STREIT 2/2018

S. 61-67

EuGH, Richtlinie 2006/54/EG (Gleichbehandlungsrichtlinie), Richtlinie 92/85/EWG (Mutterschutzrichtlinie)

Beweislast für die Risikobeurteilung des Arbeitsplatzes einer stillenden Arbeitnehmerin

Tenor
1.) Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen ist dahin auszulegen, dass er in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden – in der eine stillende Arbeitnehmerin bei einem nationalen Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle des betroffenen Mitgliedstaats die Risikobeurteilung ihres Arbeitsplatzes anficht, da diese nicht gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz durchgeführt worden sei – anwendbar ist.
2.) Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 ist dahin auszulegen, dass es in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden der betroffenen Arbeitnehmerin obliegt, Tatsachen glaubhaft zu machen, die dafür sprechen, dass die Risikobeurteilung ihres Arbeitsplatzes nicht gemäß den Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/85 durchgeführt wurde, und somit das Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne der Richtlinie 2006/54 vermuten lassen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Sodann obliegt es der beklagten Partei, zu beweisen, dass diese Risikobeurteilung gemäß den Anforderungen dieser Vorschrift durchgeführt wurde und dass somit kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vorliegt.

Urteil des EuGH vom 19.10.2017, C-531/15

Aus den Gründen:
Das Vorabentscheidungsersuchen […] ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen – auf der einen Seite – Frau Elda Otero Ramos und – auf der anderen Seite – dem Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) (Nationale Sozialversicherungsanstalt, Spanien, im Folgenden: INSS) und dem Servicio Galego de Saúde (Gesundheitsdienst der Autonomen Gemeinschaft Galicien, Spanien) wegen der Weigerung, im Hinblick auf die Gewährung finanzieller Leistungen wegen des Risikos während der Zeit des Stillens eine Bescheinigung darüber auszustellen, dass die Erfüllung von Aufgaben durch die Betroffene, die mit ihrem Arbeitsplatz verbunden sind, ein Risiko für das Stillen ihres Kindes darstellt.

Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 92/85/EWG (Mutterschutzrichtlinie)
[…] Der Schutz der Sicherheit und der Gesundheit von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen darf Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht benachteiligen; er darf ferner nicht die Richtlinien zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen beeinträchtigen.
Bei bestimmten Tätigkeiten kann ein besonderes Risiko einer Exposition der schwangeren Arbeitnehmerin, der Wöchnerin oder der stillenden Arbeitnehmerin gegenüber gefährlichen Agenzien, Verfahren oder Arbeitsbedingungen bestehen; diese Risiken müssen beurteilt und die Ergebnisse dieser Beurteilung den Arbeitnehmerinnen und/oder ihren Vertretern mitgeteilt werden.
Für den Fall, dass das Ergebnis dieser Beurteilung ein Risiko für die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmerin ergibt, ist eine Regelung zum Schutz der Arbeitnehmerin vorzusehen. […]

Art. 3 der Richtlinie sieht vor:
„(1) Die Kommission erstellt im Benehmen mit den Mitgliedstaaten und mit Unterstützung des Beratenden Ausschusses für Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz Leitlinien für die Beurteilung der chemischen, physikalischen und biologischen Agenzien sowie der industriellen Verfahren, die als Gefahrenquelle für Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 gelten. […] Die […] genannten Leitlinien sollen als Leitfaden für die in Artikel 4 Absatz 1 vorgesehene Beurteilung dienen. […]“
Die in Art. 3 der Richtlinie 92/85 genannten Leitlinien in der für die vorliegende Rechtssache maßgeblichen Fassung sind in der Mitteilung der Kommission vom 5. Oktober 2000 über die Leitlinien für die Beurteilung der chemischen, physikalischen und biologischen Agenzien sowie der industriellen Verfahren, die als Gefahrenquelle für Gesundheit und Sicherheit von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz gelten (KOM[2000] 466 endg., im Folgenden: Leitlinien) enthalten.

Art. 4 der Richtlinie 92/85 bestimmt in Bezug auf die Beurteilung der Risiken und die Unterrichtung der Arbeitnehmer über diese Risiken:
„(1) Für jede Tätigkeit, bei der ein besonderes Risiko einer Exposition gegenüber den in der nicht erschöpfenden Liste in Anhang I genannten Agenzien, Verfahren und Arbeitsbedingungen besteht, sind in dem betreffenden Unternehmen und/oder Betrieb vom Arbeitgeber selbst oder durch die in Artikel 7 der Richtlinie [89/391] genannten Dienste für die Gefahrenverhütung Art, Ausmaß und Dauer der Exposition der Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 zu beurteilen, damit

  • alle Risiken für Sicherheit und Gesundheit sowie alle Auswirkungen auf Schwangerschaft oder Stillzeit der Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 abgeschätzt und

  • die zu ergreifenden Maßnahmen bestimmt werden können.

(2) Unbeschadet des Artikels 10 der [Richtlinie 89/391] werden in dem betreffenden Unternehmen und/oder Betrieb die Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 sowie diejenigen Arbeitnehmerinnen, die sich in einer der in Artikel 2 genannten Situationen befinden könnten, und/oder ihre Vertreter über die Ergebnisse der Beurteilung nach Absatz 1 und über die in [B]ezug auf Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu ergreifenden Maßnahmen unterrichtet.“

In Bezug auf die Konsequenzen aus der Risikobeurteilung sieht Art. 5 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie vor:
„(1) Ergibt die Beurteilung nach Artikel 4 Absatz 1 das Vorhandensein einer Gefährdung für Sicherheit oder Gesundheit sowie eine mögliche Auswirkung auf Schwangerschaft oder Stillzeit einer Arbeitnehmerin […], so trifft der Arbeitgeber […] die erforderlichen Maßnahmen […].
(2) Ist die Umgestaltung der Arbeitsbedingungen und/oder der Arbeitszeiten technisch und/oder sachlich nicht möglich oder aus gebührend nachgewiesenen Gründen nicht zumutbar, so trifft der Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen für einen Arbeitsplatzwechsel der betreffenden Arbeitnehmerin.
(3) Ist der Arbeitsplatzwechsel technisch und/oder sachlich nicht möglich oder aus gebührend nachgewiesenen Gründen nicht zumutbar, so wird die betreffende Arbeitnehmerin während des gesamten zum Schutz ihrer Sicherheit und Gesundheit erforderlichen Zeitraums entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten beurlaubt.“
[…]

Richtlinie 2006/54/EG (Gleichbehandlungsrichtlinie)
[…] Ziel der […] Richtlinie ist es, die Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen sicherzustellen. […]
Hinsichtlich der Beweislast und des Zugangs zu den Gerichten im Fall einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung bestimmt Art. 19 Abs. 1 und 4 der Richtlinie:
„(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen im Einklang mit dem System ihrer nationalen Gerichtsbarkeit die erforderlichen Maßnahmen, nach denen dann, wenn Personen, die sich durch die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert halten und bei einem Gericht bzw. einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.“ […]

Spanisches Recht
Die Sozialleistungen im Zusammenhang mit den Risiken während der Zeit des Stillens wurden durch die Ley Orgánica 3/2007 para la igualdad efectiva de mujeres y hombres (Organgesetz Nr. 3/2007 zur tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern) vom 22. März 2007 (BOE Nr. 71 vom 23. März 2007, S. 12611, im Folgenden: Gesetz 3/2007) in die spanische Rechtsordnung eingeführt. […]

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass Frau Otero Ramos als Krankenschwester in der Notaufnahme des Centro Hospitalario Universitario de A Coruña (Universitätsklinik von A Coruña, im Folgenden: Uniklinik) beschäftigt ist, das dem Gesundheitsdienst der Autonomen Gemeinschaft Galicien untersteht. Am … brachte Frau Otero Ramos ein Kind zur Welt, das sie in der Folge stillte. Am … teilte Frau Otero Ramos ihrem Arbeitgeber mit, dass sie ihr Kind auf natürliche Weise stille und dass die ihr im Rahmen ihres Arbeitsplatzes obliegenden Aufgaben sich u. a. aufgrund des komplexen Arbeitsrhythmus im Schichtsystem, ionisierender Strahlungen, nosokomialer Infektionen und von Stress negativ auf das Stillen auswirken und sie Risiken für ihre Gesundheit und Sicherheit aussetzen könnten. Sie beantragte daher eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen und das Ergreifen vorbeugender Maßnahmen. […]
Am … beantragte Frau Otero Ramos bei der Dirección Provincial del Instituto Nacional de la Seguridad Social de A Coruña (Regionaldirektion A Coruña des INSS) im Hinblick auf die Gewährung finanzieller Leistungen wegen des Risikos während der Zeit des Stillens eine Bescheinigung über das Bestehen eines Risikos für das Stillen ihres Kindes.
Die Regionaldirektion A Coruña des INSS berücksichtigte bei der Bearbeitung dieses Antrags zum einen eine Erklärung des Leiters der Personalabteilung der Uniklinik, wonach der Arbeitsplatz von Frau Otero Ramos, d. h. der Arbeitsplatz einer Krankenschwester in der Notaufnahme, in der von der Uniklinik in Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretern erstellten Liste der risikofreien Arbeitsplätze aufgeführt sei. Zum anderen berücksichtigte sie den Bericht eines Arztes des Dienstes für Präventionsmedizin und Arbeitsschutz, der bestätigte, dass Frau Otero Ramos untersucht worden und geeignet sei, die ihr im Zusammenhang mit ihrem Arbeitsplatz obliegenden Aufgaben zu erfüllen.
Auf der Grundlage dieser Unterlagen stellte das INSS mit Entscheidung vom … fest, dass nicht nachgewiesen worden sei, dass der Arbeitplatz von Frau Otero Ramos ein Risiko für das Stillen ihres Kindes beinhalte, und wies den Antrag von Frau Otero Ramos daher zurück.
Am 11. Juli 2012 erhob Frau Otero Ramos gegen diese Entscheidung Klage […], mit der sie geltend machte, dass sie an ihrem Arbeitsplatz einem Risiko für das Stillen ihres Kindes ausgesetzt sei. Zur Stützung ihres Einwands reichte sie ein von ihrer unmittelbaren Vorgesetzten, der Leiterin der Notaufnahme der Uniklinik, unterzeichnetes Schreiben ein, in dem es heißt, dass die Tätigkeit als Krankenschwester in dieser Abteilung körperliche, chemische, biologische und psychosoziale Risiken für die stillende Mutter und für ihr Kind beinhalte.
Mit Entscheidung vom 24. Oktober 2013 wies das Gericht die Klage von Frau Otero Ramos mit der Begründung ab, dass nicht nachgewiesen sei, dass ihr Arbeitsplatz das behauptete Risiko beinhalte. Das Gericht stellte außerdem fest, dass der bei ihm anhängige Rechtsstreit anderen Rechtssachen vergleichbar sei, in denen sowohl das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) als auch das vorlegende Gericht, das Tribunal Superior de Justicia de Galicia (Oberster Gerichtshof von Galicien, Spanien), strenge Anforderungen an die Beweiswürdigung im Hinblick auf das Bestehen des Risikos, das Voraussetzung für die Gewährung der Leistung sei, gestellt hätten, und dass im vorliegenden Fall keine neuen Aspekte vorlägen, die ein Abweichen davon rechtfertigten.
Gegen diese Entscheidung legte Frau Otero Ramos beim vorlegenden Gericht Rechtsmittel ein.

Dieses Gericht möchte wissen, ob die in Art. 19 der Richtlinie 2006/54 vorgesehenen Regelungen über die Beweislast in Bezug auf den Nachweis des Bestehens einer Risikosituation während der Zeit des natürlichen Stillens im Sinne von Art. 26 Abs. 3 des Gesetzes 31/1995, durch den Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 92/85 in nationales Recht umgesetzt wurde, angewandt werden können. […]
Für den Fall, dass Art. 19 der Richtlinie 2006/54 […] anwendbar sein sollte, möchte das vorlegende Gericht wissen, wie diese Regeln anzuwenden sind, insbesondere, wie die Beweislast zwischen den Parteien zu verteilen ist. Konkret möchte das vorlegende Gericht zum einen wissen, ob ein von der unmittelbaren Vorgesetzten der betroffenen Arbeitnehmerin verfasster Bericht, in dem die Risiken für das Stillen angegeben sind, ein Indiz darstellt, das das Vorliegen einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne dieser Bestimmung vermuten lässt, und zum anderen, ob eine vom Arbeitgeber erstellte Liste der risikofreien Arbeitsplätze und ein Bericht des präventionsmedizinischen Dienstes, in dem ohne weitere Erläuterungen die Geeignetheit der Arbeitnehmerin für die Arbeit festgestellt wird, für den Nachweis, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorlag, als ausreichend anzusehen sind.
In dem Fall, dass Indizien vorliegen, die zum Nachweis des behaupteten Risikos geeignet sind, stellt sich nach Ansicht des vorlegenden Gerichts außerdem die Frage, ob die stillende Arbeitnehmerin oder aber der Arbeitgeber beweisen muss, dass die Umgestaltung der Arbeitsbedingungen oder ‑zeiten dieser Arbeitnehmerin nicht möglich ist oder dass trotz einer solchen Umgestaltung die Bedingungen am Arbeitsplatz der stillenden Arbeitnehmerin deren Gesundheit und die ihres Kindes im Sinne von Art. 26 Abs. 2 des Gesetzes 31/1995, der Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 92/85 umsetzt, beeinträchtigen könnten und der Arbeitsplatzwechsel technisch oder sachlich nicht möglich ist oder dem Arbeitgeber aus gebührend nachgewiesenen Gründen im Sinne von Art. 26 Abs. 3 des genannten Gesetzes, der Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie umsetzt, nicht zugemutet werden kann.

Unter diesen Umständen hat das Tribunal Superior de Justicia de Galicia (Oberster Gerichtshof von Galicien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabent­scheidung vorzulegen:

  1. Sind die in Art. 19 der Richtlinie 2006/54 vorgesehenen Regelungen über die Beweislast auf den Tatbestand des Risikos während der Zeit des natürlichen Stillens gemäß Art. 26 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 26 Abs. 3 des Gesetzes 31/1995 anwendbar, durch den Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 92/85 in nationales spanisches Recht umgesetzt wurde?

  2. Für den Fall der Bejahung der ersten Frage: Sind Risiken für das natürliche Stillen bei der Ausübung einer Tätigkeit als Krankenschwester in der Notaufnahme eines Krankenhauses, die durch einen mit Gründen versehenen Bericht eines Arztes bestätigt werden, der zugleich Leiter der Notaufnahme des Krankenhauses ist, in dem die Arbeitnehmerin beschäftigt ist, als Tatsachen anzusehen, die im Sinne von Art. 19 der Richtlinie 2006/54 das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen?

  3. Für den Fall der Bejahung der zweiten Frage: Kann der Umstand, dass die von der Arbeitnehmerin bekleidete Stelle in einer von dem Unternehmen in Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretern erstellten Stellenliste als risikofrei eingestuft ist und dass der präventionsmedizinische Dienst/Arbeitsschutz des fraglichen Krankenhauses eine Erklärung über die Eignung der Arbeitnehmerin erteilt hat, ohne dass in diesen Unterlagen nähere Angaben dazu enthalten sind, wie man zu diesem Ergebnis gekommen ist, in jedem Fall und unwiderlegbar als Nachweis dafür angesehen werden, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Sinne von Art. 19 der Richtlinie 2006/54 vorliegt?

  4. Für den Fall, dass die zweite Frage bejaht und die dritte Frage verneint wird: Welche Partei – die klagende Arbeitnehmerin oder die beklagte Arbeitgeberin – trägt, wenn feststeht, dass sich aus der Arbeit Risiken für die Mutter oder das gestillte Kind ergeben können, gemäß Art. 19 der Richtlinie 2006/54 die Beweislast dafür, dass die Umgestaltung der Arbeitsbedingungen oder ‑zeiten nicht möglich ist oder dass trotz einer solchen Umgestaltung die Arbeitsbedingungen der Stelle die Gesundheit der schwangeren oder stillenden Arbeitnehmerin beeinträchtigen könnten (Art. 26 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 4 des Gesetzes 31/1995, der Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 92/85 umsetzt) und der Arbeitsplatzwechsel technisch oder sachlich nicht möglich oder aus nachgewiesenen Gründen nicht zumutbar ist (Art. 26 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 des Gesetzes 31/1995, der Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 92/85 umsetzt)?

Zu den Vorlagefragen
Vorbemerkungen
[…] Im vorliegenden Fall […] sind die vorgelegten Fragen dahin umzuformulieren, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage wissen möchte, ob Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden – in der eine Arbeitnehmerin bei einem nationalen Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle des betroffenen Mitgliedstaats die Risikobeurteilung ihres Arbeitsplatzes anficht, da diese nicht gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/85 durchgeführt worden sei – anwendbar ist.
Für den Fall der Bejahung möchte das vorlegende Gericht mit seinen Fragen 2 bis 4 wissen, in welcher Weise Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 auf eine Situation wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende anzuwenden ist.

Zur ersten Frage
[… Es] ist als Erstes auf die Anforderungen hinzuweisen, denen die Risikobeurteilung des Arbeitsplatzes einer stillenden Arbeitnehmerin gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/85 genügen muss.
In diesem Rahmen ist darauf hinzuweisen, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/85 den Arbeitgeber verpflichtet, selbst oder durch die Dienste für die Gefahrenverhütung Art, Ausmaß und Dauer der Exposition der Arbeitnehmerinnen im Sinne von Art. 2 dieser Richtlinie gegenüber den in der nicht erschöpfenden Liste in Anhang I der Richtlinie genannten Agenzien, Verfahren und Arbeitsbedingungen für jede Tätigkeit, bei der insoweit ein besonderes Risiko besteht, zu beurteilen. Diese Beurteilung wird durchgeführt, damit alle Risiken für Sicherheit und Gesundheit sowie alle Auswirkungen auf Schwangerschaft oder Stillzeit abgeschätzt und die zu ergreifenden Maßnahmen bestimmt werden können.
Bei der Auslegung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/85 sind die Leitlinien zu berücksichtigen, da diese nach Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie als Leitfaden für die in Art. 4 Abs. 1 vorgesehene Beurteilung dienen sollen. Den S. 6 und 7 der Leitlinien ist zu entnehmen, dass die Risikobeurteilung „die systematische Überprüfung aller Gesichtspunkte der Arbeit“ beinhaltet, die zumindest drei Phasen umfasst.
Die erste Phase besteht in der Ermittlung der Gefährdungen (physikalische und biologische Agenzien, industrielle Verfahren, Bewegungen und Körperhaltungen, geistige und körperliche Ermüdung sowie sonstige körperliche und geistige Belastungen). Die zweite Phase sieht die Erfassung der einer oder mehrerer dieser Gefährdungen ausgesetzten Gruppen von Arbeitnehmerinnen (schwangere Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillende Arbeitnehmerinnen) vor. Die dritte Phase, d. h. die qualitative und quantitative Risikoabschätzung, ist „die heikelste Phase des ganzen Prozesses […]“.
Auf den S. 11 und 12 der Leitlinien wird klargestellt, dass „die Risiken unterschiedlicher Art sein können – je nachdem, ob es sich um schwangere Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillende Arbeitnehmerinnen handelt“. Was insbesondere stillende Frauen anbelangt, muss der Arbeitgeber während des gesamten Zeitraums des Stillens eine regelmäßige Risikobeurteilung vornehmen, um eine Exposition dieser Arbeitnehmerinnen gegenüber Gesundheits- oder Sicherheitsrisiken wie die Exposition gegenüber bestimmten Stoffen wie Blei, organischen Lösungsmitteln, Pflanzenschutzmitteln und Mitosehemmstoffen zu vermeiden oder zu verringern. Denn einige dieser Stoffe gehen in die Muttermilch über und Kinder gelten insoweit als besonders gefährdet. In den Leitlinien wird außerdem darauf hingewiesen, dass in solchen Einzelfällen gegebenenfalls die Hinzuziehung von Arbeitsmedizinern geboten ist.
Die Leitlinien enthalten außerdem auf den S. 13 bis 35 zwei ausführliche Tabellen. Die erste Tabelle betrifft die Risikobeurteilung allgemeiner Gefährdungen und entsprechender Situationen, denen sich Schwangere, Wöchnerinnen und stillende Arbeitnehmerinnen am häufigsten gegenübersehen. In der zweiten Tabelle („Spezifische Gefährdungen“) wird einleitend darauf hingewiesen, dass die gleichen Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Stadien der Schwangerschaft sowie bei der Rückkehr in das Erwerbsleben nach der Entbindung bzw. wenn die Mutter noch stillt jeweils unterschiedliche Probleme für die Gesundheit und Sicherheit mit sich bringen können, da es sich bei der Schwangerschaft um einen dynamischen Vorgang handelt, der durch ständige Veränderung und Entwicklung gekennzeichnet ist. Bestimmte Probleme sind vorhersehbar und treffen generell zu, andere wiederum hängen von den individuellen Gegebenheiten und der jeweiligen Anamnese ab.
Aus den Leitlinien ergibt sich somit, dass die Risikobeurteilung des Arbeitsplatzes einer stillenden Arbeitnehmerin den Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/85 nur genügt, wenn sie eine spezifische Prüfung unter Berücksichtigung der individuellen Situation der betreffenden Arbeitnehmerin umfasst, um festzustellen, ob ein Risiko für die Gesundheit oder Sicherheit dieser Arbeitnehmerin oder die Gesundheit oder Sicherheit ihres Kindes besteht.

Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem System ihrer nationalen Gerichtsbarkeit die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, nach denen dann, wenn Personen, die sich durch die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert halten und bei einem Gericht bzw. einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt, zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.
Art. 19 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie stellt u. a. klar, dass die Regelungen über die Beweislastumkehr nach Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie auch auf die Situationen Anwendung finden, die von der Richtlinie 92/85 erfasst werden, sofern die Frage einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts angesprochen ist. Somit ist zu bestimmen, ob eine Situation wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne der Richtlinie 2006/54 darstellt.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2006/54 „jegliche ungünstigere Behandlung einer Frau im Zusammenhang mit Schwangerschaft oder Mutterschaftsurlaub im Sinne der Richtlinie [92/85]“ als Diskriminierung gilt. In Art. 1 der Richtlinie 92/85 ist ausdrücklich vorgesehen, dass diese Richtlinie die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz zum Ziel hat.
Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, wird mit den unionsrechtlichen Vorschriften über die Gleichheit von Männern und Frauen im Bereich der Rechte von schwangeren Frauen, Wöchnerinnen oder stillenden Frauen das Ziel verfolgt, diese vor und nach der Niederkunft zu schützen (Urteil vom 11. November 2010, Danosa, C‑232/09, EU:C:2010:674, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

[…] Folglich ist jegliche ungünstigere Behandlung einer Arbeitnehmerin aufgrund ihrer Situation als stillende Frau als in den Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2006/54 fallend anzusehen und stellt damit eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar.
In diesem Zusammenhang ist hinsichtlich des Schutzes bei Schwangerschaft und Mutterschaft darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof wiederholt festgestellt hat, dass Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2006/54 dadurch, dass er den Mitgliedstaaten das Recht vorbehält, zur Gewährleistung dieses Schutzes Vorschriften beizubehalten oder einzuführen, anerkennt, dass es im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter gerechtfertigt ist, zum einen die körperliche Verfassung der Frau während und nach der Schwangerschaft und zum anderen die besondere Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Kind während der Zeit nach der Entbindung zu schützen (Urteil vom 30. September 2010, Roca Álvarez, C‑104/09, EU:C:2010:561, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Wie die Generalanwältin in Nr. 57 ihrer Schlussanträge hervorgehoben hat, wird einer stillenden Arbeitnehmerin und ihrem Kind dann, wenn die Risiken, die der Arbeitsplatz dieser Arbeitnehmerin beinhaltet, nicht gemäß den Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/85 beurteilt wurden, der Schutz vorenthalten, den sie nach dieser Richtlinie erhalten müssen, da sie potenziellen Risiken ausgesetzt sein können, deren Vorliegen bei der Risikobeurteilung des Arbeitsplatzes der betroffenen Arbeitnehmerin nicht richtig festgestellt wurde. Insoweit kann eine stillende Arbeitnehmerin nicht in derselben Weise behandelt werden wie jeder andere Arbeitnehmer, da ihre spezifische Situation zwingend eine besondere Behandlung durch den Arbeitgeber erfordert.
Folglich ist der Umstand, dass das Risiko, das der Arbeitsplatz einer stillenden Arbeitnehmerin beinhaltet, nicht gemäß den Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/85 beurteilt wurde, als eine ungünstigere Behandlung einer Frau im Zusammenhang mit Schwangerschaft oder Mutterschaftsurlaub anzusehen, und stellt […], eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2006/54 dar.
Gemäß Art. 14 der Richtlinie 2006/54 fällt diese Diskriminierung unter das von dieser Richtlinie vorgesehene Verbot, da sie sich auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen der betroffenen Arbeitnehmerin im Sinne von Abs. 1 Buchst. c dieses Artikels bezieht. Aus Art. 5 der Richtlinie 92/85 geht nämlich hervor, dass die nach Abschluss der nach Art. 4 dieser Richtlinie vorgesehenen Beurteilung getroffene Feststellung eines Risikos für die Gesundheit oder die Sicherheit dieser Arbeitnehmerin oder von Auswirkungen auf das Stillen eine Umgestaltung ihrer Arbeitsbedingungen und/oder Arbeitszeiten, einen Arbeitsplatzwechsel oder eine Beurlaubung während des gesamten zum Schutz ihrer Sicherheit und Gesundheit erforderlichen Zeitraums zur Folge hat.

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 dahin auszulegen ist, dass er in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden – in der eine stillende Arbeitnehmerin bei einem nationalen Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle des betroffenen Mitgliedstaats die Risikobeurteilung ihres Arbeitsplatzes anficht, da diese nicht gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/85 durchgeführt worden sei – anwendbar ist.

Zu den Fragen 2 bis 4
Mit seinen Fragen 2 bis 4 […] möchte das vorlegende Gericht wissen, in welcher Weise Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 auf eine Situation wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende anzuwenden ist.
Insoweit ist klarzustellen, dass die in dieser Vorschrift vorgesehenen Beweisregelungen dann nicht zur Anwendung kommen, wenn die betroffene Arbeitnehmerin eine Umgestaltung ihrer Arbeitsbedingungen oder wie im Ausgangsverfahren eine finanzielle Leistung wegen des Risikos während der Zeit des natürlichen Stillens verlangt, für die eine Risikobeurteilung ihres Arbeitsplatzes gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/85 erforderlich ist. Erst in einer späteren Phase, in der eine Entscheidung über diese Risikobeurteilung von der betroffenen Arbeitnehmerin bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle angefochten wird, finden diese Regelungen Anwendung.
Somit obliegt es nach Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 der Arbeitnehmerin, die sich durch die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft zu machen oder Beweise vorzubringen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juli 2011, Kelly, C‑104/10, EU:C:2011:506, Rn. 29).
In einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden bedeutet dies, dass die betroffene Arbeitnehmerin vor dem vorlegenden Gericht oder jeder anderen zuständigen Stelle des betroffenen Mitgliedstaats Tatsachen oder Beweise vorbringen muss, die geeignet sind, nachzuweisen, dass die Risikobeurteilung ihres Arbeitsplatzes nicht gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/85 durchgeführt wurde und dass sie somit diskriminiert wurde.
Nur wenn die betroffene Arbeitnehmerin solche Tatsachen glaubhaft macht oder solche Beweise vorbringt, kehrt sich die Beweislast um, und es obliegt dem Beklagten, nachzuweisen, dass kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juli 2011, Kelly, C‑104/10, EU:C:2011:506, Rn. 30).

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das von Frau Otero Ramos eingereichte, von ihrer unmittelbaren Vorgesetzten, d. h. der Leiterin der Notaufnahme der Uniklinik, unterzeichnete Schreiben offenbar in begründeter Weise aufzeigt, dass der Arbeitsplatz von Frau Otero Ramos körperliche, chemische, biologische und psychosoziale Risiken für das Stillen aufweist, und scheint somit den Ergebnissen der Risikobeurteilung ihres Arbeitsplatzes, auf der die Entscheidung des INSS beruht und die die Arbeitnehmerin anficht, zu widersprechen.
Wie die Generalanwältin in den Nrn. 46 und 47 ihrer Schlussanträge hervorhebt, enthalten die Unterlagen, auf denen diese Beurteilung beruht, keine begründete Erklärung dazu, wie die darin enthaltenen Schlussfolgerungen erzielt wurden.
Unter diesen Umständen ist zunächst festzustellen, dass das von Frau Otero Ramos eingereichte Schreiben ein Beweismittel darstellt, das geeignet ist, nachzuweisen, dass die Risikobeurteilung ihres Arbeitsplatzes keine spezifische Prüfung umfasste, bei der ihre individuelle Situation berücksichtigt worden wäre, und dass diese Beurteilung somit […] den Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/85 nicht genügte. Es ist jedoch Sache des – für die Würdigung des Sachverhalts und der Beweise nach den nationalen Verfahrensregeln allein zuständigen – vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies tatsächlich der Fall ist.
Somit obliegt es der beklagten Partei, zu beweisen, dass die Risikobeurteilung nach Art. 4 der Richtlinie 92/85 gemäß den Anforderungen dieser Vorschrift durchgeführt wurde, wobei Unterlagen wie eine Erklärung des Arbeitgebers, wonach ein Arbeitsplatz als „risikofrei“ eingestuft worden sei, in Verbindung mit einer Erklärung, wonach die betroffene Arbeitnehmerin für die Arbeit „geeignet“ sei, ohne Erläuterungen, die diese Schlussfolgerungen untermauern könnten, für sich genommen nicht die unwiderlegliche Vermutung begründen, dass dies der Fall ist. Andernfalls wäre sowohl der genannten Vorschrift als auch der in Art. 19 der Richtlinie 2006/54 vorgesehenen Beweisregeln jede praktische Wirksamkeit genommen.

Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass dieselben Beweisregeln auch im Rahmen von Art. 5 der Richtlinie 92/85 Anwendung finden. Insbesondere dann, wenn eine stillende Arbeitnehmerin eine Beurlaubung während des gesamten Zeitraums, der für den Schutz ihrer Sicherheit oder ihrer Gesundheit erforderlich ist, beantragt, und Nachweise beibringt, die geeignet sind, aufzuzeigen, dass die in den Abs. 1 und 2 dieses Artikels vorgesehenen Schutzmaßnahmen, d. h. eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen der betroffenen Arbeitnehmerin oder ein Arbeitsplatzwechsel, nicht in Betracht kamen, obliegt es dem Arbeitgeber, nachzuweisen, dass diese Maßnahmen technisch oder sachlich möglich waren und vernünftigerweise verlangt werden konnten.

Nach alledem ist auf die Fragen 2 bis 4 zu antworten, dass Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 dahin auszulegen ist, dass es in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden der betroffenen Arbeitnehmerin obliegt, Tatsachen glaubhaft zu machen, die dafür sprechen, dass die Risikobeurteilung ihres Arbeits-platzes nicht gemäß den Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/85 durchgeführt wurde, und somit das Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne der Richtlinie 2006/54 vermuten lassen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Sodann obliegt es der beklagten Partei, zu beweisen, dass diese Risikobeurteilung gemäß den Anforderungen dieser Vorschrift durchgeführt wurde und dass somit kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vorliegt. […]