STREIT 4/2019
S. 188-189
Gender in der juristischen Ausbildung – Bericht vom Workshop beim 45. Feministischen Juristinnentag 2019 in Freiburg
In dem Workshop „Genderaspekte in der juristischen Ausbildung“ ging es um zwei zentrale Fragen: Was lernen wir in der juristischen Ausbildung über das Recht? Wie lernen wir das Recht und vom wem lernen wir es?
Ziel des Workshops war es, den thematischen Rahmen dafür zu bieten, dass die Teilnehmerinnen* ihr Wissen austauschen und von ihren Erfahrungen in den verschiedenen Abschnitten der juristischen Ausbildung berichten. Die Diskussion wurde durch drei Themenblöcke strukturiert: Studium, Referendariat und Vernetzung.
Studium
Die Teilnehmerinnen* fanden es besonders wichtig, dass im Jurastudium eine gendergerechte Sprache verwendet und akzeptiert wird. Das ist bis heute nicht die Regel. Sinnvolle Maßnahmen können Handbücher und Leitfäden sein, wie es sie an einigen Universitäten bereits gibt (z.B. an der Humboldt-Universität zu Berlin). Besser noch wäre eine Verankerung in Studien- und Prüfungsordnungen. Vorgeschlagen wurde auch die Einführung eines Pflichtfachs Legal Gender Studies. Juristische Lehrmaterialien müssten überarbeitet und angepasst werden. Insbesondere die Sachverhalte von Übungs- und Klausurfällen sollten ebenso wie Lehrbücher und Fallsammlungen in geschlechtergerechter Sprache verfasst sein und stereotype Geschlechterklischees vermeiden (vgl. dazu auch: Dana-Sophia Valentiner u.a., (Geschlechter-) Stereotypen in juristischen Ausbildungsfällen – Eine Hamburger Studie, Hamburg 2017). Gendergerechte Fälle könnten überregional ausgetauscht und in einem Fälle-Pool gesammelt werden.
Für Lehrpersonen sollte es didaktische und sensibilisierende Schulungen geben, Lehrveranstaltungen sollten regelmäßig evaluiert werden und Evaluationsbögen/-unterlagen gezielte Nachfragen nach diskriminierenden Verhalten/Sachverhalten enthalten. Für Prüfungen wurde vorgeschlagen, Klausuren und Hausarbeiten zu anonymisieren, um Geschlechtereffekte zu nivellieren (vgl. Emanuel V. Towfigh/Andreas Glöckner/Christian Traxler, Zur Benotung in der Examensvorbereitung und im ersten Examen: Eine empirische Analyse, Zeitschrift für Didaktik der Rechtswissenschaft 2014, S. 8-27).
Festgestellt haben wir, dass alle Teilnehmerinnen* immer noch mehr Männer als Frauen als Lehrende erleben, vor allem bei den Professor*innen und in kommerziellen Repetitorien. Andererseits könnten universitäre Vorlesungen, Übungen und Arbeitsgemeinschaften gerade auch als Empowerment-Instrument genutzt werden.
Referendariat
Für das Referendariat haben sich viele Teilnehmerinnen* eine Anlaufstelle bei Problemen mit Ausbilder*innen gewünscht. Dringend nötig sind auch mehr Praktikerinnen und Professorinnen als Ausbilder*innen und als Prüfer*innen (vgl. dazu: Andreas Glöckner/Emanuel Towfigh/Christian Traxler, Empirische Untersuchung zur Benotung in der staatlichen Pflichtfachprüfung und in der zweiten juristischen Staatsprüfung in Nordrhein-Westfalen von 2006 bis 2016, Berlin u.a. 2018). Hilfreich wäre eine Unterstützung bei der genderbewussten Auswahl von Stationen und Auszubildenden, z.B. durch Berichte über Ausbilder*innen beim Personalrat und Information über Stationen bei Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsstellen. Als wichtiges Instrument wurde auch hier auf die Evaluierung von Arbeitsgemeinschaften und Ausbildungsstationen hingewiesen, die genutzt werden sollte, um auf Diskriminierungen konsequent aufmerksam machen zu können. Bei den Lehrmaterialen ist uns aufgefallen, dass die Lehrbücher für das Referendariat ganz überwiegend von Männern geschrieben werden.
Vernetzung
Bei dem Thema Vernetzung ging es darum, uns gegenseitig über Initiativen, Arbeitskreise, Programme und Online-Aktivitäten zu informieren und zu berichten, welche Erfahrungen wir mit den jeweiligen Vernetzungsformaten gemacht haben. Außerdem wurden Ideen für weitere Formen der Vernetzung gesammelt.
Wichtig für die Vernetzung von feministischen Jurastudent*innen sind seit jeher die AKJs. An verschiedenen Universitäten gibt es seit einigen Jahren Mentoring-Programme. In Freiburg wurde Justitia Mentoring von kritischen Jurastudent*innen gegründet und bietet Mentoring, Veranstaltungen, Vorträge, Forschungsforen, Lunch Talks, Get-Togethers und Information an. Weitere Programme gibt es in Potsdam (Mentoring Plus), Göttingen, Trier, Berlin (DREAM, ProFil), Passau u.a. Viele dieser Programme haben sich inzwischen etabliert, werden innerhalb der Universität aber auch nach wie vor kritisch beäugt und sind in der Regel nicht dauerfinanziert. Ausführlich diskutiert haben wir die Frage, wie sinnvoll reine Frauenprogramme sind. Gut fanden wir die Idee von Promotionskolloquien für Frauen.
Als weitere Möglichkeiten der Vernetzung wurden noch die Jungen Juristinnen und der Arbeitsstab „Juristische Ausbildung und Beruf“ beim djb genannt sowie das Feministische Rechtsinstitut (Hamburg) und das Forum Legal Gender Studies (Halle), letzteres insbesondere für die Vernetzung unter Lehrenden. Wichtige Vernetzungs- und Organisationsstellen sind außerdem Gleichstellungsbeauftragte, Gleichstellungsreferate und Frauenbüros, das Anwältinnenverzeichnis der STREIT und Online-Formate wie Blogs (z.B. „Juristenausbildung – Üble Nachlese“) und Jobbörsen für Jurist*innen.
Gefragt haben wir uns am Ende des Workshops, wie der Wert von Netzwerken noch besser vermittelt werden und in ein positiveres Scheinwerferlicht gerückt werden kann.