STREIT 3/2021

S. 141

Gutachten zu den Möglichkeiten gesetzlicher Neuregelungen im Konfliktfeld ‚Gehsteigbelästigungen‘

Das Gunda-Werner-Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung hat beim Deutschen Juristinnenbund ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das von Dr. Sina Fontana, der Vorsitzenden der Kommission Verfassungsrecht, Öffentliches Recht, Gleichstellung, erstellt wurde.
Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass der Zugang zu Gesundheitsleistungen für Frauen nicht flächendeckend gesichert ist. Neben sehr weitreichenden Werbeverboten und der Kriminalisierung von Ärztinnen erschweren Abtreibungsgegner*innen mit sogenannten „Gehsteigbelästigungen“ den ungehinderten Zugang ungewollt Schwangerer zu Beratungseinrichtungen und ärztlichen Praxen.
Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass das Persönlichkeitsrecht der schwangeren Person, welches im Falle einer frühen Schwangerschaft der besonders schützenswerten Intimsphäre zuzuordnen ist, in der Regel schwerer wiegt als die Meinungsfreiheit, das Versammlungsrecht oder die Religionsfreiheit der Abtreibungsgegner*innen.
Festgestellt wird, dass § 8 SchKG auch ohne eine weitere Klarstellung schon heute eine auf das Polizei- und Ordnungsrecht oder das Versammlungsrecht gestützte Anordnung ermöglicht, die Veranstaltung auf Orte außerhalb von Ruf- und Sichtweise zu verlegen. Da nicht durchgängig mit einer solchen Maßnahme seitens der Behörden zu rechnen ist, wird vorgeschlagen, § 14a SchwKG um einen Ordnungswidrigkeitstatbestand zu ergänzen, der eine Person „in Sicht- oder Rufweite einer anerkannten Beratungsstelle oder einer Einrichtung, die Schwangerschaftsabbrüche vornimmt“ mit einem Bußgeld belegt, wenn sie „die Ratsuchenden durch gezieltes Ansprechen oder sonstige Ausübung von Zwang oder Druck zu beeinflussen oder sie am Zugang zu hindern versucht“.

Das ausführliche Gutachten und eine „politische Handlungsempfehlung“ sind abrufbar unter: www.gwi-boell.de/de/rechtsgutachten-zur-verbesserung-des-zugangs-zur-schwangerschaftskonfliktberatung.