STREIT 4/2020
S. 188
Wohnsitzregelung nach § 12a AufenthG in Gewaltschutzfällen
Das BMI und das BMFSJ geben in einem gemeinsamen Rundschreiben vom 14.2.2020 Hinweise für die Handhabung der Wohnsitzregelung in Gewaltschutzfällen. Dem Rundschreiben liegt die 2016 (Integrationsgesetz v. 31.7.2016, BGBl. I 2016, S. 1939) geschaffene Wohnsitzregelung nach § 12a AufenthG zugrunde. Die Regelung war zunächst bis zum 6.8.2019 befristet und wurde 2019 entfristet (Gesetz zur Entfristung des Integrationsgesetzes v. 4.7.2019, BGBl. I 2019, S. 914). Sie verpflichtet Asylberechtigte, Geflüchtete, subsidiär Schutzberechtigte, Personen mit einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG und andere Personen mit humanitärem Aufenthaltstitel, für den Zeitraum von drei Jahren in dem Land Wohnsitz zu nehmen, in dem das Asylverfahren durchgeführt wurde. Gemäß der Gesetzesbegründung soll diese Regelung der Integrationsförderung dienen. Nach § 12a Abs. 5 Nr. 2 AufenthG ist diese Verpflichtung zur Vermeidung einer besonderen Härte aufzuheben. Ausdrückliche Erwähnung im Gesetz finden die Gewaltschutzfälle nicht.
Im Gesetzgebungsverfahren zum Entfristungsgesetz (BT-Drucksachen 19/8692, 19/9764) weisen DJB1
, die Frauenhauskoordination2
, der Paritätische Wohlfahrtsverband3
und AWO4
darauf hin, dass von häuslicher oder frauenspezifischer Gewalt betroffene Frauen unzureichend geschützt sind, weil sie durch die Wohnsitzauflagen den Verursachern nicht ohne weiteres entfliehen können. Der erforderlichen schnellen und effektiven Hilfe bei einer Flucht ins Frauenhaus oder zu Freundinnen stehen oft lange (mehrmonatige) Bearbeitungszeiten von Umverteilungsanträgen, eine unsichere Prognosen zur Anerkennung der Härtefallgründe und die Aussetzung von Sozialleistungen entgegen.
Hieran anknüpfend stellt das Rundschreiben nunmehr klar, dass in Gewaltschutzfällen eine Aufhebung der Wohnsitzbindung zu erfolgen hat. Dieses Schreiben wurde an die für das Aufenthaltsrecht zuständigen Ministerien der Länder versendet – mit der Bitte, das Schreiben an die Ausländerbehörden weiterzuleiten.
Zudem wurde das Schreiben am 18.02.2020 vom BMFSFJ an Fachverbände und Einrichtungsträger im Bereich Schutz von Frauen vor Gewalt versendet.
RAin Susanne Giesler, Frankfurt am Main
- djb, Zum Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum Entwurf eines Gesetzes zur Entfristung des Integrationsgesetzes, Stellungnahme vom 21.02.2019. ↩
- Stellungnahme von Frauenhauskoordinierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Entfristung des Integrationsgesetzes der Bundesregierung – Bearbeitungsstand vom 01.03.2019. ↩
- Der Paritätische Gesamtverband, Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Entfristung des Integrationsgesetzes (BR-Drs. 99/19 vom 01.03.2019); vgl. auch Susanne Thiel, Aktuelle Problemanzeigen im Zusammenhang mit der Wohnsitzregelung nach § 12a AufenthG und dem Schutz vor Gewalt, 22.07.2019. ↩
- Stellungnahme des AWO Bundesverbandes e.V. zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes zur Entfristung des Integrationsgesetzes“(BR-Drs. 99/19). ↩