STREIT 1/2020

S. 46

Ende der Männergesangsvereine? – Geschlechterselektive Vereine sollen ihren Gemeinnützigkeitsstatus verlieren

Das Bundesfinanzministerium erarbeitet zurzeit eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts. Begrenzen Vereine ihre Mitgliedschaft ohne nachvollziehbaren Grund auf ein Geschlecht, sollen ihnen künftig die Steuerprivilegien, die sich aus dem Status der Gemeinnützigkeit ergeben, gestrichen werden. Oder kurz in den Worten des Finanzministers Olaf Scholz, „Wer Frauen ausschließt, soll keine Steuervorteile haben“. Hintergrund ist das sogenannte „Freimaurer-Urteil“ des BFH (Urteil vom 17.05.2017, Az.: VR 52/15), wo eine frauenausschließende Satzung den Verlust der Gemeinnützigkeit begründet hatte. Es ist höchst nachvollziehbar, dass es keine Förderung der „Allgemeinheit“ sein soll, wenn Männer meinen, sie müssten ihre Aktivitäten „unter sich“ ausüben. Sie können das tun, auch weiterhin. Es geht eben nur darum, ob dieses private Tun auch steuerlich gefördert werden soll. Warum dies rechtlich nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist, ist nachzulesen in einem Rechtsgutachten von Prof. Dr. Ute Sacksofsky „Steuerrechtliche Gemeinnützigkeit und Gleichberechtigung“, Frankfurt am Main, 2019, im Volltext abrufbar unter https://www.jura.uni-frankfurt.de/83574309/Steuerrechtliche_Gemeinn%C3%BC tzigkeit_und_Gleichberechtigung_Sacksofsky.pdf. Vereine brauchen danach in Zukunft einen guten Grund, wenn sie Frauen draußen lassen wollen, „Tradition“ reicht jedenfalls nicht aus. Das Gutachten findet dafür deutliche Worte. Grundrechte wirkten auf die Auslegung dessen, was als „Förderung der Allgemeinheit“ nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO anzusehen ist, in zweifacher Hinsicht ein. Zum einen dürfe der von einer Körperschaft beabsichtigte Zweck nicht selbst gegen Grundrechte verstoßen. Zum anderen aber dürfe auch die Art und Weise, wie ein an sich allgemeinheitsfördernder Zweck verfolgt wird, nicht gegen die grundrechtlichen Wertentscheidungen verstoßen. Beschränkungen der Mitgliedschaft in Vereinen auf ein Geschlecht könnten in Konflikt mit den geschlechterbezogenen Gleichheitsgarantien des Art. 3 Abs. 2 und 3 GG stehen. Verfassungsgemäß sei es, wenn ein „guter Grund“ für die Beschränkung der Mitgliedschaft auf ein Geschlecht gegeben sei, wenn dieser im Zusammenhang mit dem Vereinszweck stehe und keinen diskriminierenden Charakter trage. Tradition stelle keinen guten Grund für eine Beschränkung der Mitgliedschaft auf ein Geschlecht dar. Da die Tradition der deutschen Gesellschaft eine patriarchal diskriminierende sei, würde die Anerkennung von Tradition als Rechtfertigung Diskriminierung perpetuieren und damit dem Zweck der Diskriminierungsverbote zuwiderlaufen. Umgekehrt sei dagegen eine Beschränkung der Mitgliedschaft nur auf Frauen dann gerechtfertigt, wenn der Vereinszweck – jedenfalls auch – auf die Förderung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen gerichtet sei. Angesichts der fortbestehenden strukturellen Benachteiligung von Frauen könne dies die Umsetzung des Verfassungsauftrags zur Durchsetzung tatsächlicher Gleichberechtigung fördern.

Anke Stelkens