STREIT 1/2015

S. 44

Erinnerung an Agnete Weis-Bentzon

Anlässlich ihres 2. Todestages am 9.4.2015 möchten wir an Agnete Weis-Bentzon erinnern, die wir 1988 als unsere Autorin gewinnen konnten. Ihren damaligen Beitrag: „Die Entwicklung privater Rechtsetzung im Bereich der Reproduktionstechnologie“1 haben wir sehr gerne abgedruckt und möchten ihn auch nach über 25 Jahren immer noch zur Lektüre empfehlen.
Auf dem 15. Feministischen Juristinnentag in Hamburg im Mai 1989 hielt Agnete Weis-Bentzon am Freitagabend zusammen mit Kirsten Ketscher die Einführungsvorträge. Mit dem Titel: „Kompensatorisches Recht – müssen Frauen Vorteile erhalten?“ setzte sie sich kritisch mit Quotenforderungen auseinander, sofern sie dazu beitragen, Frauen an männliche Normen anzupassen.2
Prof. em. Dr. jur Agnete Weis-Bentzon, die am 12. 4. 1918 geboren wurde, war die erste promovierte dänische Juristin und die erste Rechtsprofessorin Dänemarks. Sie segelte Ende der 40iger Jahre mit einem Boot im Rahmen einer Feldforschung nach Grönland, um dort die Gewohnheitsrechte der grönländischen Bevölkerung insbesondere im Familien- und Strafrecht zu untersuchen. 1968 veröffentlichte sie die Ergebnisse ihrer Untersuchung in Grönland mit dem Titel: Die wirtschaftliche Verwaltung der Familie und Eigentumsrechte in der westlichen grönländischen Gesellschaft (Familiens økonomiske administration og ejendelenes tilhørsforhold i de vestgrønlandske samfund). Hiermit wurde sie im Jahre 1969 in Norwegen promoviert. Sie wurde 1974 an die Universität von Roskilde, an den Lehrstuhl der Rechtssoziologie berufen.3
Als emeritierte Professorin war Agnete Weis-Bent­zon im Kvinneret – Frauenrecht – an der rechtswissenschaftlichen Abteilung der Universität Kopenhagen engagiert und nahm im Rahmen eines Projekts zu Frauen und Recht in Südafrika – über 70 jährig – eine Gastprofessur in Harare/Tansania wahr.

Ich hatte das außerordentliche Glück, sie in den 80er Jahren mehrfach zu erleben und mit ihr auf Konferenzen diskutieren und zusammenarbeiten zu dürfen, z.B. auf der 2. Tagung der AG Gen- und Reproduktionstechnologie im Juni 1987 in Saarbrücken,4 bei welcher sie wesentlich dazu beitrug, einen kritischen Blick auf das Verständnis von Selbstbestimmung zu werfen, indem sie die Kategorien Freiheit und Würde der Frauen betonte. Ihre weite Sicht und ihre Ausführungen zur gesellschaftlichen Normentwicklung haben meine eigenen Ansätze in feministischen rechtheoretischen Fragen fraglos beeinflusst.
Ihre Überlegungen zum Spannungsfeld von individuellen und kollektiven Rechten in ihrem Wechselverhältnis zwischen formellem und informellem Recht gerade in der Beschreibung und Analyse des Einflusses westlicher Rechtsetzung in traditionellen Gesellschaften werden in aktuellen Diskussionen aufgegriffen, nicht zuletzt bei der Frage der Konfliktbewältigung in Nachkriegs- und Krisensituationen.5
Sie lebte auch noch im Alter in einem Wohnprojekt und förderte gesellschaftliche Diskussionen hin zu einem kollektiven, verantwortlichen Leben mit der Notwendigkeit eines freien und selbstbewussten Lebens für Frauen.
Ich bin außerordentlich dankbar, sie kennen gelernt zu haben.

  1. STREIT 88, 4-7.
  2. Ulrike Breil, Bericht vom 15. Feministischen Juristinnentag, Hamburg Mai 1989, STREIT 89,116-118.
  3. Agnete Weis Bentzon, biografi Dansk kvindebiografisk Leksikon, www.kvinfo.dk/side/170/bio/1534, Zugriff 11.3.2015.
  4. Regine Dubler-Baretta, Barbara Fischer, Von der Rechtsstellung des Embryos und der Selbstbestimmung der Frau, Bericht von der 2. Tagung der AG Gen- und Reproduktionstechnologie in Saarbrücken, STREIT 88, 30-32, siehe “Aus dem Archiv” im Anschluss.
  5. Hakan Hyden, Pioneers in Nordic Sociology of law, S 80ff, www.revistas.unilasalle.edu.br/index.php/redes Canoas, vol. 1, n. 1, nov. 2013; Rie Odgaard and Agnete Weis Bentzon, The Interplay between Collective Rights and Obligations and Individual Rights, European Journal of Development Research (1998) 10, 105–116.