STREIT 4/2019

S. 146

Editorial STREIT 4/2019

Alleinstehenden Frauen ist es nicht zumutbar, in den Irak zurückzukehren, weil ihnen die dort vorherrschenden und seit dem Irakkrieg verstärkten patriarchalen Traditionen kein Leben in Sicherheit und Menschenwürde ermöglichen. Dies belegt das VG Münster anhand zahlreicher Quellen. Im Vergleich dazu sind wir in Deutschland stolz auf die in den letzten Jahrzehnten erreichten Erfolge bei der Überwindung patriarchaler Strukturen. Bei genauerem Hinsehen müssen wir jedoch feststellen, dass auch hierzulande das Patriarchat noch immer in vielen Bereichen fest verankert ist:
Ulrike Spangenberg zeigt auf, wie z.B. das Steuerrecht mit einer Vielzahl von Einzelregelungen in der Einkommens- und Umsatzsteuer dazu beiträgt, überlieferte Geschlechtsrollenzuweisungen zu verfestigen und Frauen, die nicht der Norm des abhängig oder selbständig Vollbeschäftigten ohne Sorgepflichten entsprechen, finanziell zu benachteiligen. Sie verweist auf eine Entschließung des Europäischen Parlaments, die – ausgelöst durch die Ungerechtigkeit des Umsatzsteuersatzes für u.a. Tampons, der Frauen allein wegen ihrer biologischen „Andersartigkeit“ benachteiligt – eine geschlechtergerechte Steuerpolitik einfordert, wobei auch der Einsatz von Steuermitteln zu berücksichtigen ist, der im Sinne des Gendermainstreaming auf seine gleichstellungsrelevanten Effekte geprüft und optimiert werden müsste.
Einen anderen Blick auf die Wirkungen der in der christlich-abendländischen Tradition verwurzelten patriarchalen Prinzipien öffnet das Urteil des OLG Hamm, das zwar einer Minderjährigen die Abtreibung gegen den Willen der katholischen Mutter erlaubte, dabei aber die grundsätzliche Verankerung des Abtreibungsverbots im Strafrecht nicht in Frage stellte. Sibylla Flügge verweist in ihrer Anmerkung auf die Folgen dieses rechtshistorischen Relikts im Angesicht der erstarkenden christlich-fundamentalistischen „Lebensschutzbewegung“.

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Die Redaktion