STREIT 4/2019
S. 165-170
LAG Hamm, TVöD-VKA § 12
Eingruppierung einer kommunalen Reinigungskraft in Schule
1. Die Tätigkeit einer Reinigungskraft stellt einen einheitlichen Arbeitsvorgang dar, bei dem alle Arbeitsschritte dem einzigen Arbeitsergebnis der Reinigung der schuleigenen Räumlichkeiten dienen.
2. Es genügt für die Annahme der Entgeltgruppe 2 der Entgeltordnung zum TVöD-VKA-NRW („für die Reinigung von Gebäuden mit besonderen Anforderungen durch den laufenden Betrieb der Einrichtung [in Zeiten des Publikumsverkehrs oder der Öffnungszeiten/Bürozeiten]…“) ein ausreichend gewichtiger Umfang der Reinigungstätigkeit während des laufenden Einrichtungsbetriebs, der nicht die Hälfte der Tätigkeit ausmachen muss (hier bestätigt für 7 von 23,48 Wochenstunden).
3. Bereits die Reinigung im laufenden Betrieb der Einrichtung begründet die besonderen Anforderungen, ohne dass darüber hinaus noch konkrete Erschwerungen hinzukommen müssen.
(Leitsätze der Redaktion)
LAG Hamm, Urteil vom 18.04.2019, 17 Sa 1158/18
Aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die 1957 geborene Klägerin ist seit […] 2009 als Reinigungskraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 23,48 Stunden bei der Beklagten beschäftigt. […] Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem TVöD-V und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung einschließlich des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts. Außerdem finden die für die Beschäftigten der Stadt C jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung. Beide Parteien sind tarifgebunden.
Gemäß § 4 des Vertrages ist die Klägerin im Immobilienservicebetrieb – 230. 12 – beschäftigt, wobei ihr Einsatz in allen von der Beklagten zu reinigenden Gebäuden innerhalb des Stadtgebietes erfolgen kann. Nach § 5 des Arbeitsvertrages ist sie in die Entgeltgruppe 1 eingruppiert. Im April 2018 erzielte sie ein Bruttomonatseinkommen von 1.165,21 € […]. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2017 […] beantragte sie ihre Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 2 des Anhangs zu § 11 a Teil A des zum 1. Januar 2017 zwischen ver.di und dem Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV NW) geschlossenen Tarifvertrags TVöD-NRW. […]
Zur Eingruppierung trifft der TVöD-VKA (im Folgenden TVöD-VKA) folgende Regelung:
§ 12 Eingruppierung
1. Die Eingruppierung der/des Beschäftigten richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 – Entgeltordnung VKA. Die/Der Beschäftigte erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.
2. Die/Der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. […]
In der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 2 TVöD-VKA heißt es:
Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der/des Beschäftigten zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z.B. unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, eines Widerspruchs oder eines Antrags, Erstellung eines EKG, Fertigung einer Bauzeichnung, Konstruktion einer Brücke oder eines Brückenteils, Bearbeitung eines Antrags auf eine Sozialleistung, Betreuung einer Person oder einer Personengruppe, Durchführung einer Unterhaltungs- oder Instandsetzungsarbeit). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. Eine Anforderung im Sinne der Sätze 2 und 3 ist auch das in einem Tätigkeitsmerkmal geforderte Herausheben der Tätigkeit aus einer niedrigeren Entgeltgruppe.
Die in § 12 Abs. 1 TVöD-VKA in Bezug genommene Anlage 1 – Entgeltordnung VKA – beinhaltet in ihrem Anhang folgende Regelungen:
[…] [Besondere Regelungen für den KAV Nordrhein-Westfalen]
Entgeltgruppe 2: Ungelernte Beschäftigte, die durch landesbezirkliche Vereinbarung im Einzelnen festgelegt sind (Ausschließlichkeitskatalog).
Entgeltgruppe 3: […] Im landesbezirklichen Tarifvertrag zum TVöD im Bereich des Kommunalen Arbeitgeberverbandes in Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 20. Dezember 2016 (TVöD-NRW) heißt es unter § 11 a Eingruppierungsverzeichnis wie folgt:
„Die Entgeltordnung zum TVöD für den Bereich der VKA gilt nicht für […].“
In den Vormerkungen zu allen Entgeltgruppen des Anhangs zu Teil A § 11 a Eingruppierungsverzeichnis findet sich folgende Regelung:
Vorbemerkungen zu allen Entgeltgruppen:
1. Die Beschäftigten sind in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die von ihnen nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit zeitlich mindestens zur Hälfte entspricht. […]
Im Eingruppierungsverzeichnis heißt es wie folgt:
Entgeltgruppe 1: Beschäftigte mit einfachsten Tätigkeiten, zum Beispiel
Essens- und Getränkeausgeber/innen
Garderobenpersonal
Spülen und Gemüseputzen und sonstige Tätigkeiten im Haus- und Küchenbereich
Reiniger/innen in Außenbereichen wie Höfe, Wege, Grünanlagen, Parks
Wärter/innen von Bedürfnisanstalten
Servierer/innen
Hausarbeiter/innen
Hausgehilfe, Hausgehilfin
Bote, Botin (ohne Aufsichtsfunktion)
… […]
Entgeltgruppe 2: Ungelernte Beschäftigte, die im Einzelnen festgelegt sind (Ausschließlichkeitskatalog)
1. Beschäftigte für die Reinigung von Gebäuden mit besonderen Anforderungen durch den laufenden Betrieb der Einrichtung (in Zeiten des Publikumsverkehrs oder der Öffnungszeiten/Bürozeiten) oder mit selbstfahrenden Reinigungsmaschinen
[…]
Die Klägerin ist als Reinigungskraft in dem Objekt Grundschule Xschule in C eingesetzt. Es handelt sich um eine offene Ganztagsschule (OGS), die von montags bis donnerstags in der Zeit bis 16.30 Uhr und am Freitag bis 16.00 Uhr geöffnet ist. Die Klägerin leistet ihre Arbeitszeit von montags bis freitags zwischen 15.00 Uhr und 20.05 Uhr. […]
Mit ihrer am 22. Mai 2018 bei dem Arbeitsgericht Bielefeld eingegangenen Klage begehrt sie die Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten, sie aus der Entgeltgruppe 2 des Anhangs zu Teil A § 11 a – Eingruppierungsverzeichnis zum TVöD-NRW (im Folgenden EG 2 TVöD-NRW) zu vergüten und die Differenzbeträge ab Fälligkeit zu verzinsen. […]
Das Arbeitsgericht Bielefeld hat die Klage mit Urteil vom 20. September 2018 abgewiesen. Es hat ausgeführt:
[…] Es reiche nicht aus, dass sie bei laufendem Betrieb in der Einrichtung reinige, sondern die Reinigung im laufenden Betrieb müsse mit besonderen Anforderungen verbunden sein. Das ergebe die Auslegung der Tarifnorm. […] Es stelle keine besondere Anforderung dar, wenn sie sich bei Belegung von Räumen merken müsse, welche Räume gereinigt seien, welche Räume noch gereinigt werden müssten. Eine besondere Organisation sei hierin nicht erkennbar, so dass die Kammer die Arbeit noch unter dem Begriff „einfachste Tätigkeiten“ zusammenfasse. […]
Die Klägerin hat gegen das […] Urteil […] Berufung eingelegt […].
Aus den Gründen:
A.
Die […] statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist begründet.
I. Der Feststellungsantrag ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, wie das erstinstanzliche Gericht zu Recht festgestellt hat. […] Auch die Klage auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, die nachzuzahlenden Differenzbeträge ab Rechtshängigkeit bzw. ab Fälligkeit zu verzinsen, ist zulässig. […]
II. Die Klage ist begründet.
1. Die Klägerin hat Anspruch auf Vergütung aus der EG 2 Nr. 1 1. Alternative TVöD-NRW.
a. Die Eingruppierungsvorschriften des TVöD-NRW sind auf das Arbeitsverhältnis kraft Tarifbindung der Parteien und arbeitsvertraglicher Verweisung in § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags vom 20. April 2011 anwendbar. Es gelten weiter der TVöD-VKA und der TVÜ-VKA.
b. Die Klägerin hat den Anspruch auf Höhergruppierung aus der EG 1 der Entgeltordnung zum TVöD-VKA in die EG 2 TVöD-NRW mit Schreiben vom 6. Oktober 2017 fristgerecht gemäß § 29 b Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA mit Rückwirkung zum 1. Januar 2017 geltend gemacht. Die Vorschrift ist gemäß § 11 a Satz 3 TVöD-NRW auf das Arbeitsverhältnis anwendbar.
Die in § 29 b Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA geregelte Ausschlussfrist geht der in § 37 Abs. 1 TVöD-VKA geregelten Ausschlussfrist jedenfalls hinsichtlich des Wechsels in das neue Tarifsystem als speziellere Regelung vor (offen gelassen BAG 28.02.2018 a.a.O., Rn. 48; Breier/Dassau/Faber/Hoffmann, TVöD, Entgeltordnung VKA, § 29 b TVÜ-VKA Rn. 12).
c. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen der EG 2 Nr. 1 TVöD-NRW. Sie ist Beschäftigte für die Reinigung von Gebäuden mit besonderen Anforderungen durch den laufenden Betrieb der Einrichtung in Zeiten des Publikumsverkehrs.
aa. Es kann dahinstehen, ob die Eingruppierung unter Bildung von Arbeitsvorgängen entsprechend § 12 Abs. 2 TVöD-VKA oder ohne Bildung von Arbeitsvorgängen tätigkeitsbezogen zu erfolgen hat.
(1) Bei Anwendung des § 12 Abs. 2 TVöD-VKA ist die Klägerin in die Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen.
Hiernach ist Bezugsobjekt der tariflichen Bewertung der Arbeitsvorgang. Für die Bestimmung eines Arbeitsvorgangs ist das Arbeitsergebnis maßgebend. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können jedoch dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Dafür reicht die theoretische Möglichkeit nicht aus, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte übertragen zu können, solange sie nach der tatsächlichen Arbeitsorganisation des Arbeitgebers als einheitliche Arbeitsaufgabe einer Person real übertragen sind. Tatsächlich getrennt sind Arbeitsschritte nicht, wenn sich erst im Laufe der Bearbeitung herausstellt, welchen tariflich erheblichen Schwierigkeitsgrad der einzelne Fall aufweist. Zur Tätigkeit rechnen dabei auch die Zusammenhangstätigkeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben des Beschäftigten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger „Atomisierung“ der Arbeitseinheiten nicht getrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind.
Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt bei der Bestimmung der Arbeitsvorgänge außer Betracht. Erst nachdem der Arbeitsvorgang bestimmt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn die Tarifvertragsparteien verschiedene Beispiele für schwierige Tätigkeiten angeführt haben. Damit haben sie die Bewertung von Einzeltätigkeiten festgelegt, nicht aber die Bestimmung von Arbeitsvorgängen vorgegeben, die gerade nicht nach der Wertigkeit der Einzeltätigkeiten, sondern vielmehr ohne Rücksicht auf diese vorzunehmen ist. An der früher vertretenen Auffassung, tatsächlich trennbare tariflich verschieden zu bewertende Tätigkeiten könnten nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden, hält das Bundesarbeitsgericht seit längerem nicht mehr fest. Es kommt für die tarifliche Bewertung nicht darauf an, ob und inwieweit Einzelaufgaben verwaltungstechnisch verschiedenen Beschäftigten zugewiesen werden könnten, solange sie im Zusammenhang als eine einheitliche Arbeitsaufgabe tatsächlich einer Person übertragen sind. Stellt die Eingruppierungsvorschrift auf qualifizierte Merkmale wie beispielsweise das Merkmal der „schwierigen Tätigkeiten“ ab, so ist dieses im Umfang von mindestens der Hälfte erfüllt, wenn Arbeitsvorgänge, die mindestens die Hälfte der gesamten Arbeitszeit der Person in Anspruch nehmen, schwierige Tätigkeiten enthalten. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die für die Höherwertigkeit maßgebenden Einzeltätigkeiten innerhalb des Arbeitsvorgangs zeitlich überwiegend anfallen. Vielmehr genügt es, dass die Anforderungen in rechtlich nicht ganz unerheblichem Ausmaß anfallen und ohne sie ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt würde (BAG 28. Februar 2018 a.a.O., Rn. 22–25, 38).
Die Tätigkeit einer Reinigungskraft stellt danach einen einheitlichen Arbeitsvorgang dar. Die Einzeltätigkeiten des Reinigungsvorgangs, die einzelnen Arbeitsschritte können gerade nicht von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt werden. Alle Arbeitsschritte dienen dem einzigen Arbeitsergebnis der Reinigung der schuleigenen Räumlichkeiten. Dabei ist es unerheblich, wann der Schulbetrieb endet, wann die Ganztagsbetreuung beginnt und endet. Die Reinigungstätigkeit kann auch nicht organisatorisch nach Reinigung des Obergeschosses und des Erdgeschosses getrennt werden. Tatsächlich hat die Klägerin das ihr zugewiesene Objekt in mehreren Arbeitsschritten in einen sauberen Zustand zu versetzen. Der so bestimmte Arbeitsvorgang macht 100% ihrer Tätigkeit aus.
Für die Bewertung dieses maßgeblichen Arbeitsvorgangs reicht es aus, dass die Tarifmerkmale in rechtlich nicht ganz unerheblichem Ausmaß erfüllt sind, dass ohne die Erfüllung der in den tariflichen Merkmalen gestellten Anforderungen ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt wird. Es ist gerade nicht erforderlich, dass die für die Höherwertigkeit maßgebenden Einzeltätigkeiten innerhalb des Arbeitsvorgangs zeitlich überwiegend anfallen, wobei dahinstehen kann, ob das rechtserhebliche Ausmaß überhaupt quantitativ bestimmt werden kann. (BAG 28. Februar 2018 a.a.O., Rn. 38).
(2) Nichts anderes ergibt sich, wenn die Eingruppierung entsprechend der Rechtsauffassung der Beklagten tätigkeitsbezogen vorgenommen wird, indem entsprechend dem Wortlaut der Vorbemerkung 1 zum Eingruppierungsverzeichnis TVöD-NRW darauf abgestellt wird, ob die Tätigkeitsmerkmale der begehrten Entgeltgruppe für die nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit mindestens zur Hälfte erfüllt sind, soweit nicht in einem anderen Tätigkeitsmerkmal ein abweichendes zeitliches Maß bestimmt ist.
Auch bei Abstellen auf die Tätigkeit der Klägerin ist im tariflichen Sinne von einer Gesamttätigkeit auszugehen. Die Tatsache, dass die Tarifvertragsparteien des TVöD-NRW nicht auf Arbeitsvorgänge abgestellt haben, steht der Zusammenfassung der Einzeltätigkeiten zu einer einheitlich zu bewertenden Gesamttätigkeit oder mehreren jeweils eine Einheit bildenden Tätigkeiten für deren jeweils einheitliche tarifliche Bewertung nicht entgegen. Dafür gelten vergleichbare Regeln und Kriterien wie bei der Bestimmung des Arbeitsvorgangs, lediglich die anzuwendenden Maßstäbe sind weniger streng (BAG 20. Mai 2009 – 4 AZR 315/08 – Rn. 22, NZA-RR 2010, 160; 28. Januar 2009 – 4 ABR 92/07 – Rn. 23, BAGE 129, 238; 7. August 2008 – 4 AZR 484/07 – Rn. 17, BAGE 127, 305; 11. Oktober 2006 – 4 AZR 534/05 – Rn. 23, ZTR 2007, 141).
So hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 28. Januar 2009 die Tätigkeit von Mitarbeitern im Reinigungsservice eines Pflegeheims, die eine Sicht- und Unterhaltsreinigung der Räume nach vorgegebenen Reinigungsplänen unter Beachtung des Desinfektionsplans umfasste, zu einer Gesamttätigkeit zusammengefasst, zu der als Zusammenhangstätigkeiten auch die Meldung des Reinigungsmittelbedarfs und das Ausfüllen der Reinigungschecklisten sowie der während der Reinigungstätigkeit auftretende Kontakt zu Bewohnern des Pflegeheims gehören (BAG 28. Januar 2009 a.a.O., Rn. 24).
Auch die Tätigkeiten eines Straßenreinigers können zu einer einheitlich zu bewertenden Gesamttätigkeit zusammengefasst werden, die in der Leerung von städtischen Papierkörben z.B. an Bushaltestellen einschließlich der Anfahrt und der Ablieferung des Abfalls besteht (BAG 11. Oktober 2006 a.a.O., Rn. 23).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Reinigungstätigkeit der Klägerin als Gesamttätigkeit anzusehen, bei der es – wie bei einem einheitlichen Arbeitsvorgang – ausreicht, dass das Tätigkeitsmerkmal der Gebäudereinigung mit besonderen Anforderungen durch den laufenden Betrieb der Einrichtung in nicht unerheblichem Maße erfüllt ist. Es kommt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf an, dass mindestens die Hälfte der Reinigungstätigkeit das Merkmal erfüllt.
(1) Die Klägerin arbeitet innerhalb ihrer Schichtzeiten von montags bis freitags von 15.00 Uhr bis 20.05 Uhr, innerhalb der Zeit von montags bis donnerstags von 15.00 Uhr bis 16.30 Uhr und am Freitag von 15.00 Uhr bis 16.00 Uhr im laufenden Betrieb der Schule. Mit sieben von unstreitig 23,48 Wochenstunden verrichtet sie ihre Arbeit in einem ausreichend gewichtigem Umfang unter den in der Entgeltgruppe 2 Nr. 1 1. Fall TVöD-NRW beschriebenen Bedingungen. Das Bundesarbeitsgericht hat ein rechtserhebliches Maß bei 11,54% des Gesamtarbeitsvorgangs bzw. der Gesamttätigkeit gesehen (BAG 28.02.2018 a.a.O., Rnr. 41).
(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nicht zu fordern, dass die Reinigung im laufenden Betrieb der Einrichtung mit besonderen zusätzlichen Anforderungen verbunden ist. Das ergibt die Auslegung der Tarifnorm.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehend. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 28. Januar 2009 a.a.O., Rn. 26).
(a) Die EG 2 TVöD-NRW enthält anders als die EG 1 des Eingruppierungsverzeichnisses zum TVöD-NRW, die deklaratorisch aus der Entgeltordnung zum TVöD-VKA übernommen wurde, keine Tätigkeitsbeispiele, sondern ausweislich der Überschrift einen Ausschließlichkeitskatalog für ungelernte Beschäftigte.
(b) Nach Nr. 1 1. Alternative der Tarifnorm sind in die EG 2 ungelernte Beschäftigte für die Reinigung von Gebäuden mit besonderen Anforderungen durch den laufenden Betrieb eingruppiert. Unter Betrieb einer Einrichtung ist das Betreiben der Einrichtung, sind Geschäftstätigkeit, lebhaftes Treiben, reger Verkehr zu verstehen (Duden Wörterbuch „Betrieb“). Ein Betrieb läuft, wenn er gerade abläuft, gegenwärtig ist (Duden Wörterbuch „laufend“). Die „besonderen Anforderungen“ und der „laufende Betrieb der Einrichtung“ sind sprachlich durch die Präposition „durch“ verbunden. Damit wird gekennzeichnet, dass die „besonderen Anforderungen“ durch den „laufenden Betrieb“ verursacht werden, aufgrund, infolge des laufenden Betriebs entstehen.
Der Wortlaut lässt auf den ersten Blick das von der Beklagten vertretene Verständnis zu, dass der laufende Betrieb nicht schon an sich die besonderen Anforderungen begründet, sondern darüber hinaus noch Erschwerungen hinzukommen müssen. Nach Auffassung der Kammer zeigt aber der Klammerzusatz als Erläuterung der besonderen Anforderungen, dass die Tarifvertragsparteien diese bereits dann gesehen, wenn die Arbeit in Zeiten des Publikumsverkehrs und/oder der Öffnungszeiten, Bürozeiten verrichtet wird, ohne dass die Tätigkeit unter noch darüber hinausgehenden Erschwernissen, Belastungen verrichtet werden muss. Publikumsverkehr, die Anwesenheit von Mitarbeitern und Kunden bedeuten schon an sich, dass die Arbeiten nicht durchgehend systematisch, plangerecht durchgeführt werden können, sondern flexibel reagiert werden muss, im Fall der Klägerin z.B. von Lehrern, Eltern und/oder Schülern besetzte Räumlichkeiten zunächst hintenangestellt werden müssen. Im laufenden Betrieb ist auch damit zu rechnen, dass die Reinigungskraft vom Publikum, von Mitarbeitern und Kunden angesprochen wird, mag sie auch für die Beantwortung von Fragen nicht zuständig sein. Auch daraus ergeben sich Störungen.
Für das Verständnis der Kammer spricht, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bereits die EG 1 der Entgeltordnung zum TVöD-VKA dahin zu verstehen ist, dass sie auch Reinigungsarbeiten in Gebäuden erfasst, obwohl diese in den tariflichen Beispielen nicht aufgeführt sind, soweit es sich um einfachste Tätigkeiten handelt (BAG 28. Januar 2009 a.a.O., Rn. 21, 35). Entsprechend wird die Klägerin gegenwärtig tatsächlich aus der EG 1 der Entgeltordnung zum TVöD-VKA vergütet.
Einfachste Tätigkeiten sind nach dieser Entscheidung jedoch unter anderem nicht mehr gegeben, wenn es im Einzelfall zur Durchführung der übertragenen Tätigkeit – hier der Reinigung des Schulgebäudes – regelmäßig einer Abstimmung mit anderen Personen wie Beschäftigten und Kunden bedarf. Die erforderliche Absprache kann nach dieser Entscheidung bei der Gesamtbeurteilung ein Aspekt sein, der gegen eine gleichförmige und gleichartige Tätigkeit spricht, weshalb im Ergebnis eine einfachste Tätigkeit ausgeschlossen sein könnte (BAG 28. Januar 2009 a.a.O., Rn. 50). Diesem Aspekt haben die Tarifvertragsparteien des TVöD-NRW ersichtlich durch die ab dem 1. Januar 2017 gültige Regelung in der EG 2 Nr. 1 1. Alternative TVöD-NRW Rechnung tragen wollen. Wie sich aus der Begründung des Textentwurfes zu der EG 2 Nr. 1 TVöD-NRW ergibt, den ver.di am 22. März 2016 dem Vertreter des KAV S. übermittelt hat, sollte mit der vorgeschlagenen Formulierung „Beschäftigte für die Reinigung von Gebäuden in Zeiten des Publikumsverkehrs, der Öffnungszeiten, der Bürozeiten, auf selbstfahrenden Reinigungsmaschinen“ eine Abgrenzung zu den einfachsten Tätigkeiten der EG 1 TVöD-VKA geschaffen werden. Die von ver.di vorgeschlagene Formulierung ist zwar nicht wortgleich in die endgültige Fassung übernommen worden, ohne dass sich allerdings dem Parteivorbringen entnehmen lässt, dass sich die Tarifvertragsparteien einig wurden, dass die Erschwernisse des Publikumsverkehrs etc. an sich nicht ausreichen, die Eingruppierung in die EG 2 TVöD-NRW zu begründen. Die Beklagte hat lediglich auf einen entsprechenden Konsens verwiesen, ohne darzulegen, dass sich die Tarifvertragsparteien ausdrücklich dahin verständigt haben, dass über die Erschwernisse des laufenden Betriebs hinaus noch weitere besondere Einschränkungen, Unzuträglichkeiten gegeben sein müssen.
Aus den Erläuterungen von ver.di zu dem Entgeltverzeichnis des TVöD-NRW (Bl. 18 ff. d. A.) ergibt sich vielmehr, dass nach gewerkschaftlichem Verständnis mit dem Tätigkeitsmerkmal in der EG 2 „Reinigung von Gebäuden mit besonderen Anforderungen durch den laufenden Betrieb der Einrichtung“ eine Heraushebung aus der EG 1 verbunden ist, die den geänderten Arbeitsbedingungen Rechnung tragen soll, da in vielen Bereichen (in Verwaltungsgebäuden/(Ganztags-)Schulen) die Reinigung nicht mehr im Zustand geschlossener Gebäude erfolgt, sondern sie in Zeiten des Publikumsverkehrs oder in Zeiten zu verrichten ist, in denen die Büros durch Beschäftigte belegt sind.
Das Tarifverständnis der Beklagten führt dazu, dass grundsätzlich Reinigungsarbeiten im laufenden Betrieb, in Zeiten des Publikumsverkehrs, während der Öffnungszeiten, der Bürozeiten der EG 1 TVöD-VKA zuzuordnen wären, es sei denn, es träten über die Beeinträchtigungen durch den laufenden Betrieb hinausgehende Anforderungen auf.
Bei der Tarifauslegung ist auch zu prüfen, ob das gefundene Auslegungsergebnis zu einer sachgerechten und praktisch brauchbaren Regelung führt. Wie der vorliegende Fall zeigt, erforderte ein Verständnis der Tarifnorm dahin, dass gesteigerte Anforderungen an die Tätigkeit während des laufenden Betriebs zu stellen sind, eine aufwendige Prüfung des Einzelfalls. Es wäre stets zu prüfen, ob die konkrete Reinigung eines Objektes bei laufendem Betrieb zu besonderen Erschwernissen führt, die über die üblichen Störungen durch Mitarbeiter, Kunden, Publikum hinausgehen. Soweit Kommunen noch eigene Reinigungskräfte beschäftigen, sind diese jedenfalls in größeren Kommunen in großer Zahl angestellt und in vielen unterschiedlichen Objekten eingesetzt, in denen sich die Reinigungsbedingungen häufig ändern können. Das gilt namentlich für die Reinigung von Schulen. Im Ergebnis wären eine genaue Dokumentation der Arbeitsbedingungen und eine ständige Überprüfung der Eingruppierung geboten. Werden die besonderen Anforderungen dagegen schon bei Reinigung im laufenden Betrieb bejaht, ist eine Feststellung der Eingruppierungsvoraussetzungen ungleich einfacher zu handhaben. Zeiten des Publikumsverkehrs, Öffnungszeiten und Bürozeiten sind verlässlich feststellbar, nicht ständigen Änderungen unterworfen.
2. Der Feststellungsantrag ist auch bezüglich der begehrten Verzinsung der Bruttodifferenzbeträge begründet. […]
B.
[…] Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Auslegung der Tätigkeitsmerkmale der EG 2 Nr. 1 1. Alternative TVöD-NRW für die Beklagte zuzulassen.