STREIT 4/2023

S. 189

Berufsbezeichnung „Rechtsanwält*in“

Einstellungsmitteilung der Rechtsanwalts­kammer Berlin vom 19.07.2023, AW/28/2022 V

Bis zum Jahr 2007 verwendete die BRAO ausschließlich die Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“. Die Verwendung des generischen Maskulinums war auch nicht zu beanstanden, da mit dieser Verwendung gemäß den anerkannten juristischen Auslegungsmethoden erkennbar kein geschlechtsspezifischer Aussagegehalt verbunden war. Nach dem Dritte-Options-Beschluss des BVerfG (BVerfG, Beschluss vom 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16) hat eine verfassungsmäßige Auslegung der von Ihnen zitierten Norm dahingehend zu erfolgen, dass nunmehr in der Berufsordnung benannten Berufsbezeichnungen „Rechtsanwalt“ und „Rechtsanwältin“ nicht abschließend sind.
Die von unserem Mitglied verwendete Berufsbezeichnung „Rechtsanwält*in“ ist auch nicht geeignet, das Ansehen des Anwaltstandes zu gefährden, sondern ist Ausdruck des grundgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrechts.

Mitgeteilt von Rechtsanwält*in Ronska Grimm

Hinweis der Redaktion
Der „Genderstern“ steht aus Sicht reaktionärer Kräfte mittlerweile für alles, was die patriarchale Ordnung gefährden könnte. So ist es schon als Erfolg zu werten, dass die Berliner Kammer der Rechtsanwältinnen das Ansinnen zurückgewiesen hat, die Schreibweise „Rechtsanwältin“ als Verstoß gegen das Standesrecht zu verbieten. Ein unnötiges Entgegenkommen gegenüber rückwärtsgewandten Beharrungskräften innerhalb des altehrwürdigen Berufsstandes ist allerdings die Behauptung, dass bis 2007 der Begriff „Rechtsanwalt“ „erkennbar keinen geschlechtsspezifischen Aussagegehalt“ gehabt habe.
Siehe dazu: Ulrike Lembke: Geschlechtergerechte Amtssprache. Rechtliche Expertise zur Einschätzung der Rechtswirksamkeit von Handlungsformen der Verwaltung bei Verwendung des Gendersterns oder von geschlechtsumfassenden Formulierungen, Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse, in: STREIT 3/2022, S. 134-136; Anna Katharina Mangold: Mitgemeint – Und täglich grüßt das Murmeltier, in STREIT 1/2021, S. 34-36; oder auch schon: Luise F. Pusch: Das Deutsche als Männersprache, edition suhrkamp, Frankfurt/M. 1984.