STREIT 2/2019

S. 51-55

Anwältinnen* im Migrationsrecht

Bei dem vorliegenden Beitrag handelt es sich um einen Bericht der Rechtsanwältin Petra Haubner aus Passau über den von ihr gehaltenen Workshop „Anwältinnen im Migrationsrecht“ beim 45. Feministischen Juristinnen Tag in Freiburg am 12.05.2019.

Auf einer süddeutschen Rechtsberaterkonferenz im letzten Jahr (2018) beklagte sich eine leitende Mitarbeiterin des Bundesverbandes der Diakonie Deutschland vom Zentrum Migration und Soziales darüber, dass der größere Teil der am Migrationsrecht interessierten jungen Juristinnen* eine berufliche Laufbahn in der Wissenschaft oder in den NGOs anstrebe und nicht im Anwältinnen*beruf. Sie stellte dies insbesondere nach ihren Erfahrungen auf den Tagungen des Netzwerks Migrationsrecht (in Stuttgart-Hohenheim) fest, an der viele jüngere Juristinnen* teilnehmen. Sie fand, wir als Anwältinnen müssten doch mehr Werbung für diesen Beruf machen und die jungen Kolleginnen* mehr dafür begeistern. Schließlich fände Menschenrechtsarbeit nicht nur in der Wissenschaft und den NGOs statt, sondern wir Anwältinnen* würden diese jeden Tag leisten.
Ich fand dies zunächst ganz amüsant, weil diese Frau auch nicht Anwältin geworden war, sondern eine Stelle in einem Wohlfahrtsverband hatte. Ich hatte meine Arbeit bisher auch nie explizit als Arbeit für die Menschenrechte bezeichnet, obwohl das natürlich stimmt.

Aber das Problem war mir schon bekannt, weil unsere Kanzlei (und nicht nur unsere) nun schon seit einigen Jahren erfolglos versucht, junge Anwältinnen* für das Migrationsrecht zu interessieren und anzustellen. Wir sind zur Zeit nur drei Anwältinnen* und haben genug Arbeit für mindestens drei weitere, aber auch nach intensiver bundesweiter Suche haben wir bisher keine Kolleginnen* gefunden. Dies mag auch am Standort liegen (wer will schon nach Niederbayern?), aber hauptsächlich wohl daran, dass junge Juristinnen* keine Anwält*innen mehr werden wollen.
Dieses Problem haben wir allerdings nicht nur im Migrationsrecht, sondern auch in allen anderen Kanzleien, gerade auch in den feministischen Kanzleien, die in den Bereichen Familienrecht, Gewaltschutz, Nebenklagevertretungen, Arbeitsrecht usw. arbeiten. Noch vor dem Workshop auf dem FJT wurde ich daher von einigen älteren Kolleginnen angesprochen, die mich baten, doch insgesamt Werbung für den Anwältinnen*beruf zu machen, nicht nur im Migrationsrecht. Der Nachwuchs gehe uns allen aus.
Und ich wurde auch von den Jüngeren angesprochen, die mir erklärten, dass sie ein Entscheidungsproblem haben und sich eine Hilfestellung wünschen.
Haben junge Juristinnen* Angst vor der selbstständigen Tätigkeit als Anwältinnen*?
Haben junge Juristinnen* falsche Vorstellungen von den Anwältinnen*tätigkeit?
Wollen alle lieber in die Menschenrechtsarbeit der großen NGOs oder in die Wissenschaft, nicht in Anwältinnen*kanzleien?
Gibts überhaupt so viele Stellen in der Wissenschaft? (Habe ich nicht mal gehört, dass die akademische Laufbahn mit sehr vielen institutionellen Problemen und prekärer Beschäftigung, insbesondere auch für Frauen*, verbunden ist?)
Wissen junge Juristinnen* nicht, dass wir Menschenrechtsarbeit machen?
Ist es wichtig, diese Arbeit so zu nennen, damit überhaupt ein Interesse besteht?

Die Einstiegsfragen im Workshop waren:

Was spricht dafür, Rechtsanwältin zu werden?
Was spricht dagegen, Rechtsanwältin zu werden?
Was wäre Euch lieber? Eine angestellte Tätigkeit, eine selbstständige Tätigkeit in einer Kanzlei mit anderen Kolleginnen* oder eine eigene Kanzleigründung?

Tätigkeitsfelder im Migrationsrecht:

Das Migrationsrecht ist ein weites Feld und nicht beschränkt auf die Vertretung von Geflüchteten im Asylverfahren, auch wenn dieser Eindruck zuletzt bei hohen Flüchtlingszahlen entstanden sein mag. Natürlich gibt es zur Zeit viel Arbeit im Asyl- und Flüchtlingsrecht, im materiellen und Verfahrensrecht, in Dublin-/Flughafen- und Grenzverfahren und wir haben bundesweit viel zu wenige Kolleginnen*, die darauf spezialisiert sind und viel zu viele Kolleginnen*, die das „ein bisschen“ machen und deshalb leider oft die Mandantinnen* unzureichend oder ganz schlecht vertreten.

Das Migrationsrecht beinhaltet aber auch die Vertretung in sehr vielen anderen aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten, z.B.:

  • Familiennachzug, familiäre Aufenthaltserlaubnisse, einschließlich des Personenstandsrechtes

  • Visaverfahren

  • Arbeitsmigrationsrecht (das zukünftig immer größere Bedeutung erfahren wird)

  • Assoziationsrecht für türkische Staatsangehörige

  • Freizügigkeitsrecht für Unionsbürgerinnen*

  • Spätaussiedlerinnen*, Vertriebenenrecht

  • Aufenthaltserlaubnisse für Auszubildende, Studierende

  • Duldungen, Abschiebungsschutz

  • humanitäre Aufenthaltserlaubnisse

  • Ausweisungsrecht

  • Abschiebungshaft (da gibt es bundesweit nur eine Handvoll Spezialistinnen*)

  • Einbürgerungen, Staatsangehörigkeitsrecht

  • Sozialrecht (Asylbewerberleistungsgesetz, SGB-Leistungen für Drittstaatsangehörige, Unionsbürgerinnen*, auch hier gibt es nur sehr wenige Spezialistinnen*).

Gefragte Kombinationen mit anderen Rechtsgebieten:

An vielen Schnittstellen können Anwältinnen* ihre Kenntnisse im Migrationsrecht sehr gut mit anderen Arbeitsbereichen kombinieren, z.B.

  • bei der Vertretung geflüchteter Frauen in Gewaltschutz- und Nebenklageverfahren

  • in Strafverfahren, weil jede Verurteilung das Aufenthalts- und Ausweisungsrecht betrifft, und weil viele Strafverteidigerinnen* leider nur sehr unzureichende Kenntnisse im Aufenthaltsrecht haben

  • im Familienrecht bei der Aufenthaltssicherung über Ehegatten/Lebenspartnerinnen*/Kinder und im Personenstandsrecht

  • im Sozialrecht, insbesondere in naher Zukunft, weil für Asylsuchende/Geduldete weitere rigorose (menschenunwürdige) Leistungskürzungen geplant sind, aber auch bei der Vertretung von Unionsbürgerinnen*

  • im Datenschutzrecht (auch hier gibt es nur sehr wenige Kolleginnen*, die sich im Dickicht der vielen Datenbestände und Register auskennen und die Rechte ihrer Mandantinnen* durchsetzen)

  • im Zivilrecht, insbesondere im IPR, Arbeitsrecht, Mietrecht usw.

  • im Antidiskriminierungsrecht.

Habt Ihr Interesse

  • an einem sehr vielseitigen Rechtsgebiet?
    Ich kenne Kolleginnen*, die nur im Asylrecht tätig sind, und Kolleginnen*, die nur Assoziationsrecht für türkische Staatsbürgerinnen* machen oder nur Arbeitsmigrationsrecht (übrigens sehr lukrativ, z.B. wenn mensch die Unternehmen vertritt, die ausländische Fachkräfte beschäftigen möchten) usw. Wir können im Migrationsrecht viele verschiedene Arbeitsbereiche abdecken, aber auch sehr spezialisiert in nur einem Bereich arbeiten.

  • an internationalen Bezügen, Europarecht und Völkerrecht?
    Kein Rechtsgebiet hat so viele internationale Bezüge wie das Migrationsrecht. Und in kaum einem Rechtsgebiet werden die europa- und völkerrechtlichen Vorgaben von den Behörden und Gerichten so oft ignoriert.

  • an einer intensiven Zusammenarbeit mit NGOs, Wohlfahrtsverbänden, Haupt- und Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe, auch international?
    In keinem Rechtsgebiet werdet Ihr so viele verschiedene Organisationen und Menschen kennenlernen. Und Ihr müsst nicht in eine NGO, um andere Länder zu bereisen. Als Anwältin* könnt Ihr z.B. auch für die European Lawyers in den Flüchtlingscamps auf Lesbos arbeiten.

  • Neugier an konkreten Verhältnissen in den Herkunftsländern?
    Vor allem im Asyl- und Flüchtlingsrecht müssen wir uns gut mit den konkreten Bedingungen in den jeweiligen Herkunftsländern auskennen. Ich habe mittlerweile den Eindruck, als wäre ich mindestens 10 Jahre kreuz und quer durch Afghanistan gereist, kenne alle Provinzen, alle Völker dort und alle Berge, aber ich war nie da (nur virtuell). Möge das Land eines Tages so friedlich werden, dass ich dort auch wirklich hinreisen kann!

Habt Ihr Lust auf

  • Reisen in die ganze Welt (klimaneutral) ohne Flugzeug, jeden Tag auf drei verschiedenen Kontinenten?
    In unserer Kanzlei gibt sich die halbe Welt die Klinke in die Hand, aber natürlich ist das ein teilweise schlechter Scherz, weil wir in die Kriegs- und Krisengebiete, aus denen unsere Mandantinnen* kommen, nicht reisen würden...

  • interkulturelle Kommunikation?
    Viele unterschiedliche Menschen, Sitten und Gebräuche anstelle von vielen unterschiedlichen Zahlen, Verträgen, Steuern usw.?

  • einen „Kampf gegen den Staat“ bei der Vertretung von Schwächeren?
    In keinem Rechtsgebiet ist die Quote fehlerhafter Bescheide so hoch wie im Asylrecht. Jeder zweite Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wird von den Verwaltungsgerichten aufgehoben.
    Doch, es gibt noch einen Bereich, in dem die Fehlerquote genauso hoch ist, und zwar bei den Sozialleistungsbescheiden der Sozialämter und Jobcenter.
    Der (sog.) Rechtsstaat versagt insbesondere bei Geflüchteten und bei den Armen. Was wäre in diesem Land los, wenn die Hälfte der Steuerbescheide oder Baugenehmigungen fehlerhaft wäre?
    Migrationsrechtlerinnen* verteidigen den „Rechtsstaat“ (bzw. das, was davon übrig ist – und das wird in diesen Zeiten des zunehmenden Rechtsruckes immer weniger sein).
    Der Rechtsstaat, wie wir ihn heute erleben, hat nichts mit dem Rechtsstaat zu tun, den wir im Studium kennengelernt haben“.
    Julia Kraft, Rechtsanwältin in Berlin
    Im Jurastudium war ich so naiv zu glauben, dass man sich darauf verlassen kann, dass Behörden viel daran gelegen ist, rechtmäßig zu handeln“.
    Simone Rapp, Rechtsanwältin in Berlin1

  • eine Kombination aus juristischer und politischer Arbeit?
    Ich habe mich gleich nach dem Referendariat als Anwältin selbstständig gemacht. Ich wusste schon im Studium, dass ich Anwältin werden will. Da ich eine radikallinke feministische antifaschistische Anarchistin bin, kamen Tätigkeiten beim Staat, in der Justiz und Verwaltung, oder auch in einer großen Wirtschaftskanzlei für mich nicht in Betracht. Nur als Anwältin konnte ich mein feministisches Engagement fortsetzen. Gender Studies an den Universitäten gab es damals noch gar nicht. Meine Examensnoten waren gut genug für eine akademische Laufbahn oder einen gut dotierten Job in einer Großkanzlei, das hat mich aber nie interessiert
    Schon bevor ich Rechtsanwältin wurde, habe ich während meiner Studien- und Referendarinnenzeit in vielen verschiedenen politischen Projekten gearbeitet (im feministischen Frauenzentrum, im Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen, bei den Feministischen Juristinnen Passau, in der feministischen Antifa – damals gab es noch keine Refugee Law Clinics, sonst hätte ich sicher gleich eine gegründet. Auch wenn ich einiges in meinem Leben heute anders machen würde, habe ich es noch keine Sekunde lang bereut, Anwältin geworden zu sein, weil ich dabei mein politisches Engagement perfekt mit meiner Arbeit verbinden kann – ich betrachte das in unserer heutigen Arbeitswelt als unglaubliches Privileg! Manchmal höre ich andere Aktivistinnen* sagen, sie kommen später, sie müssen erst noch ihrer Lohnarbeit nachgehen, und dann denke ich, ich gehe einfach in mein Büro und mache: Menschenrechtsarbeit...

  • intensive Kontakte und sehr guten Austausch mit den Kolleginnen* im Migrationsrecht?
    Ich bin jetzt seit 24 Jahren Anwältin und nach meiner Erfahrung gibt es nur drei Netzwerke, in denen die kollegiale Zusammenarbeit so gut funktioniert: Bei den feministischen Juristinnen, im Sozialrechtsnetzwerk und im Migrationsrecht. Wir haben alle genug (viel zu viel) zu tun und sehen uns deshalb nicht als Konkurrentinnen*. Es gibt bundesweit sehr viele Netzwerke und Verteiler, in denen wir unsere Kenntnisse, Erfahrungen usw. austauschen, nicht nur die neueste Rechtsprechung (die finden wir auch bei juris), sondern kenntnisreiche Antworten auf konkrete Fragen aus der Praxis, zu denen wir in keinem Kommentar etwas finden. Es gibt immer eine Kollegin*, die* weiter hilft!

  • Menschenrechtsarbeit?
    Vor kurzem habe ich bei einer Veranstaltung zum Thema „Rassismus in Europa“ unter anderem über die Situation für Geflüchtete in den bayerischen Ankerzentren referiert und die „besonderen Bedingungen“ dort als Menschenrechtsverletzungen bezeichnet. Die Reaktionen im Anschluss an diese Veranstaltung haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, die permanenten gravierenden Rechtsverletzungen nicht nur als gesetzliche Einschränkungen, sondern tatsächlich als Menschenrechtsverletzungen zu bezeichnen. Das hat einige Teilnehmerinnen* sehr stark beeindruckt.

  • die Welt ein bisschen besser zu machen?
    Das mag sich trivial anhören, aber wenn mich etwas angetrieben hat in den Jahren meiner Anwältinnentätigkeit (und davor auch schon bei der Arbeit in den Projekten), dann war und ist es die beständige Wut auf die Verhältnisse in diesem Land, die ich so nicht hinnehmen möchte. Meine Wut ist nicht kleiner geworden und wird täglich genährt von Berichten über die unmenschlichen Lebensbedingungen von Geflüchteten in diesem doch so reichen und sicheren Land, rassistische, sexistische, antisemitische Gewalttaten und die institutionalisierte Gewalt in den (teilweise bewusst) rechtswidrigen Bescheiden der Behörden und verwaltungsgerichtlichen Urteilen, die vor Ignoranz gegenüber den Verhältnissen in den Herkunftsländern oft nur so strotzen.

Angebote aus anderen Kanzleien:

Es war noch nie so einfach (und noch nie so lukrativ), Anwältin* im Migrationsrecht zu werden. Alle Kanzleien im Migrationsrecht bundesweit sind überlastet und die meisten Anwältinnen* suchen Kolleginnen* oder Nachfolgerinnen* (nicht nur im Migrationsrecht). Viele Kolleginnen* sind älter und kurz vor dem Ruhestand. Sie möchten ihre Kanzleien und Mandate gerne in gute Hände übergeben, die meisten verlangen dafür nicht einmal mehr Geld. Die Kanzleien im Migrationsrecht werden meistens nicht verkauft. Die älteren Kolleginnen* bieten oft eine Einarbeitungszeit von ein bis drei Jahren an und übergeben ihre Kanzleien dann einfach, wenn sie in den Ruhestand gehen.
Von Oldenburg bis Passau, von Flensburg bis Rosenheim, von Greifswald bis Saarbrücken wird überall nach Anwältinnen* für das Migrationsrecht gesucht. Ihr könnt Euch die Region also aussuchen. Es gibt aber auch noch viele weiße Flecken auf der Landkarte, d.h. viele Regionen, in denen es keine einzige auf das Migrationsrecht spezialisierte Kanzlei gibt, wo mensch einfach eine Kanzlei gründen kann und übermorgen stehen die Mandantinnen* Schlange (auch auf dem Land).2

Verdienstmöglichkeiten:

Auf dem FJT sagte eine Kollegin zu mir: „Machen wir uns doch nichts vor, in gewisser Weise teilen wir die Einkommensverhältnisse unserer Mandantinnen*.“
Ja, wenn Ihr reich werden wollt, macht Steuerrecht oder Wirtschaftsrecht, geht in eine Großkanzlei und verdient sechsstellig!
Aber die Verdienstmöglichkeiten im Migrationsrecht waren noch nie so gut wie heute und sind aus meiner Sicht bereits sehr viel besser als z. B. im Familienrecht, Verkehrsrecht oder Strafrecht. Wir (mein Kollege, mit dem ich in einer Sozietät bin und ich) sind nicht reich, aber es reicht – für alles, was unsere Familien und wir benötigen – und wir beschäftigen gerade 1 Kollegin, 3 feste Mitarbeiterinnen* und 4 Helferinnen*, für die es auch reicht.
Eine unserer Mitarbeiterinnen fragte mich vor kurzem, was wir denn machen, wenn nicht mehr so viele Geflüchtete kommen. Ich erklärte ihr, dass wir uns dann um die Niederlassungserlaubnisse und Einbürgerungen für die kümmern, die schon da sind, und außerdem die ganzen Arbeitsgebiete endlich betreuen können, für die gerade keine Zeit ist (z.B. Arbeitsmigration, Abschiebungshaft, Studierendenvisa usw.).3

Vorteile einer eigenen Kanzlei:

  • Ich suche mir meine Kolleginnen* und Mitarbeiterinnen* selbst aus.
    Wo kann ich das sonst noch?

  • Ich suche mir meine Mandate und Mandantinnen* selbst aus.
    Ich muss nicht alles annehmen, was mir angetragen wird, ich kann mir die Arbeitsbereiche aussuchen, die mich am meisten interessieren. Ich kann Leute wegschicken, die ich nicht mag (muss ich aber nicht – manchmal sind es gerade die „Stinkstiefel“ unter den Mandantinnen*, die eine kompetente Rechtsberatung und Vertretung am nötigsten haben…).

  • Ich kann meine Arbeitszeiten, meinen Urlaub usw. selbst bestimmen.
    Wo kann ich das sonst noch?
    Die Kolleginnen* (gerade im Asylrecht) haben mich darauf aufmerksam gemacht, dass wir bei den Studierenden und Referendarinnen*, die bei uns mitarbeiten, vielleicht keinen guten Eindruck machen, wenn wir ständig überlastet 80 Stunden in der Woche arbeiten. Aber dazu kann ich nur sagen: Ich kann es mir selbst aussuchen. Als meine Kinder noch klein waren, hatte ich nur eine Teilzeitkanzlei und bin auch über die Runden gekommen. Wenn ich heute länger arbeite, dann, weil ich das so will, nicht weil ich muss.
    Ich gebe zu: Die Kanzlei ist mein zweites Wohnzimmer und ich verbringe mehr Zeit hier als in meinem privaten Wohnzimmer, aber unsere Kanzlei ist ein sehr schönes Wohnzimmer! (Und eine Couch für mein Mittagsschläfchen habe ich auch…)
    Unsere angestellte Kollegin hatte eine ordentliche 39 Stunden Woche und durfte nach ihrer Elternzeit ihre weitere Arbeitszeit/Teilzeit selbst bestimmen. In unserer Kanzlei haben alle Anwältinnen* nun zusammen 7 Kinder und werden auch noch ein paar mehr schaffen…

  • Im Migrationsrecht gibt es praktisch keine Konkurrenz.
    Dafür sind wir zu wenige und haben alle zu viel Arbeit. Alle Kolleginnen* freuen sich über neue Kolleginnen*.

  • Ich brauche kein Marketing und keine Schulungen zur Mandantinnen*akquise.
    Wir schalten keine Werbeinserate. Gute Kanzleien im Migrationsrecht bekommen in der Regel fast alle Mandate über Mundpropaganda der Mandantinnen* und die NGOs, mit denen sie zusammenarbeiten. Im Moment stehen die Leute hier Schlange und von 10 Mandaten, die mir am Tag angeboten werden, muss ich leider 9 ablehnen, weil – siehe oben – ich meine Arbeitszeiten selbst bestimme.

  • Ich muss mir über meine Zukunft keine Gedanken machen.
    Im Migrationsrecht wird es immer genug Arbeit für gute Spezialistinnen* geben!

Zur Person der Referentin:
Petra Haubner ist seit 1995 als selbstständige Rechtsanwältin im Landkreis und in der Stadt Passau, zunächst mit dem Tätigkeitsschwerpunkt sexualisierte Gewalt an Frauen und Kindern, seit 2008 fast ausschließlich im Bereich des Migrationsrechtes, insbesondere im Asylrecht, tätig. Ihre Kanzlei in Passau ist die einzige vollständig auf das Migrationsrecht/Asylrecht spezialisierte Kanzlei zwischen München und Regensburg. Seit 2016 ist Petra Haubner auch Fachanwältin für Migrationsrecht. Die Kanzlei vertritt nicht nur geflüchtete Mandantinnen* im Asyl- und Asylgerichtsverfahren, sondern berät im Rahmen von Beratungsverträgen mit den Wohlfahrtsverbänden auch die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen* in der Flüchtlingsarbeit, in den Helferinnen*kreisen und in den Jugendhilfeeinrichtungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Sie ist seit Jahren Dozentin für Fortbildungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht bei allen Wohlfahrtsverbänden, Jugendhilfeträgern und der Deutschen Anwalt Akademie und ist Mitglied der Rechtsberaterkonferenz der mit den Wohlfahrtsverbänden und dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen zusammenarbeitenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.

  1. Jochen Brenner Asylrecht: Chancengerechtigkeit – Kanzleigründungen von Berufsanfängern sind selten geworden. Julia Kraft und Simone Rapp haben es mit dem Migrationsrecht in Berlin-Neukölln gewagt. Sie sind erfolgreich, weil sie aus Überzeugung arbeiten, unter: https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/de/anwaeltinnen-anwaelte/anwaltspraxis/asylrecht-chancengerechtigkeit?full=1
  2. Einen Imagefilm und Stellenangebote wird es demnächst auf www.asyl.net geben
  3. Übrigens kommt bei solchen Gelegenheiten stets die Frage, wie denn die Mandanten uns bezahlen könnten, wie es mit dem Einkommen stehe. An die Adresse künftiger Kolleginnen und Kollegen sei gesagt: „Wer mit guter Rechtskenntnis und … mit kritischer Empathie migrationsrechtliche Geschäftsbesorgungsaufträge bearbeitet, wird bald überlastet sein, aber auch sein Auskommen haben – und wird viel tiefe Dankbarkeit erfahren.“ Victor Pfaff, Rechtsanwalt, Die Verrechtlichung des Ausländer- und Asylrechts fordert die Anwaltschaft. Der Fachanwalt für Migrationsrecht wird mehr leisten, als sich um syrische Flüchtlinge zu kümmern. https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/de/anwaltsblatt/anwaltsblatt-datenbank