STREIT 4/2018

S. 190-192

Programm des 45. Feministischen Juristinnentags vom 10.-12. Mai 2019 in der Universität Freiburg i.Brg.

Freitag 10. Mai
15.00 – 16.15 Uhr:
Einführung in den FJT für Neueinsteigerinnen*
Alice Bertram, FU Berlin; Sibylla Flügge, Frankfurt University of Applied Sciences
Die Geschichte und Struktur des FJT wird vorgestellt und den Teilnehmerinnen* wird die Möglichkeit gegeben, sich kennenzulernen.

16.30 – 18.00 Uhr:
Einführungs-AG: Kontroverse feministische Debatten im FJT
RAin Friederike Boll, Frankfurt a.M.; Ulrike Lembke, HU Berlin; Doris Liebscher, HU Berlin
Geschlechteridentitäten, kulturalistische Rechtspolitiken, Inklusions- und Exklusionsmechanismen zwischen Differenz- und radikalem Feminismus, queer theory und Intersektionalität führten bei den FJTs immer wieder zu hoch engagierten Diskussionen. Drei teilnehmende Beobachterinnen* aus der Zwischengeneration berichten.

19.00 Uhr:
Eröffnungsvortrag: Demokratische Inklusion durch Recht
Anna Katharina Mangold, Uni Frankfurt a.M. / Freiburg
Der Vortrag entwickelt auf Basis der vielfältigen historischen Kämpfe um Gleichberechtigung eine demokratietheoretische Legitimation von Antidiskriminierungsrecht, die der intersektionalen Verschränkung von Diskriminierungskategorien Rechnung trägt und das emanzipatorische Potential dieses Rechtsgebiets ins Zentrum rückt.

Samstag 11. Mai
9.00 – 10.30 Uhr: AG Schiene 1
AG 1-1: Dritte Option

RAin Katrin Niedenthal, Bielefeld; Lucie Veith, Intersexuelle Menschen e.V., Schortens
2018 wurde das „Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben“ verabschiedet. Andere Gesetzesänderungen, wie ein OP-Verbot an Inter* Kindern oder eine Neufassung des TSG wurden angekündigt. In der AG wird über den aktuellen Stand berichtet und aufgezeigt, welche (rechtlichen) Handlungsbedarfe es zur Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt nach wie vor gibt.

AG 1-2: Solidarität/Individualisierung und Entgelt­transparenzgesetz
Theresa Tschenker, Uni. Frankfurt (Oder); Johanna Wenckebach, IG Metall Berlin-Brandenburg, Berlin
Frauen*, insbesondere auch Queers, profitieren von Individualisierung, z.B. weil mit ihr auch eine Pluralisierung der Lebensstile einhergeht. Durch unsere Eingebundenheit in den Arbeitsmarkt bedeutet Individualisierung aber weniger individuelle Freiheit zur Selbstverwirklichung, sondern vor allem auch gesellschaftlicher Zwang zur Selbstoptimierung. In der AG wollen wir anhand der Beispiele des Entgelttransparenzgesetzes und der Arbeitskämpfe in der Alten- und Krankenpflege der Frage nachgehen, wie im Arbeitsrecht Kollektivität und Individualisierung strukturiert werden.

AG 1-3: Die Neuregelungen im Sexualstrafrecht - Eine erste Bewertung
Garonne Bezjak, Ständige Vertretung der BRD bei der EU, Brüssel
In der AG soll der Frage nachgegangen werden, ob durch die Einführung der sog. “Nein-heißt-Nein”-Lösung der Schutz von Frauen und von Menschen mit Behinderungen tatsächlich verbessert werden konnte. Zu diesem Zweck werden wir uns die ersten Entwicklungen in der Rechtsprechung sowie in der Strafverfolgungspraxis im Hinblick auf das neue Sexualstrafrecht ansehen.

AG 1-4: Sterilisation von Frauen mit Behinderungen zwischen ‚Freiwilligkeit‘ und Zwang
Julia Zinsmeister, TH Köln
Der UN Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat Deutschland aufgefordert, die Regelung des § 1905 BGB, der die Sterilisation einwilligungsunfähiger Frauen mit Behinderung ermöglicht, ersatzlos zu streichen. Es gilt aber auch nach den Ursachen für die scheinbar freiwilligen Sterilisationen, denen sich bundesweit 17% der Frauen mit Behinderungen unterzogen haben, und der häufigen Vergabe von Drei-Monats-Spritzen an Frauen mit intellektuellen Beeinträchtigungen zu fragen.

AG 1-5: Häusliche Gewalt und Umgangsgestaltung
RAin und Mediatorin Ina Feige, Leipzig
Häufig wird in Fällen häuslicher Gewalt und Stalking auf eine schnelle Lösung der Umgangsfrage des Kindes mit dem Täter gedrängt, auch weil die Gewalt „nur gegen die Mutter gerichtet war“ oder nicht beweisbar ist. Die AG wird sich mit der Frage auseinandersetzen, welche Standards und Beratungsstrategien erforderlich sind, um die Betroffenen effizient zu vertreten.

AG 1-6: Autonomie im Recht
RiBVerfG Gabriele Britz, Karlsruhe/Gießen; Dana-Sophia Valentiner, Uni. Hamburg
Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Doch was umfasst das Versprechen des Art. 2 Abs. 1 GG im Einzelnen? Gabriele Britz wird ihre Konzeption des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorstellen und u.a. aufzeigen, wie Diskriminierungsverbote als Mechanismen der Autonomiesicherung fruchtbar zu machen sind. Dana-Sophia Valentiner wird die gemeinsame Diskussion mit einem Kommentar einleiten.

11.00 – 13.00 Uhr: Foren
I. Das Kopftuch der Richterin
Aqilah Sandhu, Uni. Augsburg; RinBGH Christiane ­Schmaltz, Karlsruhe; Bundesanwältin beim BGH Eva Schübel, Karlsruhe
Moderation: RinAG Marjam Samadzade, Hamburg
Neben Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen fordern auch Rechtsreferendarinnen, öffentliche Aufgaben kopftuchtragend wahrnehmen zu können. Die Frage, ob Richterinnen, Staatsanwältinnen und Referendarinnen Kopftuch tragen dürfen, wird in der feministischen juristischen Theorie und Praxis hochkontrovers diskutiert. Das Podium widmet sich der Perspektive der Justizpraxis und fragt: Was spricht für oder gegen das Kopftuchverbot? Wie können die Spannungen zwischen Neutralitätsgebot und Religionsfreiheit austariert werden? Welches Selbstverständnis prägt die Justiz und welche Rolle spielen Diversitätsaspekte dabei?

II. „Bye, bye Frauen“ – Keine Option statt Dritte Option?
RAin Friederike Boll, Frankfurt a.M.; Sarah Elsuni, Frankfurt University of Applied Sciences; Margit Göttert, Frauenbeauftragte Frankfurt University of Applied Sciences
Einführung: RAin Laura Adamietz, Bremen; Moderation: Zita Küng, EQuality, Zürich

Das Gesetz zur Einführung einer dritten Option für den Geschlechtseintrag im Personenstandsrecht soll zur Diskussion gestellt werden. Sollte im Personenstandsgesetz auf jeglichen Geschlechtseintrag verzichtet werden? Welche Konsequenzen hätte das für die gesetzlich geforderte Frauenförderung und die Anwendbarkeit entsprechender Instrumente (gender mainstreaming, gender budgeting, Quoten)?

III. Rechtsvergleich zur Abtreibungsgesetzgebung
RAin Sylvia Cleff Le Divellec, Paris; Sarah Diehl, Berlin; Maria Wersig, FH Dortmund;
Moderation: Anna Hochreuter, Berlin

Der Abbruch einer Schwangerschaft ist in Deutschland bis heute im Abschnitt „Straftaten gegen das Leben“ des Strafgesetzbuches geregelt. Die feministischen Kämpfe zur Abschaffung des § 218 und zuletzt des § 219a StGB konnten nur Änderungen innerhalb dieser Systematik bewirken. So bleibt es möglich, Frauen den Zugang zu einem Abbruch immer wieder zu erschweren. Um unsere Per­spektive zu erweitern, wollen wir unseren Blick auf andere europäische und außereuropäische Staaten richten, z.B. auf Frankreich (dort ist der Schwangerschaftsabbruch seit 1975 im Gesundheitsgesetzbuch angesiedelt), Polen und Südafrika – was bedeuten die jeweiligen Gesetze und Gesetzesänderungen für die betroffenen Frauen? Dabei wollen wir konsequent aus der Perspektive der Frauen denken: Wie können wir unsere Forderungen mit Blick auf die tatsächlichen Konsequenzen schärfen und durchsetzen?

14.30 – 16.00 Uhr: AG Schiene 2
AG 2-1: Rechtliche Anerkennung und Diskriminierung in LGBTIQ-Familien
Almut Peukert, Uni. Hamburg; Theresa Richarz, Uni. Hildesheim
Trotz der zunehmenden rechtlichen Anerkennung und Gleichstellung vielfältiger Lebens- und Familienformen bestehen soziale, institutionelle und rechtliche Ungleichheiten fort. Welche Rolle spielt das Recht dabei? Im Rahmen der AG geben wir einen Einblick in unsere aktuellen Forschungsprojekte zu vielfältigen Familienformen (VielFam) und zu Mutterschaft und Recht (MOM), diskutieren diese mit Blick auf rechtliche Ungleichheiten und loten gemeinsam Gestaltungspotenziale aus.

AG 2-2: § 218 und der Umgang mit der „Lebensschutz“bewegung
Kirsten Achtelik, Gen-ethisches Netzwerk, Berlin
Angesichts der zunehmenden Aktivitäten und Demon­strationen von „Lebensschützern“ und ihrer scheinbaren Verbindung zu Anliegen der Behindertenbewegung geht es in der AG um die Frage, wie ein nicht selektives und nicht individualisiertes Konzept von Selbstbestimmung gedacht und umgesetzt werden kann. Wo sind die Gemeinsamkeiten und Konflikte der Frauen- und Behindertenbewegung?

AG 2-3: Familienrecht und islamische Rechtsordnung in rechtsvergleichender Perspektive
Dörthe Engelcke, MPI für ausl. u. internat. Privatrecht, Hamburg
Das Familienrecht ist in den meisten Ländern des Nahen Ostens religiös gespalten. Das islamische wie auch das christliche Recht sind geschlechterspezifisch. Der Vortrag beleuchtet, wie einzelne Rechtsnormen bezüglich der Eheschließung, der Scheidung, der Personensorge und des Güterrechts Frauenrechte prägen. Im Anschluss wird auf die Anwendung von christlichem und islamischem Familienrecht in Deutschland eingegangen.

AG 2-4: Steuerrecht
Ulrike Spangenberg, Institut für gleichstellungsorientierte Prozesse und Strategien, Berlin
Das EU-Parlament thematisiert Genderaspekte der Besteuerung, die weit über die Forderung nach einer Individualbesteuerung hinausgehen: in Bezug auf die Besteuerung von Einkommen aus Arbeit und Vermögen, von Unternehmen, die Ausgestaltung der Umsatzsteuer als auch institutionelle Mechanismen zur Förderung einer gleichstellungsgerechteren Besteuerung. Die AG befasst sich mit Konsequenzen einer entsprechenden EU-Empfehlung. Nicht nur für Steuerexpertinnen!

AG 2-5: Barrierefreier Zugang zum Recht
RAin Ronska Grimm, Berlin
Nach Art. 13 der UN BRK müssen Menschen mit Behinderung diskriminierungsfrei Zugang zum Recht haben. Die Realität sieht in Deutschland anders aus. Das bff-Projekt „Suse- sicher und selbstbestimmt. Im Recht.“ analysiert die bestehenden Hürden im Strafverfahren sowie im Betreuungs- und Gewaltschutzrecht. In der AG werden die ersten Ergebnisse des Projekts vorgestellt und Ideen erörtert, wie in der anwaltlichen und juristischen Praxis die Situation für Frauen mit Behinderung konkret verbessert werden kann. Bitte bringt wenn möglich Einstellungsbescheide und eigene Erfahrungen aus der Arbeit mit Frauen mit Behinderung für Austausch und Vernetzung mit.

AG 2-6: Flucht und Migration
RAin Armaghan Naghipour, Anwältinnen ohne Grenzen, Berlin
Wie wird in der Rechtspraxis geschlechtsspezifische Gewalt als Fluchtgrund konkret angewendet und welchen praktischen und rechtlichen Hindernissen begegnen geflüchtete Frauen* dabei im Asylverfahren? In der AG werden Originalfälle aus der Praxis vorgestellt und gemeinsam diskutiert, welche Vorkehrungen getroffen werden müssen, um geflüchtete Frauen* vor einer Mehrfachdiskriminierung zu schützen.

16.30 – 18.00 Uhr Zwischenplenum
Sonntag 12. Mai
10.00 – 11.30 Uhr: Workshops, Fishbowl, Film
1. Parlamentarischer Rechtsruck - Fishbowl
Erstsitzerinnen*: Delal Atmaca, DaMigra, Berlin; Laura Jacobs, Hamburg
Mit autoritären Tendenzen erstarken Geschlechterklischees, Rollenstereotype und tradierte Familienbilder. Migrantische Verbände, aber auch feministische AnwältInnen sind immer häufiger Anfeindungen und psychischen Belastungen ausgesetzt. Auch vor Universitäten macht der Rechtsruck keinen Halt. Wie können sich Feministinnen* in ihren Kämpfen gegen Diskriminierung daher (mehr denn je) zusammenschließen?

2. Anwältinnen im Migrationsrecht
RAin Petra Haubner, Passau
Die Kanzleien, die im Migrationsrecht arbeiten, haben alle ein Nachwuchsproblem. Im Workshop möchte ich Euch informieren, inspirieren, infizieren und agitieren. Denn: 1. war es noch nie so einfach (und lukrativ) wie im Moment, sich als Anwältin im Migrationsrecht selbstständig zu machen und 2. ist es die perfekte Verbindung von beruflicher und politischer Arbeit. Es ist Menschenrechtsarbeit und feministische Arbeit.

3. Workshop zu Genderaspekten in der juristischen Ausbildung
Juliane Ottmann, FU Berlin
Obwohl mehr als die Hälfte der Jurastudierenden Frauen sind, spielt das Thema Gender in der juristischen Ausbildung nach wie vor nur eine Nebenrolle. Sexismus ist nicht nur im Studienalltag, sondern auch in Prüfungssituationen keine Seltenheit. Warum geht es nicht voran mit der Gleichstellung unter Juristinnen? In diesem Workshop soll ein Diskussionsraum geschaffen werden, in dem Teilnehmerinnen Wissen und Erfahrungen austauschen, sich gegenseitig ermutigen und gemeinsam über Lösungen nachdenken können.

4. Datenschutz und Datensicherheit – Cryptoworkshop für Juristinnen*
Julia Stoll, Referatsleitung Informatik, Hess. Datenschutzbeauftragter, Wiesbaden
Wie kann die tägliche Kommunikation mittels digitaler Medien sicher gestaltet werden? Wie funktioniert z.B. ein Verschlüsseln? Welche technischen Voraussetzungen sind von Belang? Wie schütze ich personenbezogene Daten, wie auch meine eigenen Daten im Web? Der Workshop vermittelt praktische Grundlagen des Datenschutzes und der Datensicherheit. Bitte eigenen Laptop mitbringen.

5. Open-Space für weitere Themen

6. Film: Das hat mich sehr verändert, 47 Min. 1976, Edith Schmidt-Marcello u.a., Vorführung in Kooperation mit der Kinothek Asta Nielsen e.V., Frankfurt am Main.
Der Film zeigt Szenen aus Diskussionen und Beratungen im Frankfurter Frauenzentrum. Er ermöglicht einen authentischen Blick in die Anfänge der Neuen Frauenbewegung und die Probleme, die Frauen damals bewegten. Juristinnen, die damals in der Frauenbewegung aktiv waren, stehen für ein anschließendes Gespräch zur Verfügung.

12.00 – 14.00 Uhr: Abschlussplenum

Informationen unter: www.feministischer-juristinnentag.de
Die Anmeldung ist voraussichtlich zwischen dem 8. und 15. März möglich.