STREIT 2/2023

S. 72-73

OLG Frankfurt a. M., § 1684 BGB, § 89 FamFG

Ordnungsgeld gegen den Umgangsberechtigten bei Verweigerung des Umgangs

Auch gegen den Umgangsberechtigten können bei Verweigerung der Wahrnehmung gerichtlich angeordneter Umgangstermine Ordnungsmittel jedenfalls dann verhängt werden, wenn die Gründe der Verweigerung (hier Kosten des Umgangs) bereits im Erkenntnisverfahren berücksichtigt wurden.
(amtlicher Leitsatz)

Beschluss des OLG Frankfurt vom 22.08.2022 – 6 WF 112/22

Sachverhalt:
Der Antragsgegner wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes wegen Verstoßes gegen eine gerichtliche Umgangsregelung.
Das Amtsgericht hat mit den Beteiligten zugestelltem Beschluss vom 27. Oktober 2021 den Umgang des Antragsgegners mit den zwei gemeinsamen Kindern der Beteiligten unter anderem dahingehend geregelt, dass in ungeraden Kalenderwochen in der Zeit von Freitag 14 Uhr bis Montag 8 Uhr und in geraden Kalenderwochen am Dienstag von 14:30 Uhr bis 19 Uhr Umgang des Beschwerdeführers mit den beiden Kindern stattfindet. Zu dem Beschluss im Einzelnen wird auf diesen verwiesen.
Auf Antrag der Kindesmutter verhängte das Amtsgericht mit dem angefochtenen, dem Antragsgegner am 28. Juni 2022 zugestellten, Beschluss ein Ordnungsgeld in Höhe von 500,00 Euro wegen Verstößen gegen die Umgangsregelung im Zeitraum April und Mai 2022, weil der Beschwerdeführer seit April 2022 keinen Umgang mehr wahrnimmt. Der Einwand des Beschwerdeführers, es sei ihm finanziell nicht möglich, ein für Übernachtungen geeignetes Umfeld für die Kinder aufzubauen, sei nicht zu berücksichtigen und bereits in dem Umgangsbeschluss erörtert und abgelehnt. Der Beschwerdeführer bemühe sich im Übrigen offenbar nicht, irgendeinen Umgang wahrzunehmen. Im Einzelnen wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.
Mit am 12. Juli 2022 eingegangener sofortiger Beschwerde begehrt der Antragsgegner die Aufhebung des Beschlusses und zeitgleich gesondert die Abänderung der geltenden Umgangsregelung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des OLG Frankfurt entspreche es nicht dem Kindeswohl, den umgangsunwilligen Elternteil zum Umgang mit Ordnungsmitteln anzuhalten und Ordnungsmittel nach §§ 89 ff. FamFG durchzusetzen.

Aus den Gründen:
Die gemäß § 87 Abs. 4 FamFG i. V. m. §§ 567 ff. ZPO, zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte, sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.
Die Voraussetzungen der Vollstreckung liegen vor. […]
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers verhilft der Beschwerde auch die Berufung auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts oder des Oberlandesgerichts Frankfurt nicht zum Erfolg. Zur gerichtlichen Verpflichtung eines Elternteils zum Umgang mit dem Kind hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Eingriff in das Recht des Elternteils auf Schutz der Persönlichkeit im Hinblick auf die den Eltern durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG auferlegte Verantwortung für ihre Kinder grundsätzlich gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 121, 69 <95 f.>). Dieser Elternverantwortung trägt § 1684 Abs. 1 BGB Rechnung, indem er den Umgang mit dem Kind zur elterlichen Pflicht erhebt. Es ist einem Elternteil grundsätzlich zumutbar, auch unter Beeinträchtigung seiner Persönlichkeitssphäre zum Umgang mit seinem Kind verpflichtet zu werden, wenn dies dem Kindeswohl dient (vgl. BVerfGE 121, 69 <97 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. Februar 2022 – 1 BvR 743/21 -, Rn. 19, juris). Die zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht gegen einen umgangsunwilligen Elternteil hat nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Obergerichte zu unterbleiben, wenn es im konkreten Einzelfall keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt, die darauf schließen lassen, dass der erzwungene Umgang dem Kindeswohl dienen wird (vgl. BVerfGE 121, 69; OLG Hamm, Beschluss vom 25. Juli 2017 – II-6 WF 179/17 -, Rn. 4, juris). Es ist einem Elternteil zumutbar, auch unter Beeinträchtigung seiner Persönlichkeitssphäre zum Umgang mit seinem Kind verpflichtet zu werden, wenn dies dem Kindeswohl dient (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 11. November 2020 – 3 UF 156/20 -, Rn. 18 ff., Rn. 26). Ob letzteres der Fall ist, ist im Einzelfall zu prüfen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 12. September 2013 – 5 WF 171/13 -, Rn. 19 ff.; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. Februar 2022 – 1 BvR 743/21 -, Rn. 30 ff.).
Der Beschwerdeführer beruft sich vorliegend allein auf finanzielle Erwägungen, die einem Umgang entgegenstehen sollen. Da es sich hierbei nicht um tragende, die emotionale Verfassung des Beschwerdeführers berührende Gründe handelt, ist nicht davon auszugehen, dass er bei der Wahrnehmung des gerichtlich geregelten Umgangs gegenüber den Kindern eine persönliche Abneigung zum Ausdruck brächte. […]
Es sind auch keine konkreten Umstände erkennbar, nach denen die Durchsetzung von Umgang des Vaters mit seinen Kindern im hier maßgeblichen Zeitraum in April und Mai 2022 gegen dessen erklärten Willen dem Kindeswohl widersprochen hätte. Der Beschwerdeführer hatte auch nach der Trennung der Kindeseltern regelmäßig Umgang mit seinen beiden Kindern. Übernachtungen haben zwar in jüngerer Zeit nicht, zuvor aber über mehrere Tage stattgefunden. Der Beschwerdeführer wohnt in einem Haus mit seinen Eltern und einem Bruder. Dem Ergebnis der Kindesanhörung im Hauptsacheverfahren lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass Übernachtungen der Kinder im Haus der väterlichen Familie dem Kindeswohl widersprechen, vielmehr kommen Bindungen der Kinder zu Großmutter und Onkel zum Ausdruck. Der Beschwerdeführer hat den Umgang zwar ab April 2022 abgebrochen, dass zwischen ihm und den Kindern in den Monaten April und Mai 2022 eine Entfremdung eingetreten ist, macht der Beschwerdeführer aber weder geltend, noch ist angesichts des Alters der Kinder von acht und sechs Jahren und den damit in der Regel einhergehenden Fähigkeiten anzunehmen, dass eine solche in dem hier maßgeblichen Zeitraum eingetreten ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass den Ordnungsmitteln nach §§ 89 FamFG nicht zur Zwangs- sondern auch Sanktionscharakter zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – XII ZB 621/10, Rn. 14, juris). Bei einer zeitnahen Umsetzung des Umgangs wäre einer – hier nicht erkennbaren – Entfremdung gar nicht erst der Boden bereitet gewesen. Die gebotene Abwägung zwischen den Rechten des Beschwerdeführers, dessen Pflichten als Vater der betroffenen Kinder und den Rechten der Kinder unter Würdigung der Gesamtsituation nach objektiven Kriterien des Kindeswohls führt dazu, dass gegen den Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitraum ein Ordnungsmittel wegen Verstoßes gegen die amtsgerichtliche Umgangsregelung zu verhängen ist. […]