STREIT 3/2024

S. 116-128

Historische Wurzeln des Antifeminismus – intersektionell Eine Spurensuche

Einleitung

Wir leben in einer Zeit, in der Frauen weltweit und erfolgreich für ihre Menschenrechte kämpfen. Zugleich formieren sich ebenfalls weltweit antifeministische Bewegungen, die sich nicht nur gegen Frauen, sondern allgemeiner gegen Menschenrechte wenden.

„In Zukunft ist jede Analyse, jede Kritik und jede Politik unterkomplex, die konzeptionell hinter diese Einsicht in Rassismus, Faschismus, Imperialismus, Patriarchat und Kapitalismus zurückfällt. Nur zusammen und in gemeinsamer Anstrengung können sie langfristig überwunden werden.“1

Aufbauend auf meinen bisherigen Forschungen zu den Wurzeln und Entwicklungslinien der Frauendiskriminierung im Recht2  werde ich im Folgenden versuchen, in der Geschichte gemeinsame Wurzeln und gemeinsame Strukturmerkmale zu finden,3 die die verschiedenen Diskriminierungen prägen, die heute durch Diskriminierungsverbote adressiert werden.4

Dafür werde ich zuerst am Beispiel der Geschichte der Frauendiskriminierung grundsätzliche Mechanismen aufzeigen, wie die strukturelle Diskriminierung systematisch in unserer Gesellschaft verankert wurde und wird (I). Im zweiten Teil geht es um eine entscheidende Grundlage der im ersten Teil beschriebenen Frauendiskriminierung: die bipolare Zuordnung von Eigenschaften und Rechten zum männlichen und weiblichen Geschlecht (II). Der dritte Teil behandelt die ebenfalls tief in unserer Kultur verankerte soziale Hierarchie, die zur Aufrecht­erhaltung von Ausschlussmechanismen gegenüber bestimmten Gruppen beim Zugang zu Ressourcen und Macht beiträgt (IV). Im fünften Teil geht es dann um die Versuche in der Zeit der Aufklärung und französischen Revolution, Gesellschaft ganz neu zu denken und überkommene Hierarchien in Frage zu stellen. Allerdings waren diese Versuche nur teilweise erfolgreich. Auf dem Hintergrund erstarkender wirtschaftlicher Interessen der Eigner von Produktions­mitteln und Land im Frühkapitalismus und des Kolonialismus des 19. Jhs. entstanden neue Begründungen für und neue Formen der Diskriminierung, die bis heute fortwirken (VI).

I Die Verankerung von Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen im Rechtssystem

Diskriminierung setzt eine hierarchisch strukturierte Gesellschaft voraus,5 in der Macht nicht – jeden- falls nicht nur – durch schlichte körperliche Gewalt, sondern durch eine sozial akzeptierte Positionierung abgesichert ist. Ich untersuche diese Struktur unter den Gesichtspunkten des Zugriffs auf Geld und Macht sowie die Möglichkeit der Gewaltausübung. Eine hierarchische Machtposition setzt in erster Linie einen Zugriff auf Ressourcen voraus, die der Absicherung der Macht dienen. Macht beinhaltet die Möglichkeit, Regeln und Maßstäbe zu setzen. Da Macht immer bedroht ist, muss sie durch die Möglichkeit der Gewaltausübung gesichert werden.

a) Zugriff auf Ressourcen

Macht ist unter heutigen Verhältnissen an Geld gebunden – in der Sprache des Marxismus: an das Eigentum an Produktionsmitteln. In Gesellschaften ohne Geldkultur geht es primär um Landbesitz und den Zugriff auf Arbeitskräfte, oft Sklaven. In jedem Fall sind Personen ohne (ausreichenden) Zugang zu Ressourcen von den Eigentümern abhängig. Es entsteht ein hierarchisches Verhältnis, das die abhängige Person mehr oder weniger zwingt, sich dem Willen dessen zu unterwerfen, der über die lebensnotwenigen Ressourcen verfügt.

Das Patriarchat6  ist in der Kultur des Abendlandes gekennzeichnet durch die persönliche Abhängigkeit der Frau (und ihrer Kinder) von einem Mann.7  Diese wird hergestellt oder jedenfalls begünstigt durch das Ehemuster der patrilokal geschlossenen Ehe: Die Frau folgt traditionell bei der Eheschließung dem Mann auf dessen Hof, wird Teil seiner Familie und von dieser abhängig. In Resten fand sich diese Tradition in Westdeutschland zum Beispiel bis 1957 im Familienrecht erhalten, wonach Frauen verpflichtet waren, den Wohnsitz des Ehemannes zu teilen, und wonach ihr Einkommen und Vermögen der Verwaltung des Ehemannes unterstellt war.8

Wesentlich für die selbstbestimmte Existenzsicherung ist in der Regel der Verdienst aus Erwerbsarbeit. Dabei ist festzustellen, dass Frauen immer weniger verdienten als Männer – sei es, weil sie weniger Lohn für gleiche Arbeit erhielten oder weil Frauentätigkeiten geringer entlohnt wurden und werden als typischerweise von Männern ausgeübte Tätigkeiten.9 Hinzu kommt, dass Frauen in der Geschichte von vielen Be- rufen grundsätzlich ausgeschlossen waren. Das galt z.B. bis ins 20. Jh. für akademische Berufe, seit dem 16. Jh. bis zur Einführung der Gewerbefreiheit 1869 aber auch für viele Handwerke.10  In einzelnen Tätigkeitsfeldern bestanden Berufsverbote für Frauen weiter in Form von Arbeitsschutzbestimmungen. So gab es z.B. in Westdeutschland noch in den 1990er Jahren Verbote für Frauen, schwere Maschinen zu bedienen.11

b) Macht

Mit dem Zugriff auf Geld bzw. Ressourcen verbunden ist in der Regel Macht. Mit Macht ist die Möglichkeit verbunden, Regeln zu setzen. Also zum Beispiel die Festlegung von Geboten und Verboten u.a. in Form von Gesetzen. Aber es geht auch um die Möglichkeit, Maßstäbe und Glaubenssätze festzulegen. Dabei geht es um die Feststellung, was schön oder hässlich und was gut oder schlecht, was richtig oder falsch ist.

In Europa muss historisch unterschieden wer-den zwischen weltlicher und religiöser Macht, wobei beide Machtfaktoren eng verwoben waren und zum Teil noch sind. So heißt es z.B. im aktuell geltenden Bayerischen Schulgesetz, Art. 1 Satz 3, 4:

Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung, vor der Würde des Menschen und vor der Gleichberechtigung von Männern und Frauen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne und Verantwortungsbewusstsein für Natur, Umwelt, Artenschutz und Artenvielfalt. Die Schülerinnen und Schüler sind im Geist der Demokratie, in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinn der Völkerversöhnung zu erziehen.

Wer hat die Macht, den Atheismus zu verdammen? Wer definiert, was wahr, gut und schön ist? Und: wer liebt das deutsche Volk – wer bestimmt, wer dazu gehört? Was hier angesprochen wird, ist die sogenannte

Leitkultur“, gemeint ist die Kultur des sogenannten „christlichen Abendlandes“. Diese beruht ursprünglich auf der Vorstellung, dass ein Gottvater Herrscher über die Welt ist und letztlich den Rahmen für alle Gesetze vorgibt. Er ist auch der höchste Richter.

Da dieses Konzept in die Lebensrealität einer menschlichen Gesellschaft umgesetzt werden musste, entstand im Mittelalter die Vorstellung, dass die weltlichen Herrscher ihre Macht von Gott erhalten, so dass es christliche Pflicht war, den Geboten der Obrigkeit Folge zu leisten.12  Soweit diese weltlichen Machtpositionen durch Vererbung oder Stellvertretung an Frauen gehen konnten, konnten auch Frauen Herrscherinnen werden. In der Regel wurde diese Möglichkeit jedoch durch erbrechtliche Regelungen, die sich Adelsfamilien gaben, ausgeschlossen.13  In wählbaren Machtpositionen waren Frauen grundsätzlich nicht vertreten, zum Beispiel in Stadtregierungen der Frühen Neuzeit. Der Kampf um das Frauenwahlrecht war daher Anfang des 20. Jahrhunderts das zentralste Anliegen der „alten“ Frauenbewegung. Im Bereich der Familie wurde die Macht dem Familienvater zugeordnet, der diese weiterdelegieren konnte an die Ehefrau. Der Familienvater sollte im eigenen Haus den Gottvater vertreten, dessen Gebote er gegenüber der Ehefrau, seinen Kindern, Knechten und Mägden durchzusetzen hatte.14

„Ich möchte aber, dass ihr ernst nehmt, dass das Haupt jedes Mannes der Messias ist; der Mann aber das Haupt der Frau, das Haupt Christi ist Gott“15  

c) Gewalt

Macht dient den Interessen derer, die sie ausüben. Sie ist daher immer gefährdet – sei es durch Konkurrenten oder durch die Menschen, die der Macht unterworfen sind. Wer Macht ausübt, muss die Möglichkeit haben, notfalls seine Macht durch Gewalt zu sichern. Die Machtsicherung durch Gewalt ist dann systemisch, wenn sie gesellschaftlich als „normal“ toleriert oder zumindest nicht ernsthaft sanktioniert und verhindert wird.

Im Zuge frühneuzeitlicher Staatsbildung entstand der Anspruch der Staatsgewalt auf das Gewaltmonopol mit dem Ziel, im Falle von Konflikten private Gewalt auszuschließen.16 Allerdings wurde der innere Kreis des Haushalts davon partiell ausgenommen, indem die Erlaubnis und, im Falle von Regelübertretungen, die Pflicht zur Gewaltausübung, das sogenannte Züchtigungsrecht, beim Hausherrn verblieb.17 War der Ehemann „unangemessen“ gewalttätig, wurden Frauen von Seiten der Kirchen dazu angehalten, dieses „Kreuz“, das Gott ihnen mit der Eheschließung auferlegt habe, geduldig zu tragen.18

II Die Bedeutung der Bipolarität der Geschlechterordnung

Die beschriebene hierarchische Struktur im Geschlechterverhältnis setzt voraus, dass Männer und Frauen klar unterschieden werden. Theoretische Konzepte über Männlichkeit und Weiblichkeit bezogen sich im Mittelalter einerseits auf die Bibel, andererseits auf naturphilosophische und medizinische Schriften der griechisch-römischen Antike.19

So gab es die Vorstellung, dass Körper mehr oder weniger heiß bzw. kalt sein können. Aristoteles (4. Jh. vor u.Z.) hatte dieses Konzept um eine hierarchische Bewertung ergänzt, wonach Hitze besser als Kälte, Trockenheit besser als Feuchtigkeit sei. Wenig erstaunlich, dass er Männer für wärmer und trockener hielt als Frauen. Der mittelalterliche Kirchenlehrer Thomas von Aquin (1225–1274) berief sich auf Aristoteles, indem er feststellte: „Der Philosoph sagt: ‚Das Weib ist ein verfehlter Mann‘.“20

Anatomisch fand das Konzept seine Entsprechung in der Vorstellung, dass männliche und weibliche Körper die gleichen Organe besitzen, wobei diese bei Frauen innen liegend, also passiv empfangend, bei Männern nach außen gestülpt, also aktiv zeugend seien. Für die Beschreibung von Geschlechts­unterschieden gab es eine Vielzahl weiterer Konzepte, die sich zum Teil widersprachen, aber eine Gemeinsamkeit hatten:

„Die weibliche Konstitution erhielt in nahezu allen betrachteten antiken naturphilosophischen Schriften die Zuweisung zur subordinierten Merkmalsbeschreibung.“ 21

Theologen, die die antiken Schriften rezipierten, konnten die dort beschriebenen Unterschiede zwischen Männern und Frauen ohne weiteres mit der in der Bibel überlieferten Schöpfungsgeschichte in Übereinstimmung bringen:

„Da schuf Gott Adam, die Menschen, als göttliches Bild, als Bild Gottes wurde sie geschaffen, männlich und weiblich hat er, hat sie, hat Gott sie geschaffen.“22

Auf diesen zu Beginn der Bibel dargestellten „Schöpfungsplan“ Gottes beziehen sich heute wieder verstärkt fundamentalistische Christinnen und Christen, wenn sie die mögliche Existenz weiterer Geschlechter – und damit zugleich die Auflösung der tradierten Geschlechtsrollen – ausschließen wollen.23

Die relativ trockene Hitze des männlichen Körpers wurde während des Mittelalters mit körperlicher Stärke und Wehrhaftigkeit in Verbindung gebracht, die relativ kalte Feuchtigkeit des weiblichen Körpers mit Weichheit und Schwäche. Diese Körperbilder wurden verstärkt durch soziale Rollenzuweisungen. So sollten Frauen nicht in körperliche/kriegerische Kämpfe involviert werden und demnach auch keine Waffen tragen, während Männer stark und wehrhaft sein sollten.24

Auch Juden, die keine an Landbesitz geknüpften Herrschaftsämter über Christen einnehmen durften und insofern weder Krieg führen noch Körperstrafen vollstrecken durften, war es verboten, Waffen zu tragen. In der von Christen weitgehend abgesondert lebenden jüdischen Gemeinschaft entstand im Mittel- alter das Ideal des Talmudgelehrten, dessen Frau mit Handelsgeschäften für den Lebensunterhalt sorgt.25  Diesem körperlich als schwach wahrgenommenen jüdischen Mann wurden die Kälte und Feuchtigkeit zugeschrieben, wie sie allgemein für Frauen angenommen wurde.26

Die Betonung der Bedeutung der Zweigeschlechtlichkeit steht in der Bibel insbesondere im Kontext der Reproduktion. Das wurde so verstanden, dass Sexualität ausschließlich der Erzeugung von Kindern dienen sollte. Die Verweigerung der Zeugung durch Männer konnte auch als Gefährdung des Fortbestandes des eigenen Volkes wahrgenommen werden. Wenn dies noch dazu mit einer „Verweiblichung“ des Sexualpartners einherging, galt dies als besonders schrecklich: „Du sollst nicht bei einem Mann liegen wie bei einer Frau; es ist ein Gräuel“,27 steht in der Bibel. Weil unter Gelehrten streitig war, ob Frauen überhaupt ein sexuelles Bedürfnis haben, und weil sie, wenn sie lesbisch sind, trotzdem geschwängert werden können, galt weibliche Homosexualität zwar als „Unzucht“, aber weniger als Bedrohung.28

III Ständegesellschaft als Strukturprinzip

a) Der Ständestaat

Die mittelalterliche Gesellschaft war streng hierarchisch organisiert. Herrschaft, sei sie kirchlich oder weltlich begründet, stützte sich im Wesentlichen auf Landbesitz. Die Macht über die Untertanen wurde über rituelle Treueeide oder durch gewaltsame Unterwerfung gesichert. Ortsfremde, die herumzogen und verschiedene Dienste anboten oder bettelten, konnten jederzeit vertrieben werden. Zu letzteren gehörten seit dem 16. Jh. Sinti und Roma.29 Juden wurden, auch wenn sie einen festen Wohnsitz hatten, nicht in die örtliche soziale Struktur eingebunden, weil sie nicht zur christlichen Gemeinde gehörten.30  Die Lebensbedingungen von Frauen waren in erster Linie durch die Zugehörigkeit zu ihrer sozialen Schicht geprägt, zugleich aber auch durch jeweils spezifische Rollenzuweisungen. In jedem Fall hatten sie weniger Rechte als Männer des gleichen Standes.31

In einer Zeit, als schnell wachsende Städte Händlern und Handwerkern persönliche Freiheit versprachen, als Seefahrer neue Horizonte öffneten und die Erfindung des Buchdrucks die Verbreitung kritischer Gedanken – auch in der Volkssprache – ermöglichte, konnte die Herrschaft nicht mehr vorrangig mit Gewaltandrohung gesichert werden. So entstand im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts ein neues Staatsverständnis, das geprägt war durch eine wachsende Verwaltung und eine Vielzahl neuer Rechtsvorschriften, mit denen Rechte und Pflichten definiert und Konflikte gelöst werden sollten.32

Bedeutsam für die Sicherung einer „guten Ordnung“, wie es damals genannt wurde, war auch die durch Martin Luther ausgelöste Reformation. In- dem er die Bibel ins Deutsche übersetzte und die Sonntagspredigt und die religiöse Unterrichtung der Kinder verpflichtend machte, wurde sichergestellt, dass jeder Mann, jede Frau und jedes Kind erfuhr, was aus Sicht ihrer jeweiligen Obrigkeit als Gottes Wille zu verstehen sei. Von zentraler Bedeutung war die Lehre, dass Gott alle Menschen durch ihre Abstammung einem bestimmten sozialen Stand zugeordnet habe und dieser Stand klaglos zu akzeptieren sei. Dies wurde u.a. aus einem Brief des Apostels Paulus hergeleitet:

„Ihr Sklaven, seid gehorsam in allen Dingen euren irdischen Herren; dient nicht allein vor ihren Augen, um den Menschen zu gefallen, sondern in Einfalt des Herzens und in der Furcht des Herrn.“33

Um diese Lehre für die Kirchgänger aus unteren Ständen verständlich zu machen, übersetzte Luther dies in der von ihm verfassten „Haustafel etlicher Sprüche für allerlei christliche Stände“:

„Den Knechten, Mägden, Tagelöhnern und Arbeitern: Ihr Knechte, seid gehorsam euren leiblichen Herren, mit Furcht und Zittern, in Einfältigkeit eures Herzens, als Christo selbst, nicht mit Dienst allein, sondern als die Knechte Christi, daß ihr solchen Willen Gottes tut von Herzen mit gutem Willen. Laßt euch dünken, daß ihr dem Herrn und nicht den Menschen dienet; und wisset, was ein jeglicher Gutes tut, das wird er empfahen, er sei Knecht oder frei.“34

Und den Ehefrauen schärfte er ein:

„Die Weiber seien untertan ihren Männern, als dem Herrn; wie Sara Abraham gehorsam war und hieß ihn Herr, welcher Töchter ihr worden seid, so ihr wohl tut und nicht so schüchtern seid.“35

Seit dem 16. Jh. entstand eine neue Schicht akademisch gebildeter Ratgeber der jeweils Herrschenden und eine wachsende Zahl öffentlicher Ämter. Von diesen höher qualifizierten Ämtern waren Frauen von vornherein ausgeschlossen, weil man sich an das Wort des Apostels Paulus hielt:

„Wie in allen Gemeinden der Heiligen sollen die Frauen schweigen in den Gemeindeversammlungen; denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. Wollen sie aber etwas lernen, so sollen sie daheim ihre Männer fragen. Es steht einer Frau schlecht an, in der Gemeindeversammlung zu reden.“36

Daraus folgte auch der Ausschluss von Frauen aus den höheren Schulen und Universitäten, die ja auf öffentliche Ämter vorbereiten sollten.37

Für Männer war die Übernahme eines öffentlichen Amtes oder eines ständisch organisierten Handwerksbetriebs in erster Linie abhängig von einem entsprechenden „Stand“, Erbe bzw. Vermögen. Von Ämtern ausgeschlossen waren Männer, die einer aus Sicht des Herrschers „falschen“ Religion bzw. Konfession angehörten oder die wegen ihrer familiären Herkunft oder Tätigkeit als nicht „ehrbar“ galten. Letzteres waren zum Beispiel Männer, deren Mutter bei der Geburt nicht verheiratet war.

Wenig Rechte hatten auch Bauern. Sie waren oft einem adligen Großgrundbesitzer nicht nur abgaben-, sondern auch ohne Lohn dienstpflichtig (Frondienste). In vielen Regionen waren Bauern bis ins 18., in Preußen bis ins 19. Jahrhundert Leibeigene der landbesitzenden Adligen. Sie durften das Land nicht verlassen und unterlagen der Gerichtsbarkeit des Landeigentümers.

Juden waren schon deshalb von bürgerlichen Ämtern ausgeschlossen, weil sie keine Christen waren. In vereinzelten Städten und Dörfern, in denen sie Grundstücke erwerben durften, konnten sie eigene Verwaltungsstrukturen aufbauen. Einige Juden erwarben mit Handelsgeschäften und Geldverleih große Vermögen, hohes Ansehen genossen auch jüdische Ärzte. Viele Jüdinnen und Juden waren aber darauf angewiesen, sich als wandernde Händler*innen durchzuschlagen.38

Sinti und Roma wurden als Fremde wahrgenommen und hatten schon deshalb keine Bürgerrechte. Sie waren darauf angewiesen, ein Wandergewerbe auszuüben oder zu betteln. Im Verlauf des 30-jährigen Krieges verdingten viele sich als Söldner. Danach wurden sie, wie andere entlassene Söldner auch, von den Obrigkeiten zur Gruppe der brotlosen Vagabunden gerechnet, die von Raub und Diebstahl lebten.39

b) Neue Erkenntnisse und Fragen – „die Frauenfrage“

War die Wissenschaft im Mittelalter geprägt durch die Theologie als Leitwissenschaft (Scholastik), so entstand ab dem Ende des 15. Jahrhunderts die Chance und Notwendigkeit, neue Antworten auf neue Fragen zu finden, ausgelöst unter anderem durch neue Erfahrungen der ersten Weltreisenden. Auf der Suche nach logischen und beweisbaren Theorien wurden zunehmend Naturbeobachtungen angestellt, die alte Glaubenssätze in Frage stellten. Das neue Wissen konnte sich erstmals – dank der Erfindung des Buchdrucks – schnell und weit verbreiten. Diese Umwälzungen hatten zur Folge, dass nun zunehmend auch Gesetze und alte Sitten hinterfragt wurden.

So entstand unter anderem „die Frauenfrage“/ die „Querelles des Femmes“.40  Diskutiert wurde u.a., ob es einen vernünftigen Grund für den Ausschluss der Frauen von der Bildung geben könne. In diesem Zusammenhang wurde auch diskutiert, ob die Unterordnung der Frau unter den Mann zwar nicht unbedingt göttlicher Wille, aber doch eine vernünftige Vorschrift sei. Als herrschende Meinung setzte sich durch, dass Frauen von Natur aus weniger als Männer fähig seien, Bildung und damit den Zugang zu Berufen zu erwerben, die eine „höhere“ Bildung voraussetzen. Als dieses Argument immer weniger zog, wurde das Argument stark gemacht, dass die Unterordnung der Frauen unter den Willen von Männern die einzig natürliche und vernünftige Gesellschaftsordnung darstelle, weil sich dadurch Stärke und Schwäche – Kampfeskraft und Häuslichkeit ideal ergänzen könnten.41

Auch in Bezug auf Standesunterschiede wurde jetzt diskutiert, ob diese mit ihren jeweils unterschiedlichen Rechten und Möglichkeiten lediglich auf gesetzlichen oder gewohnheitsmäßigen Festlegungen beruhen oder ob ihnen unveränderliche Unterschiede der Menschen zugrunde liegen. Die höheren Stände, die allein an diesen Diskussionen beteiligt waren, hatten kein Interesse daran, Bevölkerungsgruppen, die bisher von Bildung und Rechten ausgeschlossen waren, neue Rechte und Möglichkeiten einzuräumen. Gesucht wurde nach passenden Begründungen, die jetzt nicht mehr aus der Bibel, sondern aus der Vernunft oder Natur abgeleitet werden sollten.

So wurde zum Beispiel ab dem 15. Jahrhundert in Spanien die Entrechtung von Juden, die sich hatten taufen lassen und die dadurch den Zugang zu Ämtern erreicht hatten (Marranen/Conversos), erstmals mit ihrer Natur, ihrer blutsmäßigen Abstammung, begründet. Auf ihren Stammbaum, ihre „Rasse“ – einem Begriff aus der Pferdezucht – bezogen sich positiv Angehörige des europäische Adels, um sich über die „niederen Rassen“ des einfachen Volkes zu erheben.42

IV Menschenrechte – Herrenrechte

a) Naturwissenschaften und Vernunft als Erklärungsmuster

Angehörige des Bürgertums und des Adels lasen mit Faszination Berichte von Abenteurern, Missionaren und Forschern über ferne Reiche und sie bestaunten und sammelten die Mitbringsel der Reisenden: Pflanzen, Tiere und auch Menschen, wie man sie noch nie gesehen hatte. Das animierte im 18. Jahrhundert Naturforscher, die unüberschaubare Vielfalt der Erscheinungen zu ordnen, alles in Familien oder Klassen zu unterteilen und zu überlegen, welche Entstehungsbedingungen der Vielfalt zugrunde liegen.

Die Wahrnehmung von Unterschieden war von den ersten Seefahrern und Kolonisten noch nicht unbedingt mit Wertungen versehen worden. Das änderte sich, als für die zunehmenden Herrschaftsansprüche der Europäer über die in den Kolonien lebenden Völker eine naturwissenschaftliche Legitimation gesucht wurde. Dominant wurde die Vorstellung von der „höheren Zivilisation“ der Europäer, die eine Stufenleiter beinhaltete: von den „Schwarzen“, die als die am wenigsten entwickelten Menschen galten, über die „Weiße“ Frau, die in einem weniger entwickelten, kindlichen Zustand verharrt, zum voll entwickelten „Weißen“ Mann. Belege dafür wurden zunächst in Unterschieden des Knochenbaus gesucht und gefunden.43

Mit der Eroberung von Kolonien stellte sich auch die Frage, ob und wie der damit verbundene Sklavenhandel legitimiert werden könne. Eine „schwarze“ Hautfarbe wurde in Europa mit der Arbeit und dem ungeschützten Leben unter der Sonne verbunden, also einem Leben in Armut, das die Betroffenen als minderwertig erscheinen ließ. Die dunkle Haut der Menschen in Afrika schien sie demnach als Landarbeiter, und, weil sie keine Christen waren, als mögliche Sklaven auszuweisen. In der damals in Europa allen Akademikern bekannten Schrift des Aristoteles zur Politik hieß es:

„Also gibt es von Natur mehrere Arten von Regierenden und Regierten, (…) Denn dem Sklaven fehlt überhaupt die Kraft zur Überlegung (bouleutikón), das Weib be- sitzt sie, aber ohne Entschiedenheit, das Kind gleichfalls, aber noch nicht zur Vollendung entwickelt.“44

Auch in der Bibel wird die Existenz der Sklaverei als selbstverständlich vorausgesetzt. Allerdings konnte aus der Bibel auch abgeleitet werden, dass Christen nicht als Sklaven gehalten werden dürfen.45  So konnte der Sklavenhandel – jedenfalls mit Menschen, die keine Christen waren – ungehindert betrieben werden, fraglich war lediglich, ob durch die Taufe ein (moralisches) Recht auf Freilassung erworben wurde. Vernunftgründe sprachen, jedenfalls zunächst, angesichts der damit erzielbaren enormen Gewinne, nicht gegen die Sklaverei.46

b) Französische Revolution und Erklärung der Menschenrechte

Durch die Erfindung von Maschinen und den Bau von Fabriken verlor das ständisch organisierte Handwerk, aber auch der Adel, der seine Macht aus Landbesitz ableitete, zunehmend an Bedeutung. Es entstand die Klasse der freien Lohnarbeitenden einerseits, die Klasse besitzender Bürger andererseits, die beide nicht in das alte Ständesystem passten. Also brauchte man auch allgemein für die Organisation der Gesellschaft eine neue Theorie, die nicht auf theologisch begründeten Glaubenssätzen, sondern auf vernünftigen Überlegungen beruhen sollte. Es entstand die Idee, dass im Prinzip von Natur aus alle Menschen gleiche Rechte haben.47  Auf diesem Hintergrund wurde in Frankreich im August 1789 in der revolutionären Nationalversammlung die „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ verabschiedet:

„Art. I. Die Menschen sind und bleiben von Geburt frei und gleich an Rechten. Soziale Unterschiede dürfen nur im gemeinen Nutzen begründet sein.“48

So vielversprechend diese Deklaration klingt, so wenig wurde ihr Versprechen gehalten. Vielmehr entstanden massivste Diskriminierungen gerade in der Zeit nach Verkündung der allgemeinen Menschenrechte. Die Problematik der Ungleichheit verbarg sich einerseits in der nur scheinbaren Geschlechtsneutralität der Worte hommes/men/Mensch und andererseits in der Formulierung „Die sozialen Unterschiede dürfen nur im allgemeinen Nutzen begründet sein“.

Zwar wurde 1791 in der Präambel der Verfassung der Französischen Republik proklamiert:

„Für keinen Teil der Nation, für kein Individuum gibt es mehr irgendein Privileg oder eine Ausnahme vom gemeinsamen Recht aller Franzosen.“49

Um allerdings „aktiver Bürger“ sein zu können, um also zum Beispiel ein Wahlrecht zu haben, musste man in erster Linie Franzose sein – wobei Kinder die Staatsbürgerschaft nur vom Vater erhalten konnten. Darüber hinaus musste man dazu in der Lage sein, „eine direkte Steuer zu zahlen, die wenigstens dem Wert von drei Arbeitstagen gleichkommt“, wobei diese Möglichkeit nur unabhängig Beschäftigten eröffnet wurde. Wer „dem Bedientenstand“ angehörte und also „Lohndiener“ war, war vom Wahlrecht ebenso aus- geschlossen wie Personen, die nicht „in die Liste der Nationalgarde eingeschrieben“ werden konnten – also z.B. Männer mit Behinderungen, die sie wehruntauglich machten, und alle Frauen.50  Juden, die diese Voraussetzungen erfüllten, waren dort, wo französisches Recht galt, hinfort nicht mehr vom Bürgerrecht ausgeschlossen. Die Sklaverei hingegen wurde nicht in Frage gestellt.

Welche Überlegungen diesem Ausschluss armer und abhängig beschäftigter Männer sowie aller Frauen von den Bürgerrechten zugrunde lagen, erklärte Immanuel Kant 1797 in seiner Rechtslehre:

„Nur die Fähigkeit der Stimmgebung macht die Qualifikation zum Staatsbürger aus; jene aber setzt die Selbständigkeit dessen im Volk voraus, der nicht bloß Teil des gemeinen Wesens, sondern auch Glied desselben, d.i. aus eigener Willkür in Gemeinschaft mit anderen handelnder Teil desselben, sein will. Die letztere Qualität macht aber die Unterscheidung des aktiven vom passiven Staatsbürger notwendig (…): Der Geselle bei einem Kaufmann oder bei einem Handwerker; der Dienstbote (nicht der im Dienste des Staats steht); der Unmündige (naturaliter vel civiliter); alles Frauenzimmer und überhaupt jeder- mann, der nicht nach eigenem Betrieb, sondern nach der Verfügung Anderer (außer der des Staats) genötigt ist, seine Existenz (Nahrung und Schutz) zu erhalten, entbehrt der bürgerlichen Persönlichkeit, und seine Existenz ist gleichsam nur Inhärenz.“51

Die Französische Revolution war wesentlich von Frauen mit initiiert und durchgefochten worden.52 Sie gründeten Vereinigungen und als 1793 einige den Jakobinerhut aufsetzten, um zu demonstrieren, dass auch sie die Republik mit Waffen verteidigen wollten, entschloss sich der Rat der Pariser Kommune am 30.10.1793, alle Vereinigungen von Frauen zu verbieten. Der Abgeordnete Amar begründete den Beschluss:

„1. Dürfen Frauen politische Rechte ausüben und sich in Regierungsangelegenheiten einmischen? […] 2. Dürfen sich die Frauen in politischen Vereinigungen versammeln? […] Können sich Frauen diesen nützlichen und mühseligen Aufgaben hingeben? Nein, weil sie dann dazu gezwungen wären, wichtigere Aufgaben, zu denen die Natur sie ruft, dem zu opfern. […] Dürfen sie aber, die doch dazu bestimmt sind, die Sitten des Menschen zu mäßigen, aktiv an Diskussionen teilhaben, deren Hitzigkeit unvereinbar mit der Sanftmut und Bescheidenheit ist, die den Charme ihres Geschlechts ausmachen? Wir müssen sagen: […] ohne Sitten keine Republik. […].“53

Hier tritt die „Natur“ an die Stelle der biblischen Ermahnungen des Apostels Paulus: Die Gefahr droht, dass Frauen in der Gemeindeversammlung sprechen und dadurch die „gute Ordnung“ zugrunde geht, die Republik scheitert. Der Abgeordnete Amar bezog sich mit dieser Rede auf Ausführungen des Philosophen Jean Jaques Rousseau, der als Begründer der Pädagogik gilt. Der hatte 1762 in seinem Erziehungsroman Emile gewarnt: [Würden Frauen ihre Leidenschaft nicht zügeln wegen der] „Zurückhaltung und Scham, mit denen die Natur das schwache Geschlecht ausrüstete, […] so würden die Männer, von den Frauen tyrannisiert, schließlich zu deren Opfern und alle wehrlos dem Tod entgegengetrieben.“54

c) Zuweisung „natürlicher“ Geschlechtsrollen

Wie die Unterordnung der Frau im Eherecht auszugestalten sei, formulierte Fichte 1797 in seiner Ehelehre:

„Ihre eigene Würde beruht darauf, dass sie ganz, sowie sie lebt und ist, ihres Mannes sey, und sich ohne Vorbehalt an ihn und in ihm verloren habe. Das Geringste, was daraus folgt, ist, dass sie ihm ihr Vermögen und alle ihre Rechte abtrete, und mit ihm ziehe. […] Sie hat aufgehört, das Leben eines Individuums zu führen; ihr Leben ist ein Theil seines Lebens geworden.55

Auf diesem rechtsphilosophischen Hintergrund wurden durch Herrscher, die sich der Aufklärung, das heißt der Verweltlichung des Rechts verpflichtet fühlten, Gesetze in Auftrag gegeben, die alle Rechtsverhältnisse neu regeln sollten. So entstand 1791 das „Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR)“, wo es heißt:

„Die Rechte beider Geschlechter sind einander gleich, soweit nicht durch besondere Gesetze, oder rechtsgültige Willenserklärungen, Ausnahmen bestimmt sind.“56

Es liegt auf der Hand, dass durch Ausnahmen die Ehefrauen fast aller Rechte beraubt wurden, so wie Fichte sich das gedacht hatte.

V Das 19. Jahrhundert – Reichsgründung

Das 19. Jh. war geprägt durch die Erfindung im- mer neuer Technologien, die zur schnell wachsenden Industrialisierung führten, durch die Entwicklung und Etablierung von Naturwissenschaften, die die Bedeutung der Theologie in den Schatten stellten, und durch die Expansion des Kolonialismus. Verbunden damit waren Neuformierungen politischer Systeme und neue soziale Verwerfungen mit den daraus resultierenden politischen Bewegungen. Am Ende des Jahrhunderts standen den Emanzipationsbewegungen, die das Ende rechtlicher Diskriminierungen einforderten, Reaktionäre gegenüber, die die aus der Ständegesellschaft überlieferten Rangordnungen aufrechterhalten und mit neuen Begründungen verschärfen wollten.

Um ökonomisch und militärisch mit den großen europäischen Nationen mithalten zu können, erstrebten viele Bürger*innen in den zahllosen deutschen Kleinstaaten die Gründung eines Nationalstaats, der sich mit Frankreich oder England würde messen können. Dies gelang mit der Reichsgründung 1871. Damit war die Voraussetzung geschaffen, dass auch das Deutsche Reich Kolonien unter seine Kontrolle bringen konnte.57 Zugleich wuchs das Interesse an Theorien, mit denen die Unterwerfung der kolonisierten Bevölkerungen begründet werden konnte. Dazu diente die seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts durch „philosophisch inspirierte Ärzte“58 entwickelte Anthropologie, die gekennzeichnet ist durch

„Die Öffnung gegenüber den ,Anderen‘ und die Verwissenschaftlichung der Differenz.“59  Dieser Forschungsansatz wurde, wie Claudia Honegger herausgearbeitet hat, nicht nur bei der Begründung rassistischer Konzepte wirksam, sondern diente auch der hierarchisierenden Diskriminierung von Frauen, Juden und anderen Gruppen, die mit ihrer Lebensweise, wegen Krankheit oder großer Armut den gesellschaftlichen Normanforderungen nicht entsprachen.

„Denn der Analogismus, die eminente Bedeutung des empirischen Tatsachenblicks, der Primat vergleichender Betrachtung und die Metapher der Organisation erfassen eben nicht nur die Wilden und die Mohren, die Kranken und die Irren, sondern auch die Frauen.“60

a) Rassismus

Der Sklavenhandel war in den westeuropäischen Kolonialstaaten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verboten worden. Also brauchte es für die Unterwerfung der Völker in den Kolonialstaaten und ihre ökonomische Ausbeutung eine neue Legitimation. Diese wurde in biologischen und zivilisatorischen Unterschieden der von Anthropologen beschriebenen „Rassen“ gesucht und gefunden.61

Neben der Vermessung von Knochen, die zunächst zur Begründung von Rassenunterschieden eine Rolle gespielt hatte, spielte die Phrenologie eine große Rolle: die Erforschung der Gehirne und ihrer Wirkungen auf den Körper und Charakter. Deren neue Erkenntnisse bestätigten die älteren Schluss­folgerungen aus dem Vergleich der Skelette. Die den Männern zugeschriebene „höhere Intelligenz“ wurde jetzt nicht mehr am Schädel, sondern an einem größeren Umfang des vorderen Gehirns abgelesen. Die im hinteren Gehirn verortete „Irritabilität“, also der eher gefühlsbetonte Zugang zur Welt, der u.a. eine Voraussetzung für die Kinderliebe sei, schien bei Frauen stärker ausgeprägt zu sein – und auch bei Schwarzen Männern, die mit Weißen Kindern verglichen wurden.62  Dazu passte deren scheinbar gering entwickelte Zivilisation, d.h. europäische Bürgerlichkeit. Letztere sollte den Unterworfenen nahegebracht bzw. aufgezwungen werden. Gemeint war damit das europäische System staatlicher Herrschaft, der patriarchalen Familie und des Privateigentums und nicht zuletzt die moderne Naturwissenschaft. Damit korrespondierte die Überzeugung der Kirchen, sie müssten die Angehörigen dieser Völker wie Kinder zum wahren Glauben führen, was die aus der Bibel abgeleiteten Geschlechtsrollen beinhaltete.63

Die von Darwin im Jahr 1859 publizierten Forschungen über die Evolution der Gattungen in der Tier- und Pflanzenwelt, die einen Sieg der stärkeren über die schwächeren Arten nahelegte, stärkte die Überzeugung von der Überlegenheit der „Weißen“ wie auch der Männer. Die von Mendel ein Jahr später beschriebene Vererbungslehre untermauerte vor diesem Hintergrund die Vorstellung, dass die Erzeugung von Kindern mit „niederen Rassen“ einen zivilisatorischen Rückschritt für die „Weiße Rasse“ zur Folge hätte.64 Auf den Weißen Frauen in den Kolonien lastete daher der Druck, Weiße Kinder erzeugen zu müssen. Auch sollten sie durch ihr vorbildliches Verhalten – keusch, sanftmütig, gehorsam und dabei fleißig, ordentlich, sauber – zur „Zivilisierung“ der unterworfenen Völker beitragen.65

b) Klassismus, Antiziganismus, Abelismus – die Abwertung der Schwachen

Im Laufe des 19. Jhs. wurden neben rassistischen Theorien im engeren Sinne sozialbiologische Theorien entwickelt, die dem Wunsch entsprangen, dem, was man als gesellschaftliche Verfallserscheinung interpretierte, Einhalt zu gebieten:

„Über die eindeutigen körperlichen und psychischen Krankheiten hinaus konnte infolgedessen auch eine Vielzahl von Varianten abweichenden Sozialverhaltens unter die Kategorie der degenerativen Erscheinungen subsumiert werden, darunter, um nur die wichtigsten zu nennen, Kriminalität, Prostitution und Alkoholismus.“66

Die Gründerjahre des Frühkapitalismus hatten ab der ersten Hälfte des 19. Jhs. eine extreme Verarmung weiter Teile der Bevölkerung zur Folge. Dagegen richtete sich die Arbeiterbewegung mit ihrem Kampf gegen die neuen Ausbeutungsverhältnisse. Nicht eingeschlossen waren Menschen, die sich nicht in den herrschenden kapitalistischen Produktionsprozess eingliedern ließen und als „Lumpenproletariat“ bezeichnet wurden.67 Karl Marx zählte 1852 dazu:

„neben verkommenen und abenteuernden Ablegern der Bourgeoisie, Vagabunden, entlassene Soldaten, entlassene Zuchthaussträflinge, entlaufene Galeerensklaven, Gauner, Gaukler, Lazzaroni [Tagediebe], Taschendiebe, Taschenspieler, Spieler, Maquereaus [Zuhälter], Bordellhalter, Lastträger, Literaten, Orgeldreher, Lumpensammler, Scherenschleifer, Kesselflicker, Bettler, kurz, die ganze unbestimmte, aufgelöste, hin- und hergeworfene Masse, die die Franzosen ‚la bohème‘ nennen.“68

Der gesellschaftliche Umgang mit Armut war seit der Reformationszeit im 16. Jh. geprägt durch die Unterscheidung in „ehrbare“ und „nicht ehrbare Arme“. Für die „ehrbaren Armen“, deren Armut als unverschuldet galt, sollte die Armenhilfe der Heimat- gemeinde eintreten. Alle anderen, insbesondere die Ortsfremden, die keinem Wandergewerbe nachgingen, wurden systematisch vertrieben. Zu Beginn des

19. Jahrhunderts ging man dazu über, sie zu fangen und in Arbeitshäusern zur Zwangsarbeit zu verpflichten.69 Frauen und Männer der Sinti und Roma, die mit ihren Familien zum Beispiel als „Scherenschleifer, Kesselflicker“ von Ort zu Ort zogen, wurden zum Teil zwangsangesiedelt. Sie wurden – ähnlich wie Prostituierte – polizeilich beobachtet und seit Beginn des 20. Jahrhunderts auch polizeilich registriert.70

Die biologische Rassenforschung und Mendels Erkenntnisse der Abstammungslehre brachten Forscher auf die Idee, bei Menschen mit unerwünschten Eigenschaften genetische Ursachen für diese Eigenschaften zu suchen.71 In Europa erregten die Forschungen von Cesare Lombroso Aufmerksamkeit. Nachdem er 1887 „Maasse und Gesichtsausdruck von 3839 Verbrechern“ ausgewertet hatte, meinte er nachweisen zu können, dass es „geborene Verbrecher“ gebe, deren Veranlagung vererblich und schon im Kindes- alter erkennbar sei. Auf dem Hintergrund des von ihm zunächst geschilderten Verhaltens von Tieren und von Menschen der „niederen und prähistorischen Rassen“ kam er zu dem Schluss:

„Der grösste Theil der in dem vorliegenden Werke bezeichneten Eigenschaften des Wilden, sowohl der körperlichen als auch der geistigen, findet sich bei dem Verbrecher wieder.“ 72

Die Menschen, die er untersucht hatte, waren durchweg solche, die als Angehörige der Unterschichten durch ein unerwünschtes Verhalten aufgefallen waren, darunter Prostituierte73  und viele „Faullenzer oder Landstreicher“. Diese Personen konnten und sollten demnach zur Arbeit gezwungen und nötigenfalls eingesperrt werden.74  Das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 sah dementsprechend in § 361 RStG vor, dass wegen einer Übertretung bestraft wird, „wer als Landstreicher umherzieht“, d.h. „mittel- und erwerbszwecklos umherzieht“, desgleichen Prostituierte, die gegen polizeiliche Vorschriften verstoßen, und Empfänger von „öffentlichen Armenmitteln“, die sich weigern eine „angemessene Arbeit zu verrichten“.75  Die Vorschrift wurde erst 1974 aus dem StGB gestrichen.

Die Einteilung der Menschen in mehr oder weniger wertvolle bzw. schädliche Personen konnte leicht weiter entwickelt werden gegen Menschen mit chronischen körperlichen oder psychischen Krankheiten bzw. Behinderungen. Die Lehre, dass viele Eigenschaften und Behinderungen vererbt würden, trug dazu bei, dass Menschen, bei denen derartige unerwünschte Veranlagungen festgestellt wurden, als

„minderwertig“ eingestuft werden konnten. Mitte des 19. Jhs. entstand die „Hygienebewegung“, bei der eine „sozialdarwinistische“ Richtung, die primär sozialpolitische Maßnahmen plante, und eine „rassenhygienische“ Richtung zu unterscheiden ist. Ziel war die „Gesundung des Volkskörpers“.76  So behauptete Alfred Ploetz, einer der Begründer der Eugenik, 1895, dass der „Schutz der Schwachen die Tüchtigkeit unserer Rasse bedroht.“77  Die 1905 in Berlin gegründete „Internationale Gesellschaft für Rassenhygiene“ propagierte eine „rassenreine“ Bevölkerung. Die Geburt von „Mischlingen“ sollte verhindert werden,[Während Männer kaum davon abgehalten werden konnten, ihr „Herrenrecht“ an abhängigen Frauen auszuleben, wurden vor allem Frauen durch diese Verbote diszipliniert: Mamozai, a.a.O. Fn. 63, S. 125 ff.] desgleichen auch die Geburt von Kindern mit „Erbkrankheiten“.[Janssen-Jurreit, Marielouise: Sexualreform und Geburtenrückgang – Über die Zusammenhänge von Bevölkerungspolitik und Frauenbewegung um die Jahrhundertwende, in: Kuhn, Annette: Frauen in der Geschichte I, Düsseldorf 1982, S. 56–81.]

c) Heteronormativität

1867 forderte Karl Heinrich Ulrichs als erster beim Sechsten Deutschen Juristentag die Abschaffung der Strafbarkeit der Homosexualität – mit diesem damals neuen Begriff wurde der religiös geprägte Begriff

„Sodomie“ abgelöst. In der Folge wurde unter Wissenschaftlern diskutiert, ob die gleichgeschlechtliche Liebe ein „Laster“ sei, das durch gesellschaftliche Verhältnisse befördert wird, oder ob sie angeboren und also im Körper verankert sei – und wenn ja, ob sie natürlich und gesund sei oder Krankheitswert habe.78  Der Arzt Magnus Hirschfeld, der als Begründer der Homosexuellenbewegung gilt, vertrat ab dem Ende des 19. Jahrhunderts die Theorie, dass sich die Körper aller Menschen auf Grund diverser Merkmale zwischen „Vollmann“ und „Vollfrau“ als „sexuelle Zwischenstufen“ einordnen lassen.79  Für „normal“ hielt er, wenn die Frau die passive (unten liegende), der Mann die aktive Rolle spielt. Die Homosexualität versuchte er – analog zu den rassistischen Theorien – in körperlichen Befunden zu verorten.80 Aus dieser Diagnose leitete er die Forderung ab, homosexuelle Akte wegen ihres angeborenen Krankheitswertes nicht zu bestrafen. Hirschfeld bezeichnete den männlichen Homosexuellen körperlich und seelisch als effeminierte „Sonderart“.81  Andere lehnten dies ab, weil sich damit „eugenische“ Überlegungen verbanden, die zu Zwangssterilisierungen Anlass gaben.

Lesbische Frauen, die – ohne ihre Sexualität zu thematisieren – offen in gleichgeschlechtlichen Paarbeziehungen lebten, bezeichneten sich zuweilen als „drittes Geschlecht“. Eine offene Thematisierung lesbischer Liebe wurde jedoch durch die Aktivistinnen der Frauenbewegung vermieden.82  Versuche, auch die weibliche Homosexualität zu kriminalisieren, wurden von der Frauenbewegung erfolgreich abgewehrt.

d) Antisemitismus

Mit der Reichsgründung 1871 erhielten jüdische Männer und Frauen – auch wenn sie nicht getauft waren – die vollen Bürgerrechte, allerdings mit den Einschränkungen, die für alle Frauen und für Menschen, die Armenunterstützung bezogen, galten. Dies fiel in die Zeit der großen Umbrüche Ende des 19. Jahrhunderts. Wer den von weiten Teilen der Gesellschaft gefeierten Fortschritt ablehnte, suchte Sicherheit im Wunsch nach einer starken Nation, wobei diese in Deutschland durch ihre gemeinsamen „deutschen Wurzeln“, also ihre „Rasse“, definiert und zusammen- geschweißt werden sollte. Darüber hinaus aber sollte alles verwirrend Neue beseitigt werden: die Infragestellung von Kirche und Adel, die Meinungsfreiheit und die „Verwahrlosung der Sitten“. Bauern und Handwerker fürchteten die Konkurrenz durch Fabriken und den Welthandel, der Adel sah seine Macht schwinden.

„Frauenemanzipation wurde (…) als jüdische Intrige gedeutet, deren Ziel es sei, die Einheit des Volkes von innen her zu zersetzen.“83  Und alle diese Ängste ließen sich bündeln in der Ablehnung „der Juden“.84

1880 wurde von prominenten Akademikern, die sich erstmals „Antisemiten“ nannten, eine Petition an den Reichstag gerichtet, mit der gefordert wurde, Juden ihre 1871 garantierten Bürgerrechte wieder zu entziehen. Die „Antisemiten“ verknüpften den überlieferten, christlich begründeten und oft ökonomisch motivierten Judenhass mit dem biologischen Rassismus, indem „die Juden“ jetzt nicht mehr als Angehörige einer Religionsgemeinschaft verstanden wurden, sondern zu einer „Rasse“ deklariert wurden, die es darauf anlegt, die „nordische Rasse“ zu vernichten.85  Die dazu passende Erzählung war die bis heute international verbreitete Hetzschrift „Die Protokolle der Weisen von Zion“.86

e) Antifeminismus

Als Ende des 18./Anfang des 19. Jhs. Frauen im Kontext des revolutionären Aufbruchs auch für sich die allgemeinen Menschenrechte und staatsbürgerliche Rechte einforderten, reichte eine religiöse oder philosophische Theorie über die „Natur der Frau“ nicht mehr aus, um Frauen glaubhaft davon auszuschließen. Die in dieser Zeit entstehende Wissenschaft vom Menschen, die Anthropologie, versuchte Körper nicht nur zu beschreiben, sondern auch zu deuten: Was immer beim Sezieren von Körpern gefunden wurde, bestärkte die „schon von Albrecht von Haller 1765 vertretene Annahme, daß der weibliche Körper in jedem seiner Elemente vom männlichen Körper verschieden ist.“87  Mit dieser Verschiedenheit wurden sodann die unterschiedlichen Charaktere und daraus folgend unterschiedliche Rechte und Pflichten von Männern und Frauen begründet.

Seit der Mitte des 19. Jhs. beschränkte sich die Anthropologie auf die Beschreibung „des Menschen“, also der männlichen Norm, während die Untersuchung und Beschreibung der „Natur der Frauen“ von dem aufstrebenden Berufsstand der Gynäkologen übernommen wurde. Zu der von ihnen beschriebenen „Natur“ gehörten körperliche wie auch daraus abgeleitete psychische Aspekte.88 Die durch Gynäkologen im 19. Jh. beschriebenen Charakteristika weiblicher Genitalien mit den daraus abgeleiteten Beschreibungen des weiblichen Charakters wurde noch 1957 vom BVerfG herangezogen, um zu begründen, warum männliche Homosexualität sich grundsätzlich von der weiblichen unterscheidet und darum das Verbot ausschließlich männlicher Homosexualität nicht gegen den Gleichheitssatz verstößt:

„Schon die körperliche Bildung der Geschlechtsorgane weist für den Mann auf eine mehr drängende und fordernde, für die Frau auf eine mehr hinnehmende und zur Hingabe bereite Funktion hin.“89

Seit der Mitte des 19. Jhs. entstanden zahlreiche Frauenorganisationen, die mehr oder weniger radikal Rechte einforderten. Frauen aus dem Bürgertum, die an einer Erwerbstätigkeit gehindert wurden, forderten das Recht auf Bildung und Beruf, Arbeiterinnen, die oftmals zur Erwerbsarbeit gezwungen waren, weil die Löhne der Arbeiter so gering waren, dass ein Leben als Hausfrau – für das Frauen ja angeblich geschaffen waren – illusorisch erschien, forderten vor allem eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Mutterschutz.90  Radikalere Frauen kämpften zudem für sexuelle Freiheiten und gegen das Verbot der Abtreibung.91  Auf der anderen Seite gab es die Frauen- verbände, die sich nationalistisch verstanden und u.a. den deutschen Kolonialismus unterstützten.92

Fast alle politisch engagierten Frauen einigten sich ab Mitte der 1890er Jahre darauf, für das Frauenstimmrecht zu kämpfen, um in der Folge weitere Rechte durchsetzen zu können.93 Sie stießen auf den geballten Widerstand fast aller Männer. Hedwig Dohm widmete diesem Widerstand Ende der 1890er Jahre verschiedene Artikel, die sie 1902 unter dem Titel „Antifeministen – Ein Buch der Verteidigung“ veröffentlichte. Damit prägte sie den Begriff „Antifeminist“:

„Die radikalen und erfolgreichen Ansprüche, mit denen die Frauen neuerdings in die Öffentlichkeit treten, haben auch die Gegner mobil gemacht, und umso mobiler, je orthodoxer sie sind. Und diese Orthodoxen, die bis jetzt die Frauenfrage als eine Zeitspielerei ignorierten, rüsten nun zum Kreuzzug gegen die Bewegung, der sie im Voraus die Grabrede halten. (…) Denn klipp und klar erklären sie: Einzig und allein die Fortpflanzungsvorgänge sind der Beruf des Weibes, was doch nichts anderes heißt als: das Weib ist nur ein Werkzeug zur Hervorbringung des eigentlichen Menschen: – des Mannes.“94

VI Schlussfolgerungen

Gemeinsam ist den hier beschriebenen gruppenbezogenen Diskriminierungen, dass sie im Laufe des 19. Jhs. naturwissenschaftlich begründet wurden. Dabei sind zwei Argumentationsmuster zu unterscheiden.95  Zum einen setzte sich der jeweilige Forscher als Weißer Mann zum Maßstab, an dem Menschen gemessen wurden: Der Weiße Mann galt als voll entwickelt, stark, durchsetzungsfähig, rational und intelligent; die Weiße Frau erschien im Vergleich dazu als weniger entwickelt, schwach, nachgiebig, emotional und weniger fähig zu geistigen Leistungen. Verachtet wurden Männer, denen weibliche Eigenschaften zugeschrieben wurden. So galten Schwarze Männer – ähnlich wie Frauen – als weniger entwickelt, als emotional und wenig intelligent. Jüdische Männer galten als schwach, nicht kämpferisch. Homosexuelle Männer galten als verweiblicht – insbesondere, wenn sie beim Sexualverkehr unten liegen bzw. sich penetrieren lassen.

Zum anderen setzte sich der jeweilige Forscher als Bürger zum Maßstab, an dem Menschen gemessen wurden: Als Bürger verstanden sich ursprünglich Männer, die als Selbständige oder im Staatsdienst eine Familie ernähren konnten. Mit zunehmender Industrialisierung wurden auch Lohnabhängige, die einen normalen Arbeitsplatz hatten, zur Norm. Negativ abweichend waren Personen, die einen „Normalarbeitsplatz“ nicht ausfüllen konnten oder wollten. Waren sie nicht in eine bürgerliche Familie eingebunden, gehörten sie zu den verachteten Außenseitern. Sie waren in der Regel äußerst arm und oft auch krank oder körperlich behindert (ohne Zugriff auf Ressourcen). Auch wenn sie Männer waren, wurde ihnen – ähnlich wie Frauen – keine Möglichkeit gesellschaftlicher Einflussnahme (Macht) gewährt.

Birgit Seemann charakterisiert den Staat, der durch diese beiden Ausgrenzungs­mechanismen gekennzeichnet ist, als „Patriarchat“:

„So beruht ,Staat‘ auf einem ,hegemonialen‘ Männichkeitskonzept, das zwar ,Gesellschaft‘ hierarchisch strukturiert, aber keineswegs die dort präsenten ,männlichen‘ Existenzweisen in ihrer Gesamtheit erfaßt. Das herrschende Stereotyp fußt wesentlich auf tradierten ideologischen Vorstellungen ,kriegerisch-männlicher‘ Überlegenheit. Es ,begründet‘ damit eine ,eingeschlechtliche‘ gesellschaftliche Vormachtstellung sowie politischen Führungsanspruch gegenüber dem unterlegenen, mit Schutzbedürftigkeit, Abhängigkeit und Triebhaftigkeit assoziierten ,Weiblichen‘.“96

Es ist kein Zufall, dass rechtsradikale Bewegungen wie auch fundamentalistische Christ*innen ihren Hauptfeind einerseits im Feminismus, dem Erstarken der Frauen und in der Auflösung der bipolaren Geschlechterordnung sehen, andererseits wird als ein Hauptanliegen formuliert, Menschen, die als „arm“ und „anders“ wahrgenommen werden, auszuweisen und auszuschließen. Die Tatsache, dass auch zahlreiche Frauen rechtsradikale und religiösfundamen­talistische Überzeugungen vertreten und in diesen Kontexten zuweilen sogar Führungspositionen übernehmen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch sie traditionelle Geschlechtsrollen zur Norm erheben.[Birsl, Ursula (Hg.): Rechtsextremismus und Gender, Opladen & Farmington Hills, 2011.]

Die Geschichte lehrt, dass mit der Hierarchisierung der Geschlechter andere Hierarchisierungen einhergehen, dass die gesellschaftlichen Zugänge zu Ressourcen und Macht geprägt sind durch das Ideal aggressiver Stärke und die Verachtung von Abhängigkeit und Schwäche, verbunden mit der Geringschätzung der den Frauen zugewiesenen sorgenden Tätigkeiten. Ute Gerhard kommt zu folgendem Schlusswort:

„Das Grundverständnis von der Angewiesenheit, Verletzbarkeit und Sozialität aller Individuen, das der Polarisierung der Geschlechtscharaktere und ihrer gesellschaftlichen Funktionen in einer als natürlich, wesensgemäß behaupteten Geschlechterdifferenz entgegentritt, ist quasi die Grundlinie feministischer Theorie und Gesellschaftskritik, die als praktische Politik in einer Ethik der Angewiesenheit, der Fürsorglichkeit und Aufmerksamkeit mündet.“97

  1. Unter Bezugnahme auf Virginia Woolf: Maihofer, Andrea: Freiheit, Selbstbestimmung, Autonomie: in: Baer, Susanne/Sacksofsky, Ute: Autonomie im Recht – geschlechtertheoretisch vermessen, Baden-Baden 2018, S. 31–60 (59).
  2. Flügge, Sibylla: Entstehungsbedingungen von Frauendiskriminierung im Recht: Methodische Überlegungen zur Rechtsgeschichte, in: Recht Richtung Frauen, hg. vom Verein ProFri – Schweizerisches Feministisches Rechtsinstitut, Lachen 2001, S. 127–158; Flügge, Sibylla: Historische Grundlagen des Diskurses zur Gleichberechtigung der Geschlechter, in: Januszkiewicz, Magdalena u.a. (Hg.): Geschlechterfragen im Recht. Interdisziplinäre Überlegungen, Berlin 2021, S. 13–48.
  3. Vgl. zum „Programm einer integralen Analyse von Achsen strukturierter Ungleichheit und kultureller Differenz“: Klinger, Cornelia/Knapp, Gudrun-Axeli/Sauer, Birgit (Hg.): Achsen der Ungleichheit. Zum Verhältnis von Klasse, Geschlecht und Ethnizität, Frankfurt a.M. 2007, Einleitung von Klinger und Knapp, S. 19–41.
  4. Mangold, Anna Katharina/Payandeh, Mehrdad (Hg.): Handbuch Antidiskriminierungsrecht. Strukturen, Rechtsfiguren und Konzepte, Tübingen 2022.
  5. Baer, Susanne: Das Kategorienproblem und die Herausbildung eines postkategorialen Antidiskriminierungsrechts, in: Mangold, Anna Katharina/Payandeh, Mehrdad (Hg.): Handbuch Antidiskriminierungsrecht. Strukturen, Rechtsfiguren und Konzepte, 2022, S. 223–260, sie sieht als zentrale Faktoren aller zu bekämpfenden Diskriminierungen „Dominanz, Hierarchisierung, Privilegien“ (S. 258).
  6. Grundlegend zur Geschichte und Funktionsweise des Patriarchats: Lerner, Gisela: Die Entstehung des Patriarchats, Frankfurt a.M., New York, 1995, insbes. S. 263 ff.
  7. Zum Folgenden wegweisend: Gerhard, Ute: Gleichheit ohne Angleichung. Frauen im Recht, München 1990.
  8. §§ 1355, 1363 ff. BGB in der seit dem 1.1.1900 unveränderten Fassung. Vgl. zur Vorgeschichte des Familienrechts im BGB: Berneike, Die Frauenfrage ist Rechtsfrage. Die Juristinnen der deutschen Frauenbewegung und das BGB, 1995.
  9. Sullivan, Evelyne: Die emanzipierte Sklavin. Geschichte u. Soziologie d. Frauenarbeit, Böhlau, 1972.
  10. Wolf-Graf, Anke: Frauenarbeit im Abseits. Frauenbewegung und weibliches Arbeitsvermögen, München, 1981, S. 376 ff.
  11. Weyand, Joachim/Behning, Bettina: Arbeitsrecht für Frauen, akt. 2. Aufl. München 1994, S. 64 f.; viele Berufsverbote wurden 1994 durch die Reform der Arbeitszeitordnung aufgehoben.
  12. Stolleis, Michael: „Konfessionalisierung“ oder „Säkularisierung“ bei der Entstehung frühmoderner Staaten, in: Ius Commune XX, Frankfurt a.M. 1993, S. 15 ff.
  13. Wunder, Heide: Herrschaft und öffentliches Handeln von Frauen in der Gesellschaft der Frühen Neuzeit, in Gerhard, Ute (Hg.): Frauen in der Geschichte des Rechts von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, München 1997. S. 27–54 (32 f.).
  14. Gerhard, a.a.O., Fn. 7, S. 22 f.
  15. 1. Brief an die Korinther 11, 2–3, Bibel in gerechter Sprache, Gütersloh 2007; vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 06.05.2024 – 5 UF 133/23, in STREIT 2/2024, S. 73 f. 
  16. Stolleis, a.a.O. Fn. 12, S. 7.
  17. Gerhard, a.a.O., Fn. 7, S. 23; Flügge, Sibylla: Gewalt im Kontext von familiären Abhängigkeiten, in Julia Schröder (Hg.): Gewalt in Pflege, Betreuung und Erziehung. Weinheim 2019, S. 199– 216. Zum Haushalt gehörten die Familienangehörigen wie auch die im Haus lebenden Knechte, Mägde, Lehrlinge.
  18. Flügge, Sibylla: Vom Züchtigungsrecht zum Gewaltschutzgesetz, in: Opfermann, Susanne (Hg.): Unrechtserfahrungen. Geschlechtergerechtigkeit in Gesellschaft, Recht und Literatur, Königstein/Ts. 2007, S. 111–136.
  19. Zum Folgenden grundlegend: Voß, Heinz-Jürgen: Making Sex Revisited. Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Perspektive, Bielefeld 2010, online 2011, insbesondere S. 61 ff., 73 ff.
  20. Thomas von Aquin, Summa Theologica, Bd. 7, Frage 92, zitiert nach: Savramis, Das sogenannte schwache Geschlecht, 1972, S. 77.
  21. Voß, a.a.O., Fn. 19, S. 85. Voß (S. 83 ff.) widerspricht der These, dass die Wissenschaft bis in die Neuzeit von der Existenz nur eines Geschlechts ausgegangen sei, und setzt sich insofern kritisch auseinander mit Laqueur, Thomas: Auf den Leib geschrieben. Die Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis Freud, 1996.
  22. Genesis 1, 27, Bibel in gerechter Sprache, a.a.O., Fn. 10; vgl. auch Genesis (1. Moses), 2, 22 in der Übersetzung der Lutherbibel: „Und Gott der HERR baute eine Frau aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm“, www.bibelserver.com.
  23. Henniger, Annette/Birsl, Ursula (Hg.) Anti-Feminismen. „Krisen“-Diskurse mit gesellschaftspolitischem Potential?, Einleitung, Bielefeld 2020, S. 9–42.
  24. Goetz, Hans-Werner: Frauenbild und weibliche Lebensgestaltung im Fränkischen Reich, in: ders. (Hg.): Weibliche Lebensgestaltung im frühen Mittelalter, Wien 1991, S. 7–43 (39 f.).
  25. Richarz, Monika: In Familie, Handel und Salon. Jüdische Frauen vor und nach der Emanzipation der deutschen Juden, in: Hausen, Karin/Wunder, Heide: Frauengeschichte – Geschlechtergeschichte, Frankfurt a.M., New York 1992, S. 57–66 (60 f.).
  26. Flügge, Sibylla: Hebammen und heilkundige Frauen. Recht und Rechtswirklichkeit im 15. und 16. Jh., Frankfurt a.M., Basel 1998, S. 37; Hartmann, Tina: Dürfen Juden nicht schießen? In: FAZ vom 17.10.2023.
    1. Moses 18, 23, Lutherbibel, a.a.O., Fn. 22; die Bibel in gerechter Sprache, a.a.O., Fn.15, übersetzt „ein Tabu ist dies“. Zum historischen Kontext und zur heutigen Auslegung dieses Verbots: Hieke, Thomas: Homosexualität (AT) – Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Oktober 2021, Dt. Bibelgesellschaft, https://bibelwissenschaft.de/stichwort/21490/.
  27. Cadden, Joan: Meanings of sex difference in the middle ages, 1995, S. 224.
  28. Elsas, Christoph: Die Kirchen und die „Zigeuner“, in: Engbring-Romang, Udo/Strauß, Daniel (Hg.): Aufklärung und Antiziganismus. Beiträge zur Antiziganismusforschung, Bd. 1, Seeheim 2003, S. 118-120:
  29. Bergmann, Werner: Geschichte des Antisemitismus, 5. durchges. Aufl. 2016, München 2002; Richarz, a.a.O., Fn. 25.
  30. Frevert, Ute: Frauen-Geschichte. Zwischen Bürgerlicher Verbesserung und Neuer Weiblichkeit. Frankfurt a.M. 1986, S. 11.
  31. Wesel, Uwe: Geschichte des Rechts, München 2001, S. 356 ff.
  32. Brief des Paulus und Timotheus an die Kolosser 3, 22–25, Lutherbibel, a.a.O., Fn. 22. Es ist dies Teil einer sogenannten „Haustafel“, die nach dem Tod des Paulus diesem zugeschrieben wurde, um höhere Akzeptanz zu finden: Heine, Susanne: Frauen der frühen Christenheit, Göttingen 1986, S. 146 ff.
  33. Der kleine Katechismus D. Martin Luthers, Potsdam 1929, S. 73, siehe auch: https://glaubensstimme.de/doku.php?id=autoren:l:luther:d:die_haustafel
  34. Ebd., S. 72, mit einem Seitenhieb auf Frauen, die Nonnen wurden, weil sie sich nicht getrauen zu heiraten, unter Bezugnahme auf den Brief des Paulus an die Epheser 5, 23.
  35. 1. Brief an die Korinther 14, 33–35, Lutherbibel, a.a.O., Fn. 22; dazu: Heine, a.a.O., Fn. 33, S. 152. Die Christen standen damit in der Tradition des römischen Rechts: Höbenreich, Evelyn/Rizzelli, Giunio: Scylla – Fragmente einer juristischen Geschichte der Frauen im antiken Rom, Wien, Köln, Weimar 2003, S. 61 ff.
  36. Zur Erklärung, warum in Deutschland die Universitäten Frauen erst vergleichsweise spät (zwischen 1899 und 1918) zuließen: Costas, Ilse: Diskurse und gesellschaftliche Strukturen im Spannungsfeld von Geschlecht, Macht und Wissenschaft, in: Amodeo, Immacolata (Hg.): Frau Macht Wissenschaft, Königstein/Ts. 2008, S. 157–182 (169).
  37. Bergmann, a.a.O., Fn. 30, S. 12 f.
  38. Fricke, Thomas: Zur Sozialgeschichte der „Zigeuner“ im Zeitalter des Absolutismus, in: Engbring-Romang, Udo/Strauß, Daniel (Hg.): Aufklärung und Antiziganismus. Beiträge zur Antiziganismusforschung, Bd. 1, Seeheim 2003, S. 101–117.
  39. Bock, Gisela: Frauen in der europäischen Geschichte – vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München, 2000; Engel, Gisela/Hassauer, Friederike/Rang, Brita/Wunder, Heide (Hg.): Geschlechterstreit am Beginn der europäischen Moderne, Königstein/Ts. 2004.
  40. Flossmann, Ursula: Frauenrechtsgeschichte. Ein Leitfaden für den Rechtsunterricht, Linz 2004, S. 54 ff.
  41. Geulen, Christian: Der Rassismusbegriff. Ein kurzer Abriss seiner Geschichte, in: Foroutan, Naika/Geulen, Christian/Illmer, Susanne/Vogel, Klaus/Wensing, Susanne (Hg.): Das Phantom „Rasse“. Zur Geschichte und Wirkungsmacht von Rassismus, Wien, Köln, Weimar 2018, S. 23–34 (25).
  42. Schiebinger, Londa: Schöne Geister. Frauen in den Anfängen der modernen Wissenschaft, 1993, S. 270 ff.; die Adjektive Weiß/ Schwarz werden groß geschrieben, um darauf zu verweisen, dass es dabei um eine theoretische Konstruktion geht.
  43. Aristoteles, Politik, 1. Buch, Teil 13, 2. (a), zitiert nach: Doyé, Sabine/Heinz, Marion/Kuster, Friederike (Hg.), Philosophische Geschlechtertheorien. Ausgewählte Texte von der Antike bis zur Gegenwart, 2002, S. 111.
  44. Brief des Paulus und Timotheus an die Kolosser 3, 11 wo die Gleichstellung der Sklaven in der Gemeinde betont wird. Vgl. auch: Jeremia 34, 9, Bibel in gerechter Sprache, a.a.O., Fn. 15.
  45. Zeuske, Michael: Afrika – Atlantik – Amerika: Sklaverei und Sklavenhandel in Afrika, auf dem Atlantik und in den Amerikas sowie in Europa, Berlin 2022, S. 36 ff.
  46. Zum Folgenden: Gerhard, a.a.O., Fn. 7, S. 25 ff.
  47. Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll der Nationalversammlung (vom 20, 21, 22, 23, 24, 26. August und 1. Oktober 1789), https://www.verfassungen.eu/f/ferklaerung89.htm
  48. GESEZ – Französische Constitution, Gegeben zu Paris, den 14ten Herbstmonat (September) 1791, Strasbourg 1791, Präambel (deutsche Übersetzung des Departementsdirektoriums des Departements Niederrhein), https://www.verfassungen.eu/f/fverf91.htm#iii2
  49. Ebd. Titel III, Kap. 1, Abschnitt II, Art 2.
  50. Kant, Immanuel: Die Metaphysik der Sitten. Der Rechtslehre 2. Teil. Das öffentliche Recht. 1. Abschnitt. Das Staatsrecht, § 46, zitiert nach: Doyé/Heinz/Kuster, a.a.O., Fn. 44, S. 221. Dazu und zum Folgenden: Majer, Diemut: Frauen – Revolution – Recht. Die grossen Europäischen Revolutionen in Frankreich, Deutschland und Österreich 1789 bis 1918 und die Rechtsstellung der Frauen, Zürich und Baden-Baden 2008, S. 116 ff.
  51. Petersen, Susanne (Hg.): Marktweiber und Amazonen. Frauen in der Französischen Revolution, 1987. Die freie Schriftstellerin Olympe de Gouges erlaubte sich 1791 die Erklärung der Menschenrechte umzuformulieren in eine „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ gewidmet „der Königin“, dazu: Gerhard, Ute: a.a.O., Fn.7, S. 265.
  52. Zitiert nach: Petersen, a.a.O., Fn. 52, S. 221 ff.; vier Tage nach diesem Beschluss wurde Olympe de Gouges hingerichtet.
  53. Rousseau, Jean Jaques: Emile oder: Über die Erziehung. 5. Buch. Sophie oder die Frau, 1762, zitiert nach: Doyé/Heinz/Kuster, a.a.O. Fn. 44, S. 166 – 168.
  54. Grundlage des Naturrechts, 2. Teil, 1797, zitiert nach: Heinz, Marion: Liebe und Ehe. Untersuchung zu Fichtes Eherecht, in Schrader, Wolfgang H. (Hg.): Die Spätphilosophie J.G. Fichtes. Tagung der Int. U.G.-Fichte-Gesellschaft (15.-27. 09.1997) in Schulpforte, S. 49–63 (59). Dazu und zum Folgenden: Gerhard, Ute: Verhältnisse und Verhinderungen. Frauenarbeit, Familie und Rechte der Frauen im 19. Jh. Mit Dokumenten, Frankfurt a.M. 1978, S. 143 ff.
  55. ALR, Teil I, Titel 1, § 24, dazu: Alder, Doris: Die Wurzel der Polaritäten. Geschlechtertheorie zwischen Naturrecht und Natur der Frau, 1992, S. 50.
  56. Metzler, Gabriele: Europa zwischen Kolonialismus und Dekolonisierung, Informationen für politische Bildung, Bonn, BpB (Hg.) vom 20.11.2018.
  57. Honegger, Claudia: Die französische Anthropologie der Revolutionszeit, in: Historisches Museum Frankfurt (Hg.): Sklavin oder Bürgerin? Französische Revolution und neue Weiblichkeit 1760 bis 1830, Marburg 1989, S. 295–307 (296).
  58. Honegger, a.a.O., Fn. 60, S. 296.
  59. Honegger, a.a.O., Fn. 60, S. 296.
  60. Geulen, a.a.O., Fn. 29, S. 26.
  61. Becker, Thomas: Mann und Weib – schwarz und weiß. Die wissenschaftliche Konstruktion von Geschlecht und Rasse 1600– 1950, Frankfurt/M/New York 2005, S. 253 ff., 298 ff.
  62. Mamozai, Martha: Herrenmenschen. Frauen im deutschen Kolonialismus, Reinbeck b. HH, 1982, S. 82 ff.
  63. Weingart, Peter/Kroll, Jürgen/Bayertz, Kurt: Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene, Frankfurt a.M. 1988, S. 91 ff.
  64. Mamozai, a.a.O., Fn. 63, S. 136 ff.
  65. Weingart, a.a.O., Fn. 64, S. 154.
  66. Schwartz, Michael: „Proletarier“ und „Lumpen“. Sozialistische Ursprünge eugenischen Denkens. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 42. Jg. (1994), S. 537–570. Ausgeschlossen wurden diese Gruppen auch von den ab der 2. Hälfte des 19. Jhs. entstehenden Sozialversicherungen: Frevert, Ute: Krankheit als politisches Problem 1770–1880, Göttingen 1984, S. 87 ff., 170 ff.
  67. Marx, Karl/Engels, Friedrich: Werke, Band 8, „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“, Berlin/DDR, 1960, S. 161 – in einer Polemik gegen den Staatsstreich Louis Bonapartes.
  68. Sachße, Christoph/Tennstedt, Florian (Hg.): Bettler, Gauner und Proleten. Armut und Armenfürsorge in der deutschen Geschichte. Ein Bild-Lesebuch. Reinbek 1983, S. 158 ff.; eine eindrückliche Beschreibung der Armut: Pia Schmid: Säugling, Seide, Siff. Frauenleben in Berlin um 1800, in: Historisches Museum (Hg.), a.a.O., Fn. 58, S. 247–259.
  69. Sahebi, Gilda: Wie wir uns Rassismus beibringen. Eine Analyse Deutscher Debatten, Frankfurt/M. 2024, S. 94 f.; Hohmann, Joachim S.: Geschichte der Zigeunerverfolgung in Deutschland, Frankfurt a.M./New York 1988, S. 67.
  70. Weingart, a.a.O., Fn. 64, S. 40, 154 f.
  71. Lombroso, Cesare: Der Verbrecher (Homo delinquens) in anthropologischer, ärztlicher und juristischer Beziehung, in deutscher Bearbeitung von Fraenkel, Bd. 1, 1894, S. 175, 534. Ders.: Das Weib als Verbrecherin und Prostituierte. Anthropologische Studien, gegründet auf e. Darstellung d. Biologie u. Psychol. d. normalen Weibes mit G. Ferrero. Hamburg, 1894, www.deutsche-digitale-bibliothek.de.
  72. Ludi, Regula: Viktimisierung und Sexualisierung. Phantasien über Täterinnen in der weiblichen Sonderkriminologie, in: Universität Bern, Frauen im Recht. Kindsmörderinnen und Richterinnen, 2000, S. 11–42.
  73. Sachße u.a., a.a.O., Fn. 69, S. 173 ff.
  74. § 361 RStG von 1871 mit Anmerkungen, zit. nach Guttentagsche Sammlung Deutscher Reichsgesetze, Hans Rüdorff (Hg.), 23. Aufl., Berlin 1910. § 361 StGB wurde 1974 durch das OWiG aufgehoben. Prostitutionsverbote blieben bestehen.
  75. Weingart u.a., a.a.O., Fn. 64, S. 139 ff.
  76. Weingart u.a., a.a.O., Fn. 64, S. 40.
  77. Sigusch, Vokmar: Geschichte der Sexualwissenschaft, Frankfurt/ New York 2008, S. 144 ff.
  78. Institut für Sexualwissenschaft (1919–1933) – eine Online-Ausstellung der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft, https://magnus-hirschfeld.de/institut/theorie-praxis/definitionen-der-geschlechter/.
  79. Sigusch, a.a.O., Fn. 80, S. 154.
  80. Institut, a.a.O., Fn. 81: https://magnus-hirschfeld.de/institut/theorie-praxis/zwischenstufen-des-geschlechtstriebs/
  81. Göttert, Margit: Macht Eros. Frauenbeziehungen und weibliche Kultur um 1900 – eine neue Perspektive auf Helene Lange und Gertrud Bäumer, Königstein/Ts. 2000, S. 249.
  82. Stögner, Karin: Intersektionalität und Antisemitismus, Bundeszentrale für pol. Bildung, 12.12.2022, https://www.bpb.de/themen/antisemitismus/
  83. Jochmann, Werner: Struktur und Funktion des deutschen Antisemitismus 1878-1914, in Strauss, Herbert/Kampe, Norbert (Hg.): Antisemitismus. Von der Judenfeindschaft zum Holocaust, Schriftenreihe der bpb Bd. 213, Bonn 1984, S. 99–142.
  84. Bergmann, a.a.O., Fn. 30, S. 40 ff.
  85. Theweleit, Klaus: Zu Hadassa Ben-Ito: Die Protokolle der Weisen von Zion, Anatomie einer Fälschung, in ders.: friendly fire, Frankfurt/Basel 2005, S. 319–346.
  86. Honegger, Claudia: Die Ordnung der Geschlechter. Die Wissenschaften vom Menschen und das Weib, Frankfurt a.M., New York 1991, S. 172; Laqueur, a.a.O., Fn. 21, S. 221 ff. bringt die Verfestigung einer bipolaren Zweigeschlechtlichkeit in Zusammenhang mit der in Zeiten der Französischen Revolution und der Pariser Commune entstandenen Angst, dass die Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern ebenso wie zwischen den Ständen und damit auch das Staatswesen zusammenbrechen könnte.
  87. Honegger, a.a.O., Fn. 90, S. 202 ff.
  88. Urteil des BVerfG vom 10.05.1957, 1 BvR 550/52, Rdnr. 146, vgl. Honegger, a.a.O., Fn. 90, S. 206.
  89. Hervé, Florence: Dem Reich der Freiheit werb‘ ich Bürgerinnen. Von den Anfängen bis 1889, in: dies. (Hg.): Geschichte der Deutschen Frauenbewegung, 7. verb. Aufl. Köln 2001; Gerhard, Ute: Unerhört, Reinbeck b. Hamburg, 1990; Frevert, a.a.O., Fn. 31, S. 88.
  90. Wurms, Renate: Kein einig‘ Volk von Schwestern, in Hervé, a.a.O., Fn. 93, S. 57 ff.
  91. Mamozai, a.a.O. Fn. 63, 230 ff.
  92. Schüller, Elke: Endlich Staatsbürgerinnen! – 100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland, in: STREIT 3/2018, S. 130–139 (131).
  93. Dohm, Hedwig: Die Ritter der mater dolorosa, in: Müller, Nikola/Rohner, Isabel (Hg.): Hedwig Dohm, ausgewählte Texte, Berlin 2006–2018, S. 99 ff.; weitere Texte unter Dohm: Die Antifeministen – Ein Buch der Verteidigung, 1902, https://www.projekt-gutenberg.org/dohm/antifemi/antifemi.html
  94. Dazu: Hausen, Karin: Die Nicht-Einheit der Geschichte als historiographische Herausforderung. Zur historischen Relevanz und Anstößigkeit der Geschlechtergeschichte, in: Medick, Hans/ Trepp, Anne-Charlott (Hg.): Geschlechtergeschichte und Allgemeine Geschichte, Göttingen 1998, S. 15–56 (26).
  95. Seemann, Birgit: Feministische Staatstheorie. Der Staat in der deutschen Frauen- und Patriarchatsforschung, Opladen 1996, S. 222.
  96. Gerhard, Ute: Für eine andere Gerechtigkeit. Dimensionen feministischer Rechtskritik, Frankfurt, New York 2018, S. 354.