STREIT 3/2019

S. 98

Editorial STREIT 3/2019

In Deutschland glauben viele, die im Ursprung religiös begründete Strafbarkeit der Abtreibung sei unumstößlich im Grundgesetz verankert. Dass dies menschenrechtlichen Prinzipien im Hinblick auf das Recht von Frauen auf eine selbstbestimmte und sichere Reproduktion widerspricht, verdeutlichen Laura Klein und Friederike Wapler. Dazu gehört auch die freie Wahl des Geburtsorts mit der dafür nötigen Hebammenhilfe, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Welche Mechanismen dazu beitragen, dass es immer weniger Hebammen gibt, die Frauen eine Geburt zu Hause oder in einem Geburtshaus ermöglichen, erklärt Sibylla Flügge vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung dieses Frauenberufs. Auch das – trotz der Strafbarkeit der Abtreibung – verbriefte Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch wird rein faktisch immer stärker unterlaufen. Warum es dazu keine verlässlichen Informationen gibt, stellt Sonja Marzock dar. Solche sind allerdings unbedingt nötig, weil es angesichts der Bedrohung durch die global agierende „pro life“-Bewegung immer weniger Ärzt*innen gibt, die Abtreibungen vornehmen. Die Hessische Regierung hat sich angesichts ständiger „Mahnwachen“ vor Pro Familia in Frankfurt schließlich dazu durchgerungen, in einem Erlass darauf hinzuweisen, wie Kommunen ratsuchende Frauen vor derartigen Angriffen schützen müssen. Die weiter bestehende Einschüchterung von Ärzt*innen durch Strafanzeigen könnte allerdings nur wirksam beendet werden, wenn Abtreibungen dogmatisch nicht mehr als Tötungsdelikte behandelt würden. Wie eine alternative Regelung aussehen könnte, erläutert Sylvia Cleff Le Divellec am Beispiel des französischen Rechts.
Der Schutz des Menschenrechts von Frauen auf eine selbstbestimmte und sichere Reproduktion wird nicht zuletzt auch durch die Vorschriften des Mutterschutzgesetzes erreicht. Der EuGH hat die Pflichten der Arbeitgeber zur Risikoeinschätzung für Schwangere und Stillende konkretisiert und eine einschränkende Auslegung der Nachtschichtarbeit abgelehnt. Schließlich trägt auch der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung zur reproduktiven Freiheit bei. Die bessere Verankerung dieses Schutzes durch den neu gefassten § 177 StGB geht aus dem Urteil des BGH hervor.

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Die Redaktion