STREIT 4/2023

S. 189

Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit

Die unermüdliche Kämpferin für Frauenrechte ist am 2. September 2023 gestorben. Geboren 1932 gehörte sie zur ersten Generation junger Juristinnen, die sich entschlossen für Frauenrechte einsetzte. Dies war eine Pionierarbeit, waren doch in der NS-Zeit Frauenrechte weitgehend abgeschafft worden, viele Akteurinnen der alten Frauenbewegung vertrieben, ermordet und ihre Organisationen verboten worden.
Mit ihrem Lebensentwurf als geschiedene alleinerziehende und trotzdem beruflich erfolgreiche Mutter dreier Kinder verstieß Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit mutig gegen gesellschaftliche Normen der damaligen Zeit. Sie verlangte und erreichte leitende Positionen in der Gerichtsbarkeit und Politik, die Frauen ihrer Generation fast vollständig verschlossen waren. Sie setzte das Recht auf Teilzeitarbeit für Beamtinnen durch, auch wenn sie selbst Wert darauf legte, immer mindestens in Vollzeit zu arbeiten. Sie wurde 1984 am Hanseatischen OLG als erste Frau Senatspräsidentin und sie war zwischen 1991 und 2001 Justizsenatorin in Hamburg und Berlin. Im Deutschen Juristinnenbund, dessen erste Vorsitzende sie von 1977–1981 war, engagierte sie sich in den 1970er Jahren für die Gleichberechtigung von Frauen vorrangig im Ehe- und Sorgerecht. So ist es u.a. ihr zu verdanken, dass mit der Familienrechtsreform 1977 Ehefrauen das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben erhielten. Neben ihrem beruflichen und umfangreichen ehrenamtlichen Engagement schaffte sie es, im Alter von 58 Jahren zur Problematik des Umgangsrechts zu promovieren.
Die unfassbare Energie, mit der sie ihre beruflichen und vielfältigen politischen Erfolge errang, wird erfahrbar bei der Lektüre der von ihr 2012 verfassten „autobiografischen Zeitgeschichte“ mit dem Titel: „Selbstverständlich gleichberechtigt“. Sie brauchte diese Kraft, weil sie unentwegt gegen frauenfeindliche Rollenstereotype ankämpfen und „gläserne Decken“ durchbrechen musste, um ihren Lebenstraum verwirklichen zu können – das Leben einer emanzipierten Frau; wohl wissend, dass das nur gelingen kann, wenn alle Frauen „selbstverständlich gleichberechtigt“ sind.
Im Rentenalter ging Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit keineswegs in den Ruhestand, vielmehr gründete sie eine Fachkanzlei für Familien- und Erbrecht, in der sie sich mit Kolleginnen bis zu ihrem letzten Lebenstag für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern engagierte.
1983 war Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit eine der ersten Abonnentinnen der STREIT, der sie bis zu ihrem Tod treu blieb. Wir trauern um eine Wegbereiterin und Unterstützerin immer neuer Generationen feministischer Juristinnen.
Die Redaktion der STREIT