STREIT 3/2021

S. 99-106

Recht und Rechtswirklichkeit – der Schwangerschaftsabbruch in Polen

Einleitung

Die politischen Entwicklungen in Polen haben in den vergangenen Jahren immer wieder für Schlagzeilen in westlichen Medien gesorgt. Den jüngsten „Frauenstreik“ hatte eine Entscheidung des Verfassungsgerichts vom Oktober 2020 ausgelöst. Während Abtreibungsgegner die Entscheidung bejubelten, zogen die Gegner zu Tausenden auf die Straße und protestierten – nicht nur gegen die Verschärfung, sondern auch gegen die nationalkonservative Regierung. Sogar die Kirche(n), bislang nahezu unantastbare Instanz, wurde(n) zum Angriffspunkt.

1. Das Abtreibungsrecht bis 1989

1.1. Recht und Rechtsänderungen

Das Verbot, eine Schwangerschaft zu beenden, hat in Polen wie in den meisten europäischen Ländern eine lange Geschichte. Frauen konnten nicht frei über Sexualität und Mutterschaft entscheiden und Zuwiderhandlungen wurden streng bestraft. Erst im 20. Jahrhundert kam es vielerorts zu gesellschaftlichen und politischen Veränderungen, die eine neue Sichtweise auf selbstbestimmte Mutterschaft implizierten und entsprechende Rechtsänderungen bewirkten.

Die Indikationsregelung von 1932
Die erste Debatte über das Abtreibungsrecht setzte in Polen 1929 ein. 1932 kam eine Indikationsregelung zustande, die eine Abtreibung aus medizinischen und kriminologischen Gründen legalisierte. Diese bestand bis 1956 weiter und ließ das Land eine Vorreiterrolle in Osteuropa einnehmen.1

Die Indikationsregelung von 1956
Trotz der Regelung von 1932 war es zu vielen illegalen Schwangerschaftsabbrüchen gekommen, die häufig unter lebensbedrohlichen Umständen erfolgten.2 Diese Abbrüche waren der Grund für eine entscheidende Gesetzesänderung im April 1956.3 Das „Gesetz über die Bedingungen für die Zulässigkeit des Schwangerschaftsabbruchs“4 erweiterte die bis dato bestehende Indikationsregelung um eine soziale Indikation. So konnten nun „schwierige Lebensbedingungen einer schwangeren Frau“5 eine Abtreibung indizieren, wenn ein Arzt dies schriftlich bestätigt hatte (Art. 2 Abs. 1 S.1). Diese Regelung sollte die Gesundheit von Frauen vor den negativen Folgen unsachgemäß vorgenommener Abtreibungen schützen.
Die Rechtsänderung von 1956 kam nicht von ungefähr. In der Sowjetunion war Nikita Chruschtschow 1953 an die Macht gelangt und leitete einen Prozess der Entstalinisierung ein. Er hob das Abtreibungsverbot von 1936 auf; Frauen durften ab 1955 gemäß einer Fristenregelung innerhalb der ersten 12 SSW6 frei über die Mutterschaft entscheiden. Hintergrund waren die vielen illegalen Abbrüche und daraus resultierende Gesundheitsschäden bzw. Todesfälle. Dem sowjetischen Vorbild folgten andere Länder: 1956 wurde in Bulgarien7 eine Fristenlösung verankert, in der Tschechoslowakei 1957 und in Rumänien 1955.8 Die DDR hatte schon 1950 eine Indikationsregelung gesetzlich verankert und erweiterte diese 1969 um eine soziale Indikation.9 Polen behielt seine Indikationsregelung und erweiterte sie.

1.2. Rechtswirklichkeit

Bis Ende der 1950er Jahre wurde die soziale Indikation eher restriktiv, ab den 1960er Jahren jedoch sehr großzügig ausgelegt. So konnten Frauen ohne größere Probleme abtreiben, de facto war es eine Abtreibung auf Wunsch.10 Das lassen die offiziellen Zahlen erkennen: Anfang der 1980er Jahre gab es bis zu 140.000 Abtreibungen jährlich.11 Im Zeitraum von 1986 bis 1989 sanken die offiziellen Zahlen von 130.000 auf rund 82.000. Dieser Rückgang wird einerseits auf den Babyboom in den 1980er Jahren und andererseits auf eine nachlassende Meldebereitschaft zurückgeführt. Letzteres würde bedeuten, dass es faktisch mehr Abtreibungen gab.12 Die meisten Abtreibungen wurden aus „sozialen Gründen“ vorgenommen; nur etwa drei Prozent der Abtreibungen erfolgten aus medizinischen Gründen.13 Hinzuzufügen ist, dass es lange Zeit gar keine Sexualerziehung gab. In der stalinistischen Phase wurde Sexualität weitgehend tabuisiert. Erst gegen Ende der 1950er Jahre, nach Liberalisierung des Abtreibungsrechts, haben sich Ärzte, Sexualwissenschaftler und Lehrer intensiver mit Sexualerziehung befasst; sie sahen sich durch eine relativ hohe Zahl ungewollter Schwangerschaften dazu veranlasst.14 Anfang der 1970er Jahre wurde für Schüler ein „Vorbereitungskurs auf das Leben in einer sozialistischen Familie“ eingeführt.15 Verhütungsmittel waren nicht üblich. Die Abtreibung war eine weitverbreitete Methode der Geburtenkontrolle.16

1.3. Akteure gegen bzw. für die Liberalisierung

Die Rolle der Kirche
Die Kirche als gesellschaftlicher Akteur verdient besondere Erwähnung, denn sie hat in der politischen Geschichte des Landes eine wichtige Rolle gespielt. Die Kirche lehnte die Liberalisierung des Abtreibungsrechts von 1932 ab. Gleichwohl kam die Indikationsregelung zustande.17
Ein Trauma bedeuteten der Krieg und die sehr grausame deutsche Besatzungszeit. Mit dem Jahr 1939 setzte auch für die polnische katholische Kirche eine schlimme Zeit ein. Priester wurden verfolgt und getötet, Kirchbauten wurden zerstört.18 Ausgerechnet in diese verlustreiche Zeit fiel eine sehr liberale Abtreibungsregelung, die von den deutschen Besatzern festgelegt wurde und Frauen eine Abtreibung auf Wunsch ermöglichte. Ziel der Nationalsozialisten war es, die Geburtenzahl so niedrig wie möglich zu halten.
Das Ende des Krieges markierte keine wirkliche Befreiung. Nachdem sich die sog. moskautreuen Kommunisten durchgesetzt hatten, begann unter Bolesłav Bierut ein Prozess der Sowjetisierung. Die Kirche und religiöse Praktiken waren nur geduldet.19 Erst die Kursänderung unter Chruschtschow Mitte der 1950er Jahre bedeutete einen Wendepunkt für die polnische Kirche. Der Druck und die Repressalien ließen nach. So kam es, dass sich die polnischen Bischöfe auch zur Einführung der sozialen Indikation im Jahre 1956 äußerten. Sie protestierten gegen diese Rechtsänderung und sprachen sich (angesichts der hohen Anzahl illegaler Abbrüche)20 für ein totales Verbot aus.21 Die kommunistische Regierung reagierte nicht auf diese Kritik; die Kirche konnte die Liberalisierung nicht verhindern.22
Bereits ab den 1970er Jahren änderte sich die Stellung der Kirche. Es kam zu einer „Re-Christianisierung“ der Gesellschaft.23 Die Kirche trat immer deutlicher für Bürgerrechte ein und äußerte sich auch zur Abtreibung. Vor allem nach der Wahl von Karol Wojtyła befand sich die Kirche im Aufwind. Im Laufe der 1980er Jahre verlor die kommunistische Regierung sukzessive an Einfluss. Die erstarkende Kirche hingegen ließ ihren ablehnenden Standpunkt zur Abtreibung immer deutlicher werden und wurde entsprechend aktiv. So wurde die Kritik an der bestehenden Rechtslage und Rechtspraxis in Kirchenkreisen, in der Solidarność-Bewegung, in der Ärzteschaft und in Juristenkreisen lauter.24 1987 und 1988 reichte der katholische Intelligentsia-Club Gesetzesvorschläge ein, um das Abtreibungsrecht zu verschärfen.

Die Rolle des „staatlichen Feminismus“
Die Entwicklung von Frauengruppen wurde vom Kommunismus unterbrochen. Ab den 1950er Jahren hat das kommunistische Regime eine Art „staatlichen Feminismus“ etabliert. Frauen eröffneten sich größere Handlungsräume. Frauen erhielten Zugang zu Bildung, Arbeit, Kinderbetreuung, was mit einer Neudefinition der Geschlechterrollen einherging; auch in sexueller und reproduktiver Hinsicht, z.B. mit dem Abtreibungsrecht.25 Frauenorganisationen haben sich 1956 für die Liberalisierung ausgesprochen und verwiesen auf die ernstlichen Gefahren, die illegale Abbrüche für die Gesundheit von Frauen bedeuteten. Dieses Recht war im Wesentlichen von oben zuerkannt worden. Es hatte nicht – wie in vielen westeuropäischen Ländern der Fall – von Frauengruppen erkämpft werden müssen. Es gab in Polen keine breit angelegte gesellschaftliche Debatte darüber. Und demgemäß entstand dort auch keine zweite Frauenbewegung. Von dieser Entwicklung war Polen, bedingt durch den Eisernen Vorhang, abgekoppelt.

2. Das Abtreibungsrecht nach dem Ende des Sozialismus

2.1. Recht und Rechtsänderungen

Im Jahr 1989 vollzog sich in den sozialistischen Ländern ein tiefgreifender politischer und gesellschaftlicher Umbruch. In Polen sollten sich der Übergang zur Demokratie und die Befreiung vom Sozialismus schon bald auf die reproduktiven Rechte von Frauen auswirken. Die katholische Kirche, die zweifelsohne als Geburtshelfer der Demokratie in Erscheinung getreten ist und mit der Opposition verbunden war, blieb auch nach dem Systemwechsel ein einflussreicher politischer Akteur. Sie setzte unverzüglich beim Abtreibungsrecht an, das zum zentralen Angriffspunkt wurde (und bis heute ist).
Ab Februar bis April 1989 saßen Vertreter der Solidarność, der katholischen Kirche, der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) und anderer gesellschaftlicher Gruppen am sog. Runden Tisch. Schon am 28. Februar lag dem Sejm ein Gesetzes­entwurf vor, der von 74 Abgeordneten eingebracht und von Experten der Bischofskommission ausgearbeitet worden war. Ziele des Gesetzes waren u.a. ein totales Abtreibungsverbot und Schutzrechte für das gezeugte Kind.26 Das Gesetz scheiterte, doch die Abtreibungsgegner leisteten in den folgenden drei Jahren viel Lobbyarbeit. Im Jahre 1992 lag abermals ein Gesetzesentwurf vor, der ein Abtreibungsverbot und die Strafbarkeit der betroffenen Frauen vorsah. Doch die Menschen protestierten. Hunderttausende Menschen unterzeichneten eine Petition, damit ein Referendum darüber abgehalten würde. Ein Gegenentwurf wurde in den Sejm eingebracht und von dortigen Abgeordneten unterstützt.27

Das restriktive Gesetz von 1993
Im Januar 1993 hatten sich die Abtreibungsgegner letztlich durchgesetzt. Der Sejm verabschiedete das „Gesetz über Familienplanung, den Schutz der menschlichen Leibesfrucht und die Zulässigkeit des Schwangerschaftsabbruchs“.28 Ein Schwangerschaftsabbruch war fortan nur noch dann straffrei, wenn die Schwangerschaft durch eine Sexualstraftat zustande kam, wenn die Schwangerschaft das Leben oder die Gesundheit der Mutter gefährdet oder wenn der Fötus unheilbar krank oder schwer geschädigt ist. Das Gesetz enthielt außerdem Schutzmaßnahmen für schwangere Frauen, machte Vorgaben für einen besseren Zugang zu Verhütungsmitteln und führte Sexualerziehung in den Schulen ein. Ist keine Indikation gegeben und erfolgt dennoch eine Abtreibung, so können die Personen, die den Eingriff vorgenommen bzw. hierbei geholfen haben, mit Gefängnis bestraft werden. Der betroffenen Frau droht keine Haftstrafe; sie gilt aber als kriminell.
Im politischen Diskurs wurde dieses Gesetz als „Abtreibungskompromiss“ bezeichnet. Faktisch hatte die Kirche erfolgreich auf die Beschränkung hingewirkt. Die Bestimmungen zu Sexualerziehung und Verhütungsmitteln und die Tatsache, dass eine indizierte Abtreibung noch möglich war, missfielen der Kirche. Die polnische Bischofskonferenz sprach sich dagegen aus.29

Nach dieser Rechtsänderung haben feministische Gruppen und die polnische Linke mehrfach versucht, das Abtreibungsrecht wieder zu ändern – ohne Erfolg. 1994 debattierte der Sejm auf Betreiben einer Gruppe weiblicher Abgeordneter ein Gesetz, das für Frauen mit finanziellen Problemen die Möglichkeit einer Abtreibung eröffnet hätte. Das Parlament verabschiedete das Gesetz im Mai, aber Staatspräsident Lech Wałęsa legte im Juli ein Veto ein.30 Im Herbst 1996 verabschiedete der Sejm das „Gesetz über die Änderungen des Gesetzes über die Familienplanung, den Schutz des menschlichen Fötus und für Bedingungen der Akzeptanz der Schwangerschaft und über die Änderung einiger anderer Handlungen“.31 Das Gesetz führte eine soziale Indikation32 sich die schwangere Frau in schwierigen Lebensbedingungen oder in einer schwierigen persönlichen Situation befindet.“] ein. Doch das Verfassungsgericht kassierte das Gesetz im Mai 1997, so dass es beim Gesetz von 1993 und den restriktiven Bestimmungen blieb.
Doch auch die Abtreibungsgegner ließen nicht locker. Sie wollten weitere Beschränkungen. Im Jahre 2007 scheiterte im Sejm ein Gesetzesentwurf, der den rechtlichen Schutz des menschlichen Lebens ab Empfängnis in der Verfassung verankert hätte.33

Die Rolle der PiS
Die politischen Rahmenbedingungen änderten sich 2015, als die Partei „Recht und Gerechtigkeit“ („Prawo i Sprawiedliwość“, Abk. PiS) an die Regierung kam. Im jenem Jahr scheiterte das Gesetzesprojekt einer Pro-Life-Organisation, das ein absolutes Abtreibungsverbot vorsah. Im Frühjahr 2016 ließ die polnische Bischofskonferenz einen Hirtenbrief in allen Kirchen vorlesen und propagierte den unbedingten Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum Tode. PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński und die damalige Premierministerin Beata Szydło unterstützten diesen Aufruf. Die Organisation „Ordo Iuris“,34 die über 400.000 Unterschriften gesammelt hatte, brachte im Juli 2016 einen sog. Bürgergesetzentwurf mit dem Titel „Stop Aborcji“ (dt. Stoppt Abtreibungen) ins Parlament ein. Der Entwurf sah ein nahezu totales Abtreibungsverbot vor. Eine legale Abtreibung wäre nur noch möglich gewesen, wenn das Leben der Frau gefährdet ist. Außerdem sah der Gesetzesentwurf Gefängnisstrafen für Ärzte und betroffene Frauen vor, die eine Abtreibung vornehmen lassen; sie riskierten fünf Jahre Gefängnis.
Gegen diesen Entwurf formierte sich breiter Widerstand. Abtreibungsbefürworter initiierten das Projekt „Ratujmy Kobiety“ (dt. Rettet die Frauen) und reichten den Bürgergesetzentwurf im August 2016 beim Sejm ein. Dieser Entwurf sah eine Fristenlösung (12-Wochenfrist) und Maßnahmen zum Empfängnisschutz und zur Sexualerziehung vor. Die Initiatoren konnten über 200.000 Unterschriften sammeln.
Der Sejm war im September 2016 mit beiden Gesetzesentwürfen befasst. Den Entwurf für ein Abtreibungsverbot verwiesen die Abgeordneten mehrheitlich an den entsprechenden Parlamentsausschuss zur Überarbeitung; den Entwurf für eine Fristenlösung lehnten sie ab. Das polnische Episkopat begrüßte die Parlamentsentscheidung tags darauf und bekräftigte seine Haltung, dass jedes menschliche Leben schützenswert ist. Eine Bestrafung der Frauen, die abtreiben, lehnte die Kirche jedoch ab.
In den folgenden Tagen kam es in mehreren Großstädten35 zu Protestaktionen gegen diese Entscheidung und gegen das Projekt „Stoppt Abtreibung“. Am sog. „Schwarzen Montag“ gingen etwa 100.000 Menschen36 auf die Straße. Zum „Czarny Protest“ (dt. schwarzer Protest) hatte die Organisation Allpolnischer Frauenstreik (Ogólnopolski Strajk Kobiet) aufgerufen, die von der Juristin Marta Lempart gegründet worden war. Das Hauptereignis war der landesweite Frauenstreik am 3. Oktober 2016 in Warschau, Krakau, Breslau, Danzig und Posen. Am 6. Oktober lehnte das polnische Parlament mehrheitlich die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes ab.37 Die PiS-Partei hatte aufgrund des gesellschaftlichen Protests einlenken müssen; das Gesetz war gescheitert.

Die aktuelle Rechtslage
Doch der Kampf um das Abtreibungsrecht ging alsbald in eine neue Runde. Die Befürworter lancierten im Oktober 2017 einen Gesetzesentwurf unter dem Titel „Ratujmy Kobiety 2017“ (dt. Rettet die Frauen 2017). Er sah eine Fristenlösung vor und wurde von 400.000 Personen unterzeichnet. Die Gegner legten dem Sejm im November 2017 einen Gesetzesentwurf „Stop Abortji“ (Stoppt Abtreibung) vor, der die Streichung der embryopathischen Indikation vorsah. Hierfür hatten die Aktivisten über 800.000 Unterschriften gesammelt. Das Parlament war am 10. Januar 2018 in erster Lesung mit beiden Gesetzesentwürfen befasst und entschied ähnlich wie im Jahre 2016: Den Entwurf für eine Fristenlösung lehnte die Mehrheit der Abgeordneten ab; den Entwurf „Stop Abortji“ leiteten die Abgeordneten an den zuständigen Ausschuss weiter, wo er zunächst verblieb.
Am 22. Oktober 2020 kam das Verfassungsgericht38 zu dem Schluss, dass das Gesetz von 1993 „eugenische Praktiken“ legalisiere und daher nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar ist.39 Zwei der 13 Richter gaben eine abweichende Meinung ab. Unmittelbar danach kam es zu massiven landesweiten Protesten, die die Regierung dazu veranlassten, die Veröffentlichung der Entscheidung im Gesetzesblatt hinauszuzögern. So konnte das Urteil zunächst nicht rechtskräftig werden. Als sich die Lage im Lande wieder beruhigt hatte, kam es am 27. Januar 2021 zur besagten Veröffentlichung.40 Die Rechtsfolge des Urteils ist eindeutig: Eine Abtreibung aus embryopathischen Gründen ist jetzt nicht mehr erlaubt.

2.2. Rechtswirklichkeit

Die polnischen Behörden verweisen auf einige Hundert legale Abbrüche pro Jahr und betonen die Wirksamkeit des Gesetzes. Doch die Realität ist ganz anders. Die Verschärfung des Abtreibungsrechts 1993 und 2020 hatte für polnische Frauen unmittelbare Folgen. Jenen, die ungewollt schwanger sind, bleibt als Ausweg nur eine illegale Abtreibung im In- oder Ausland. Eine wirkliche Wahlfreiheit haben die Frauen jedoch nicht, denn sie brauchen dafür ‚das nötige Kleingeld‘. Tatsache ist, dass es, ungeachtet des Verbots, jährlich zu 60.000 bis 120.000 Abtreibungen kommt.41

Abtreibungen im Inland
In Ländern, wo Schwangerschaftsabbrüche nicht oder nur ausnahmsweise möglich sind, werden illegale Abtreibungen von medizinisch geschultem Personal (z.B. Ärzten) oder Laien vorgenommen. Auch in Polen gibt es einen solchen Abtreibungsuntergrund. Für einen illegalen Eingriff müssen Frauen beträchtliche Geldbeträge zahlen und nehmen häufig Risiken für Leib und Leben in Kauf. Doch diese Rechtslage ist für bestimmte Personen durchaus lukrativ. Die Ärzteschaft hatte sich im Vorfeld des besagten „Abtreibungskompromisses“ nicht geäußert. Im Gegenteil, etliche Ärzte hatten begonnen, illegale Abtreibungen anzubieten42 und entsprechende Anzeigen zu schalten. Eine illegale Abtreibung kostet in Polen derzeit etwa 500 bis 4.000 Zloty.43
Hier kommt es zu einem Stadt-Land-Unterschied. In größeren Städten ist es für Frauen kaum ein Problem, eine solche private Klinik oder Praxis zu finden. Die Stadt garantiert den Frauen eine gewisse Anonymität. In kleinen Städten und Dörfern ist die Situation ganz anders. Dort kennt man sich. Die Gefahr, dass die Handlung und die betroffene Frau bekannt werden könnten, ist viel größer. Allerdings können gerade diese Frauen häufig nicht das Geld aufbringen, um eine Abtreibung in einer größeren Stadt vornehmen zu lassen.44 Eine Verschärfung des Abtreibungsrechts wie im Oktober 2020 geschehen, wird die Nachfrage sehr wahrscheinlich erhöhen.

Abtreibungen im Ausland
Polen war ab Ende der 1960er Jahre ein Zielland für abtreibungswillige Frauen, vor allem aus Schweden. Mittlerweile verläuft die Zielroute umgekehrt. Seit 1993 begeben sich Polinnen nach Schweden, vorausgesetzt sie können das nötige Geld aufbringen. Weitere Zielländer sind Deutschland45 und Österreich sowie Tschechien, Slowakei, Bulgarien und Weißrussland.
Im Ausland gibt es etliche nichtstaatliche Organisationen, die Kontakte zu Kliniken und niedergelassenen Ärzten pflegen, um ungewollt schwangeren Frauen aus Polen zu helfen. In Deutschland sind es beispielsweise die Gruppen „Ciocia Basia“ (dt. Tante Barbara) und „Dziewuchy“ (dt. Mädchen), die gerade nach der jüngsten Gesetzesverschärfung mit Anfragen überflutet werden. Sie organisieren die Unterkunft, vermitteln an eine Gynäkologin, die bereit ist, den Abbruch vorzunehmen und übernehmen hierfür (anteilig) die Kosten. Ist die 12-Wochen-Frist überschritten, fahren Polinnen in die Niederlande, nach Großbritannien, Spanien oder Belgien, wo Spätabtreibungen bis zur 22. SSW möglich sind. Diese Abtreibungsreisen können sich aber nur Frauen leisten, die entsprechende Einkünfte oder Ersparnisse haben. Allerdings kam die Verschärfung des Abtreibungsrechts in der Corona-Krise für betroffene Frauen insgesamt denkbar ungünstig, denn durch Reisebeschränkungen ist der (Aus)Weg zum Ausland zeitweise verhindert.46

Verweigerter Zugang zu legalen Abtreibungen
Nach geltendem Recht ist ein legaler Schwangerschaftsabbruch nunmehr nur noch im Falle einer medizinischen und einer kriminologischen Indikation möglich. Problematisch ist, dass eine berechtigte Abtreibung im Sinne des Gesetzes nicht immer erfolgt. Eines der Probleme ist, dass rechtlich mögliche Indikationsstellungen verweigert werden. Das zeigt der Fall „Alicja Tysiąc“.
Im Jahre 2000 stellte die zweifache Mutter eine erneute Schwangerschaft fest. Doch Tysiąc litt damals bereits an einer sehr bedrohlichen Augenerkrankung. Nach der Geburt hatte sich ihre Sehkraft massiv weiter verschlechtert; nur eine Notoperation verhinderte ihre sofortige Erblindung. Wenig später wurde sie als behinderte Person eingestuft; sie ist nicht arbeitsfähig und wird zeitlebens auf Hilfe anderer Personen angewiesen sein. Tatsache ist, dass Ärzte festgestellt hatten, dass die Fortsetzung der Schwangerschaft eine Gefahr für die Gesundheit der Frau (Gefahr der Erblindung) impliziert. Aber kein Arzt wollte schriftlich bestätigen, dass aufgrund dieser Gesundheitsgefährdung eine Abtreibung indiziert ist.
Im Januar 2003 klagte Alicja Tysiąc vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegen Polen. Die Richter des EGMR schlussfolgerten, dass der Zugang zu einer Abtreibung aus medizinischen Gründen nicht gegeben war und führten dies auf unklare Verfahrensabläufe und Bestimmungen für einen legalen Schwangerschaftsabbruch zurück. Ärzte wüssten oft nicht genau, unter welchen Voraussetzungen sie einer Abtreibung zuzustimmen hätten bzw. wann sie diese abzulehnen hätten.47 Das Gericht urteilte am 20. März 2007, dass Polen Art. 8 der EMRK verletzt habe, weil der Staat seinen positiven Verpflichtungen nicht nachgekommen war, um Alicja Tysiąc die wirksame Achtung ihres Privatlebens zu sichern. Die Richter verurteilten Polen dazu, der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 25.000 Euro sowie 14.000 Euro für Gerichts- und Anwaltskosten zu zahlen.48
Nach dem Verfahren hat Alicja Tysiąc Hass und Anfeindungen von bekannten und unbekannten Personen zu spüren bekommen. Sie wurde als „Mörderin“ bezeichnet, weil sie nicht nur eine Abtreibung wollte, sondern darüber noch öffentlich sprach und sogar den Staat Polen verklagt hat. Auch ihre Kinder wurden in Schule und Freizeit belästigt und diffamiert. Mittlerweile trägt sie eine Brille mit 27 Dioptrin, und es besteht noch immer die Gefahr der vollständigen Erblindung. Aber sie hat das damalige Verfahren und den Schritt an die Öffentlichkeit in keiner Weise bereut.49

Ein anderes Problem ist, dass Abtreibungen trotz des Vorliegens einer Indikation verweigert werden. So war im Fall „Agata“ 2012 eine indizierte Abtreibung buchstäblich erst in letzter Minute gelungen, nachdem das betroffene Mädchen (und ihre Mutter) einen wahren Spießrutenlauf durch ganz Polen hatten überwinden müssen. Die 14-jährige Agata war nach einer Vergewaltigung schwanger. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Lublin stellte das entsprechende Attest aus, das für eine legale Abtreibung nötig ist. Doch keine Klinik, kein Arzt wollte den Eingriff vornehmen. Hingegen kontaktierte ein Gynäkologe einen Priester, der dem Mädchen ins Gewissen redete. Auch in Warschau fand sich keine Klinik, die den Abbruch vornehmen wollte. Stattdessen kam die Teenagerin auf Betreiben von Pro Life-Aktivisten und nach Entscheidung des Lubliner Familiengerichts vorübergehend in ein Fürsorgeheim für Minderjährige, wo nochmals Priester und Psychologen auf das Mädchen einredeten und sie von ihrer Entscheidung abbringen wollten. Parallel dazu lief ein Verfahren, das darauf abzielte, der Mutter das Sorgerecht zu entziehen, weil sie ihre Tochter zur Abtreibung zwingen würde. Erst nach einer Beschwerde beim Warschauer Gesundheitsministerium konnte Agata abtreiben lassen – im 500 km entfernten Danzig und einen Tag vor Fristablauf.50
Auch Agata und ihre Mutter klagten vor dem EGMR. Die Straßburger Richter stellten im Oktober 2012 fest, dass Polen Art. 8, Art. 5 Abs. 1 und Art. 3 der EMRK verletzt hatte. Die staatlichen Instanzen hatten Agata durch Verzögerungstaktik daran gehindert, das ihr zustehende Recht auf eine Abtreibung durchzusetzen. Es fehlte eine angemessene und objektive Beratung. Agata wurde unter Verstoß von Art. 5 Abs. 1 von ihrer Mutter getrennt und der Freiheit beraubt. Die Behandlung von Agata durch die Behörden führte zu einem Leiden in Mindestschwere i.S.v. Art. 3 EMRK.51 Das Gericht verurteilte Polen zur Zahlung von 45.000 Euro Entschädigung und 16.000 Euro Prozesskosten.52

Die Gewissensklausel als Hindernis
Viele Ärzte berufen sich auf ihr Gewissen, um eine berechtigte Abtreibung zu verweigern. Auch Krankenhausleitungen verweigern häufig legale Abtreibungen mit Verweis auf die Gewissensklausel, was dann häufig für die dort angestellten Ärzte gilt. Sie berufen sich dabei auf die Gewissensklausel in Art. 39 des Arzt- und Zahnarztberufsgesetzes,53 – Zawody lekarza i lekarza dentysty. Art. 39, Gewissensklausel für Ärzte und Zahnärzte. ] wonach Ärzte keine Gesundheitsdienste erbringen müssen, die nicht mit ihrem Gewissen zu vereinbaren sind. Ärzte sind aber nach dem Wortlaut des Gesetzes verpflichtet, Patienten an einen anderen Arzt zu verweisen, der eine legale Abtreibung vornimmt. Diese Pflicht zur Weiterverweisung hat das polnische Verfassungsgericht 2015 für verfassungswidrig erklärt. Infolgedessen weigern sich viele Ärzte, Frauen die nötigen Informationen zu geben, so dass es immer schwieriger wird, eine Abtreibungsmöglichkeit zu finden. Über 3.000 katholische Ärzte und Medizinstudenten haben 2014 eine «Glaubenserklärung über menschliche Sexualität und Fruchtbarkeit»54 unterzeichnet und sich dem Lebensschutz ab der Empfängnis verpflichtet.55 Mittlerweile gibt es ganze Regionen, in denen Frauen von ihrem Recht auf legale Abtreibung nicht Gebrauch machen können.

Verhinderung von Verhütung
Durch Verhütungsmittel ließen sich ungewollte Schwangerschaften verhindern. Das Gesetz von 1993 sieht einen besseren Zugang zu Verhütungsmitteln vor – doch die Umsetzung dieser Vorgabe ist bislang kaum erfolgt. Verhütungsmittel sind vor allem für sozial schwache Frauen und Mädchen kaum erschwinglich.56 Mit Verweis auf die Gewissensklausel weigern sich Ärzte, ein Rezept für ein Verhütungsmittel auszustellen. Wiederholt wurde auch von Fällen berichtet, dass Apotheker den Verkauf von Verhütungsmitteln abgelehnt haben und sich auf die Gewissensklausel beriefen, die eigentlich für Ärzte gilt.
Die konservative PiS-Regierung hat dies mittlerweile gesetzlich abgesichert: Seit Oktober 2020 ist eine neue Regelung in Kraft. Danach können Apotheker den Verkauf von Arzneien verweigern, wenn diese potenziell das Leben der Menschen gefährden könnten. Vielfach ist nun zu hören, dass die Pille sehr hohe Hormonwerte habe, die sich auf die Gesundheit negativ auswirken könnten. Die ‚Pille danach‘, ein sog. Notfallverhütungsmittel, ist besonders schwer zu bekommen. Seit einer Gesetzesänderung im Jahre 2017 ist diese Pille (wie alle Pillen zur Verhütung) verschreibungspflichtig.57 Minderjährige brauchen die Einwilligung der Eltern, was den Zugang zu Verhütungsmitteln für Mädchen weiter erschwert. Der unzureichende Zugang ist insbesondere für Frauen und Mädchen im ländlichen Raum ein Problem, denn dort gibt es nur einen oder wenige Ärzte, die Verhütungsmittel verschreiben könnten. Und es gibt auch viel weniger Apotheken als in einer größeren Stadt.

Verhinderung sexueller Aufklärung
Das Gesetz von 1993 sieht zwar Sexualerziehung in den Schulen vor, aber de facto findet diese nur selten statt. Die polnischen Schulen vermitteln kein verlässliches Wissen über Sexualität, Verhütungsmethoden, sexuell übertragbare Krankheiten etc. Hingegen gibt es ein Fach „Lebensführung“, in dem konservativ-katholische Werte vermittelt werden.

2.3. Akteure für bzw. wider die Verschärfung des Rechts

Polen ist im Hinblick auf das Abtreibungsrecht ein tief gespaltenes Land. Die Katholische Kirche ist wichtigster Akteur im Lager der Lebensschützer und hat bis heute großen Einfluss auf das Leben vieler Polen. Die PiS-Partei ist ein verlässlicher Bündnispartner der Kirche und vertritt konservativ-klerikale Wertevorstellungen.
Seit 2005 bündelt die „Stiftung Pro – das Recht auf Leben“ (Fundacja Pro – prawo do życia) die Anti-Abtreibungsanstrengungen und lancierte die Kampagnen „Stop Abortji“ in den Jahren 2011, 2013, 2016 und 2019 sowie die Kampagne „Stop Pedofilii“ (s.o.). Bei den Kampagnen sollen großformatige Schockfotos stark negative Emotionen auslösen und eine ablehnende Haltung gegenüber Abtreibung verstärken bzw. hervorrufen. So sind z.B. Hitler-Konterfeis mit toten Föten und viel Blut abgebildet. Der Rückbezug auf die Hitlerherrschaft ist gewollt, denn im kollektiven Gedächtnis der Polen verbindet sich damit Tod und Leid. Genau hier setzen Abtreibungsgegner an: sie setzen Abtreibung und Massenmord gleich. Die riesigen Plakate finden sich in Städten und Dörfern, vor allem vor Krankenhäusern, Schulen und Kirchen.

Die Pro-Choice-Anhänger verlangen für Frauen ein Recht auf freie selbstbestimmte Entscheidung über Sexualität und Mutterschaft. Erst im Zuge der wiederholten Kampagnen haben sich Aktionsgruppen gebildet, die gegen eine weitere Verschärfung der Gesetze mobilisierten und protestierten. Die Juristin Marta Lempart gründete 2016 die polenweite Frauenstreik-Bewegung (Ogólnopolski Strajk Kobiet) und brachte Tausende Menschen auf die Straße. Den Protestaufrufen folgten Frauen und Männer auch 2018, vor allem in polnischen Großstädten. Der Frauenstreik (strajk kobiet) von 2020 war sogar noch breiter angelegt; Kundgebungen fanden nun im ganzen Land statt, sogar in etlichen Kleinstädten. Es gab sogar Proteste in Kirchen. Auch das war ein Novum.58
Diese Proteste sind der nationalkonservativen Regierung ein Dorn im Auge. Die Warschauer Staatsanwaltschaft bereitet derzeit die Anklage von Maria Lempart vor, weil sie mit ihrem Protestaufruf in Zeiten der Corona-Pandemie Menschenleben gefährdet hätte. Die Frauenaktivistin soll überdies einen Polizisten beleidigt, der Verwüstung in Kirchen zugestimmt und Gottesdienste behindert haben. Ihr drohen bis zu acht Jahren Gefängnis.

Die Auseinandersetzungen um reproduktive Rechte (Abtreibung, Sexualerziehung und Verhütung) dauern mittlerweile seit Jahren an. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Doch eines ist klar: Das Land hat unter der PiS-Regierung einen Kurs eingeschlagen, der sich immer weiter von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie entfernt. In Polen geht es längst nicht mehr nur um die Freiheitsrechte von Frauen.

Hinweis der Redaktion:
Zur Situation in Frankreich siehe Sylvia Cleff Le Divellec: Gesundheitsrechtlicher Zugang zum Schwangerschaftsabbruch am BeispielFrankreich in STREIT 3/2019, S. 99 ff.; zur Lage in Deutschland siehe Sonja Marzock: Versorgung mit der Dienstleistung Schwangerschaftsabbruch in Deutschland – Statistische Leerstellen und Handlungsbedarfe in STREIT 3/2019, S. 103 ff., sowie Laura Klein, Friederike Wapler: Reproduktive Gesundheit und Rechte in STREIT 3/2019, S. 108 ff. und Hessisches Ministerium des Inneren und für Sport – Erlass vom 20.08.2019: Handreichung zur Lösung von Konfliktfällen vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, Arztpraxen und Kliniken in STREIT 3/2019, S. 107.

  1. Vgl. Vera Skalts / Magna Norgaard: Abortion Legislation in Denmark, in: Case Western Reserve Law Review, 1965, Vol. 17, Nr. 2, S. 502 f. (498-528). Vgl. Katarina Lindahl, Die schwedischen Erfahrungen mit legalem und unter medizinisch sicheren Bedingungen durchgeführtem Schwangerschaftsabbruch und Prävention, in: Dokumentation der Enquete – Rahmenbedingungen und Erfahrungswerte zum Schwangerschaftsabbruch aus europäischer Sicht, 2001, S. 27 ff., Zugriff am 11.1.2021 unter: http://abtreibung.at/wp-content/uploads/2009/04/abbruch_in_eu.pdf.
  2. Schätzungen zufolge gab es Anfang der 1950er Jahre bis zu 300.000 illegale Abbrüche jährlich. Vgl. Agnieszka Kościańska: Humanae Vitae, Birth Control and the Forgotten History of the Catholic church in Poland, in: Alana Harris: The Schism of ‘68. Catholicism, Contraception and ‘Humanae Vitae’ in Europe, 1945-1975, Basingstoke, 2018, S. 187 ff. (187-208).
  3. Vgl. Wanda Nowicka, The Struggle for Abortion Rights in Poland, in: Richard Parker / Rosalind Petchesky / Robert Sember (Hrsg.), SexPolitics, Reports from the Front Lines, Rio de Janeiro, 2007, S. 169 (167-196).
  4. Poln. Ustawa z dnia 27 kwietnia 1956 r. o warunkach dopuszczalności przerywania ciąży).
  5. „trudne warunki życiowe kobiety ciężarnej“ (Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 b) des Gesetzes).
  6. Vgl. Ulrich Wolff: Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Sicht: Legal oder illegal, Berlin, 1973, S. 49 ff.
  7. Vgl. Violeta V. Stoyanova / Jan H. Richardus: Induced abortions in Bulgaria, Trends during the period 1986-1996, in: European Journal of Public Health, 1999, Vol. 9, Nr. 3, S. 224 (223-228).
  8. Vgl. Henry P. David / Nicholas H. Wright: Abortion Legislation. The Romanian Experience, in: Studies in Family Planning, 1971, Vol. 2, Nr. 10, S. 1 ff. (205-210). Andreea Mihaela Niță / Cristina Ilie Gogas: A research on abortion: ethics, legislation and socio-medical outcomes. Case study: Romania, in: Romanian Journal of Morphology & Embryology, 2020, Vol. 61, Nr. 1, S. 285 (283-294).
  9. Vgl. Ulrike Berg, Die Problematik der „eugenischen Indikation“ als Rechtfertigungsgrund i.S.v. § 218 a II StGB n.F., Gießen, 2003 (Diss.), S. 11.
  10. Vgl. Wanda Nowicka, a.a.O. Fn. 3, S. 167.
  11. In der Zeit von 1956 bis 1989 kam es jährlich zu 180.000 bis 300.000 Abtreibungen. Vgl. Wanda Nowicka: Struggles For and Against Legal Abortion in Poland, in: Barbara Klugman / Debbie Budlender: Advocating for Abortion Access: Eleven Country Studies, Johannesburg, 2001, S. 224 ff. (223-249).
  12. Stephan Raabe: Zur Korrektur eines Klischees: Abtreibung in Polen. Zahlen und Schätzungen, Warschau, 2007, S. 1, Zugriff am 4.4.2021 unter: www.kas.de/c/documentlibrary/getfile?uuid=4f2 70774-45bc-a804-cf3c-49183e68ca6f&groupId=252038.
  13. Vgl. Henry P. David / Anna Titkow: Abortion and Women’s Rights in Poland 1994, in: Studies in Family Planning, 1994, Vol. 25, Nr. 4, S. 239 (239-242).
  14. Sexualwissenschaftler hatten schon in den 1950er Jahren die Notwendigkeit einer systematischen und umfänglichen Sexualerziehung betont, doch wurde entsprechendes Wissen zunächst nur ansatzweise vermittelt.
  15. Vgl. Kateřina Lišková / Natalia Jarska / Gábor Szegedi: Sexuality and gender in school-based sex education in Czechoslovakia, Hungary and Poland in the 1970s and 1980s, in: The History of the Family, 2020, Vol. 25, Nr. 3, S. 551-559 (550-575).
  16. Vgl. Agnieszka Kościańska: Humanae Vitae, Birth Control and the Forgotten History of the Catholic church in Poland, in: Alana Harris: The Schism of ‘68. Catholicism, Contraception and ‘Humanae Vitae’ in Europe, 1945-1975, Basingstoke, 2018, S. 187 f. (187-208).
  17. Vgl. Dorota Szelewa: Killing ‘Unborn Children’? The Catholic Church and Abortion Law in Poland Since 1989, in: Social & Legal Studies, 2016, Vol. 25, Nr. 6, S. 747 (741-764).
  18. Vgl. Sabrina P. Ramet: The Catholic Church in Polish History. From 966 to the Present, New York, 2017, S. 145 ff.
  19. Siehe: Elizabeth Valkenier, The Catholic Church in Communist Poland, 1945-1955, in: The Review of Politics, 1956, Vol. 18, Nr. 3, S. 305 (305-326).
  20. Vgl. Agnieszka Kościańska, a.a.O. Fn. 16, S. 188 ff.
  21. Siehe auch: Wanda Nowicka, a.a.O. Fn. 3, S. 169 (167-196).
  22. Damit hatte Polen eine relativ liberale Abtreibungsregelung. Länder Westeuropas, die ähnlich katholisch geprägt waren (v.a. Irland, Portugal, Spanien), waren davon noch weit entfernt. Vgl. Agnieszka Kościańska, a.a.O. Fn. 16, S. 188 f.
  23. Vgl. Agnieszka Kościańska, a.a.O., Fn.16, S. 190.
  24. Vgl. Wanda Nowicka, 2001, a.a.O Fn. 3, S. 228.
  25. Vgl. Silvia De Zordo / Joanna Mishtal: Physicians and Abortion: Provision, Political Participation and Conflicts on the Ground – The Cases of Brazil and Poland, in: Women’s Health Issues, 2011, S. 533 (532-536).
  26. Vgl. Andrzej Kulczycki: Abortion Policy in Postcommunist Europe: The Conflict in Poland, in: Population and Development Review, 1995, Vol. 21, Nr. 3, S. 483 ff. (471-505).
  27. Siehe: Barbara Nowacka: Der Widerstand der Polinnen wächst, 28.9.2016, Zugriff am 10.4.2021 unter: www.zeit.de/kultur/ 2016-09/abtreibungsverbot-polen-proteste-10nach8. Vgl. Andrzej Kulczycki, a.a.O. Fn. 26, S. 484.
  28. Ustawa z dnia 7 stycznia 1993 r. o planowaniu rodziny, ochronie płodu ludzkiego i warunkach dopuszczalności przerywania ciąży. Dz.U. 1993 nr. 17 poz. 78, unter: http://isap.sejm.gov.pl/isap.nsf/.
  29. Vgl. Henry P. David / Anna Titkow, a.a.O. Fn.13, S. 239.
  30. Ebda., S. 241.
  31. Dz.U. 1996 nr. 139 poz. 646, Link unter: http://isap.sejm.gov.pl/isap.nsf/.
  32. Art. 4a. 4): „[…
  33. Gesetzesentwurf vom 5. September 2006, Zugriff am 5.4.2021 unter: http://orka.sejm.gov.pl/Druki5ka.nsf/0/79EB9DAFA9F 1849FC12571F60033806C/$file/993.pdf.
  34. Siehe: https://en.ordoiuris.pl/life-protection.
  35. Neben Warschau gab es Proteste in Breslau, Krakau, Posen, Łódź, Słubice und Stettin.
  36. Vgl. Gert Röhrborn: Schwarze Regenschirme, weiße Kittel und die Abtreibungsfrage in Polen, 11.10.2016, Zugriff am 11.11.2020 unter www.gwi-boell.de/.
  37. Zuvor – am 5. Oktober 2016 – hatte der parlamentarische Ausschuss dem Sejm empfohlen, das Gesetz abzulehnen.
  38. Urteil des Verfassungsgerichts vom 22. Oktober 2020 (­Wyrok z dnia 22 października 2020 r. sygn. akt K 1/20), Zugriff am 13.4.2021 unter: https://ipo.trybunal.gov.pl/ipo/Sprawa?cid=2&do­kument=20­3 59&sprawa=22412; https://trybunal.gov.pl/s/k-1-20.
  39. Das Prüfverfahren vor dem obersten Gericht hatte eine Gruppe von Sejm-Abgeordneten initiiert, so dass eine parlamentarische Debatte gar nicht erst stattfinden konnte.
  40. Veröffentlichung des Urteils des Verfassungsgerichts vom 27.1.2021 im Gesetzesblatt, Dz.U. 2021 poz. 175, Zugriff am 5.4.2021 unter: http://isap.sejm.gov.pl/isap.nsf/.
  41. Stephan Raabe, a.a.O. Fn. 12, S. 2; MDR-online, Null Toleranz für Schwangerschaftsabbruch, 22.9.2016, Zugriff am 13.4.2021 unter: www.mdr.de/heute-im-osten/abtreibung-polen-100.html.
  42. Vgl. Silvia De Zordo / Joanna Mishtal, a.a.O. Fn. 25, S. 533.
  43. Ausführlicher zur Kommerzialisierung der Abtreibungen: Agata Chelstowska: Stigmatisation and commercialisation of abortion services in Poland: turning sin into gold, in: Reproductive ­Health Matters, 2011, Vol. 19, Nr. 37, S. 102 ff. (98-106).
  44. Vgl. Wanda Nowicka, a.a.O Fn. 11, S. 227.
  45. Vgl. Arkadiusz Luba: Polinnen suchen Hilfe in deutschen Kliniken, 17.6.2016, Zugriff am 2.2.2021 unter: www.deutschlandfunkkultur.de/zur-abtreibung-nach-brandenburg-polinnen-suchen-hilfe-in.1001.de.html?dram:article_id=357354
  46. www.jetzt.de/gesundheit/wie-werden-schangerschaftsabbrueche-vom-coronavirus-beeinflusst; Ärzteblatt: Sorge um Zugang für Frauen zu Verhütung, 7.5.2020, Zugriff am 13.4.2021 unter: www.aerzteblatt.de/nachrichten/112684/Sorge-um-Zugang-fuer-Frauen-zu-Verhuetung.
  47. Urteil des EGMR am 20.3.2007, Tysiąc v. Poland, Nr. 5410/03, Rn. 114 ff.
  48. Ebd., Entscheidungsgründe Nr. 3 und 6.
  49. Dorota Masłowska: Ein Einschreiben von Gott, 17.4.2007, Zugriff am 27.4.2021 unter www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/der-fall-alicja-tysi-c-ein-einschreiben-von-gott-1438068.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2. Magdalena Karst-Adamczyk: Alicja Tysiąc: Jestem wrakiem człowieka. Moje dzieci i ja przeżyliśmy piekło, 11.2.2021, Zugriff am 27.4.2021 unter www.wysokieobcasy.pl/wysokie-obcasy/7,1 63229,26776239,alicja-tysiac-jestem-wrakiem-czlowieka-moje-dzieci-i-ja-przezylismy.html?disableRedirects=true.
  50. Vgl. Gabriele Lesser: Lebensschützer und der „Fall Agata“, 31.10.2012, Zugriff am 4.4.2021 unter: https://taz.de/Abtreibungsverbot-in-Polen/!5080530/.
  51. Urteil des EGMR vom 30.10.2012, P. and S. v. Poland, Nr. 57375/08, Rn. 108, 167-169 sowie Entscheidungsgründe Nr. 4 bis 7.
  52. Ebd. Entscheidungsgründe Nr. 4 bis 7.
  53. Art. 39. – [Klauzula sumienia
  54. „Deklaracji Wiary lekarzy katolickich i studentów medycyny w przedmiocie płciowości i płodności ludzkiej“.
  55. Die Erklärung beginnt wie folgt: „Nam – lekarzom – powierzono strzec życie ludzkie od jego początku.“ (dt. Wir – Ärzte – sind beauftragt, das menschliche Leben von Anfang an zu schützen.).
  56. Vgl. Ines Thonke, Kosten erschweren Zugang zu Verhütung, in: pro familia Magazin, 2011, Nr. 3, S. 13 f., unter: www.profamilia.de/fileadmin/publikationen/Magazin/2011/Verhuetungskos­tenpfm3_2011.pdf.
  57. Ärzteblatt: Polen schränkt Zugang zu „Pille danach“ ein, 27.6.2017, Zugriff am 10.4.2021 unter: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/76581/Polen-schraenkt-Zugang-zu-Pille-danach-ein.
  58. Vgl. Patricia Hecht: Polen ist nah, 9.11.2020, Zugriff am 11.11.2020 unter https://taz.de/Abtreibungsverbot-im-Nachbarland/!5724166/.