STREIT 3/2020
S. 130-135
OLG Hamm, § 138 Abs.1 BGB
Ehevertrag sittenwidrig wegen benachteiligender Einzelregelungen
1. Ehevertragliche Einzelregelungen zu einem weitgehenden Ausschluss des nachehelichen Unterhalts (bis auf den Betreuungsunterhalt) sowie zu einem Ausschluss des Versorgungsausgleichs und des Zugewinnausgleichs können zur objektiven Sittenwidrigkeit führen, wenn sie im Zusammenwirken erkennbar auf eine einseitige Benachteiligung eines der Ehegatten abzielen.
2. Wirtschaftliche Abhängigkeit sowie eine sprachliche Unterlegenheit im Beurkundungsverfahren können eine subjektive Vertragsimparität des benachteiligten Ehegatten ergeben.
3. Ergibt sich die Sittenwidrigkeit der Einzelregelungen in einem Ehevertrag aus ihrem objektiven Zusammenwirken und der subjektiven Imparität der Ehegatten, führt dies zur Nichtigkeit des ganzen Ehevertrages. Sämtliche Scheidungsfolgesachen sind nach den gesetzlichen Vorschriften zu regeln.
(Leitsätze der Redaktion)
OLG Hamm, Beschluss vom 23.01.2020 – II-4 UF 86/17
Zum Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten im Scheidungsverbund um […] Zugewinnausgleich und die Wirksamkeit eines Ehevertrags.
Der 1968 geborene Ast. (im Folgenden: Ehemann) und die 1965 geborene Ag. (im Folgenden: Ehefrau) schlossen am 2.10.1995 vor dem Standesamt D in W./USA die Ehe. Aus dieser sind vier gemeinsame Kinder hervorgegangen, der bereits vor der Eheschließung […] 1995 geborene Sohn B und drei Töchter, J, geboren […] 1997, M, geboren […]1998, und O, geboren […] 2002. Spätestens seit dem 28.6.2014 leben die Bet. getrennt.
Der Ehemann ist deutscher Staatsangehöriger und von Beruf Kaufmann mit einem von ihm angegebenen monatlichen Nettoeinkommen von 15.000 Euro. Er ist Geschäftsführer und Gesellschafter eines aus einem Familienbetrieb hervorgegangenen mittelständischen Unternehmens. Die Ehefrau ist britische Staatsangehörige. Sie war vor der Ehe in England als ungelernte Buchhalterin im Speditionsunternehmen ihres Vaters tätig. Im Jahr 1993 gab sie ihre Tätigkeit in England auf und zog zu ihrem Ehemann nach Deutschland. Eine neue Erwerbstätigkeit nahm sie in Deutschland nicht auf. […] Während der gesamten Ehezeit war die Ehefrau nicht erwerbstätig, sondern betreute die vier gemeinsamen Kinder und führte den Haushalt.
Kurz vor der Eheschließung schlossen die Bet. am 25.9.1995 vor dem Notar E in M. […] einen notariell beurkundeten Ehevertrag. In den Eingangsbemerkungen der deutschsprachigen Niederschrift hieß es wie folgt:
„Die Erschiene zu 2 erklärte, sie sei der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig. Die Erschienenen erklärten, sie seien damit einverstanden, dass der Notar den nachfolgenden Ehevertrag übersetze. Eine vorliegende schriftliche Übersetzung des Ehevertrags wurde den Bet. zur Durchsicht vorgelegt. Diese Übersetzung in englischer Sprache ist dieser Niederschrift als Anlage beigefügt. Der Notar wies darauf hin, dass auch ein Dolmetscher hinzugezogen werden könne oder eine gesonderte schriftliche Übersetzung verlangt werden könne. Die Vertragschließenden erklärten, sie seien mit der Übersetzung durch den Notar einverstanden.
Der Notar verlas sodann den nachfolgenden Ehevertrag und die als Anlage dieser Niederschrift beigefügte englische Übersetzung, die beide von den Vertragschließenden genehmigt und unter der deutschen Fassung unterschrieben wurden.“
In den danach folgenden Vereinbarungen war festgehalten, dass der gewöhnliche Aufenthalt und Schwerpunkt der ehelichen Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland liegen und für die allgemeinen – insbesondere güterrechtlichen – Wirkungen der Ehe deutsches Recht gelten solle. In § 2 des Ehevertrags hoben die Bet. den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft auf und vereinbarten Gütertrennung. Nach § 3 des Ehevertrags sollten Zuwendungen eines Ehegatten an den anderen Ehegatten bei Scheidung der Ehe nur bei ausdrücklicher Vereinbarung zurückgefordert werden können. Die Bestimmung lautete wie folgt:
„Zuwendungen eines Ehegatten an den anderen Ehegatten können bei Scheidung der Ehe nicht zurückgefordert werden. Die Scheidung der Ehe führt nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage für derartige Zuwendungen, unabhängig vom Verschulden am Scheitern der Ehe. Eine Rückforderung ist nur dann möglich, wenn Sie bei der Zuwendung ausdrücklich vereinbart wurde.
Soweit wir im Laufe unserer Ehe aus unseren Einkünften Rücklagen bilden, sind wir darüber einig, dass dieses so gebildete Vermögen zu gleichen Anteilen jedem der Ehepartner (also je zur Hälfte) zusteht.“
In der englischsprachigen Übersetzung des Ehevertrags, der der notariellen Niederschrift als Anlage beigefügt wurde, war der letzte Satz dieser Regelung wie folgt übersetzt:
„New property we get in our marriage belongs us half.“
Durch § 4 des Ehevertrags wurde der Versorgungsausgleich ausgeschlossen. § 4 enthält am Ende folgenden Passus:
„Für die Ehefrau werden Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung während der Ehe eingezahlt.“
In § 5 des Ehevertrags folgte ein wechselseitiger Verzicht auf nachehelichen Unterhalt einschließlich des Notunterhaltes. § 5 enthält sodann folgende Bestimmung:
„Ausgenommen hiervon ist der Fall, dass ein Ehegatte nach den gesetzlichen Vorschriften Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes verlangen könnte (derzeit §§ 1570, 1572 Nr. 2 BGB). Mit dem Abschluss der Kinderbetreuung tritt der Verzicht wieder in Kraft. Im Anschluss an die Kinderbetreuung kann Unterhalt aus anderen gesetzlichen Gründen nicht verlangt werden.“
In § 6 des Ehevertrags war geregelt, dass das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn B, geb. am […] 3.1995 im Falle der Scheidung der Ehe auf die Ehefrau übertragen werden sollte.
Die Bet. erwarben während der Ehe jeweils hälftiges Miteigentum an zwei Grundstücken, deren Wert sie jeweils mit 400.000 Euro angeben. Eines der Grundstücke ist unbebaut, das andere ist mit einem Haus bebaut, in dem sich die Ehewohnung befand und das weiterhin von der Ag. und den gemeinsamen Kindern bewohnt wird. Weiteres Vermögen haben die Eheleute – bis auf das auf eine Lebensversicherung angesparte Kapital – nicht gebildet.
Der Scheidungsantrag des Ehemannes wurde der Ehefrau am 14.4.2016 zugestellt. Die Ehefrau hat die Durchführung des Versorgungsausgleichs beantragt und als Folgesache mit Stufenantrag (Auskunft, eidesstattliche Versicherung und Zahlung) einen Antrag auf Zugewinnausgleich anhängig gemacht.
Die Ehefrau hat […] die Auffassung vertreten, der Ehevertrag sei aufgrund der oben dargestellten Abweichung der deutschen und der englischen Fassung wegen Dissenses nichtig. Jedenfalls sei er wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig; der Vertrag halte weder einer Wirksamkeits- noch einer Ausübungskontrolle stand. Zumindest in einer Gesamtwürdigung zielten die ehevertraglichen Regelungen auf ihre einseitige Benachteiligung ab. […]
Das AG hat […] die Anträge der Ehefrau als unzulässig und im Hinblick auf den Feststellungsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Der Vertrag sei weder wegen eines Dissenses unwirksam noch wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig. […]
Mit ihrer gegen den Beschluss des AG eingelegten Beschwerde hat die Ehefrau ihren erstinstanzlich verfolgten Auskunftsantrag zum Güterrecht und den zuvor hilfsweise gestellten Feststellungsantrag als Hauptanträge weiterverfolgt. […]
Der Senat hat der Beschwerde mit am 18.6.2018 erlassenem Beschluss stattgegeben und die amtsgerichtliche Entscheidung abgeändert. […]
Die Rechtsbeschwerde hat der Senat zugelassen. […]
Auf die Rechtsbeschwerde des Ehemannes hat der BGH mit am 20.3.2019 (XII ZB 310/18) verkündetem Beschluss (NJW 2019, 2020 = FamRZ 2019, 953) den angefochtenen Beschluss des Senats vom 18.6.2018 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung […] an das OLG zurückverwiesen. […]
Die Beschwerde war erfolgreich.
Aus den Gründen:
I. Die nach §§ 58 ff., 117 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde der Ehefrau hat in der Sache Erfolg.
1. Der nach § 113 Abs. 1 FamFG, § 256 Abs. 1 ZPO zulässige Feststellungsantrag der Ehefrau (Beschwerdeantrag zu Nr. 4) ist begründet. Es ist festzustellen, dass der am 25.9.1995 zwischen den Bet. geschlossene Ehevertrag nichtig ist.
a) Der Ehevertrag vom 25.9.1995 ist allerdings nicht – wie vom Senat in seinem Beschluss vom 18.6.2018 vertreten – wegen eines versteckten Einigungsmangels i.S.v. § 155 BGB nicht wirksam zustande gekommen. […]
b) Der Ehevertrag ist auch nicht in Folge einer von der Ehefrau (konkludent) erklärten Anfechtung nichtig, § 142 Abs. 1 BGB. […]
c) Der Ehevertrag ist allerdings wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
aa) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unterliegen die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn und Versorgungsausgleich grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten; einen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten kennt das geltende Recht nicht (BGHZ 158,81 = NJW 2004, 930, Rn. 35). Die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen darf indes nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten – bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede – bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Die Belastungen des einen Ehegatten wiegen dabei umso schwerer und die Belange des anderen Ehegatten bedürfen umso genauerer Prüfung, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift. Zu diesem Kernbereich gehört in erster Linie der Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB). Im Übrigen wird man eine Rangabstufung vornehmen können, die sich vor allem danach bemisst, welche Bedeutung die einzelnen Scheidungsfolgenregelungen für den Berechtigten in seiner jeweiligen Lage haben (vgl., zu allem BGH NJW 2014, 1101 = NZFam 2014, 450 Rn. 16 m.w.N.).
Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle hat der Tatrichter dabei zunächst zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr – und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse – wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB) (BGH NJW 2014, 1101 = NZFam 2014, 450 Rn. 16). Selbst wenn die ehevertraglichen Einzelregelungen zu den Scheidungsfolgen jeweils für sich genommen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht zu rechtfertigen vermögen, kann sich ein Ehevertrag nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Rahmen einer Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig erweisen, wenn das Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt (BGH NJW 2018, 1015 = NZFam 2018, 267 Rn. 17; NJW 2017, 1883 = NZFam 2017, 408, Rn. 38, jew. m.w.N.).
bb) Nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen ist der Senat bei der gebotenen Gesamtschau von folgenden Erwägungen ausgegangen:
(1) Die objektiven Voraussetzungen für das Verdikt der Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB sind zu bejahen. Dabei vermögen in objektiver Hinsicht vorliegend zwar die vertraglichen Einzelregelungen zu den Scheidungsfolgen bei isolierter Betrachtungsweise für sich den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht zu rechtfertigen, im Rahmen einer Gesamtwürdigung erweist sich der Ehevertrag jedoch als insgesamt sittenwidrig, da das objektive Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung der Ehefrau abzielt.
(a) Wie angeführt, rechtfertigen die ehevertraglichen Einzelregelungen zu den Scheidungsfolgen für sich genommen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht.
Hierzu im Einzelnen: […]
(b) Im Rahmen einer Gesamtwürdigung erweist sich der Ehevertrag allerdings als objektiv sittenwidrig, da das objektive Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung der Ehefrau abzielt.
Der BGH ist in seinem Urteil (BGHZ 221308 = BWNotZ 2019, 176, = NJW 2019, 2020) in objektiver Hinsicht im vorliegenden Fall von einer solcherart einseitigen vertraglichen Lastenverteilung zum Nachteil der Ehefrau ausgegangen. Diese Ausführungen binden den Senat zwar nicht, in der Sache schließt sich dieser jedoch den überzeugenden Ausführungen des BGH nach eigener Prüfung vollumfänglich an.
Danach gilt hier Folgendes:
(aa) Wie bereits ausgeführt, wurden durch den Ehevertrag der Alters- und Krankheitsunterhalt (möglicherweise abgesehen von § 1572 Nr. 2 BGB) ausgeschlossen. Bei diesen handelt es sich um Unterhaltstatbestände, die dem Kernbereich der Scheidungsfolgen zuzuordnen sind. Insoweit war schon bei Vertragsschluss mit höherer Wahrscheinlichkeit aufseiten der Ehefrau – als dem Ehegatten mit den potenziell geringeren Verdienstmöglichkeiten – eine spezifische Bedürfnislage absehbar (BGHZ 221, 308 = BWNotZ 2019, 176 = NJW 2019, 2020, Rn. 37).
(bb) Die Ehefrau betreute im Zeitpunkt der Eheschließung bereits einen aus der Beziehung hervorgegangenen Säugling; auch nach den Angaben des Ehemanns haben sich die Bet. seinerzeit zumindest die Geburt eines weiteren gemeinsamen Kindes vorstellen können. Das von den Bet. in der Folgezeit tatsächlich verwirklichte Ehemodell, in dem sich die Ehefrau unter vollständigem Verzicht auf eine versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit für längere Zeit allein der Kinderbetreuung und Haushaltsführung widmete, lag somit schon bei Abschluss des Ehevertrags jedenfalls im Bereich des Möglichen. Unter diesen Umständen war mit ehebedingten Versorgungsnachteilen von vornherein allein aufseiten der Ehefrau zu rechnen. Selbst wenn der Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen einer aufseiten des Ehemanns ausschließlich auf Bildung von Privatvermögen gerichteten Altersvorsorgestrategie aus der maßgeblichen Sicht bei Vertragsschluss für die Ehefrau in beschränktem Ausmaß vorteilhaft gewesen sein mag, ändert dies nichts daran, dass durch die Übernahme der Familienarbeit vorhersehbare Versorgungsnachteile zu erwarten waren, denen wegen der vereinbarten Gütertrennung keine Teilhabe an dem vom Ehemann gebildeten und seiner Altersversorgung dienenden Vermögen gegenüberstehen würde (BGHZ 221, 308 = BWNotZ 2019, 176 = NJW 2019, 2020, Rn. 38).
(cc) Das Verdikt einer objektiv einseitigen Lastenverteilung wird in der Gesamtbetrachtung auch durch die im Vertrag enthaltenen Regelungen zur Einzahlung von Beiträgen in die gesetzliche Rentenversicherung und zur gemeinsamen Vermögensbildung aus Einkommensrücklagen nicht infrage gestellt (BGHZ 221, 308 = BWNotZ 2019, 176 = NJW 2019, 2020, Rn. 39).
Sofern man § 4 des Ehevertrags entnehmen könnte, dass für die Ehefrau – was tatsächlich zu keinem Zeitpunkt erfolgt ist – durch Entrichtung freiwilliger Beiträge während der Ehezeit ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung gebildet werden sollte, fehlt es bereits an jeder verbindlichen und konkreten Festlegung zur Höhe der Beitragszahlung. Insoweit hätte den vertraglichen Regelungen daher schon durch die Zahlung von Mindestbeiträgen Genüge getan werden können. Die Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für die freiwillige Versicherung betrug nach der Rechtslage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (§ 167 SGB VI in der seit dem 1.1.1992 geltenden Fassung). Nach den Rechengrößen für die Sozialversicherung im Jahr 1995 (vgl. FamRZ 1995, 208) ergab sich bei einem Beitragssatz von 18,6 % und einer Bemessungsgrundlage von 580 DM (1/7 x 4060 DM) ein monatlicher Mindestbeitrag i.H.v. 107,88 DM, was einer jährlichen Beitragszahlung von 1294,56 DM entspricht. Mit dieser Beitragsleistung hätte im Jahr 1995 ein Rentenanrecht i.H.v. 0,1365 Entgeltpunkten erworben werden können (1294,56 DM x 0,0001054764 Umrechnungsfaktor Beiträge in Entgeltpunkte). Es ist evident, dass ein Anrecht in dieser Größenordnung zur Kompensation von Versorgungsnachteilen aufgrund des Verzichts auf eine eigene versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit gänzlich unzureichend gewesen wäre (BGHZ 221, 308 = BWNotZ 2019, 176 = NJW 2019, 2020, Rn. 40).
Der Regelung in § 3 des Ehevertrags über die gemeinsame Vermögensbildung aufgrund von Rücklagen aus dem Einkommen lässt sich von vornherein keine Verpflichtung des Ehemanns zur Erbringung bestimmter Kompensationsleistungen entnehmen, zumal die Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Einkommensbestandteile während der Ehezeit zur gemeinsamen Vermögensbildung verwendet werden, einer späteren Beschlussfassung der Eheleute – und damit auch dem Mitbestimmungsrecht des Ehemanns – vorbehalten bleiben (BGHZ 221, 308 = BWNotZ 2019, 176 = NJW 2019, 2020, Rn. 41).
(dd) Der Ehemann wendet sich gegen die Erwägungen des BGH, mit denen dieser eine objektive Sittenwidrigkeit begründet hat, mit umfassenden Ausführungen. […]
Diese Einwendungen des Ehemannes vermögen ebenso wie die weiteren Angriffe gegen die Begründung der objektiven Sittenwidrigkeit nicht zu überzeugen. […] Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage der Sittenwidrigkeit ist der Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrags. Nur wenn eine Sittenwidrigkeit des Ehevertrags nach § 138 BGB zu verneinen ist, kommt man in einem nächsten Schritt zu der so genannten Ausübungskontrolle. Mit dieser Prüfungsfrage hat sich der BGH (BGHZ 221, 308 = BWNotZ 2019, 176 = NJW 2019, 2020), folgerichtig nicht auseinandergesetzt. […]
(2) Auch das subjektive Element der Sittenwidrigkeit ist vorliegend zu bejahen. Mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGHZ 221, 308 = BWNotZ 2019, 176 = NJW 2019, 2020, Rn. 42; BGH NJW 2018, 1015 = NZFam 2018, 267, Rn. 19, jew. m.w.N.) geht der Senat davon aus, dass aus dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Ein unausgewogener Vertragsinhalt mag zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität hindeuten, insbesondere in Folge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit (vgl. BGHZ 221, 308 = BWNotZ 2019, 176 = NJW 2019, 2020, Rn. 42; BGH NJW 2018, 1015 = NZFam 2018, 267, Rn. 19; NJW 2017, 1883 = NZFam 201, 408, Rn. 39, jew. m.w.N).
Vorliegend ist die Annahme einer subjektiven Imparität zulasten der Ehefrau bei Abschluss des Ehevertrags im Ergebnis zu bejahen.
(a) […]
(b) Die Annahme einer subjektiven Vertragsimparität rechtfertigt sich vorliegend aber vor dem Hintergrund einer wirtschaftlichen Abhängigkeit der Ehefrau im Rahmen der Eheschließung und des Abschlusses des Ehevertrags sowie deren sprachlicher Unterlegenheit im Beurkundungsverfahren.
(aa) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestehen Anhaltspunkte für eine unterlegene Verhandlungsposition regelmäßig dann, wenn der mit dem Verlangen auf Abschluss eines Ehevertrags konfrontierte Ehegatte erkennbar ohne den ökonomischen Rückhalt der Ehe einer ungesicherten wirtschaftlichen Zukunft entgegensehen würde (vgl. BGH NJW 2019, 2020; NJW 2014, 1101 = NZFam 2014, 450 jew. m.w.N.).
So liegt der Fall hier.
Im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrags im September 1995 ging die Ehefrau keiner bezahlten Erwerbstätigkeit nach und bezog mithin kein eigenes Erwerbseinkommen. Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Ehefrau nach der Übersiedlung von Großbritannien nach Deutschland hier keine neue Erwerbstätigkeit aufnahm. […]
Nach Maßgabe des Vorgenannten war die Ehefrau im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrags selbst nicht erwerbstätig, sondern kümmerte sich um die Betreuung des gemeinsamen knapp sieben Monate alten Säuglings und den Haushalt, während der Ehemann durch seine Erwerbstätigkeit für den Lebensunterhalt der Familie sorgte. Ohne die Eingehung der Ehe hätte ihr als ledige Mutter neben dem Anspruch auf Kindesunterhalt für den gemeinsamen Sohn lediglich ein Unterhaltsanspruch aus Anlass der Geburt nach § 1615l BGB zugestanden. Dieser endete nach der zum damaligen Zeitpunkt noch geltenden Gesetzesfassung des § 1615l BGB aF (Fassung v. 19.8.1969) spätestens ein Jahr nach der Entbindung, § 1615l Abs. 2, S. 3 BGB. Auch nach der Gesetzesfassung ab 1.10.1995 (Fassung v. 21.8.1995) endete der Unterhaltsanspruch spätestens drei Jahre nach der Entbindung und war damit eher schwach ausgeprägt.
Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Ehefrau auch nicht über eine hinreichende finanzielle Unabhängigkeit verfügte, um dem Ansinnen ihres Ehemannes auf Abschluss des Ehevertrags entgegenzutreten oder auf die Gestaltung in finanzieller Hinsicht maßgeblich Einfluss zu nehmen, sondern vielmehr aus ökonomischen Gründen in Anbetracht ihrer geschilderten Lebenssituation in erhöhtem Maß auf die Eingehung der Ehe angewiesen war. So verfügte die Ehefrau bei Abschluss des Ehevertrags selbst über keine eigenen Vermögenswerte und finanziellen Ressourcen. […]
Auch wäre es der Ehefrau nach der Überzeugung des Senats nicht möglich gewesen, bei einem Scheitern der Beziehung nach Großbritannien zurückzukehren und dort ihre vormals ausgeübte Berufstätigkeit im familiären Unternehmen neben der Kinderbetreuung fortzusetzen. […]
Auch wäre es ihr nicht möglich gewesen, dauerhaft in ihrem Elternhaus Unterkunft zu erlangen, ungeachtet der Tatsache, dass eine derartige Lebensgestaltung nach dem nachvollziehbaren Vortrag der Ehefrau nicht ihrem Lebenskonzept entsprochen hätte. […]
Jedenfalls besaß sie vor dem Hintergrund der dargestellten Umstände keine hinreichende finanzielle Unabhängigkeit, um dem Ansinnen des Ehemannes auf Abschluss eines Ehevertrags mit der einhergehenden Gefahr eines Scheiterns der Beziehung entgegenzutreten. Ohne den ökonomischen Rückhalt der Ehe sah sie vielmehr einer ungesicherten wirtschaftlichen Zukunft entgegen. […]
(bb) Die im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrags unterlegene Verhandlungsposition der Ehefrau spiegelt sich neben der wirtschaftlichen Abhängigkeit zudem in einer bestehenden sprachlichen Unterlegenheit bei Vertragsschluss wider.
Im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrags war die Ehefrau der deutschen Urkundssprache nicht mächtig, weshalb ihr unstreitig bereits im Vorfeld der Beurkundung eine englischsprachige Fassung des Vertrags zur Verfügung gestellt wurde und eine solche auch bei der Beurkundung vorlag. Allerdings stimmten die Erklärungen in § 3 des Vertrags in der deutschen und der englischen Version in einem wesentlichen Punkt nicht überein. Während in der englischsprachigen Version ohne weitere Einschränkungen davon die Rede ist, dass in der Ehe erworbenes neues Vermögen beiden Bet. je zur Hälfte zustehen sollte, findet sich in der deutschsprachigen Version eine erhebliche Einschränkung. Hiernach sollte lediglich das Vermögen den Bet. je zur Hälfte zustehen, soweit aus den Einkünften Rücklagen gebildet worden seien. Hiermit war nach dem insoweit unstreitigen Erklärungswillen des Ehemannes gemeint, dass nur private Vermögenszuwächse hälftig geteilt werden sollten, nicht aber etwa Vermögenszuwächse im Hinblick auf das vom Ast. gehaltene Geschäfts- bzw. Firmenvermögen. Diese erhebliche Einschränkung findet allerdings in der englischen Version des Vertragstextes nicht ansatzweise Anklang. In der englischen Fassung ist […] hinsichtlich des Zugewinns ein Automatismus festgelegt, während es sich in der deutschen Fassung um eine Option handelt bzw. ein weiterer Willensakt dergestalt erforderlich ist, dass zunächst Vermögen angelegt und gebildet wird und die Rücklagen dann durch einen gemeinsamen Beschluss gebildet werden. Die im Ehevertrag enthaltene Klausel über die mögliche Bildung gemeinsamen Vermögens aus Einkommensrücklagen wurde damit bei der Beurkundung des Ehevertrags sinnentstellend übersetzt, was dazu führte, dass die Ehefrau falsche Vorstellungen über den zu erwartenden Vermögenserwerb in der Ehe hatte. So ging diese davon aus, dass der gesamte Zugewinn nach der Hochzeit zur Hälfte geteilt werden sollte. Im Gegensatz hierzu hat der Ehemann angegeben, dass mit der Formulierung in § 2 des Ehevertrags private Rücklagen wie Bargeld, Kontenstände oder Immobilien gemeint gewesen seien, die am Ende geteilt werden sollten, die Firma allerdings geschützt werden sollte. Ist aber der mit dem Verlangen auf Abschluss eines Ehevertrags konfrontierte Ehegatte – wie vorliegend die Ehefrau – der deutschen Urkundssprache nicht mächtig, ist sie zur Herstellung der Verhandlungsparität im Beurkundungsverfahren im besonderen Maße auf eine fachkundige Übersetzung angewiesen (BGHZ 221, 308 = BWNotZ 2019, 176 = NJW 2019, 2020, Rn. 46). Vorliegend führte die sinnentstellende Übersetzung der im Ehevertrag enthaltenen Klausel über die mögliche Bildung gemeinsamen Vermögens aus Einkommensrücklagen in die englische Sprache dazu, dass die Ehefrau wegen der so hervorgerufenen falschen Vorstellungen über den zu erwartenden Vermögenserwerb in der Ehe die wirtschaftliche Tragweite des von ihr erklärten Verzichts auf die gesetzlichen Scheidungsfolgen nicht zutreffend einzuschätzen vermochte. […]
Die beschriebene sprachliche Unterlegenheit der Ehefrau hätte sich allenfalls dann nicht ausgewirkt, wenn sie den Vertrag vor Abschluss durch einen sach- und fachkundigen Dritten hätte prüfen lassen und dieser ihr auf der Grundlage der deutschen Fassung des Vertragstextes die wirtschaftliche Tragweite der abzugebenden Willenserklärung hätte vermitteln können. Dies war aber vorliegend nicht der Fall. […]
(cc) Auch wenn subjektiv die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe für den Abschluss des Ehevertrags zu berücksichtigen sind (vgl. BGHZ 158, 81 = NJW 2004, 930 = FamRZ 2004, 601, 606), führt der vom Ehemann angestrebte Schutz des Bestandes des Familienunternehmens im Rahmen einer Gesamtschau zu keiner anderen Bewertung.
Dem durch den Vertrag begünstigten Ehemann waren auch die zur objektiven und subjektiven Imparität führenden Umstände – abgesehen von der Unzuträglichkeit der englischen Übersetzung – auch im Wesentlichen bekannt; jedenfalls hat er sich dieser Erkenntnis aber leichtfertig verschlossen. Es lag für ihn auch auf der Hand, dass der Schutz des Unternehmens weder einen (weitgehenden) Unterhaltsverzicht (vgl. BGH NJW 2017, 1883 = NZFam 2017, 408, Rn. 45) noch den Ausschluss des Zugewinnausgleichs hinsichtlich des Privatvermögens rechtfertigen konnte. Auch war ersichtlich, dass die Ehefrau nach dem Vertrag weder bestimmte Vermögenswerte noch die Zahlung bestimmter Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen konnte.
(c) Ergibt sich, wie hier, die Sittenwidrigkeit der getroffenen Abreden aus der Gesamtwürdigung des Vertrags, so erfasst die Nichtigkeitsfolge den gesamten Vertrag (vgl. BGH NJW 2013, 457 = FamRZ 2013, 269; Staudinger/Thiele, BGB, 2018, Vorbem. § 1408 Rn. 22).
2. Da der Ehevertrag […] nichtig ist, sind sämtliche Scheidungsfolgesachen nach den gesetzlichen Vorschriften zu regeln. Der Ehefrau hat daher, da gem. § 1361 Abs. 1 BGB der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft besteht, gegen den Ehemann den […] geltend gemachten Auskunftsanspruch für die Stichtage Eheschließung, Trennung und Zustellung des Scheidungsantrags gem. § 1379 BGB.