STREIT 4/2018

S. 165-168

KG Berlin, § 1615l Abs. 2 BGB

Betreuungsunterhalt einer nicht verheirateten Mutter, nachhaltiges Einkommen

1. Von einem nachhaltig erwirtschafteten, dauerhaft gesicherten Erwerbseinkommen der betreuenden, nicht verheirateten Mutter, das der Berechnung des Betreuungsunterhalts nach § 1615l Abs. 2 BGB zugrunde gelegt werden kann, ist auch dann auszugehen, wenn die betreuende Mutter nach erfolgreichem Abschluss ihrer Hochschulausbildung und der Beendigung einer fachlichen Weiterbildung ihre erste Stelle im erlernten Beruf antritt, soweit es sich dabei um eine unbefristete Stelle handelt und sie sich nicht mehr in der arbeitsrechtlichen Probezeit befindet. Dabei bleibt es auch dann, wenn sie bei Antritt der Stelle bereits mit dem zu betreuenden Kind schwanger ist und sie aufgrund von Krankheit und eines schwangerschaftsbedingten Beschäftigungsverbots bis zum Beginn der Elternzeit effektiv nur eine Woche erwerbstätig sein kann.
2. Entscheidender Gesichtspunkt für die Frage, ob das erzielte Einkommen nachhaltig ist, ist weniger die tatsächliche Dauer der Tätigkeit, sondern maßgeblich ist vielmehr, ob erwartet werden kann, dass die Tätigkeit, aus der das zuletzt bezogene Einkommen generiert wurde, vom Berechtigten prognostisch mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Dauer ausgeübt werden kann bzw. ohne die Geburt des zu betreuenden Kindes mit großer Wahrscheinlichkeit hätte weiter ausgeübt werden können.
(Amtliche Leitsätze)

Beschluss des KG Berlin vom 24.09.2018, 13 UF 33/18

Aus den Gründen:
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den am 3. Januar 2018 verkündeten Beschluss des Familiengerichts und die dort festgesetzte Höhe des von ihr geforderten laufenden und rückständigen Betreuungsunterhalts einer nicht verheirateten Mutter.
Die Beteiligten, die nicht miteinander verheiratet sind oder waren, sind die Eltern des am …  Oktober 2016 geborenen R. Die Eltern beendeten ihre Beziehung bereits vor der Geburt des gemeinsamen Sohnes, der im Haushalt der Mutter lebt.
Die Antragstellerin ist Psychologische Psychotherapeutin. Ihr Psychologiestudium beendete sie im Jahr 2009. Anschließend arbeitete sie – überwiegend in Teilzeit – in verschiedenen Kliniken als Psychologin. Ab Mai 2011 begann sie mit der Weiterbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin. Die Prüfung bestand sie mit der Note “gut”; die Approbation erhielt sie am … September 2015. Im Jahr 2015 war sie neben ihrer Weiterbildung in Teilzeit erwerbstätig und zwar von Mitte Januar 2015 bis Oktober 2015 bei der G…, F… mit einem Nettolohn von ca. 1.207 €/Monat. Daneben war sie im Jahr 2015 für die Ambulanz des Klinikums der … Universität … als Honorarkraft sowie selbständig tätig. Zum 15. Februar 2016 trat sie eine unbefristete Stelle als Psychologische Psychotherapeutin im … Klinikum B… mit einer Arbeitszeit von 36 h/Woche an. Ihr Nettogehalt im März 2016 betrug 2.595,39 € (ca. 2.600 €/Monat). Nach etwa einer Woche Arbeitstätigkeit, ab dem 22. Februar 2016, wurde sie krank; sie war zu diesem Zeitpunkt bereits mit R… schwanger. Das Gehalt wurde vom Klinikum zunächst fortbezahlt. Von April 2016 bis Anfang Juli 2016 bezog sie von der Krankenkasse Krankengeld. In der Folgezeit sprach die behandelnde Gynäkologin aufgrund der Schwangerschaft der Antragstellerin ein Beschäftigungsverbot aus, was dazu führte, dass die Antragstellerin ab Juli 2016 bis Oktober 2016 anstelle von Krankengeld (wieder) Lohnfortzahlung durch das Klinikum erhielt. Ab Dezember 2016 bezog die Antragstellerin “Elterngeld Plus” in Höhe von 370,78 €/Monat; das Elterngeld wurde ihr bis zum 10. August 2018 bewilligt.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2016 setzte ihr damaliger Bevollmächtigter den Antragsgegner in Verzug. In diesem Schreiben heißt es u.a.: „Den laufenden Unterhalt ab dem Monat Dezember 2016 betreffend gehen wir vorläufig von einem bereinigten Nettoeinkommen auf Seiten Ihres Mandanten in Höhe von (gerundet) 2.600 € aus. Hieraus resultiert […] und ein Betreuungsunterhaltsanspruch unserer Mandantin in Höhe von 1.124 € gemäß § 1615l BGB …”.
Der Antragsgegner ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in eigener Praxis. Seit Dezember 2016 zahlte er an die Antragstellerin Betreuungsunterhalt in Höhe von 659 €/Monat.
Die Antragstellerin meint, bei den von ihr im … Klinikum B… erzielten Einkünften handele es sich um das bei Geburt des Kindes nachhaltig erwirtschaftete, dauerhaft gesicherte Einkommen. Sie meint weiter, ohne die Geburt des Kindes und unabhängig von dem bestehenden Arbeitsvertrag mit dem … Klinikum wäre es ihr als Psychologischer Psychotherapeutin jederzeit möglich, mindestens ein Nettoeinkommen in gleicher Höhe – ca. 2.600 €/Monat - zu erzielen. Hilfsweise sei jedenfalls auf das von ihr im Jahr 2015 bezogene Einkommen abzustellen; in 2015 habe sie über Nettoeinkünfte in einer Höhe von durchschnittlich etwa 1.618 €/Monat verfügt. Sie ist der Auffassung, der Antragsgegner verfüge über ein durchschnittliches monatliches Nettogehalt in Höhe von 3.879,63 €. Nach Abzug des Kindesunterhalts, der 361 € betrage, sei er daher in ausreichendem Maße leistungsfähig, um ihr Betreuungsunterhalt in Höhe von 1.508 €/Monat zu zahlen. Unter Berücksichtigung des geleisteten Betrages von 659 €/Monat errechne sich ein Unterhaltsrückstand seit Dezember 2016 in Höhe von 6.792 €. […]
Der Antragsgegner meint, bei den von der Antragstellerin beim … Klinikum bezogenen Einkünften handele es sich nicht um deren nachhaltig erzieltes Einkommen, welches der Unterhaltsberechnung zugrunde gelegt werden könnte. Denn bis zur Geburt des Kindes im Oktober 2016 habe die Antragstellerin lediglich etwa eine Woche effektiv für das … Klinikum gearbeitet. Auch im Jahr zuvor, während des Jahres 2015, habe sie über kein nachhaltiges, dauerhaftes Einkommen verfügt, da sie sich in erster Linie ihrer Weiterbildung gewidmet und daneben lediglich befristete Teilzeittätigkeiten ausgeübt habe. Auch zuvor sei sie niemals länger einer qualifizierten Tätigkeit nachgegangen. Daher sei von einem Unterhaltsbedarf der Antragstellerin in Höhe des Mindestbedarfs bzw. des notwendigen Selbstbehalts von 880 €/Monat auszugehen. Hierauf sei das bezogene “Elterngeld Plus” von 370,78 €/Monat abzüglich des anrechnungsfrei zu belassenden Elterngeldbetrages von 150 €/Monat anzurechnen, so dass sich ein ungedeckter Bedarf von (880 € ./. 370,78 € + 150 € =) 659,22 € und damit ein Unterhaltsanspruch der Antragstellerin von 659 €/Monat ergebe. […]

Zur Begründung der Entscheidung, den Antragsgegner zu verpflichten, an die Antragstellerin ab Dezember 2017 bis zum 10. Oktober 2019 laufenden Betreuungsunterhalt in Höhe von 887 €/Monat sowie rückständigen Betreuungsunterhalt aus dem Zeitraum von Dezember 2016 bis November 2017 in Höhe von insgesamt 2.736 € zu zahlen, verweist das Familiengericht darauf, die von der Antragstellerin beim … Klinikum ab Februar 2016 erzielten Einkünfte seien nicht als nachhaltiges Einkommen anzusehen, weil sie – unstreitig - tatsächlich nur etwa eine Woche für das Klinikum gearbeitet habe und ansonsten krank gewesen sei bzw. einem schwangerschaftsbedingten Beschäftigungsverbot unterlegen habe. Daher sei für den Unterhaltsbedarf der Antragstellerin auf das von ihr im Jahr 2015 erzielte Nettoeinkommen abzustellen; dieses habe ausweislich des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2015 1.108,12 €/Monat betragen. Abzüglich des bezogenen “Elterngeld Plus” in anzurechnender Höhe von (370,78 € ./. anrechnungsfrei verbleibenden 150 € =) 220,78 € ergebe sich ein ungedeckter Unterhaltsbedarf von (gerundet) 887 €/Monat.
Der Antragsgegner sei auch ausreichend leistungsfähig, um diesen Betrag zu zahlen: In den Jahren 2014 bis 2016 habe er über Nettoeinkünfte in Höhe von durchschnittlich 4.000 €/Monat verfügt. Diese seien zu bereinigen um die Darlehenstilgung von 990 €/Monat, Umgangskosten in Höhe von 540 €/Monat sowie Kindesunterhalt in Höhe von 370 €/Monat. […]
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt, den Antragsgegner zu einer laufenden Unterhaltszahlung in Höhe von 1.508 €/Monat und zum Ausgleich eines Rückstands von 6.792 € zu verpflichten. […]

II.
1. […] In der Sache selbst hat das Rechtsmittel den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Im Einzelnen: […]
b) Ausgangspunkt für den Unterhaltsbedarf der Antragstellerin ist ein Erwerbseinkommen von etwa 2.600 € monatlich. Das Maß des nach § 1615l BGB geschuldeten Unterhalts bestimmt sich aufgrund der Verweisung auf das Verwandtenunterhaltsrecht nach der Lebensstellung des unterhaltsberechtigten Elternteils (§§ 1615l Abs. 3 Satz 1, 1610 Abs. 1 BGB):
(aa) Nach der bisherigen höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung wird die Lebensstellung des unterhaltsberechtigten Elternteils, soweit dieser – wie hier – vor der Geburt bzw. der Betreuung des Kindes erwerbstätig war, durch dessen Erwerbseinkommen geprägt. Entscheidend ist, welches Einkommen der betreuende Elternteil ohne Geburt oder Kinderbetreuung erwirtschaftet hätte; an diesen Betrag ist anzuknüpfen. Das gilt allerdings nur, soweit es sich hierbei um ein nachhaltig erzieltes, dauerhaft gesichertes Einkommen handelt. Ein solches liegt nicht vor, wenn die Erwerbsbiographie durch wechselnde Zeiten der Berufstätigkeit und Arbeitslosigkeit gekennzeichnet ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2008 – XII ZR 109/05, BGHZ 177, 272 = FamRZ 2008,1739 [bei juris Rz. 25]; BGH, Urteil vom 17. Januar 2007 – XII ZR 104/03, FamRZ 2007,1303 [bei juris Rz. 17]; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11. Juli 2013 – 6 UF 24/13, FamRZ 2014,484 [bei juris Rz. 35, 38] sowie Büte/Poppen/Menne-Menne, Unterhaltsrecht [3. Aufl. 2015], § 1615l Rn. 29, 30).
Dem vom Antragsgegner unter Berufung auf ein Literaturzitat (Wendl/Dose-Bömelburg, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis [9. Aufl. 2015], § 4 Rn. 294) angeführten Postulat, vor Ablauf einer zweijährigen Beschäftigungszeit könne von einem nachhaltigen Erwerbseinkommen nicht ausgegangen werden, kann in dieser Allgemeinheit und Absolutheit nicht gefolgt werden. Denn abgesehen davon, dass die zitierte Stelle sich nicht mit der Frage beschäftigt, ab wann ein nachhaltiges Erwerbseinkommen im Sinne von § 1615l BGB vorliegt, sondern lediglich eine Aussage dazu trifft, ab wann beim geschiedenen Ehegatten von einer nachhaltigen Sicherung des eigenen Unterhalts durch Erwerbstätigkeit im Sinne von § 1573 Abs. 4 Satz 1 BGB ausgegangen werden könne, ergibt sich schon bei Durchsicht der angeführten Passage insgesamt, dass die Rechtsprechung gerade keine pauschale Annahmen zulässt, sondern stets eine Einzelfallbetrachtung nach Maßgabe der konkreten Umstände verlangt. Anerkannt ist deshalb, dass von einer nachhaltigen Unterhaltssicherung im Einzelfall auch bei einer relativ kurzen tatsächlichen Beschäftigungsdauer ausgegangen werden kann; etwa, wenn der Unterhaltsberechtigte über einen unbefristeten Arbeitsvertrag verfügt, der Arbeitgeber aber unerwartet Insolvenz anmelden muss (vgl. den Fall von BGH, Urteil vom 9. Oktober 1985 – Ivb ZR 56/84, FamRZ 1985,429 [bei juris Rz. 9] sowie Wendl/Dose-Bömelburg, a.a.O.). Eine Durchsicht der zu § 1615l BGB und diesem Aspekt ergangenen Entscheidungen zeigt ebenfalls, dass die Frage der “Nachhaltigkeit” durchaus einzelfallorientiert beurteilt wird. So hat es etwa das Oberlandesgericht Koblenz (Urteil vom 6. August 1999 – 11 UF 127/99, NJW 2000,669 [bei juris Rz. 8f.]) abgelehnt, den Bedarf der nicht verheirateten Mutter an einem Einkommen von 3.500 DM/Monat auszurichten, weil die Erwerbsbiographie der Mutter in den letzten vier Jahren vor Erlass der Entscheidung durch kurze Zeiten der Erwerbstätigkeit, Zeiten der Arbeitslosigkeit und Zeiten der Inanspruchnahme staatlicher Transferleistungen gekennzeichnet war; das lasse ein nachhaltiges Einkommen nicht erkennen. In einem anderen Fall hat (ebenfalls) das Oberlandesgericht Koblenz (Beschluss vom 10. Juli 2000 – 13 WF 377/00, NJW-RR 2000,1531 [bei juris Rz. 5f.]) entschieden, dass selbst bei einer im Zeitpunkt der Geburt arbeitslosen Mutter nicht auf das Arbeitslosengeld als Maßstab für deren Unterhaltsbedarf abzustellen ist, sondern dass an das frühere (höhere) Erwerbseinkommen angeknüpft werden könne, wenn auf Grund der gesamten Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass ohne Schwangerschaft und Geburt die Mutter diese Einkünfte auch im Unterhaltszeitraum erzielt hätte.
Entscheidender Gesichtspunkt für die Frage, ob das erzielte Einkommen nachhaltig ist, ist daher weniger die tatsächliche Dauer der Tätigkeit, sondern maßgeblich ist vielmehr, ob erwartet werden kann, dass die Tätigkeit, aus der das zuletzt bezogene Einkommen generiert wurde, vom Berechtigten prognostisch mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Dauer ausgeübt werden kann bzw. ohne die Geburt mit großer Wahrscheinlichkeit hätte weiter ausgeübt werden können. Das ist im vorliegenden Fall zu bejahen: Auch wenn die Antragstellerin effektiv nur etwa eine Woche im … Klinikum erwerbstätig war, steht einer dauerhaften Ausübung der Tätigkeit als Psychologischer Psychotherapeutin nichts im Wege. Denn die Antragstellerin verfügt über einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit dem Klinikum und die vereinbarte sechsmonatige Probezeit ist abgelaufen. Dass die Antragstellerin zunächst krankheitsbedingt, später schwangerschaftsbedingt bzw. aufgrund des ärztlichen Beschäftigungsverbots ihre Arbeitsleistung nicht anbieten konnte, steht dem nicht entgegen; sie kann nach dem Ende der Elternzeit in den laufenden Vertrag wieder einsteigen. Ein weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu: Die Ausbildungs- und Berufsbiographie der Antragstellerin verläuft im großen Ganzen geradlinig und entspricht dem “typischen”, zu erwartenden Verlauf. […]
Dass die Antragstellerin schwanger wurde – die Antragstellerin ist heute 41 Jahre alt - kann nicht dazu führen, dass deshalb die “Nachhaltigkeit” des von ihr im … Klinikum erzielten Einkommens in Abrede gestellt werden kann. Maßgebend muss vielmehr sein, ob die Erwerbstätigkeit nach objektiven Maßstäben und der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend mit einer gewissen Sicherheit als dauerhaft angesehen werden kann oder ob zu befürchten ist, dass die Antragstellerin die Stelle alsbald wieder verlieren wird; etwa, weil sie die Probezeit nicht besteht; weil der Arbeitsvertrag befristet ist; weil sie die für die konkrete Stelle erforderliche Qualifikation nicht mitbringt etc. Derartige Gründe sind indessen nicht ersichtlich; nach allem, was bekannt ist, kann die Antragstellerin vielmehr ihre Tätigkeit als Therapeutin nach dem Ende der Elternzeit unmittelbar wieder aufnehmen.
Der entscheidende Umstand, der den vorliegenden Fall von der Konstellation abgrenzt, über die das Oberlandesgericht Hamm (Beschluss vom 27. November 2015 – 10 UF 57/15, NZFam 2016,894 [bei juris Rz. 24ff.]) zu entscheiden hatte, ist die Tatsache, dass die Unterhaltsberechtigte im Fall des Oberlandesgerichts Hamm nach Abschluss ihres Studiums in der Zeit von 1998 bis 2014 bei drei unterschiedlichen Arbeitsverhältnissen Berufserfahrungen gesammelt hat und ihre Erwerbsbiographie auch durch mehrmonatige Zeiten der Arbeitslosigkeit gekennzeichnet war. […]
Diese Konstellation liegt hier jedoch nicht vor. Vielmehr hat die Antragstellerin im Anschluss an ihr Studium und nach Abschluss ihrer Weiterbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin ihre erste Stelle ohne größeren zeitlichen Verzug angetreten. Deshalb ist auf das hierbei erziele Einkommen abzustellen, auch wenn die tatsächliche, effektive Beschäftigungszeit ausgesprochen kurz war. Denn es sind keine zwingenden Gründe ersichtlich, wonach eine Fortführung der begonnenen Berufstätigkeit im … Klinikum nach dem Ende der Elternzeit ausgeschlossen wäre.

(bb) Letztlich kommt es hierauf noch nicht einmal entscheidend an. Denn nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juni 2015 – XII ZB 251/14, BGHZ 205,342 = FamRZ 2015,1369 [bei juris Rz. 34]), der sich die Obergerichte inzwischen angeschlossen haben (vgl. etwa OLG Köln, Beschluss vom 21. Februar 2017 – 25 UF 149/16, FamRZ 2017,1309 [bei juris Rz. 36ff.]), wird der Unterhaltsbedarf des nicht verheirateten, betreuenden Elternteils nicht mehr unabänderlich durch die Lebensstellung bestimmt, die er im Zeitpunkt der Geburt des Kindes hatte, sondern danach, welche Einkünfte er ohne die Geburt und die Betreuung des gemeinsamen Kindes hätte erzielen können. Der Unterhaltsbedarf ist also nicht mehr auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes festgeschrieben, sondern im Zeitpunkt der zu treffenden Entscheidung ist vom Zeitpunkt der Geburt des Kindes ausgehend zu prüfen, wie sich die Lebensstellung des betreuenden Elternteils ohne die Geburt des Kindes hypothetisch weiter entwickelt hätte: Maßstab für den Bedarf des betreuenden Elternteils ist damit sein im konkreten Einzelfall nach seinen individuellen Fähigkeiten erzielbares hypothetisches Erwerbseinkommen, dass er erzielen würde, wenn nicht das zu betreuende Kind geboren worden wäre, sondern er seine bisherige Berufstätigkeit bzw. Ausbildung/Studium planmäßig fortgeführt hätte (vgl. Ehinger/Rasch/Schwonberg/Siede-Schwonberg, Handbuch des Unterhaltsrechts [8. Aufl. 2018] Kap. 4 Rn. 4.51, 4.51a).
Im vorliegenden Fall ist das aber das “Einstiegsgehalt” einer Psychologischen Psychotherapeutin mit knapp über einem halben Jahr Berufserfahrung: Das wäre ebenfalls ein Einkommen in einer Größenordnung von etwa 2.600 € netto monatlich. Denn die Antragstellerin hat vorgetragen, dass sie dieses Einkommen jederzeit erzielen könnte; auch bei einem anderen Arbeitgeber. Die von ihr erreichte gute Abschlussnote bestätigt diese Annahme. Deshalb spielt es – entgegen der Meinung des Antragsgegners - letztlich auch keine entscheidende Rolle, dass die Antragstellerin ihre Zweitwohnung, die sie am Kliniksitz unterhalten hatte, im weiteren Verlauf aufgegeben und nach B… verzogen ist: Entscheidend ist allein, ob die Antragstellerin in der Lage ist, den genannten Betrag zu erwirtschaften. Das ist aber zu bejahen: Ein Abgleich des Gehalts eines Psychologischen Psychotherapeuten für B… beispielsweise auf www.gehaltsvergleich.com ergibt eine (Brutto-) Gehaltsspanne von 3.686 € bis 5.852 €/Monat. Das von der Antragstellerin im … Klinikum im März 2016 bezogene Bruttogehalt betrug 4.645 €/Monat, lag also in etwa in der Mitte dieser Spanne. Dafür, dass die Antragstellerin beabsichtigen würde, ihre gerade begonnene Erwerbstätigkeit völlig einzustellen, ist nichts ersichtlich und das wird auch vom Antragsgegner nicht behauptet; der Umstand, dass die Antragstellerin Elterngeld nur bis August 2018 beantragt hat, ist ebenfalls ein Indiz für die Absicht der Antragstellerin, im erlernten Beruf in absehbarer Zeit wieder tätig zu werden.

c) Auf den danach festgestellten Unterhaltsbedarf von 2.600 €/Monat ist das bezogene “Elterngeld Plus” von 370,78 €/Monat anzurechnen, wobei ein “Sockelbetrag” von 150 € anrechnungsfrei bleibt (§ 11 Satz 2 BEEG). […]
d) Anhand der Leistungsfähigkeit des Antragsgegners ist prüfen, inwieweit er in der Lage ist, diesen Unterhaltsbedarf zu decken:
(aa) […] Das durchschnittliche Monatseinkommen in dem Drei-Jahreszeitraum beträgt damit 4.174,27 €/Monat.
(bb) In unterhaltsrechtlicher Hinsicht ist dieses Einkommen in mehrfacher Hinsicht zu bereinigen. […]
g) Im Ergebnis ist damit der Antragsgegner in Abänderung der angegriffenen Entscheidung verpflichtet, an die Antragstellerin einen Unterhaltsrückstand aus dem Zeitraum Dezember 2016 bis einschließlich November 2017 in Höhe von 4.492 € zu zahlen sowie laufenden Unterhalt für den Monat Dezember 2017 in Höhe von 1.037 €/Monat sowie ab Januar 2018 bis zum 10. Oktober 2019 einen Unterhaltsbetrag in Höhe von 1.031 /Monat. […]