STREIT 2/2017
S. 67-68
OLG Brandenburg, § 1626 a Abs. 2 BGB
Keine gemeinsame elterliche Sorge bei nachhaltiger Kommunikationsstörung
1. Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. Die gemeinsame elterliche Sorge scheidet aus, wenn eine schwerwiegende und nachhaltige Störung auf der Kommunikationsebene der Eltern vorliegt, die befürchten lässt, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind erheblich belastet würde, würde man die Eltern zwingen, die Sorge gemeinsam zu tragen. Die Kommunikation der Eltern ist bereits dann schwer und nachhaltig gestört, wenn sie zwar miteinander in Kontakt treten, hierbei aber regelmäßig nicht in der Lage sind, sich in der gebotenen Weise sachlich über die Belange des Kindes auszutauschen und auf diesem Wege zu einer gemeinsamen Entscheidung zu gelangen. Dann ist zu prüfen, ob hierdurch eine erhebliche Belastung des Kindes zu befürchten ist (vgl. BGH FamRZ 2016, 1439 m.w.N.).
2. Gerade bei missglückender, destruktiver und damit tendenziell eskalationsgefährdeter Kommunikation hat eine gemeinsame Sorge auch deswegen auszuscheiden, um die Konfliktfelder zwischen den Eltern so gering wie möglich zu halten.
Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 27.09.2016, 13 UF 64/16
Aus den Gründen
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Mitübertragung der elterlichen Sorge für den gemeinsamen Sohn K. auf den Antragsteller. Dieser war seit Anfang 2010 mit der Antragsgegnerin zusammen und lebte mit ihr und ihrem am 25.01.2011 geborenen Sohn bis Dezember 2013 in deren Haushalt. Er hat erstinstanzlich die Übertragung der Mitsorge beantragt.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag zunächst entgegen. Nachdem das Jugendamt empfahl, in Fortführung einer systemischen Beratung dem Antrag des Kindesvaters zuzustimmen, und der Verfahrensbeistand, dem gegenüber sich beide Eltern bereit gezeigt hatten, sich dem Thema Kommunikation zu stellen und daran weiterzuarbeiten, in der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge die Möglichkeit sah, für K. ein wichtiges Signal zu setzen, um seinen aufgebauten inneren Widerstand gegen den Vater zu minimieren, hat die Antragsgegnerin dem Antrag im Termin vor dem Amtsgericht zugestimmt.
Dieses hat daraufhin mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Verfahrens verweist, die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam übertragen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde erstrebt die Antragsgegnerin nunmehr die Abweisung des Antrages des Antragstellers. Unter Schilderung verschiedener Vorfälle nach Beschlusserlass macht sie geltend, die Kommunikation zwischen den Eltern habe sich verschlechtert und die bei K. deutlich auftretenden Verhaltensauffälligkeiten hätten sich weiter verstärkt.
Der Antragsteller verteidigt den angefochtenen Beschluss und tritt der Schilderung der Vorfälle entgegen.
Der Verfahrensbeistand sieht sich in seiner Hoffnung, dass zukünftige gemeinsame Entscheidungen der Eltern ein wichtiges Signal für K. setze, um seinen inneren Widerstand gegen den Vater zu minimieren, enttäuscht und berichtet von einer Konfliktverschärfung zwischen den Eltern nach Erlass des Beschlusses, wobei K., der seinen Loyalitätskonflikt in Aggressionen gegenüber seiner Mutter und Verweigerungen gegenüber seinem Vater deutlich zeige, noch belasteter sei als vorher.
Das Jugendamt berichtet, dass sich entgegen positiven Vorzeichen im Vorfeld der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht, die verbunden mit der Hoffnung einer weiteren Verbesserung der elterlichen Kommunikation Anlass für eine Befürwortung einer gemeinsamen elterlichen Sorge waren, die elterliche Kommunikation nach Beschlusserlass verschlechtert habe. […]
II.
Die nach § 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat Erfolg.
1. Die Voraussetzungen einer Sorgerechtsübertragung nach § 1626a BGB liegen nicht vor. Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. Die gemeinsame elterliche Sorge scheidet aus, wenn eine schwerwiegende und nachhaltige Störung auf der Kommunikationsebene der Eltern vorliegt, die befürchten lässt, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind erheblich belastet würde, würde man die Eltern zwingen, die Sorge gemeinsam zu tragen. 
Die Kommunikation der Eltern ist bereits dann schwer und nachhaltig gestört, wenn sie zwar miteinander in Kontakt treten, hierbei aber regelmäßig nicht in der Lage sind, sich in der gebotenen Weise sachlich über die Belange des Kindes auszutauschen und auf diesem Wege zu einer gemeinsamen Entscheidung zu gelangen. Dann ist zu prüfen, ob hierdurch eine erhebliche Belastung des Kindes zu befürchten ist (vgl. BGH FamRZ 2016, 1439 m.w.N.).
Anhand dieser Maßstäbe hat eine gemeinsame elterliche Sorge hier auszuscheiden. Nach dem Bericht des Jugendamtes vom 12.08.2016, dem keiner der Beteiligten mehr entgegen getreten ist, erwiesen sich erste Lösungsansätze im Vorfeld der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht zur Vermeidung verbaler Entgleisungen des Antragstellers gegenüber der Kindesmutter im Beisein des Kindes und weiterer Eskalationen als nicht tragfähig. Vielmehr verschlechterte sich die elterliche Kommunikation nach Erlass des angefochtenen Beschlusses, wobei der Antragsteller der Antragsgegnerin selbst im Beratungsprozess abwertend gegenübertrat und ihr die bestehenden Verhaltensauffälligkeiten des Kindes, für das die Antragsgegnerin eine psychologische Betreuung anstrebe, anlastete; seinen früheren Vorschlag, das Kind in den Beratungsprozess einzubeziehen, hielt der Berater nicht aufrecht, um die ohnehin schon durcheinandergebrachte Gefühlswelt des Kindes nicht noch weiter aufzuwühlen. Nach dem Bericht besteht zusammenfassend aktuell ein schlechtes kommunikatives Niveau zwischen den Eltern, für die es sehr schwierig sein wird, einvernehmlich im Interesse des Kindes Sorgerechtsentscheidungen zu treffen (vgl. 133r, 134).
Nach dem Bericht des Verfahrensbeistandes vom 25.07.2016, dem keiner der Beteiligten mehr entgegen getreten ist, herrscht eine äußerst aggressionsbelastete und kontraproduktive Kommunikation zwischen den Eltern, die beide, bei anscheinend sehr unterschiedlichen Wertauffassungen, ihm gegenüber angegeben haben, dass die gemeinsame Sorge künftig unter diesen Bedingungen nicht ausgeübt werden könne.
Die nachhaltige Kommunikationsstörung der Eltern lässt eine erhebliche Belastung des Kindes nicht nur befürchten; vielmehr ist sie bereits eingetreten. Nach dem Bericht des Verfahrensbeistands äußert sich der Loyalitätskonflikt des Kindes bereits in Aggressionen gegenüber seiner Mutter und zunehmender Verweigerung gegenüber seinem Vater. Das Jugendamt hält das Kind aufgrund seiner jetzigen Belastung nicht mehr für geeignet, um es in den Beratungsprozess der Eltern selbst einzubeziehen.
In Ansehung der vom Verfahrensbeistand berichteten wechselseitigen Wahrnehmungen der Eltern, wonach der Vater aus Sicht der Mutter mit ihr Psychospielchen spiele, während der Vater ein tiefes Misstrauen gegen die Mutter hege und sich von ihr und ihrem Partner provoziert und bedroht fühle, hat eine gemeinsame Sorge auch deswegen auszuscheiden, um die Konfliktfelder zwischen den Eltern so gering wie möglich zu halten, gerade bei missglückender, destruktiver und damit tendenziell eskalationsgefährdeter Kommunikation. Die Anordnung der gemeinsamen Sorge hat demgegenüber die Konfliktfelder zwischen den Eltern erweitert, den fortdauernden Konflikt der Eltern intensiviert, und, da seine Folgen und Auswirkungen dem Kind nicht verborgen geblieben sind, dessen Wohl weiter beeinträchtigt. […]