Live-In-Betreuungskräften in Österreich, Deutschland und der Schweiz siehe Aulenbacher, Brigitte; Lutz, Helma; Schwiter, Karin (Hrsg.), Gute Sorge ohne gute Arbeit? Live-in-Care in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Weinheim Basel (Beltz Juventa) 2021. ↩
- Sagmeister, Maria; Matei, Flavia, Die „Pflegekrise“ als Krise der Arbeit sichtbar machen, juridikum 3 (2021), 395-403. ↩
- Urteil des BAG vom 24.6.2021, 5 AZR 505/20. ↩
- Bucher, Barbara, 24-Stunden-Pflege braucht ein Gesetz. Zugleich eine Anmerkung zu BAG, Urteil vom 24. Juni 2021 – 5 AZR 505/20, STREIT 2022, 1-8. ↩
- Bucher, STREIT, 7. ↩
- Bucher, STREIT, 8. ↩
- IG24, 24h-Betreuer*innen ziehen vor Gericht, www.respekt.net/projekte-unterstuetzen/details/projekt/2309/ (15.4.2022). ↩
- Hausbetreuungsgesetz (HBeG) BGBl. 2007/33. ↩
- Bundesgesetz, mit dem Übergangsbestimmungen bis zur Neuregelung der Pflege erlassen werden (Pflege-Übergangsgesetz), BGBl 164/2006. ↩
- Bundesverfassungsgesetz, mit dem Übergangsbestimmungen zur Förderung der Legalisierung der Pflege und Betreuung in Privathaushalten erlassen werden (Pflege-Verfassungsgesetz), BGBl 43/2008 ↩
- Kaltenegger, Miriam, Personenbetreuung als selbständige Tätigkeit? Wien 2018, 20 m.V.a. Aubauer/Neumann, Pflegeamnestie. Vom Pflege-Übergangsgesetz zum Pflege-Verfassungsgesetz, taxlex 2008/3, 123 (125). ↩
- Vgl. z.B. Kreimer, Margareta, Care und Migration am Beispiel der 24-Stunden-Betreuung in Österreich, in Ulrich, Silvia; Neuwirth, Karin (Hrsg.), Zum Verhältnis von Reproduktion, Erwerbsarbeit und fairer Budgetpolitik, Linz, 2015, 139, 142. ↩
- Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994, StF BGB.l 194/1994. ↩
- Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft über Standes- und Ausübungsregeln für Leistungen der Personenbetreuung StF: BGBl. II Nr. 278/2007. ↩
- Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (Seveso III – Novelle) und mit dem das Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen geändert wird, BGBl. 81/2015. ↩
- Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG), BGBl. 108/1997. ↩
- Ärztegesetze 1998, BGBl. 1998/169. ↩
- Bundesgesetz, mit dem ein Pflegegeld eingeführt wird (Bundespflegegeldgesetz – BPGG), BGBl. 110/1993. ↩
- §§ 159-161 Gewerbeordnung 1994, BGBl. 33/2007. ↩
- Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz, das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz, das Ärztegesetz 1998, das Hausbetreuungsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Bundespflegegeldgesetz geändert werden (Gesundheitsberufe-Rechtsänderungsgesetz 2007 – GesBRÄG 2007). ↩
- § 1 Abs 4 HBeG i.V.m. § 3b Abs. 2 Z 1-5 des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (GuKG), BGBl 108/1997. ↩
- Slatow, Lisa-Sophia, Zivilrechtliche Haftungsfragen in der Pflege, Dissertation Universität Innsbruck 2020. ↩
- Kaltenegger, Personenbetreuung, 31. ↩
- Ganner in Welti et al 2017, 650. ↩
- Harm/Hoschek, Personenbetreuung, in Höfler, Sabine; Bengough, Theresa; Winkler, Petra; Griebler, Robert (Hrsg.), Österreichischer Demenzbericht 2014. Bundesministerium für Gesundheit und Sozialministerium, Wien 2015, 61. ↩
- Vgl. für Deutschland z.B. Scheiwe, Kirsten, Arbeitszeitregulierung für Beschäftigte in Privathaushalten – entgrenzte Arbeit, ungenügendes Recht? in: Scheiwe, Kirsten; Krawietz, Johanna (Hrsg.), (K)Eine Arbeit wie jede andere? Die Regulierung von Arbeit im Privathaushalt, Berlin 2014, 60-84; Kocher, Eva, Die Ungleichbehandlung von Hausangestellten in der 24-Stunden-Pflege gegenüber anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern – eine Frage des Verfassungsrechts, in: Scheiwe/Krawietz, (K)Eine Arbeit 2014, 85-110. ↩
- Bundesgesetz v. 23.7.1962 über die Regelung des Dienstverhältnisses der Hausgehilfen und Hausangestellten (Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz) BGBl. 1962/235. ↩
- Mindestlohntarif für im Haushalt Beschäftigte für Österreich M 22/2020/XXV/99/1, Verordnung des Bundeseinigungsamtes beim Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend mit der der Mindestlohntarif für im Haushalt Beschäftigte für Österreich festgesetzt wird, BGBl 539/2020. ↩
- Arbeitszeitgesetz (AZG), BGBl. 461/1969. ↩
- Neubauer, Walter, Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen über die Betreuung von Personen in privaten Haushalten erlassen werden (Hausbetreuungsgesetz – HBeG) und mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird, ASoK 4/2007, 153-156, 154-155. ↩
- Nur 0,2% der Betreuungsverhältnisse sind nach Famira-Mühlberger Anstellungsverhältnisse, Famira-Mühlberger, Ulrike, Die Bedeutung der 24-Stunden-Betreuung für die Altenbetreuung in Österreich. Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) 2017, www.hc24.at/files/HC24/WIFO-Studie%202017.pdf (23.3.2022), 24. ↩
- Hausbetreuungsgesetz – HBeG und Änderung der Gewerbeordnung 1994, BGBl 33/2007. ↩
- Gesundheitsberufe-Rechtsänderungsgesetz 2007 – GesBRÄG 2007, BGBl. 57/2008. ↩
- Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft über Standes- und Ausübungsregeln für Leistungen der Personenbetreuung, BGBl 278/2007. ↩
- Ganner in Welti et al 2017, 660. ↩
- §159 Z 6 GewO i.d.F. BGBl. 33/2007. ↩
- Seveso III – Novelle und Änderung des Emissionsschutzgesetzes für Kesselanlagen, BGBl. 81/2015. ↩
- 397 . Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft über Standes- und Ausübungsregeln für die Organisation von Personenbetreuung. ↩
- 655 der Beilagen 25. GP, Ausschussbericht NR, Berichterstattung, 1. ↩
- Ganner in Welti et al 2017, 659. ↩
- Neumayr, Matthias; Pfeil, Walter, Zur Trennung von Personenbetreuung und deren Organisation, ÖZPR 3 (2015) 89. ↩
- Karas, Othmar, Hilfswerk begrüßt Trennung der Gewerbe als wichtigen Schritt, ÖZPR 3 (2015) 89. ↩
- WKO, Abteilung für Statistik, Personenberatung und Personenbetreuung. Branchendaten, Februar 2022, http://wko.at/statistik/BranchenFV/B_127.pdf (17.3.2022), 11. ↩
- Lichtenberger, Hanna; Wöhl, Stefanie, Strukturelle Sorglosigkeit: die 24-Stunden-Betreuung in der Covid-19-Krise, Femina Politica 2 (2020), 133-134, 133. ↩
- Tomandl, Theodor, Was ist selbstständige Personenbetreuung? ZAS 2007/32, 196; Mazal, Wolfgang, Hausbetreuung – kritische Aspekte, ecolex 2007, 580; Ivansits, Helmut; Weißensteiner, Monika, Hausbetreuung aus sozialrechtlicher Sicht, DRdA 2008, 394-404; Panhölzl, Wolfgang, Verlängerung des Pflege-Übergangsgesetzes und 24-Stunden-Betreuung auf selbständiger Basis, DRdA 2007, 422. Auch der OGH hat sich bereits mit der Frage befasst und die mögliche Gestaltung als selbstständige wie auch als unselbstständige Tätigkeit bestätigt, wobei es bei der judizierten Abgrenzung (vgl. dazu allg. RIS-Justiz RS0021332, RS0021306, RS0021518) zu bleiben hat, OGH 24.10.2011, 8 Ob A17/11z. ↩
- Tomandl, ZAS 2007/32, 196 (199). ↩
- IG24, https://ig24.at/situation-loesungen/ (20.4.2021) ↩
- Kaltenegger, Personenbetreuung 2018. ↩
- Kaltenegger, Personenbetreuung 2018, 127-129. ↩
- Das GSVG regelt die Pflichtversicherung von Personen, die unter dem Terminus „Selbstständige“ zusammengefasst werden, sofern ihre Einkünfte über der Geringfügigkeitsgrenze liegen. Im Jahr 2021 beliefen sich die monatlichen Kosten für die Pflichtversicherung in der Sozialversicherung der Selbstständigen (SVS) auf zumindest ca. 140,99 Euro. ↩
- OGH 1Ob9/51; 1Ob969/54; 3Ob6/56; 5Ob15/62 (5Ob16/62); 5Ob52/63; 2Ob254/64; 7Ob218/65; 1Ob206/65; 4Ob307/68; 4Ob361/76 (4Ob362/76); 1Ob676/82; 1Ob581/83; 4Ob344/85; 4Ob351/86; 4Ob118/89; 4Ob112/91; 4Ob1033/92; 4Ob104/93; 8Ob141/08f; 4Ob46/14i; 4Ob48/17p; RS0016610; RS0016607. ↩
- LG Linz vom 27.3.2013, 1 Cg 1/13g. ↩
- LG Linz vom 27.3.2013, 1 Cg 1/13g, 3 Ausführungen zu Klausel 11 und 12. ↩
- Aichberger-Beig, Daphne, Sind nachvertragliche Konkurrenzklauseln zulasten von selbständigen PersonenbetreuerInnen wirksam? ÖZPR 2019/24, 39-42, 41. ↩
- Tomaselli, Elisa, WKO-Wahlbetrug: Keine echte Wahl für 24-Stunden-Betreuerinnen, derstandard.at 11.4.2022, www.derstandard.at/story/2000134742324/ (18.4.2022). ↩
- Winter, Jakob, Wirtschaftskammer: Wahlbetrüger verurteilt, trotzdem keine Neuwahl, profil.at 28.10.2021, www.profil.at/oesterreich/wirtschaftskammer-wahlbetrueger-verurteilt-trotzdem-keine-neuwahl/401786312. ↩
- IG24, 24h-Betreuer*innen ziehen vor Gericht, www.respekt.net/projekte-unterstuetzen/details/projekt/2309/ (15.4.2022). ↩
- Vida, Kampf gegen Scheinselbstständigkeit, www.vida.at/cms/S03/S030.a/1342656917126/ (18.4.2022). ↩
- Kretschmann, Andrea, Mit Recht regieren? Zur Verrechtlichung transmigrantischer 24-Stunden-Carearbeit in österreichischen Privathaushalten, in Scheiwe, Kirsten; Krawietz, Johanna, Transnationale Sorgearbeit. Rechtliche Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Praxis (2010) 199 (209). ↩
- Ganner in Welti et al 2017, 660. ↩
- Vgl. z.B. Kretschmann 2010, 208; Kreimer in Ulrich/Neuwirth 2015, 143. ↩
- Vgl. Strasser, Viktoria, Anstellung pflegender Angehöriger? ÖZPR 2021/112 (188); Sagmeister, Die Anstellung pflegender Angehöriger nach dem Burgenländischen Modell, DRdA 2022, iE. ↩
- Kreimer in Ulrich/Neuwirth 2015, 143. ↩
- Neumayr/Pfeil, ÖZPR 3 (2015) 89. ↩
- Rossow, Verena; Leiber, Simone, Zwischen Vermarktlichung und Europäisierung. Die wachsende Bedeutung transnational agierender Vermittlungsagenturen in der häuslichen Pflege in Deutschland, Sozialer Fortschritt 66/3-4 (2017) 285–302, 297. ↩
- Rossow/Leiber, Soziale Fortschritt 2017, 297. ↩
- Vgl. Holzleithner, Elisabeth, Geschlechterrolle und Fürsorge, in Kaufmann, Matthias; Renzikowski, Joachim (Hrsg.), Zurechnung und Verantwortung. Tagung der Deutschen Sektion der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie vom 22.–24. September 2012 in Halle, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Beiheft 134, Stuttgart 2012, 63-77, 70; Schnabl, Christa, Gerecht sorgen. Grundlagen einer sozialethischen Theorie der Fürsorge, Freiburg/Wien 2005. ↩
- Neumayr/Pfeil, Zur Trennung von Personenbetreuung und deren Organisation, ÖZPR 3 (2015) 89. ↩
- Aulenbacher/Dammayr, Krisen des Sorgens. Zur herrschaftsförmigen und widerständigen Rationalisierung und Neuverteilung von Sorgearbeit, in Aulenbacher/Dammayr, Für sich und andere sorgen. Krise und Zukunft von Care (2014) 65 (69). ↩
- Shire, Karen, Family Supports and Insecure Work: The Politics of Household Service Employment in Conservative Welfare Regimes, Social Politics: International Studies in Gender, State & Society 22/2 (2015) 193-219. ↩
- Dowling, The Care Crisis, 2021. ↩
- Lichtenberger/Wöhl, Strukturelle Sorglosigkeit: die 24-Stunden-Betreuung in der Covid-19-Krise, Femina Politica 2020/2, 133 (133). ↩