STREIT 1/2015
S. 45
Regine Dubler-Baretta, Barbara Fischer: Von der Rechtsstellung des Embryo und der Selbstbestimmung der Frau
Bericht von der 2. Tagung der AG Gen-und Reproduktionstechnologien vom 12.-14.06.1987 in Saarbrücken
(Auszug aus STREIT 1/88, S. 32)
(…) Als wir die Planungen für ein Embryonenschutzgesetz und eine Neuregelung des Adoptionsvermittlungsgesetzes vorstellten, entzündete sich das Gespräch an der Bewertung des „Baby-M-Urteils“ einerseits, des Verhaltens der „Mietmutter“ andererseits und zentrierte sich im Folgenden um das Thema „Das Kind als Ware“. Als Ergebnis ist dabei festzuhalten, daß die dänischen Teilnehmerinnen zu recht darauf insistierten, daß das Auftreten des Kinderhandels schon früh in der Geschichte anzusetzen ist, wobei dieser allerdings im Laufe des 20. Jhds. u.a. durch die Adoptionsgesetze zunehmend staatlicher Kontrolle unterworfen wurde. Dabei hat sich das Wesen des Kinderhandels auch inhaltlich verändert. Während in früheren Zeiten Probleme der Erbfolge geregelt oder Arbeitskräfte eingekauft werden sollten, stellen heute Kinder – adoptierte wie auch die in einer „Mietmutter“ ausgetragenen und die in einer Retorte produzierten – Luxusobjekte zur Regelung psychischer Defizite dar.
Um die inhaltlich und technologisch veränderten Bedingungen des Kinderhandels auch rechtlich erfassen zu können, muß zunächst die Trennung von Mutter und Kind manifestiert werden, um diese dann auf den Zeitraum vor der Geburt vorzuverlagern (also eine rechtstechnische Trennung von Mutter und Embryo herzustellen), da nur Ware sein kann, was vom Menschen getrennt worden ist. Zwar kann bei dem derzeitigen Stand der technischen Entwicklung ein Kind nicht gänzlich in der Retorte hergestellt werden, ideologisch wird dies jedoch durch die Propagierung der embryozentrierten Sichtweise vorweggenommen. So wird die Mutter zum „natürlichen“ Reagenzglas – oder, in der Ausdrucksweise der Menschenzüchter, zur „biologischen Umgebung des Embryo“! (…)
Wir stellten uns die Frage, wie es mit unserer Beteiligung an diesen Reproduktionstechnologien aussieht und wie weit wir sie durch unsere eigenen Forderungen und Lebensvorstellungen vorantreiben. Als krasses Beispiel sei dazu die Juristin Lori B. Andrews aus den USA genannt, die unter der Devise „my body – my property“ („mein Körper – mein Eigentum“) die Aufteilung des Körpers in alle Einzelteile als Bestandteile des persönlichen Eigentums propagiert. (…) Dem setzten wir die (…) Feststellung entgegen, daß Mutter und Embryo untrennbar miteinander verbunden sind und der Embryo zu seinem Schutz der Qualifizierung als eigenes Rechtssubjekt nicht bedarf. 
Alle Teilnehmerinnen hatten jedoch auch das Bedürfnis klarzustellen, daß eine kritische, entmythologisierende Auseinandersetzung mit der Mutterschaft notwendig ist. So betonten die Teilnehmerinnen aus der Schweiz, daß es bei der Ablehnung der neuen Reproduktionstechnologien nicht darum gehen kann, eine konservative Rekonstruktion des klassischen Mutterbildes und vor aller der daraus resultierenden Frauenrolle vorzunehmen. (…)
Der zweite Teil der Tagung war (…) dem Thema Selbstbestimmung gewidmet. (…) Daraus ergab sich eine Problematisierung des Rechtes auf Selbstbestimmung (…). Da der Begriff Selbstbestimmungsrecht ein Machtverhältnis voraussetzt, innerhalb dessen dieses Recht von den „Mächtigen“ gefordert wird, stellt es das Machtverhältnis selbst nicht infrage. (…) Wir fragten uns daraufhin, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind (…). So fordern wir einerseits die Freiheit, (…) abtreiben zu können, als Ausdruck der Selbstbestimmung, die der vorherrschenden Fremdbestimmung entgegen steht. Die Inanspruchnahme der modernen Fortpflanzungstechnologien kann hingegen nicht Ausdruck weiblicher Selbstbestimmung sein, weil Frauen einen einklagbaren Anspruch auf ein staatliches Handeln, eine staatliche Leistung einfordern müßten. (…)