STREIT 1/2015
S. 39-43
Buchbesprechung: Helen A. Castellanos, Christiane Hertkorn: Psychologische Sachverständigengutachten im Familienrecht
Nomos Verlag, Baden-Baden, 2014
Das vorliegende Buch möchte nach dem Vorwort der Autorinnen dazu beitragen, “das psychologische Vorgehen bei der Begutachtung transparenter zu machen“ und dafür die theoretischen Grundlagen und die Arbeitsweise psychologischer Sachverständiger skizzieren, des Weiteren die Qualitätskriterien beschreiben und hinterfragen, denen die Gutachten entsprechen sollten.
Die Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 27./28. September 2014 weist auf der ersten Seite auf einen Untersuchungsbericht der FernUniversität in Hagen hin, der bisher – jedenfalls zur Zeit der Abfassung dieser Besprechung – nur intern veröffentlicht wurde, allerdings wegen der Befunde über problematische Sachverständigengutachten in familiengerichtlichen Verfahren schon Thema in mehreren Regionalfernsehsendern war sowie in einer Besprechung im Bundesministerium der Justiz im Juli 2014 vorgestellt wurde. („Qualitätsstandards in der Familienrechtspsychologischen Begutachtung“, Projektverantwortliche Prof. Dr. Christel Salewski und Prof. Dr. Stefan Stürmer, zu beziehen über die FernUniversität Hagen). Die Untersuchung wertete 116 Gutachten aus, die an vier Amtsgerichten im Oberlandesgerichtsbezirk Hamm in den Jahren 2010 und 2011 in Auftrag gegeben worden waren, mit dem – erschreckenden – Ergebnis, dass nur eine Minderheit fachliche Qualitätsstandards erfüllte, wobei der Schwerpunkt der Analyse auf dem in den Gutachten dargelegten methodischen Vorgehen lag. 
Die Ergebnisse lauten zusammengefasst: In 56 % der Gutachten seien aus der gerichtlichen Fragestellung keine fachpsychologischen und den Begutachtungsprozess explizit leitenden Arbeitshypothesen (psychologische Fragen) herzuleiten. In der überwiegenden Zahl der Gutachten (85,5 %) werde die Auswahl der eingesetzten diagnostischen Verfahren nicht anhand der psychologischen Fragen begründet und in über einem Drittel der Gutachten erfolge die Datenerhebung ausschließlich über methodisch problematische Verfahren (unsystematische Gespräche, unsystematische Beobachtung, keine oder psychometrisch ungenügende projektive Tests/testähnliche Verfahren). Insgesamt hätten sich – je nach einzelnen zugrundeliegenden Kriterien – zwischen einem Drittel bis über 50 % der Gutachten als mangelhaft erwiesen.
Die beiden Autorinnen des zu besprechenden Buches heben hervor, dass Sachverständige dazu aufgerufen sind, kindeswohldienliche Empfehlungen zu erarbeiten, die Richterinnen und Richter in ihren Entscheidungen unterstützen. Ihnen ist bewusst, dass rechtsverbindliche Qualitätskriterien für die Erstellung von psychologischen Gutachten in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – bedauerlicherweise – nicht existieren. Es gibt lediglich ganz allgemeine fachlich verbindliche Richtlinien für die Erstellung psychologischer Gutachten der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen von 1994 (!) und deren Spezifizierung in der von den Autorinnen genannten einschlägigen Fachliteratur (Westhoff&Kluck, 2008 u. Salzgeber 2011). Das Problem bleibt, dass die Befolgung dieser Richtlinien mangels rechtlicher Vorgaben im Ermessen der einzelnen psychologischen Sachverständigen liegt und auch für die Familienrichter_innen – wie auch die anderen Verfahrensbeteiligten, Rechtsanwält_innen, Jugendamtsmitarbeiter_innen u.a. – fachlich nicht oder nur eingeschränkt nachvollziehbar ist. Darauf weist auch der Untersuchungsbericht der FernUniversität Hagen ausdrücklich und nachdrücklich hin, ebenso wie darauf, dass bedauerlicherweise im deutschsprachigen Raum kaum systematische Untersuchungen zum Thema psychologischer Gutachten an Familiengerichten vorliegen, ganz im Gegensatz zu Studien zur Qualität in anderen Rechtsbereichen (z.B. im Sexualstraftatenbereich, im Bericht mit Hinweisen versehen).
Die Autorinnen stellen im ersten Teil des Buches allgemeine Prinzipien bei der Durchführung von Sachverständigengutachten im familiengerichtlichen Verfahren vor mit dem Ziel, “die Richtlinien, Vorgehensweisen, Methoden und aktuellen Grundlagen der psychologischen Forschung darzustellen, um das Vorgehen von Sachverständigen im Rahmen der Begutachtung nachvollziehbar zu machen“. Adressat_innen sind dabei also alle Verfahrensbeteiligen, insbesondere die Richter_innen, selbstverständlich aber die Beteiligten der eigenen Profession, der psychologischen Sachverständigen, die die Autorinnen „füttern“ wollen.
Ihnen werden Rahmenbedingungen der Begutachtung und Qualitätskriterien von „Validität, Reliabilität, Objektivität und Replizierbarkeit“ benannt. Diese Kriterien werden allerdings leider m.E. nicht zureichend für die Wissbegierigen konkretisiert und erklärt und auch der Abschnitt über diagnostisches Vorgehen und psychodiagnostische Verfahren gerät m.E. zu kurz, erst recht nach dem Ergebnis des Hagener Berichts, der den Autorinnen bei Abfassung des Buches aber gewiss noch nicht bekannt sein konnte. Die Kürze und Vereinfachung mag jedoch daran liegen, dass die Autorinnen, wie sie selbst im Vorwort betonen, einen „Beitrag zur Vereinfachung von familiengerichtlichen Fragestellungen und insbesondere zur Unterstützung von Kindern leisten wollen, die familiären Krisen bestmöglich zu überstehen“. Sie haben demnach einen interventionistischen Ansatz, indem sie den Anspruch verfolgen, „neben der Klärung von Sachverhalten und der Erfassung entscheidungsrelevanter Kriterien (wie bspw. die familiären Bindungen und Beziehungen) durch eine ausführliche Reflexion zu einer Beruhigung der Probleme bei(zu)tragen“. Diesen lösungsorientierten Ansatz verfolgen sie konsequent, etwa in der Aufgabenstellung, Empfehlungen für Unterstützungsmaßnahmen, Interventionen oder Therapien zu benennen. Darin wiederum liegt ein Vorzug des Buches für alle beteiligten Professionen, der allerdings den Nachteil der erhofften detaillierten und kritischen Darlegung und Erklärung der Kriterien und Methoden psychologischer Sachverständigengutachten und deren Anwendung m.E. nicht ganz aufhebt.
Sie weisen zunächst auf die durch die richterliche Fragestellung gesetzten Grenzen ihres diagnostischen Vorgehens wie auch ihrer Aussagen und Schlussfolgerungen hin, wobei deren Überschreitung aus ethischer und rechtlicher Pflicht der Sachverständigen nur im Fall von akuter Kindeswohlgefährdung ausnahmsweise zugelassen sei.
Sodann strukturieren die Autorinnen die Grundlagen für ein qualitativ gutes Gutachten, das nicht nur eine entsprechende Fachkompetenz der Gutachter_innen voraussetzt, sondern das an den Kriterien sorgfältiger Datenerhebung und Gewichtung der erhobenen Daten anhand wissenschaftlicher Grundlagen, unter Einbezug möglichst vieler unterschiedlicher Datenquellen unter Berücksichtigung des Standes der psychologischen Forschung zu messen ist und das zudem durch die Nachvollziehbarkeit der Schlussfolgerungen in transparenter und verständlicher Darstellung überzeugen muss. Sie warnen vor Fehlern und Verzerrungen durch nicht hinterfragte Stereotype, implizite und durch persönliche Erfahrungen der Sachverständigen geprägte, jedoch nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Theorien und Urteilsheuristika sowie ungerechtfertigte Kausalannahmen, sprich Vermutungen und unzulässige Scheinbegründungen aus Alltagstheorien. Sie warnen – und das ist ausdrücklich positiv hervorzuheben – vor der Orientierung an den in der deutschen Mittelschicht herrschenden Bedingungen und Vorstellungen, heben die ständigen Veränderungen und Neudefinitionen von erzieherischen Normen und Erwartungen hervor, im gesellschaftlichen Wandel.
Sie verweisen, was in der Praxis aus meiner Erfahrung absolute Ausnahme ist, auf die Notwendigkeit schriftlicher Übersetzung von Gutachten bei Familien mit nicht-deutschem Hintergrund in die jeweilige Mutter-/Vatersprache, um den Beteiligten überhaupt eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Gutachten zu ermöglichen, das schließlich eine entscheidende Bedeutung hat und Lebensveränderung herbeiführen kann, wenn es Grundlage für richterliche Entscheidung wird.
Im Weiteren stellen sie die Grundlagen der psychologischen Begutachtung im familiengerichtlichen Verfahren dar und meinen damit eigentlich die zu bearbeitenden Faktoren. In der Reihenfolge stellen sie im Einzelnen dar: Zentrale Kriterien auf der Elternebene, die sich aus dem elterlichen Erziehungsauftrag ergeben, die physische Versorgung, die emotionale Versorgung und Erziehung, unter den Gesichtspunkten von Kompetenzen, insbesondere Einfühlungsvermögen und der Fähigkeit zur Förderung der Kinder in der körperlichen, kognitiven, sozialen und emotionalen Entwicklung, der Stärkung der Ressourcen und Potentiale und des Ausgleichs möglicher Defizite, also unter Berücksichtigung zentraler Kriterien auf der Kind-Ebene. Auch hier wäre wünschenswert gewesen eine ausführlichere und konkretere Darlegung der Kriterien unter Anwendung eines sozialpsychologischen Denkansatzes, den die Autorinnen nur kurz erwähnen, um so eine wichtige und neue Grundlage für die Betrachtung und Beurteilung von Veränderungen in Familiensystemen mit sich wandelnden Wertvorstellungen und Regeln zu schaffen. In der gesamten Veröffentlichung wäre eine Benennung oder gar Erörterung gesellschaftlicher oder gar geschlechtsspezifischer Strukturen und daraus sich ergebender Probleme oder nur Fragestellung für die interessierten Leserinnen – gerade dieser Zeitschrift – wünschenswert gewesen. 
Die Forderung und Erwartung der Autorinnen an Sachverständige nach Neutralität, Rationalität, Distanz ist wichtig und achtenswert und offenbar im Glauben und Vertrauen an und auf grundsätzliche Wertneutralität und Geschlechtsneutralität begründet, die als wertvolle Begriffe für die Autorinnen gelten, und daher Kompromisslösungen zum Ziel haben. Damit wird jedoch zum einen die Problematik negiert, ob es Wertneutralität überhaupt gibt, und zum anderen fehlt die Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass es nicht zu vereinbarende Konfliktlagen aus ganz verschiedenen Interessen- und Bedürfnislagen gibt, die jenseits individualpsychologischer Erkenntnis und Beurteilung liegen und ggf. einem Kompromiss nicht zugänglich sind.
Einen menschenrechtlichen Ansatz wählen die Autorinnen, wenn sie den Begriff des Kindeswohls als grundlegend für ihre gutachterliche Aufgabe benennen und den Begriff zu klären suchen, diesen unbestimmten Rechtsbegriff, der interpretationsfähig und -würdig ist und vielfältig über die Jahrzehnte seit seiner Wortfindung gefüllt worden ist, je nach Forschungs- und Anschauungsstand und nach Bedarf. Sie nehmen die UN-Kinderrechtskonvention von 1989 zur Grundlage und benennen dazu im Einzelnen die wesentlichen Aufgaben, die sich daraus ergeben, einschließlich des Ziels eines verantwortungsbewussten Lebens in einer freien Gesellschaft, des Friedens, der Toleranz, der Gleichberechtigung der Geschlechter u.a.m. Umso verwunderlicher ist dann die Folgerung der Autorinnen, dass es für ihr Vorgehen bei der im Rahmen familiengerichtlicher Auseinandersetzungen gestellten Frage nach dem Kindeswohl nur um „die familiären Rahmenbedingungen“ gehe, die ein Kind benötige, um sich gesund entwickeln zu können, womit sie diesen Begriff, entgegen dem Bezug auf die Kinderrechtskonvention, m.E. begrenzen. Kindeswohldienlich sei demnach, „was zu einer gesunden Entwicklung eines Kindes beitrage, zu einem zufriedenen, beziehungsfähigen und lebenstüchtigen Erwachsenen“ zu werden – wobei sie dabei die Notwendigkeit Halt-gebender, emotional verfügbarer Bezugspersonen eingrenzen auf Personen „möglichst beiderlei Geschlechts“ und den Begriff „Familie“ eingrenzen auf die klassische Form, ohne die heutige Vielfältigkeit einzubeziehen. Unbeachtet bleiben damit auch aktuelle Forschungsergebnisse zur Zufriedenheit von Kindern z.B. in Mutterfamilien.
Als nächstes beschäftigen sich die Autorinnen mit dem Kindeswillen, dem ebenfalls in der UN-Kinderrechtskonvention Bedeutung zugemessen wird. Dabei geht es um die Frage, wie dieser Wille festzustellen und zu deuten sei, insbesondere ob er eigenständig oder induziert sei im Zusammenhang von Bindungen und Beziehungen. Darüber hinaus müssen die dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes entsprechenden kognitiven Fähigkeiten und das Wollen und Können eines Kindes, in der gegebenen Zeit zur Entscheidung zu kommen, berücksichtigt werden. Schließlich ist zu prüfen, ob der geäußerte Wille des Kindes dem Kindswohl entgegenstehe und ob der zunehmende Trend, die geäußerten Wünsche des Kindes zum entscheidenden Maßstab für die gerichtlichen Entscheidungen zu machen, richtig sei.
In diesem Abschnitt streifen die Autorinnen die dafür erforderlichen Methoden, die Exploration des Kindes, das zielgerichtete diagnostische Gespräch, die Settings, die Orte – auch hier m.E. zu allgemein und zu wenig detailliert für die interessierten, lernbedürftigen Beteiligten. Auch fehlen mir der ausdrückliche und nachdrückliche Hinweis auf das Gebot vollständiger Dokumentation des Vorgehens und der angewandten Verfahren und der Hinweis auf die dem Mangel folgenden Fehlerquellen, die der Untersuchungsbericht der FernUniversität Hagen deutlich benennt.
Die Autorinnen benennen dann nachfolgend als die zur Beurteilung notwendigen Kriterien die Bindungen, Beziehungen und Bindungsmuster sowie die Bedeutung des Kontinuitätsaspektes, dem je nach Alter von Kindern unterschiedliches Gewicht beizumessen sei. Auch hierbei wird die Erwartung an das Erlangen von Detailkenntnissen leider nicht vollständig erfüllt. Diagnostisches Vorgehen und psychodiagnostische Verfahren werden auf sechs Seiten allgemein erläutert, unterschiedliche Untersuchungsverfahren gestreift, die Beiziehung und Handhabung von Fragebögen erwähnt (z.B. verschiedene Elternfragebögen, Fragebögen zur Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen, zur Risikoabschätzung von Kindesmisshandlung u.a.m.), sowie der Einsatz von verschiedenen Tests und projektiven Verfahren benannt, ohne sie im Einzelnen näher zu erklären, was nicht nur hilfreich, sondern m.E. wichtig wäre zur Beurteilung dieser Methoden.
Positiv ist, dass die Autorinnen durchaus die Fragwürdigkeit all dieser Methoden hervorheben, die die Gefahr in sich haben, dass es zu Fehlern durch Wahrnehmungsverzerrung aufgrund der subjektiven Beurteilung der Beobachterin/Begutachterin kommen könnte. Insbesondere die Testergebnisse würden keine diagnostische Aussage erlauben, da deren Interpretation besonderen psychologischen Sachverstandes bedürfe, weshalb die Interpretation von Ergebnissen von projektiven Verfahren vorsichtig erfolgen sollte und solche Tests durch normierte und standarisierte Verfahren ergänzt werden sollten. Und nicht zuletzt müsse sichergestellt sein, dass alle Verfahren ausschließlich durch die Untersuchungsperson und nicht durch Dritte bearbeitet würden, ein wichtiger Hinweis. Davon ausgenommen sind interdisziplinäre Gutachten, an denen verschiedene Professionen beteiligt sind, z.B. durch Beiziehung psychiatrischer Professionen, die mit richterlicher Erlaubnis oder zusätzlichem Auftrag beigezogen werden können bei bestimmten Fragestellungen, die die Autorinnen kurz beleuchten.
Es folgen hilfreiche Handlungsanweisungen für alle Verfahrensbeteiligten für die Beurteilung der Sorgerechtsregelung nach § 1671 BGB, § 1666 BGB und der Umgangsregelungen nach § 1684 BGB. Dabei bearbeiten sie auch die Kriterien für Sorgerechtsregelungen bei Trennung und Scheidung, die im engeren Sinn nicht psychologischer, sondern eher erziehungswissenschaftlicher Kompetenz zugehören, weshalb auch m.E. die Bestellung von Gutachter_innen dieser Professionen durch die Gerichte, wie zuweilen gehandhabt, durchaus begründet sein kann, was die Autorinnen allerdings nicht erwähnen. Insbesondere im Hinblick auf die Fälle mit sog. „kulturellem Hintergrund“, womit vermutlich Fälle mit Migrationshintergrund oder auch mit religiös geprägtem Hintergrund – die Autorinnen sprechen von „islamisch geprägten Strukturen“ – gemeint sind, wäre angesichts der zunehmenden Problemfälle vor den Familiengerichten die Frage nach interkultureller Kompetenz von Sachverständigen, auch der psychologischen Sachverständigen, zu stellen gewesen, sowie auch eine fachliche Kompetenz hinsichtlich der besonderen geschlechtsspezifischen Probleme.
Diesen Exkurs wieder verlassend, ist eine wichtige Entdramatisierung positiv hervorzuheben, die die Autorinnen vornehmen, indem sie nicht nur die Ergebnisse inzwischen vorliegender internationaler Studien benennen, wonach die Trennung von Eltern per se keinen nachhaltigen Risikofaktor für die kindliche Entwicklung darstelle und dass es kein „Trennungssyndrom“ gebe, sondern dass weitere Belastungsfaktoren hinzukommen müssten, die schädlich für Kinder seien. 
Ebenso legen sie sachlich die Varianten des Lebensmittelpunktes als Grundlage für die Varianten der elterlichen Sorge dar. Dabei benennen sie die möglichen Varianten, die zum einen auf der Berücksichtigung der jeweiligen Ressourcen der Eltern, der Bedürfnisse der Kinder und auf der „alltagspraktisch leichten Umsetzbarkeit“ basieren können, zum anderen jedoch im ungünstigen Fall auf einer Abwägung der Rechte beider Elternteile und einem subjektiven Verständnis von „Gerechtigkeit“ beruhen. Sie bevorzugen aus ihrer Sicht die Variante des einheitlichen Lebensmittelpunktes und begründen dies. Klar und deutlich benennen sie, dass das mehr und mehr propagierte Wechselmodell nicht dazu geeignet sei, die Auswirkungen einer elterlichen Trennung auf die Entwicklung der Kinder abzumildern und dass es im Gegenteil kontraindiziert sei, bei Uneinigkeit und Strittigkeit der Eltern, insbesondere bei Gewalt, Stalking etc.; auch betonen sie, dass dies Modell höchst anfällig sei für Störungen, z. B. bei allen Veränderungen der familiären Beziehungen und Systeme (neue Partner_innen etc.). Sie warnen aus kinder- und entwicklungspsychologischer Sicht vor Vergabe dieses Modells für Kleinkinder in der bindungsintensiven Phase und führen dies aus.
Ausführlich beschäftigen sie sich mit den Schutz- und Risikofaktoren bei Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB, mit der nötigen Elternkompetenz und deren Fehlern oder gar Fehlen. Sie beschreiben die Hauptgruppen der psychischen Störungen, was für Praktiker_innen im Familienrecht hilfreich ist, und betonen die notwendige Kompetenz der Gutachter_innen, wobei m.E. ein Hinweis auf die zuweilen gebotene Beiziehung von PsychiaterInnen oder ÄrztInnen für psychosomatische Medizin hilfreich gewesen wäre wegen der Zunahme von Störungen z.B. aus Gewalt-, Kriegs- und Flüchtlingserleben (posttraumatische Belastungsstörungen, affektive Störungen, bipolare Störungen, Borderline Störungen, Essstörungen etc.), die sie zwar teilweise benennen, diesbezüglich aber keine Hilfen für die Anwender_innen geben. Irritierend ist ihre Beurteilung von Einschränkungen der Erziehungsfähigkeit durch Partnergewalt wie auch ihre Annahme, dass aggressive Handlungen nahezu gleich häufig von Männern wie von Frauen ausgeführt würden, wobei sie u.a. die vom BMFSFJ in Auftrag gegebene repräsentative Studie über die „Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland“ ignorieren, die nicht nur die Häufigkeit sondern insbesondere auch die Intensität der von Männern ausgeübten Gewalt gegen Frauen verdeutlicht. 
Die Autorinnen gehen von einem „Familienrisikomodell“ aus, das leider alle gesellschaftlichen, sozialen, insbesondere geschlechterbedingten Strukturen ausblendet und die psychologische Untersuchung selbst wie auch den gerichtlichen Auftrag auf die individual- und familienpsychologischen Systeme fokussiert. So ist dann der Satz: „Manche Personen haben ein erhöhtes Risiko immer wieder Gewalt auszuüben“, womöglich verständlich, jedoch irritierend, wenn dem nicht – schon der von den Autorinnen selbst geforderten Neutralität wegen – „das Risiko“ entgegengesetzt wird, dass dann manche Personen ein „erhöhtes Risiko“ hätten „immer wieder Gewalt zu erleiden“. Spätestens dann würde dieses individuelle Risikomodell ohne Betrachtung allgemeiner Strukturen sich als nicht ausreichend erweisen. Folgerichtig gelten für die Autorinnen „Gewalttätigkeit oder allgemeine Gewaltbereitschaft“ als „personimmanente prognostisch ungünstige Faktoren“. Diese individualpsychologische, systemische Sicht, dergemäß die Ursachen für Störungen jedenfalls mehr im Familiensystem als im Gesellschaftssystem gesehen werden, führt dann auch folgerichtig dazu, dass der Verantwortung der Eltern, verstanden als persönliche Schuld, größtes Gewicht beigemessen wird, ungeachtet der Erkenntnis, dass die Erziehungswissenschaften und die Sozialwissenschaften längst von einer Quotelung, meist Drittelung der Prägung ausgehen, Eltern-Schule-Gesellschaft und damit das Gewicht von der Familie auf die Faktoren der sozialen Klasse, Gruppen (z.B. peer groups) und andere Umweltfaktoren verlagern. Auch die Behauptung, dass ein „enger Zusammenhang zwischen sexuellem Missbrauch und Alkoholmissbrauch der Täter vorliege“, ist fragwürdig, noch mehr aber die Übernahme des häufigen Vorwurfes des Missbrauchs des Missbrauchs, und der Unterstellung, der Vorwurf sei womöglich nicht nur falsch, sondern, wenn er richtig sei, ggf. geeignet, die Opfer mehr zu traumatisieren. Hier entsteht eine Nähe der Argumentation zu den Maskulisten. 
Trotz der genannten Kritikpunkte ist das Buch für die Beteiligten in familiengerichtlichen Verfahren zu empfehlen. Denn positiv zu verzeichnen sind z.B. bei der Klärung der Erziehungsfähigkeit die Feststellungen, dass von Kindern erlebte Partnerschaftsgewalt wie Gewalt gegen die eigene Person erlebt werde, sowie dass für die Frage von Umgangsregelungen bei Gewalterleben zunächst die Frage nach der Gefahr von Retraumatisierung zu klären sei und deren gebotene Verhinderung.
Positiv hervorzuheben sind die Auseinandersetzung mit der Umgangsablehnung und Verweigerung durch Kinder, insbesondere bei Angst vor Gewalt, welcher Art auch immer, die Handlungsanweisungen für die Entscheiderinnen, also nicht nur für die Gutachterinnen, sowie die Darstellung der Interventionen beim begleiteten Umgang und insbesondere beim Ausschluss bzw. dem Aussetzen des Umgangs bei Gewalt; dies immer verbunden mit der Forderung nach gründlicher diagnostischer Abklärung.
Positiv zu vermerken ist der Hinweis, dass die Annahme, dass Umgangskontakte mit den leiblichen Eltern prinzipiell dem Wohl eines Kindes dienten, in dieser Form empirisch nicht nachgewiesen worden sei, während die Erkenntnis gut gesichert sei, dass das Fehlen von Umgangskontakten zu einem getrennt lebenden Elternteil per se keine nachhaltigen negativen Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern habe. Und schließlich wichtig der Hinweis, dass die Annahme, Kinder würden Umgangskontakte nur deswegen ablehnen, weil sie negativer Einflussnahme ausgesetzt seien, durch Forschungsergebnisse in keiner Weise zu verifizieren sei.
Dabei distanzieren sich die Autorinnen nicht nur von der Anwendung des PAS-Konzepts, sondern klassifizieren dieses als unwissenschaftlich, dem weder wissenschaftliche Befunde noch klinische Relevanz zugrunde lägen. Vielmehr konstruiere das Konzept einen eindeutigen „Schuldigen“, womit eine einfache Lösungsmöglichkeit nahegelegt werde, die erhebliches Leid von Kindern verursache, die gewaltsam vom anderen Elternteil getrennt würden und zum abgelehnten Elternteil oder gar in Fremdbetreuung gegeben würden. Dies sind klare Schlussfolgerungen, die mit Quellen belegt werden, und die für alle Entscheider_innen wie auch die beschäftigten Gutachter_innen wichtig sind.
Das Buch ist eine wichtige Hilfestellung für alle Verfahrensbeteiligen in familiengerichtlichen Verfahren, einschließlich der Sachverständigen und – v.a. bezüglich der Beschreibung und Beurteilung der Konfliktlagen und der möglichen und nötigen Interventionen – auch für die Jugendämter. Es gibt Aufschluss über die gesamte Bandbreite der Probleme und Anstoß für weitere intensive Beschäftigung mit den einzelnen Fragestellungen und Kriterien, wozu reichhaltige Literaturangaben weiterhelfen. Mit seinen knapp 200 Seiten kann es an jedem Regal eines Schreibtischs von Richter_innen und Rechtsanwält_innen Platz finden.