STREIT 4/2020
S. 165-168
BGH, §§ 176, 177 StGB
Schutzlose Lage gemäß § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB
1. Der Begriff der „schutzlosen Lage“ i.S.v. § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB ist rein objektiv zu bestimmen; einer subjektiven Zwangswirkung der Schutzlosigkeit auf das Tatopfer bedarf es nicht. Bezugspunkt des strafrechtlichen Vorwurfs ist nicht mehr die Beugung des Opferwillens im Sinne einer Nötigung, sondern die Missachtung des erkennbar entgegenstehenden Willens des Opfers durch den Täter.
2. §§ 176 ff. StGB dienen dem Schutz der ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern, § 177 StGB dient dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung.
3. Zum Begriff des „Ausnutzens“ im Sinne des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des BGH vom 02.07.2020 – 4 StR 678/19
Aus den Gründen:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Übergriff und in einem Fall in Tateinheit mit sexueller Nötigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
Mit ihren zuungunsten des Angeklagten eingelegten und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen beanstanden die Staatsanwaltschaft sowie die Nebenklägerin die unterbliebene Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlichen sexuellen Übergriffs unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage im Sinne des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB im Fall III.1. der Urteilsgründe; die Staatsanwaltschaft wendet sich darüber hinaus gegen einen zu geringen Schuldumfang im Fall III.2. der Urteilsgründe. Der Angeklagte wendet sich mit seinem auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten und auf die Sachrüge gestützten Rechtsmittel insbesondere gegen die Strafzumessung.
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die Revision der Nebenklägerin haben Erfolg. Die Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg und führt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs (§ 64 StGB); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
A. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
I.1. An einem Nachmittag Mitte April 2018 begab sich der Angeklagte gemeinsam mit der ihm bekannten sechs Jahre alten C. zu einem Einkaufsmarkt. Auf dem Weg dorthin lockte er das Kind unter dem Vorwand, seine Notdurft verrichten zu müssen, über eine steile, stark bewachsene Böschung hinweg auf ein im Abstand von wenigen Metern neben der Straße gelegenes, nicht einsehbares Abbruchgelände einer ehemaligen Molkerei. Er ging mit dem Mädchen in das leer stehende Gebäude hinein, zog Hose und Unterhose des Kindes herab und rieb mit seinen Fingern an dessen nackter Scheide. Als C. zu weinen begann und den Angeklagten bat, aufzuhören, forderte er sie zunächst auf, leise zu sein, und ließ schließlich von ihr ab. C. zog sich an und beide verließen den Tatort (Fall III.1. der Urteilsgründe).
2. Das Landgericht hat das Geschehen als Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Übergriff im Sinne der § 176 Abs. 1 und § 177 Abs. 1 StGB gewertet; die Verwirklichung des Qualifikationstatbestands des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB hat es mit der Begründung verneint, dass es an einer schutzlosen Lage und auf Seiten des Opfers an der Kenntnis der schutzlosen Lage fehle.
II.1. Am 28. November 2018 gegen 13.30 Uhr beobachtete der Angeklagte, dass die ihm unbekannte acht Jahre alte T. vergeblich an ihrer Haustüre klingelte und sich, nachdem niemand öffnete, wartend auf die Treppenstufen vor dem Hauseingang setzte. Er grüßte das Kind, stellte sich plötzlich hinter es, hob es hoch und hielt ihm mit einer Hand den Mund zu. Anschließend führte er das vor Schreck erstarrte Kind zu einer leer stehenden Ruine; dabei hielt er es an Schulter oder Rucksack fest und drohte dem Mädchen, dass er es töte, wenn es nicht leise sei und schreie oder sich wehre. Durch diese Drohung verängstigt leistete das Kind keinen Widerstand. Der Angeklagte hob das Kind durch eine Fensteröffnung in das Gebäudeinnere, stellte sich vor es und zog ihm Hose und Unterhose herab; außerdem entblößte er sein eigenes Geschlechtsteil. Er zwang das Kind, sich auf den Boden zu legen und leckte an dessen Scheide. Anschließend „musste es aufstehen und sollte dem Angeklagten einen Kuss geben“. Das Mädchen weigerte sich; der Angeklagte gab ihm daraufhin einen Kuss, „wobei sie den Mund öffnen musste, damit er mit seiner Zunge ihre Zunge berühren konnte“. Auf Bitten des Kindes ließ der Angeklagte es schließlich gehen; dabei drohte er ihm erneut, es umzubringen, wenn es seinem Vater etwas erzähle. Das Kind kletterte aus der Fensteröffnung des Gebäudes und lief nach Hause (Fall III.2. der Urteilsgründe).
2. Das Landgericht hat die Tat des Angeklagten als sexuellen Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexueller Nötigung im Sinne der § 176 Abs. 1, § 177 Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 2 StGB (Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben) gewertet; die Verwirklichung der Begehungsvariante des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB hat es abgelehnt, weil es an einer schutzlosen Lage und einer darauf beruhenden Willensbeugung des Kindes fehle.
B. Die unbeschränkt eingelegte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg und führt zuungunsten des Angeklagten zur Aufhebung beider Schuldsprüche; dies zieht die Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs nach sich.
I. Das zuungunsten des Angeklagten eingelegte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist zulässig erhoben. […] Das Rechtsmittel ist daher als unbeschränkt eingelegt zu behandeln. Es hat Erfolg.
II. Der Schuldspruch im Fall III.1. der Urteilsgründe unterliegt der Aufhebung, weil die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Verwirklichung des Qualifikationstatbestands des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB verneint hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten. Das Landgericht ist von einem zu engen Verständnis der durch das 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 – BGBl. I S. 2460 ff. – eingeführten Vorschrift des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB ausgegangen.
Der Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB n.F. setzt voraus, dass der Täter bei einem sexuellen Übergriff im Sinne des § 177 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB eine Lage ausnutzt, in der das Opfer seiner Einwirkung schutzlos ausgeliefert ist. Wie diese Begehungsalternative der mit einer Mindeststrafe von einem Jahr als Verbrechen konzipierten Qualifikation nach der Neufassung des § 177 StGB auszulegen ist, ist höchstrichterlich bislang nicht entschieden.
1. Die Qualifikation des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB entspricht in objektiver Hinsicht inhaltlich der Begehungsalternative des Ausnutzens einer schutzlosen Lage in der durch das 33. Strafrechtsänderungsgesetz eingeführten Vorschrift des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. […]
Zur Verwirklichung sämtlicher Tatbestandsalternativen des § 177 Abs. 1 StGB a.F. war tatbestandlich eine nötigende Einwirkung des Täters vorausgesetzt, die bei einem Ausnutzen der Schutzlosigkeit nur denkbar war, wenn das Opfer die tatsächlichen Umstände seiner spezifischen Zwangslage – die Schutzlosigkeit – erkennt und gerade deshalb von Widerstand absieht (BGH, Urteil vom 25. Januar 2006 – 2 StR 345/05, BGHSt 50, 359, 368).
b) Nach der neuen Gesetzeslage bedarf es dieser einschränkenden Auslegung auf der objektiven Tatbestandsebene nicht mehr, weil § 177 Abs. 5 StGB eine Nötigung des Tatopfers nicht mehr voraussetzt. Sowohl nach dem Wortlaut der Norm als auch nach der Intention des Gesetzgebers und der Gesetzessystematik ist deshalb für die Verwirklichung des objektiven Tatbestands des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB allein die objektive Schutzlosigkeit des Tatopfers ausreichend. Objektiv liegt […] eine schutzlose Lage daher in der Regel vor, wenn sich das Opfer dem überlegenen Täter allein gegenübersieht und auf fremde Hilfe nicht rechnen kann. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn nach zusammenfassender Bewertung die Möglichkeiten des Täters, mit Gewalt auf das Opfer einzuwirken, größer sind als die Möglichkeiten des Tatopfers, sich solchen Einwirkungen des Täters mit Erfolg zu entziehen, ihnen erfolgreich körperlichen Widerstand entgegenzusetzen oder die Hilfe Dritter zu erlangen (zu § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 – 2 StR 245/05, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Schutzlose Lage 10; Beschluss vom 20. Oktober 2011 – 4 StR 396/11, NStZ 2012, 209, 210). Eine gänzliche Beseitigung jeglicher Verteidigungsmöglichkeiten ist nicht vorausgesetzt (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 1998 – 1 StR 521/98, BGHSt 44, 228, 232; Urteil vom 20. Oktober 1999 – 2 StR 248/99, BGHSt 45, 253, 255). Erforderlich ist schließlich auch nicht, dass der Täter die schutzlose Lage des Opfers herbeigeführt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, a.a.O., BGHSt 45, 253, 257).
Zur Ausfüllung des objektiven Tatbestands kann daher insoweit auf die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zurückgegriffen werden. Es bedarf zur Feststellung einer schutzlosen Lage weiterhin insbesondere einer Gesamtwürdigung aller tatbestandsspezifischen äußeren Umstände und persönlichen Voraussetzungen von Täter und Opfer im Einzelfall. […]
c) Dieses Tatbestandsverständnis ergibt sich aus Folgendem:
aa) Im Zentrum des durch das 50. Strafrechtsänderungsgesetz reformierten Sexualstrafrechts steht die sexuelle Selbstbestimmung. Sie soll nach dem Willen des Gesetzgebers umfassend mit den Mitteln des Strafrechts geschützt werden (vgl. BT-Drucks. 18/9097 S. 21). Zentrales Element der sexuellen Selbstbestimmung ist der Wille des Opfers, selbst über das „ob“, „wann“ und „wie“ eines sexuellen Kontakts zu bestimmen. Bezugspunkt des strafrechtlichen Vorwurfs ist deshalb nicht mehr die Beugung des Opferwillens im Sinne einer Nötigung (so ausdrücklich BT-Drucks 18/9097, S. 21), sondern die Missachtung des erkennbar entgegenstehenden Willens des Opfers durch den Täter (vgl. Högl/Neumann, R&P 2016, 155, 156, 158). Zur Erreichung des beabsichtigten „Paradigmenwechsels“ im Sexualstrafrecht ist gemäß § 177 Abs. 1 StGB n.F. die bloße Verletzung des Willens des Tatopfers nunmehr strafbewehrt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2020 – 5 StR 580/19 Rn. 5). Eine Nötigung ist daher – entgegen der früheren Rechtslage (vgl. § 177 Abs. 1 StGB a.F.) ‒ grundsätzlich nicht mehr vorausgesetzt. Dieser gesetzgeberische Wille hat im Gesetzeswortlaut eindeutigen Niederschlag gefunden. Lediglich der Grundtatbestand des § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB, der eine Nötigung des Opfers durch Drohung mit einem empfindlichen Übel voraussetzt, erfordert noch eine „Nötigung“ des Tatopfers im Sinne einer Willensbeugung. In allen anderen Varianten der Grundtatbestände des § 177 Abs. 1 und Abs. 2 StGB genügt ein Handeln gegen den erkennbaren Willen des Opfers oder ein Handeln unter Ausnutzung bestimmter Umstände, die einer (freien) Willensbildung oder Willensäußerung des Opfers entgegenstehen. Auch im Rahmen des Qualifikationstatbestands des § 177 Abs. 5 StGB ist bei allen Begehungsalternativen eine Nötigung des Tatopfers – anders als nach § 177 Abs. 1 StGB a.F. – auch nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht mehr erforderlich. Eine einschränkende Auslegung des objektiven Tatbestandes des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB kann daher nicht mehr aus dem Erfordernis einer nötigenden Einwirkung des Täters auf das Tatopfer hergeleitet werden.
bb) Der Senat vermag auch anderweitige Gründe nicht zu erkennen, die einer rein objektiven Bestimmung der Lage schutzlosen Ausgeliefertseins i.S.d. § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB entgegenstehen und eine einschränkende Auslegung dahin erfordern könnten, dass es weiterhin eines Nötigungszusammenhangs zwischen Schutzlosigkeit und Vornahme bzw. Duldung einer sexuellen Handlung bedarf oder sich das Tatopfer jedenfalls des Umstandes seiner Schutzlosigkeit gegenüber gewalttätigen Einwirkungen des Täters bewusst sein muss und diese Lage deshalb als Zwangswirkung wahrnimmt. Der in der Literatur vertretenen abweichenden Meinung folgt der Senat nicht. […]
(1) Der Senat hat bereits entschieden, dass für die Verwirklichung des Qualifikationstatbestands des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB – dem gesetzlichen Schutzkonzept entsprechend, jede Missachtung des entgegenstehenden erkennbaren Willens des Tatopfers zu pönalisieren – der nötigende Einsatz von Gewalt nicht erforderlich ist; es genügt, dass der Täter zwischen Versuchsbeginn und Beendigung des sexuellen Übergriffs Gewalt gegen das Tatopfer anwendet. Eines Finalzusammenhangs zwischen Gewaltanwendung und Vornahme bzw. Duldung der sexuellen Handlung bedarf es nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 – 4 StR 311/18, BGHSt 63, 220, 225). Da die Begehungsvarianten des § 177 Abs. 5 StGB nach dem Gesetzeswortlaut und dem Willen des Gesetzgebers ersichtlich weiterhin als gleichwertig konzipiert sind, erscheint es aus systematischen Gründen folgerichtig, auch im Anwendungsbereich des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB auf das Erfordernis einer subjektiven Zwangswirkung der schutzlosen Lage auf das Opfer zu verzichten. […]
dd) Einer rein objektiven Bestimmung der schutzlosen Lage im Sinne des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Verzicht auf das Erfordernis einer subjektiven Zwangswirkung in Fällen, in denen Tatopfer ein Kind ist, regelmäßig dazu führen würde, dass auch eine schutzlose Lage im Sinne des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB zu bejahen wäre und die Grenzen zu den Missbrauchstatbeständen der §§ 176, 176a StGB fließend würden.
Die Straftatbestände der §§ 176, 176a StGB einerseits und der Straftatbestand des § 177 StGB andererseits schützen unterschiedliche Rechtsgüter. Während die §§ 176 ff. StGB dem Schutz der ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern dienen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, BGHSt 38, 68, 69), bezweckt § 177 StGB demgegenüber den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung; der Einzelne soll frei über das „ob“, „wann“ und „wie“ eines sexuellen Kontakts entscheiden können (vgl. Hoven/Weigend, JZ 2017, 182, 183). Schon diese unterschiedliche Schutzrichtung steht der Auffassung, es handele sich bei beiden Normenkomplexen um „Missbrauchstatbestände“, deren Anwendungsfelder sich voneinander abgrenzen lassen müssten, entgegen. […]
ee) Schließlich spricht auch der Sinn und Zweck der Qualifikation des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB dafür, das schutzlose Ausgeliefertsein des Tatopfers objektiv zu bestimmen. Der umfassende Schutz der sexuellen Selbstbestimmung wird ausweislich des gesetzlichen Schutzkonzepts durch den Verzicht auf ein nötigendes Element verwirklicht. Der in der Strafdrohung mit einer Mindeststrafe von einem Jahr zum Ausdruck kommende erhöhte Unrechtsgehalt gegenüber den Grundtatbeständen findet seine Rechtfertigung in dem unrechtserhöhenden Umstand, dass sich der Täter die schutzlose Lage seines Tatopfers bewusst zunutze macht, und gerät weder in Konflikt mit dem verfassungsrechtlichen Schuldprinzip noch dem Übermaßverbot. Nach der gesetzgeberischen Wertentscheidung, die sich innerhalb des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums im Bereich des Strafrechts bewegt, wiegt dieser Eingriff in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung schwer und rechtfertigt (auch) die erhöhte Strafdrohung des § 177 Abs. 5 StGB.
2. Der Täter nutzt die schutzlose Lage im Sinne des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB aus, wenn er diese erkennt und sich zur Begehung des sexuellen Übergriffs zunutze macht (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2019 – 2 StR 301/18, BGHSt 64, 55 Rn. 28 zu § 177 Abs. 2 Nr. 3; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 6. Juli 2016, BT-Drucks. 18/9097, S. 23 zu § 177 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 StGB). Dabei genügt, dass der Täter die schutzlose Lage in dem Sinne zur Bedingung seines Handelns macht, dass er die (objektive) Schutzlosigkeit des Tatopfers in ihrer Bedeutung für sein Vorhaben erkennt, ihm also bewusst ist, dass die schutzlose Lage den sexuellen Übergriff ermöglicht oder jedenfalls erleichtert, und er sich dies bewusst zunutze macht. In subjektiver Hinsicht genügt insoweit bedingter Vorsatz (vgl. BGH, a.a.O., BGHSt 64, 55, Rn. 28; siehe auch BGH, Beschluss vom 18. November 2015 – 4 StR 410/15, NStZ-RR 2016, 78, 79 zu § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F.).
3. Gemessen hieran halten die Erwägungen, mit denen das Landgericht im Fall III.1 den Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB abgelehnt hat, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts bedarf es keiner nötigenden Einwirkung oder einer subjektiven Zwangswirkung der schutzlosen Lage auf das Tatopfer. […]
c) Das Urteil beruht auf diesen Rechtsfehlern. § 177 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 3 StGB treten nicht im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter § 177 Abs. 5 Nr. 2 StGB zurück, sondern stehen gleichrangig nebeneinander (BGH, Urteil vom 9. Januar 2020 – 5 StR 333/19, Rn. 45; Beschlüsse vom 10. Oktober 2018 – 4 StR 311/18, NStZ 2019, 516, 518; vom 12. Januar 2011 – 1 StR 580/10, NStZ 2011, 274; Urteil vom 3. November 1998 – 1 StR 521/98, BGHSt 44, 228, 230).) […]