STREIT 4/2020

S. 182-188

LAG Köln, § 134 BGB, §§ 7, 15 Abs. 2, 22 AGG

Unwirksamkeit einer Kündigung wegen geplanter Schwangerschaft und Entschädigung

Die Vermutungs- bzw. Indizwirkung des § 22 AGG greift bzgl. einer Diskriminierung wegen des Geschlechts ein, wenn ein Arbeitgeber (Rechtsanwalt) im Nachgang zu einer Kündigung der gekündigten Arbeitnehmerin, die zuvor eine Fehlgeburt hatte, schriftlich mitteilt, dass sie, wenn ihre Lebensplanung schon beim Einstellungsgespräch war, kurzfristig schwanger zu werden, für die zu besetzende Stelle (Dauerarbeitsplatz) nicht in Frage kommt. Eine derartige Äußerung belegt, dass die kurz zuvor ausgesprochene Kündigung wegen befürchteter Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses infolge einer zukünftigen Schwangerschaft ausgesprochen wurde. Damit ist das Geschlecht der gekündigten Arbeitnehmerin in diskriminierender Weise Teil des Motivbündels bzgl. des Kündigungsentschlusses. Im konkreten Einzelfall gelang dem Arbeitgeber der „Entlastungsbeweis“ nicht.
Urteil des LAG Köln vom 17.01.2020, 4 Sa 862/17 (NZB anhängig BAG, 2 AZN 229/20)

Aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten […] noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung im Kleinbetrieb während der Wartefrist sowie über einen Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) aufgrund einer Benachteiligung wegen des Geschlechts. […]
Die Klägerin […] schloss mit dem Beklagten unter dem 25.11.2016 einen Anstellungsvertrag […]. Auf dieser Grundlage trat die Klägerin am 02.01.2017 auf Basis einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 2.950,- Euro ihre Arbeit als Rechtsanwaltsfachangestellte im Sekretariat in der Kanzlei des Beklagten an. Unter dem 10.01.2017 […] beantragte die Klägerin Sonderurlaub für ihre bevorstehende Hochzeit am 17.03.2017, den der Beklagte genehmigte. Am 24.01.2017 setzte die Klägerin den Beklagten telefonisch über die am gleichen Tag erlittene Fehlgeburt im frühen Schwangerschaftsstadium und ihre bis zum 27.01.2017 andauernde Arbeitsunfähigkeit in Kenntnis. […] Am Freitag, den 10.02.2017, erkrankte die Klägerin und verließ nach Rücksprache mit dem Beklagten ihren Arbeitsplatz. […] Nach Erhalt bzgl. Kenntnis von der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 13.02.2017 ordentlich innerhalb der Probezeit zum 27.02.2017. […] Am 16.02.2017 […] schickte die Klägerin dem Beklagten […] Textnachricht per Mobiltelefon (SMS) […].
Als Reaktion auf die Nachricht der Klägerin wandte sich der Beklagte mit einem Schreiben vom 22.02.2017 […] an die Klägerin. In dem Schreiben heißt es u.a. wie folgt: „Zunächst einmal halte ich fest, dass ich Ihnen im Einstellungsgespräch erläutert habe, dass ich eine Arbeitskraft für meinen wichtigsten Arbeitsplatz suche, der selbstverständlich voraussetzt, dass sich dieser Mitarbeiter intensiv in meine Kanzleiorganisation einarbeitet und dauerhaft zur Verfügung steht. Wenn Ihre Lebensplanung schon beim Einstellungsgespräch war, kurzfristig schwanger zu werden, hätten Sie mir dies offenbaren müssen, da Sie dann für die zu besetzende Stelle nicht in Frage gekommen wären. […]“
[…] Mit ihrer […] Klage […] hat sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 13.02.2017 gewandt […]. Gleichzeitig hat die Klägerin eine Entschädigung aufgrund einer Benachteiligung wegen des Geschlechts […] geltend macht. […] Das Arbeitsgericht hat […] die Klage für […] teilweise begründet erachtet. Die Kündigung des Beklagten vom 13.02.2017 sei gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG aufgrund einer Benachteiligung der Klägerin wegen des Geschlechts unwirksam. […] Aufgrund der durch den Ausspruch der Kündigung vom 13.02.2017 erfolgten Diskriminierung der Klägerin wegen des Geschlechts hat das Arbeitsgericht der Klägerin gemäß § 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung in Höhe von 4.425,- Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen zugesprochen. […] Gegen das […] Urteil hat der Beklagte […] Berufung eingelegt […].

Aus den Gründen:
[…]
II. Die Berufung des Beklagten bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit noch streitgegenständlich, zurecht und mit zutreffender Begründung insoweit stattgegeben, als es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 13.02.2017 nicht aufgelöst wurde […], und als es den Beklagten verurteilt hat, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 4.425,- Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.03.2017 zu zahlen […].

1. Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 13.02.2017 sein Ende gefunden, auch wenn die Klägerin die Wartefrist des § 1 KSchG nicht erfüllt hat und es sich bei dem Betrieb des Beklagten um einen Kleinbetrieb i.S.v. § 23 Abs. 1 KSchG handelt, so dass es keiner sozialen Rechtfertigung der Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz bedarf. […]
b) Die ordentliche Kündigung vom 13.02.2017 ist […] gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 Abs. 1 AGG unwirksam. Sie diskriminiert die Klägerin wegen ihres Geschlechts. […]

cc) Eine ordentliche Kündigung, die einen Arbeitnehmer, auf den das Kündigungsschutzgesetz (noch) keine Anwendung findet, aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe diskriminiert (§ 3 AGG), ist gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 7 Abs. 1 AGG unwirksam. Zwar regelt das AGG nicht selbst, welche Rechtsfolge eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG unzulässige Benachteiligung hat. Jedoch ergibt sich die Rechtsfolge aus § 134 BGB. Seit Inkrafttreten des AGG sind deshalb diskriminierende Kündigungen nicht mehr am Maßstab des § 242 BGB zu messen. § 2 Abs. 4 AGG steht dem nicht entgegen. Ordentliche Kündigungen während der Wartezeit und in Kleinbetrieben sind deshalb unmittelbar am Maßstab des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu messen. Dies ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte und dem Zweck des § 2 Abs. 4 AGG (vgl. hierzu grundlegend: BAG, Urteil vom 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, Rn. 14, 18 und 22, juris; bestätigt durch BAG, Urteil vom 23.07.2015 – 6 AZR 457/14, Rn. 23, NZA 2015, 1380 ff.).

dd) Gemäß § 7 Abs. 1 Halbsatz 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale benachteiligt werden, wozu u.a. das Geschlecht zählt. Eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn eine Person wegen eines der verpönten Merkmale eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die schriftliche Kündigung des Beklagten vom 13.02.2017 als gestaltende Willenserklärung knüpft dem Wortlaut nach nicht an ein unzulässiges Diskriminierungsmerkmal i.S.d. § 1 AGG an. Daher können erst die dem Kündigungsentschluss zugrunde liegenden Erwägungen des Beklagten Anhaltspunkt für einen Zusammenhang zwischen der Kündigungserklärung und einem Merkmal nach § 1 AGG sein. Dieser kann sich aus der Kündigungsbegründung oder anderen Umständen ergeben. Dabei bedarf es keiner subjektiven Komponente im Sinne einer Benachteiligungsabsicht. Es genügt, dass eine Anknüpfung der Kündigung an ein Diskriminierungsmerkmal zumindest in Betracht kommt. Die Kündigung wegen einer (geplanten) Schwangerschaft der Arbeitnehmerin oder aus einem im Wesentlichen auf der Schwangerschaft beruhenden Grund kommt nur bei Frauen in Betracht und knüpft damit unmittelbar am Geschlecht an. Sie stellt eine unmittelbare Benachteiligung i.S.v. § 3 Abs. 1 AGG – und nicht nur eine mittelbare Benachteiligung i.S.v. § 3 Abs. 2 AGG – aufgrund des Geschlechts dar (BAG, Urteil vom 26.03.2015 – 2 AZR 237/14, Rn. 31 ff., juris; EuGH, Urteil vom 03.02.2000 – Rs. C-207/98 [Mahlburg], NZA 2000, 255; Däubler/Bertzbach, § 1 AGG, Rn. 50).

ee) Die Regelung des § 22 AGG wirkt sich auf die Verteilung der Darlegungslast für eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale zugunsten der klagenden Partei aus. Hintergrund von § 22 AGG ist es, dass Diskriminierungen – bspw. wegen des Geschlechts – selten offen erfolgen. Einer Arbeitnehmerhin, die sich diskriminiert fühlt, wird der Beweis der Tatsachen, die die Diskriminierung bedingen, häufig nicht gelingen. Die diskriminierte Person kann die Tatsachen, die sich in der Sphäre des „Diskriminierers“ abspielen, sehr oft nicht kennen. Schon gar nicht kann die diskriminierte Person in der Regel den Nachweis einer bestimmten Motivation des Diskriminierenden erbringen (vgl. Prütting, Festschrift 50 Jahre Bundesarbeitsgericht, S. 1311, 1314; siehe auch Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 04.07.2019 – 6 Sa 496/18, Rn. 42, juris). Eine Beschäftigte, die sich wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe für benachteiligt hält, genügt daher ihrer Darlegungslast nach § 22 Halbs. 1 AGG, wenn sie Indizien vorträgt und gegebenenfalls beweist, die ihre Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals vermuten lassen (BAG, Urteil vom 26.06.2014 – 8 AZR 547/13, Rn. 31 m.w.N., juris; BAG, Urteil vom 26.09.2013 – 8 AZR 650/12, Rn. 25 f. m.w.N.). Dies gilt auch bei einer möglichen Benachteiligung durch eine ordentliche Kündigung, die nicht den Anforderungen des Kündigungsschutzgesetzes genügen muss (BAG, Urteil vom 23.07.2015 – 6 AZR 457/14, Rn. 25, BAGE 152, 134; BAG, Urteil vom 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, Rn. 41, BAGE 147, 60; Günther/Frey, NZA 2014, 584, 585). Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs sind alle Umstände des Rechtsstreits im Sinne einer Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. BAG, Urteil vom 26.06.2014 – 8 AZR 547/13, Rn. 31 m.w.N., juris; BAG, Urteil vom 21.06.2012 – 8 AZR 364/11, Rn. 33, BAGE 142, 158). Hierzu ist nicht erforderlich, dass die Tatsachen einen zwingenden Schluss auf eine Verknüpfung der Benachteiligung mit einem Diskriminierungsmerkmal erlauben. Danach genügt die Klägerin, die sich für diskriminiert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist (BAG, Urteil vom 18.05.2017 – 8 AZR 74/16, Rn. 46, juris; BAG, Urteil vom 11.08.2016 – 8 AZR 375/15, Rn. 24, BAGE 156, 107). Die Würdigung, ob die Arbeitnehmerin Tatsachen vorgetragen hat, die ihre Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals vermuten lassen, obliegt den Tatsachengerichten. Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO haben sie unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach ihrer freien Überzeugung zu entscheiden, ob sie eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr erachten. Diese Grundsätze gelten auch, wenn nicht darüber zu entscheiden ist, ob eine Behauptung „wahr“ ist, sondern darüber, ob vorgetragene und gegebenenfalls bewiesene Tatsachen eine Behauptung der Arbeitnehmerin als „wahr“ vermuten lassen (BAG, Urteil vom 26.03.2015 – 2 AZR 237/14, Rn. 38 f., juris; BAG, Urteil vom 22.07.2010 – 8 AZR 1012/08, Rn. 66, juris). Für die Vermutungswirkung des § 22 AGG ist es ausreichend, dass ein in § 1 AGG genannter Grund „Bestandteil eines Motivbündels“ ist, das die Entscheidung beeinflusst hat (BAG, Urteil vom 23.07.2015 – 6 AZR 457/14, Rn. 25, BAGE 152, 134). Eine bloße Mitursächlichkeit genügt (BAG, Urteil vom 18.09.2014 – 8 AZR 753/13, Rn. 22, juris; BAG, Urteil vom 26.06.2014 – 8 AZR 547/13, Rn. 34, juris; BAG, Urteil vom 26.09.2013 – 8 AZR 650/12, Rn. 25, juris; BAG, Urteil vom 22.10.2009 – 8 AZR 642/08, Rn. 27, juris). Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG, Urteil vom 21.06.2012 – 8 AZR 364/11, Rn. 32, juris).

ff) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin hinreichend unstreitige Indizien vorgetragen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass der Beklagte sie mit der ordentlichen Kündigung vom 13.02.2017 wegen ihres Geschlechts benachteiligt hat. Maßgeblicher Grund für die Kündigung war hiernach zur Überzeugung der Berufungskammer als Teil eines sog. Motivbündels beim Beklagten, das seinen Kündigungsentschluss mitbeeinflusst hat, zumindest auch die zukünftige Möglichkeit einer Schwangerschaft der Klägerin. Diese Annahme findet ihre Grundlage im Wesentlichen in den eigenen Ausführungen des Beklagten in seinem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 22.02.2017. Dort führt der Beklagte – auf die Bitte der Klägerin, ihm ehrlich zu antworten – unmissverständlich und deutlich aus, dass die Klägerin, wenn ihre Lebensplanung schon beim Einstellungsgespräch war, kurzfristig schwanger zu werden, für die zu besetzende Stelle nicht in Frage gekommen wäre, da der von ihm gesuchte Mitarbeiter auf dem für ihn wichtigsten Arbeitsplatz dauerhaft zur Verfügung stehen muss. Diese Formulierung lässt – auch wenn sie sich dem Wortlaut nach auf die Situation bei der Einstellung bezieht und der Beklagte die Klägerin unstreitig eingestellt hat – auch nach Bewertung der Berufungskammer nur den Schluss zu, dass der Beklagte die nur wenige Tage zuvor ausgesprochene Kündigung zumindest auch wegen befürchteter Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses infolge einer zukünftigen Schwangerschaft der Klägerin ausgesprochen hat. Denn der Beklagte macht seinen Standpunkt, dass eine Frau, die eine Schwangerschaft geplant habe, für die Stelle in dem Sekretariat in seiner Rechtsanwaltskanzlei nicht in Betracht gekommen wäre, mit dem Schreiben unzweifelhaft deutlich. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu diesem Zeitpunkt wusste, dass die Klägerin heiraten wollte und dass sie knapp zwei Wochen zuvor eine Fehlgeburt in einem frühen Schwangerschaftsstadium hatte, so dass er vermuten konnte, dass die Klägerin erneut eine Schwangerschaft versuchen würde. Wenn der Beklagte also selber ausführt, dass er die Klägerin bei Kenntnis einer Schwangerschaft nicht eingestellt hätte, ist es mehr als wahrscheinlich, dass er dann die Klägerin wieder kündigen möchte, bevor diese – erneut – schwanger wird und sich auf gesetzlichen Mutterschutz nach § 9 MuSchG a.F. bzw. § 17 MuSchG n.F. berufen kann. Hinzu kommt, dass der Beklagte die Rechtslage verkennt, wenn er in seinem Schreiben vom 22.02.2017 auf eine Offenbarungspflicht der Klägerin im Einstellungsgespräch für den Fall einer kurzfristig geplanten Schwangerschaft hinweist. So ist die Frage nach einer Schwangerschaft bei der Einstellung wegen ihrer geschlechtsdiskriminierenden Wirkung grundsätzlich unzulässig. In aller Regel besteht auch keine Offenbarungspflicht der Arbeitnehmerin, und zwar selbst dann, wenn sie befristet als Schwangerschaftsvertretung beschäftigt werden soll (vgl. Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 11.10.2012 – 6 Sa 641/12, Rn. 18 ff., juris). Diese diskriminierende Haltung des Beklagten wird auch in seinen Ausführungen mit Schriftsatz vom 17.03.2017 […] deutlich, wonach er sich von der Klägerin getäuscht fühlte, da er eine Mitarbeiterin gesucht habe, die für eine Einarbeitungszeit von einem halben Jahr und auch danach zur Verfügung steht.

Der Umstand, dass das Schreiben vom 22.02.2017 zeitlich nach dem Zugang der streitgegenständlichen Kündigung gefertigt wurde, steht der Annahme einer Benachteiligung wegen des Geschlechts bei Ausspruch der Kündigung am 13.02.2017 nicht entgegen. Die dem Kündigungsentschluss zugrunde liegenden Erwägungen können sich auch aus zeitlich nach dem Ausspruch der Kündigung liegenden Umständen ergeben. Entscheidend ist insoweit vorliegend der enge zeitliche und inhaltliche Zusammenhang, denn die Textnachricht der Klägerin vom 16.02.2017, auf die der Beklagte mit seinem Schreiben vom 22.02.2017 antwortet, steht in unmittelbaren Zusammenhang mit der Kündigung vom 13.02.2017, die der Klägerin erst an diesem Tag zugegangen ist. Auch sieht die Berufungskammer entgegen der Auffassung des Beklagten in der Textnachricht der Klägerin vom 16.02.2017 keine zeitliche Zäsur, zumal der Beklagte selbst in dem Schreiben vom 22.02.2017 auf das Einstellungsgespräch Bezug nimmt, also auf einen Zeitpunkt vor Ausspruch der Kündigung. […]
Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass er die Klägerin trotz Kenntnis der beabsichtigten Heirat und damit einer ebenfalls grdsl. möglichen Schwangerschaft eingestellt hat, ist dieser Umstand für die streitgegenständliche Frage, nämlich ob der Beklagte bei Ausspruch der ordentlichen Kündigung vom 13.02.2017 ein diskriminierendes Motiv als Teil eines Motivbündels hatte, unerheblich, denn aus dem Schreiben vom 22.02.2017 wird deutlich, dass der Beklagte jedenfalls einem aktuellen und zeitnahen Schwangerschaftswunsch der Klägerin ablehnend gegenüberstand und deshalb gekündigt hat, was vom Beklagten trotz seiner zu unterstellenden Fachkenntnisse nicht als diskriminierend angesehen wird, aber rechtlich diskriminierend ist.

gg) Wenn die Indizwirkung des § 22 AGG, wie vorliegend, eingetreten ist, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (vgl. BAG, Urteil vom 07.07.2011 – 2 AZR 396/10, Rn. 34 juris; BAG, Urteil vom 21.07.2009 – 9 AZR 431/08, Rn. 33, BAGE 131, 232). Der Beklagte bzw. Anspruchsgegner muss mit seinem gegenbeweislichen Vortrag die vom Anspruchsteller vorgetragenen Indizien der Kausalität erschüttern (BeckOK-ArbR/Roloff, § 22 AGG, Rn. 15 m.w.N. [Stand: 01.02.2019]; Weigert, NZA 2018, 1166). Er muss also darlegen, dass die benachteiligende Handlung, d.h. vorliegend die ordentliche Kündigung vom 13.02.2017, nicht durch einen in § 1 AGG genannten Grund motiviert ist. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt insofern hohe Anforderungen an den „Entlastungsbeweis“. Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen darlegen und ggfls. beweisen, aus denen sich ergibt, dass der in § 1 AGG genannte Grund für die Ungleichbehandlung „überhaupt keine Rolle“ gespielt hat (BeckOGK/Benecke, § 22 AGG Rn. 53 m.w.N.) bzw. dass ausschließlich andere Gründe als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (vgl. BAG, Urteil vom 24.01.2013 – 8 AZR 188/12, Rn. 42, NZA 2013, 896; BAG, Urteil vom 16.02.2012 – 8 AZR 697/10, Rn. 58, juris). Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises (vgl. etwa BAG, Urteil vom 19.05.2016 – 8 AZR 470/14, Rn. 54, BAGE 155, 149; BAG, Urteil vom 18.09.2014 – 8 AZR 753/13, Rn. 33, juris).

hh) Hieran gemessen, konnte der Beklagte das Gericht nicht davon überzeugen, dass die Benachteiligung der Klägerin nicht (auch) auf dem Geschlecht beruht.
Hierfür ist es zunächst nicht ausreichend, dass der Beklagte auf die krankheitsbedingten Ausfallzeiten der Klägerin abstellt, zumal er in dem Kündigungsschreiben vom 13.02.2017 insoweit auch auf Ausfallzeiten Ende Januar 2017 abstellt, die ihren Grund in der Fehlgeburt der Klägerin hatten. Auch die wiederholte Beteuerung des Beklagten, eine (mögliche) beabsichtigte Schwangerschaft habe im Hinblick auf den Kündigungsentschluss keine Rolle gespielt, vermochte die Berufungskammer nicht davon zu überzeugen, dass eine beabsichtigte Schwangerschaft der Klägerin in seinem Motivbündel nicht enthalten war. Hieran vermag auch das im Kündigungsschreiben enthaltene Gesprächsangebot über eine mögliche Wiedereinstellung der Klägerin nichts zu ändern, denn zunächst sollte das Arbeitsverhältnis beendet werden und ob und, wenn ja, wann es ggfls. und zu welchen Konditionen ggfls. neu begründet hätte werden können, war nicht einmal ansatzweise absehbar.
[…] [Dass] die hohen Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin von drei Wochen in knapp zwei Monaten auch Teil des Motivbündels für die Kündigung durch den Beklagten waren, stellt die Berufungskammer nicht in Abrede. Aber ausgehend von der Regelung des § 22 AGG muss der Beklagte darlegen und beweisen, dass die potentielle Schwangerschaft der Klägerin nicht auch nur zu einem kleinen Teil Bestandteil seines Motivbündels war. […]

ii) Die unterschiedliche Behandlung der Klägerin, der im Unterschied zu anderen Mitarbeitern beim Beklagten gekündigt wurde, ist auch nicht nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt, wonach eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zulässig ist, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Insbesondere kann sich der Beklagte insofern – wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht darauf berufen, dass der Arbeitsplatz wegen seiner Wichtigkeit und der erforderlichen langen Einarbeitungszeit nicht von einer Frau, welche gegebenenfalls wegen einer Schwangerschaft ausfallen könnte, ausgeübt werden könne.

2. Das Arbeitsgericht hat den Beklagten ferner zu Recht verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 4.425,- Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.03.2017 zu zahlen. Die Klage ist insoweit zulässig und in Höhe des zugesprochenen Betrages begründet. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG. Als Entschädigungssumme hält die Berufungskammer entsprechend des ihr insoweit zustehenden Ermessens – wie auch das Arbeitsgericht – einen Betrag von 4.425,- Euro für angemessen.
a) Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Klägerin durfte die Höhe der von ihr begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen, solange – auch im Hinblick auf eine Rechtsmittelbeschwer – eine Größenordnung bzw. ein Mindestbetrag angegeben ist. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem erkennenden Gericht bei der Höhe der Entschädigung einen Beurteilungsspielraum ein, weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist. Erforderlich ist allein, dass Tatsachen benannt werden, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angegeben wird (vgl. BAG, Urteil vom 24.01.2013 – 8 AZR 429/11, Rn. 23, juris; Weth in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 15 AGG, Rn. 41). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht, und sie hat den Mindestbetrag der angemessenen Entschädigung mit 8.850,- Euro beziffert.
b) Die Klägerin hat den Entschädigungsanspruch rechtzeitig gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG geltend gemacht und ihre Klage innerhalb der Klageerhebungsfrist des § 61b Abs. 1 ArbGG erhoben. […]

c) Einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG kann die Klägerin grundsätzlich auch in Ansehung der Bestimmung des § 2 Abs. 4 AGG geltend machen. Ungeachtet der Unwirksamkeit einer diskriminierenden Kündigung sperrt § 2 Abs. 4 AGG weitergehende Ansprüche auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht (vgl. KR/Treber, 12. Aufl., § 2 AGG, Rn. 27; Jacobs, RdA 2009, 193, 196; Stoffels, RdA 2009, 204, 211). Eine merkmalsbezogene Belastung im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung führt jedenfalls dann zu einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG, wenn die Belastung – wie bei einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung – über das Normalmaß hinausgeht (BAG, Urteil vom 12.12.2013 – 8 AZR 838/12, Rn. 17 ff., juris). Die im diskriminierenden Verhalten liegende Persönlichkeitsrechtsverletzung soll als solche unabhängig von der Frage sanktioniert werden, ob nach einer unwirksamen Kündigung das Arbeitsverhältnis fortbesteht und fortgesetzt wird (vgl. BAG, Urteil vom 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, Rn. 38, juris).

d) Ausgehend von der unter 1. getroffenen Feststellung, dass die Klägerin mit der Kündigung des Beklagten vom 13.02.2017 wegen des Geschlechts benachteiligt wird, also ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG vorliegt, ist grundsätzlich vom Vorliegen eines immateriellen Schadens im Sinne des § 15 Abs. 2 AGG auszugehen (vgl. BAG, Urteil vom 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, Rn. 37, juris). Nach der Wertung des Gesetzgebers stellen Benachteiligungen wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale regelmäßig eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Die Sanktion des § 15 Abs. 2 AGG soll im Kern gerade vor solchen Persönlichkeitsrechtsverletzungen schützen (vgl. BAG, Urteil vom 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, Rn. 38 juris).

e) Als Entschädigungssumme hält die Berufungskammer entsprechend des ihr insoweit zustehenden Beurteilungsspielraums, der nur eingeschränkt revisibel ist (BAG, Urteil vom 16.02.2012 – 8 AZR 697/10, Rn. 69, juris) einen Betrag in Höhe von 4.425,- Euro, was 1,5 Monatsgehältern der Klägerin entspricht, für angemessen.
aa) Bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der festzusetzenden Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG sind alle Umstände des Einzelfalls, wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung, das Vorliegen eines Wiederholungsfalles und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu würdigen (BAG, Urteil vom 16.02.2012 – 8 AZR 697/10, Rn. 68, juris). Die Entschädigung muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz gewährleisten. Die Härte der Sanktion muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (vgl. BAG, Urteil vom 19.05.2016 – 8 AZR 470/14, Rn. 93, juris; BAG, Urteil vom 17.12.2015 – 8 AZR 421/14, Rn. 47, juris; BAG, Urteil vom 19.08.2010 – 8 AZR 530/09, Rn. 69, juris). Die Höhe der Entschädigung muss in Anlehnung an die Regelung des Schmerzensgelds in § 253 Abs. 2 BGB angemessen sein. Im Rahmen des Sanktionszwecks der Norm finden auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers Berücksichtigung, weil die Entschädigung abschreckende Wirkung haben soll (vgl. Belling/Riesenhuber in: Erman, BGB, 15. Auflage 2017, § 15 AGG, Rn. 16). Eine unmittelbare Benachteiligung wiegt grundsätzlich schwerer als eine mittelbare Benachteiligung, genauso wie eine vorsätzliche Diskriminierung gegenüber einer fahrlässigen schwerer wiegt. Wird ein Geschädigter aus mehreren der in § 1 AGG genannten Gründen unzulässig benachteiligt, so spricht dies ebenfalls für eine erhöhte Entschädigung (Weth in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 15 AGG, Rn. 41; siehe zum Gesamten: BeckOK-ArbR/Roloff, § 15 AGG, Rn. 8 m.w.N. [Stand: 01.02.2019]).
bb) Vorliegend handelt es sich um eine nach Art und Schwere erhebliche Benachteiligung der Klägerin wegen des Geschlechts, die als unmittelbare Benachteiligung grundsätzlich schwerer als eine mittelbare Benachteiligung wiegt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beklagte als Rechtsanwalt tätig ist, und zwar auch im Bereich Arbeitsrecht, also gewisse Kenntnisse des Rechts als vorhanden unterstellt werden dürfen, wobei sich der Beklagte gerade auf seine Expertise gerade in diesem Bereich beruft. Auch die mit der Entschädigungszahlung bezweckte abschreckende Wirkung verlangt vorliegend die Festsetzung einer erheblichen und für den Beklagten fühlbaren Entschädigung, die weit über einen symbolischen Betrag hinausgeht. Eine etwaige Wiedergutmachung hat der Beklagte bislang nicht an die Klägerin geleistet, denn er sieht weiterhin keine Diskriminierung gegeben, im Gegenteil, er fühlt sich weiterhin durch die Klägerin in seiner Ehre angesichts der Vorwürfe verletzt. Gleichzeitig war im Rahmen des Sanktionszwecks der Norm in die Abwägung zugunsten des Beklagten einzubeziehen, dass der Beklagte eine kleine Rechtsanwaltskanzlei betreibt, die von der Beschäftigtenzahl die Schwelle des Kleinbetriebs im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nicht überschreitet. Ferner konnte eine Benachteiligungsabsicht des Beklagten gegenüber der Klägerin nicht festgestellt werden. Insgesamt erscheint der Berufungskammer in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht insoweit ein Betrag in Höhe von 4.425,- Euro als angemessen, aber auch ausreichend. Der Entschädigungsbetrag überfordert den Beklagten schließlich auch finanziell nicht.

Soweit der Beklagte darauf abstellt, das eine Benachteiligung der Klägerin – ausgehend von der mittlerweile rechtskräftig feststehenden wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der ordentlichen Kündigung vom 09.03.2017 – allenfalls in einer drei Wochen späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses liege, die sie wirtschaftlich nicht schlechter gestellt habe, ist darauf hinzuweisen, dass § 15 Abs. 2 AGG – anders als § 15 Abs. 1 AGG – keine Regelung zum Ersatz materieller Schäden, sondern zum Ersatz immaterieller Schäden darstellt. […]