STREIT 3/2022
S. 142
Gleiches Recht für Alle?! Tagungsbericht von der Sommerakademie Feministische Rechtswissenschaft 2022
Die Idee einer Sommerakademie Feministische Rechtswissenschaft entstand 2020 am Lehrstuhl von Prof. Dr. Nora Markard, MA (King’s College London) und war als eine Art „Young FJT“ gedacht. Den Kern des Organisationsteams bildeten Studierende und wissenschaftliche Mitarbeitende des Lehrstuhls, die dann interessierte Freund*innen ins Boot holten. 2021 fand die Sommerakademie sehr erfolgreich das erste Mal statt.
Noch im gleichen Sommer konnte das Projekt dann in die Hände eines neues Organisationkollektivs aus Studierenden, Doktorand*innen, Referendar*innen und Berufseinsteiger*innen aus ganz Deutschland gegeben werden, die Lust hatten, eine Neuauflage des Formats zu organisieren.
So fand die Sommerakademie 2022 dann vom 10. bis 12. Juni am Lehrstuhl von Prof. Dr. Christine Morgenstern an der FU Berlin statt. Die Idee war, nicht nur auf Wissensvermittlung zu setzen, sondern durch ein Rahmenprogramm auch einen Raum für Vernetzung zu schaffen – glücklicherweise nun endlich in Präsenz.
Die diesjährige Akademie stellte die Frage „Gleiches Recht für Alle?!“ und stand dabei wie bereits im letzten Jahr unter dem Motto „Educate, Empower, Enrage“. Nach einem Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. Christine Morgenstern zum Thema „Was ist feministische Strafrechtswissenschaft?“ konnten die Teilnehmenden zwischen Vorträgen aus drei Tracks auswählen: „Intersektionalität und Ungleichheit“ (Track 1), „Ungleichheit in Institutionen des Rechtsstaats“ (Track 2) und „Ungleichheit überwinden – Gleichheit neu denken“ (Track 3). Pro Track wurden jeweils zwei Vorträge gehalten, an die sich eine Diskussion anschloss.
Ziel war es, sich mit (Un)Gleichheit zwischen Recht und Rechtswirklichkeit auseinanderzusetzen und den Gleichheitsbegriff kritisch zu dekonstruieren, aber auch zu rekonstruieren. Hierbei war es uns wichtig, die tatsächlichen gesellschaftlichen Machtverhältnisse und Diskriminierungsmechanismen nicht auszublenden sowie einen intersektionalen Ansatz zu verfolgen.
Menina Morenike Ugwuoke (@blacklawberlin) von BIJOC Berlin (Hochschulgruppe Black, Indigenous & Jurastudierende of Colour) führte in die Themen Intersektionalität und Rassismus ein, Rechtsanwältin Dr. Laura Adamietz beschäftigte sich in ihrem Vortrag mit der Abschaffung des Transsexuellengesetzes.
Ulrike Schultz (Akademische Oberrätin a.D., FernUni in Hagen) und Franziska Brachthäuser (wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FU Berlin) analysierten habituelle Strukturen im Hörsaal und gingen der Frage nach, ob und wie Habitus überwunden werden kann. Navin Mienert (JUMEN e.V.) und Katja Deller hielten einen Vortrag zu Ungleichheit im Justizsystem am Beispiel von Sexualstrafverfahren.
Prof. Dr. Nora Markard, M.A. und Prof. Dr. Anna Katharina Mangold, LL.M. (Cambridge) führten in verfassungstheoretische Debatten um das Recht gegen Diskriminierung ein. Diskutiert wurden formelles und materielles Gleichheitsverständnis und die Bedeutung von Antidiskriminierungsrecht in der Demokratie.
Die Sommerakademie 2022 verortet sich an der Schnittstelle von Rechtswissenschaft, Rechtspolitik und Aktivismus – dementsprechend wurden am Sonntag auch Workshops für eine feministische Praxis angeboten: „Feministisch durchs Studium“ mit Valentina Chiofalo (wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FU Berlin), „Feministische Kanzleiarbeit“ mit der Kanzlei Dunkel + Richter und „Strategische Prozessführung“ mit Rechtsanwältin Lea Beckmann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.
Das Rahmenprogramm bot neben gemeinsamen Essen auch Räume, um sich kennenzulernen. An einem Filmabend wurde die Dokumentation „Dear Future Children“ gezeigt, die drei weibliche Aktivistinnen porträtiert. Weiterhin konnten sich die Teilnehmenden an Thementischen zur Arbeit des Podcastkollektivs „Mal nach den Rechten schauen“, des Postmigrantischen Jurist*innenbundes, des Netzwerks multikultureller Jurist*innen und der Open-Access-Initiative OpenRewi informieren.
Die Sommerakademie 2022 hinterlässt ein Gefühl der Begeisterung, dass wir so viele sind und nicht länger isoliert denken und kämpfen müssen. Wir freuen uns, dass es mit der zweiten Sommerakademie endgültig gelungen ist, einen weiteren feministischen Raum zu öffnen, und hoffen, dass er sich etabliert. Aus den Rückmeldungen der Teilnehmenden und Speaker*innen lässt sich Erleichterung darüber erkennen, dass diese Gruppe intersektionale Perspektiven miteinbezieht. Trotzdem wissen wir, dass dieser Aspekt für die Planung im nächsten Jahr noch besser berücksichtigt werden muss.
Ein kleiner Lesekreis hat sich gebildet. Vom 26. bis 28. August 2022 findet außerdem in Köln ein Treffen für die Übergabe an ein neues Team für die Organisation der Sommerakademie 2023 statt. Dabei wollen wir auch darüber nachdenken, ob eine Struktur geschaffen werden könnte, in der die Mitglieder der ehemaligen Orgateams verbunden bleiben. Die zahlreichen Anmeldungen für die Sommerakademie 2022, die wir auf Grund der Begrenzung auf 60 Teilnehmende leider nicht alle berücksichtigen konnten, führten zu der Überlegung, ob wir auf ein hybrides Format umsteigen. So oder so: Es geht feministisch weiter!
Falls Sie mitarbeiten möchten, kontaktieren Sie uns gerne: teilnahme@sommerakademie@gmail.com, Twitter: @AkaRewi, Instagram: @sommerakademiefemrewi
Malena Knierim für das Organisationskollektiv Feministische Rechtswissenschaft