STREIT 1/2022

S. 28-31

Buchbesprechung Barbara Bucher: Rechtliche Ausgestaltung der 24-h-Betreuung durch ausländische Pflegekräfte in deutschen Privathaushalten. Eine kritische Analyse

Nomos Verlag, Bd. 947, Baden-Baden 2018

Die Pflege und Betreuung alter Menschen ist in Deutschland juristisch – zumindest mit einer Pflegekraft alleine – nicht regelbar und findet daher weitgehend im Verborgenen statt. Zu diesem Schluss kommt Dr. Barbara Bucher in ihrer im Wintersemester 2017/18 an der juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina bei Prof. Dr. Eva Kocher verfassten Dissertation, in der sie die verschiedenen Pflegearragements typisiert hat. Das gilt ganz besonders für den Arbeitsort Privathaushalt. Während für Reinigungskräfte, Kinderfrauen, Au-Pair-Verhältnisse etc. klare rechtliche Regelungen existieren, an die sich die Beteiligten halten könnten, gilt dies nicht für den wachsenden Beschäftigungsmarkt der osteuropäischen Pflegekräfte, die bei Pflegebedürftigen in deren Haushalt leben, arbeiten und ihnen 24 Stunden täglich zur Verfügung stehen. Wie viele der ca. 3 Mio. Pflegebedürftigen so betreut werden, ist nicht bekannt. Es dürften weit mehr als 100.000 Beschäftigte aus EU-Ländern sein, die für entsprechend viele Pflegebedürftige, darunter überwiegend Frauen, und deren Angehörige tätig sind.
Diesen Pflegemarkt hat Dr. Barbara Bucher untersucht. Das Buch befasst sich mit verschiedenen Modellen der Ausgestaltung häuslicher 24-h-Betreuung („Live-In-Situationen“) durch ausländische, insbesondere osteuropäische Pflegekräfte in deutschen Haushalten anhand der Rechtsprechung bis einschließlich Juni 2017. Die Verfasserin hat dabei vier verschiedene Modelle der Vertragsgestaltung näher betrachtet, das „Selbstständigenmodell“, das „Arbeitgebermodell“, das „Entsendemodell“ und das „Überlassungsmodell“. Ziel der Arbeit war, einen rechtswissenschaftlichen Beitrag zur Auseinandersetzung mit der Frage zu leisten, wie die Erscheinungsformen der häuslichen 24-h-Betreuung rechtlich einzuordnen sind und ob sie praktiziert werden kann, ohne dabei deutsche und/oder europarechtliche Normen zu verletzen.

Akteure und ihre Interessen

Im ersten Kapitel beschreibt die Autorin unter Nutzung unterschiedlicher Quellen die Akteure und Merkmale typischer Pflegearrangements und die rechtliche Gestaltungsvielfalt, die auch Gegenstand von Ratgeberliteratur ist. Sie befasst sich mit den typischen Ausgangssituationen, in denen sich Betreute, deren Angehörige, Pflegekräfte und Agenturen befinden.
Die zu betreuenden Personen sind oftmals im hohen Alter und nicht mehr in der Lage, ihren Alltag alleine zu bewältigen. Sie benötigen oftmals mehr Betreuung als durch mobile Pflegedienste, insbesondere haushaltsnahe Dienstleistungen wie Kochen, Waschen, Reinigen, aber auch Leistungen der Grundpflege und Sicherheit, Begleitung und Gesellschaft leisten. Ihr Interesse und das ihrer Angehörigen am Eingehen eines Pflegearrangements ist, bei Vermeidung von Heimaufenthalt ein Betreuungs- und Sicherheitsbedürfnis zu befriedigen und die dafür nötigen Leistungen zu einem für sie bezahlbaren Preis zu erhalten.
Die Betreuungskräfte werden grenzüberschreitend tätig, ihre berufliche Qualifikation kann, aber muss nicht im Pflegebereich liegen. Sie erhalten Verpflegung und Unterbringung in der Wohnung der Pflegebedürftigen. Bei ihnen stehen finanzielle Interessen bei der Eingehung des Pflegearrangements im Vordergrund, denn ihre Verdienstmöglichkeiten im Heimatland sind eingeschränkt, dort unterhalten sie jedoch in der Regel weiter ihre Privatwohnung. Die Agenturen agieren in unterschiedlichen Gesellschaftsformen, ihr Sitz kann in Deutschland oder im Herkunftsland der Pflegeperson liegen. Sie akquirieren über eine deutschsprachige Internetpräsenz und sind auf unterschiedliche Weise in das Pflegearrangement involviert. Dr. Barbara Bucher analysiert in vier Kapiteln die vier verschiedenen Modelle.

Das Selbstständigenmodell

Bei Modell 1, dem „Selbstständigenmodell“, ist die Betreuungskraft selbstständige Auftragsnehmerin, die Betreuten sind Auftraggeber. Nicht notwendig, aber doch regelmäßig sind Agenturen zwischengeschaltet, die Anlaufstelle für die Pflegekraft und/oder die Betreuungsbedürftigen sein können.
Die Rechtsbeziehungen zwischen der Agentur und den Betreuten werden mit einem „Vermittlungsvertrag“ ausgestaltet, der entweder die Vermittlung einer Pflegeperson und/oder die Vermittlung der gewünschten Pflegeleistungen zum Gegenstand hat. Bei der Vermittlung einer konkreten Pflegeperson kann es sich nach deutschem Recht um einen Werkvertrag, §§ 631 ff. BGB, einen Dienstvertrag, §§ 611 ff. BGB, oder einen Maklervertrag im Sinne des § 652 Absatz 1 BGB handeln. Bei der Vermittlung von Pflegeleistungen verpflichtet sich die Agentur selbst zur Leistung der Pflegetätigkeit – dies entspricht in der Regel einem Dienstvertrag, § 611 BGB, – und beauftragt eine selbstständige Pflegeperson, diese Leistung zu erbringen.
Agentur und Pflegekraft wiederum schließen einen „Agenturvertrag“, der ebenfalls in der Regel als Dienstvertrag ausgestaltet ist. Dieser regelt über die Vermittlung eines Einsatzortes hinaus oft weitere Leistungen der Agentur, wie Hilfestellung bei der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit, Hilfe bei den Vertragsverhandlungen etc. sowie den Vergütungsanspruch der Agentur.
Die Betreuten bzw. deren Angehörige schließen einen Vertrag mit der Pflegekraft über die Erbringung von Pflegeleistungen, ebenfalls nach § 611 BGB. Als Selbstständige ist die Pflegekraft bei der Ausführung ihrer Tätigkeiten nicht weisungsgebunden, sondern handelt nach Art und Weise, Zeit und Ort der Ausführung ihrer im Vertrag vereinbarten Pflichten selbstbestimmt, § 84 Abs. 1 S. 2 HGB.
Die Vor- und Nachteile dieser Vertragsgestaltung liegen auf der Hand: Die Betreuten haben keinerlei sozial- und arbeitsrechtliche Pflichten. Zugunsten der Betreuten bzw. Angehörigen können lange Einsatzzeiten und eine geringe Entlohnung vereinbart werden. Jedoch können diese nicht frei über die Arbeitskraft der Pflegekraft verfügen oder Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung bestimmen. Für die betreuende Person gilt, dass sie als Selbstständige gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV nicht der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung unterliegt, wohl aber unter Umständen der Rentenversicherungspflicht (§ 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI). Das ist zwar finanziell möglicherweise von Vorteil, jedoch ein Nachteil, insbesondere wenn die Pflegekraft in Deutschland erkrankt. Es fehlt zudem jeder arbeits- und sozialrechtliche Schutz, Mindestlohngesetz, Arbeitszeitgesetz oder Kündigungsschutzgesetz finden keine Anwendung.
Die Autorin setzt sich mit den Rechtsfolgen des Grenzübertritts der Betreuungskraft innerhalb der Europäischen Union auseinander und bewertet dann die Qualität des Rechtsverhältnisses. Problematisch ist oftmals dabei, dass sich die Selbstständigen ihre Zugehörigkeit zum System der sozialen Sicherheit ihres Herkunftslandes bei den Sozialversicherungsträgern mit der sogenannten A1 Bescheinigung bestätigen lassen können, was wiederum Bindungswirkung gegenüber anderen Mitgliedstaaten entfaltet, sodass trotz Aufdeckung einer möglichen Scheinselbstständigkeit die sozialversicherungsrechtliche Zuordnung nicht verändert werden kann. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass eine vermeintlich sozialversicherungsrechtlich selbstständige Betreuungskraft mit einer A1 Bescheinigung aus arbeitsrechtlicher Perspektive nichtsdestotrotz als Arbeitnehmerin zu behandeln ist und ein Arbeitsverhältnis angenommen wird, sodass in der Folge auch arbeitsrechtliche Vorschriften anzuwenden sind.
Kernpunkt ist die Auseinandersetzung mit der Frage, ob in der Realität der typischen häuslichen 24-h-Betreuung eine weisungsungebundene Leistungserbringung durch eine Selbstständige überhaupt denkbar ist. Anders als wesentliche Teile der Rechtsprechung und teils auch der Literatur kommt die Autorin zu dem Schluss, dass insbesondere aufgrund des Bedürfnisses der Betreuten nach ständiger Verfügbarkeit der Betreuungsperson diese nicht im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit und Arbeitszeit bestimmen kann, es besteht keine freie Verfügung der Pflegekraft über die eigene Arbeitskraft. Im Verhältnis zwischen Betreuten und Betreuerin ist danach von einer persönlichen Abhängigkeit auszugehen, sodass ein selbstständiges Tätigwerden ausscheidet. Das gilt ebenfalls, soweit die Vergütung durch die Agentur gezahlt wird.
Dabei setzt sich die Verfasserin detailliert mit der Vermischung von aus- und inländischem Recht insbesondere auch im Arbeits-, Sozial-, Steuer- und Strafrecht auseinander und stellt die europarechtlichen Bezüge klar.

Das Arbeitgebermodell

Im nächsten Kapitel erörtert die Autorin als Modell 2 das „Arbeitgebermodell“. Dieses wird allgemein als rechtlich unproblematische Ausgestaltung bewertet, geht jedoch mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand für die Betreuten bzw. deren Angehörige einher und fordert von ihnen einen hohen, nicht nur finanziellen Einsatz.
Die Pflegekraft und zu betreuende Person bzw. deren Angehörige schließen einen Arbeitsvertrag nach § 611 a BGB, bei dem Hauptleistungspflichten die Erbringung der Arbeitsleistung und die Zahlung der Vergütung sind. In der Regel werden in „Live-In“-Konstellationen Wohnraum und Verpflegung zur Verfügung gestellt, wobei die jährlich erneuerte Sachbezugsverordnung auf der Grundlage des § 17 SGB IV zu beachten ist. Vom vereinbarten Lohn ist die Lohnsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen, die Arbeitnehmerin unterliegt der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherungspflicht. Weiterhin gelten die Pflicht zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und zur Gewährung von vergütetem Urlaub mindestens nach dem Bundesurlaubsgesetz.
Das Arbeitgebermodell hat für die Betreuten den Vorteil, dass sie sich – anders als beim Selbstständigenmodell – nicht den Risiken der Scheinselbstständigkeit der Pflegekraft aussetzen. Weiterhin steht ihnen das Direktionsrecht zu, d. h. sie können den Inhalt der Arbeitsleistung nach § 611 a BGB im Einzelnen bestimmen. Für die Betreuungskräfte ist von Vorteil, dass sie sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit Arbeitnehmerschutzrechten sind und ihnen nur unter Einhaltung der Kündigungsfrist wirksam gekündigt werden kann.
Von entscheidender Bedeutung ist die Frage, ob das Arbeitszeitgesetz (AZR) in Fällen häuslicher 24-h-Betreuung gilt. Zwar regelt § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG die nicht-Anwendbarkeit des Gesetzes auf Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen. Es ist jedoch bis heute streitig und noch nicht höchstrichterlich entschieden, ob die Ausnahmeregelung auch diese Gruppe von ‚live-in’-Arbeitnehmerinnen umfasst. Da die Norm 1994 aufgrund einer Petition der SOS-Kinderdorf-Eltern im Gesetz verankert wurde, gilt sie nach einer Ansicht als reines „Lex SOS-Kinderdorfmutter“. Danach seien unter den im Gesetz genannten „anvertrauten Personen“ lediglich Kinder zu verstehen, was eine Anwendung der Norm auf Fälle der 24-h-Betreuung älterer Menschen ausschließe.
Ein solch enges Begriffsverständnis lehnt die Verfasserin allerdings ab und betont die Bedeutung dieser Frage auch für den Anwendungsbereich der ILO-Konvention 189 auf Haushaltsbeschäftigte. Sie setzt sich eingehend mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG – Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft, Eigenverantwortlichkeit, Unmöglichkeit der Trennung zwischen Arbeitszeit und Freizeit – auseinander. Bei dem Begriff des Zusammenlebens kommt sie bei genauer Analyse der Lebensverhältnisse in SOS-Kinderdorf-Familien einerseits und Betreuten-Haushalten andererseits zu dem Ergebnis, dass es eines Zusammenlebens im Familienverbund mit gemeinsamem Wohnen und Wirtschaften bedarf. Damit folgt sie dem Urteil des VG Berlin (Urteil vom 24.3.2015 VG 14 K 184.14). Da es in typischen 24-h-Betreuungen daran fehlt, mangelt es bereits an einem entscheidenden Tatbestandsmerkmal der Ausnahmeregelung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG, sodass diese auf Pflegearrangements nicht anzuwenden ist und der Schutz des Arbeitszeitgesetzes uneingeschränkt gilt.
Ein weiterer Schwerpunkt der kritischen Analyse des Arbeitgebermodells ist die Frage, wie die geleistete Arbeit entlohnt wird. Mit überzeugenden Argumenten kommt die Autorin zu dem Ergebnis, dass unter der Geltung des Mindestlohngesetztes jede geleistete Arbeitsstunde – unabhängig von der Zulässigkeit übermäßiger Arbeitszeiten – mit dem deutschen Mindestlohn zu vergüten ist.
Auch zum Modell 2 bespricht die Autorin die bis Juni 2017 ergangenen Urteile und die Meinungen in der Literatur. Sie kommt zu dem Schluss, dass das Arbeitgebermodell auf Grund dessen, dass Bereitschaftszeiten wie Zeiten des Arbeitseinsatzes nach dem Mindestlohngesetz zu vergüten sind, eine erhebliche Kostenbelastung für die Betreuten oder deren Angehörige bedeutet. Hinsichtlich der Arbeitszeit ist es nicht geeignet, die 24-h-Pflege in Einklang mit dem Arbeitszeitgesetz zu bringen.
Exkurs: Nach Erscheinen des Buches hat sich das LAG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 17.8.2020 – 21 Sa 1900/20 (STREIT 1/21, S. 16-23) mit der Frage der Geltung des Mindestlohngesetzes und der Berechnung der Arbeitszeit beim Einsatz in umfassender häuslicher Betreuung (24-h-Pflege) beschäftigt und hat der Klägerin den geforderten Mindestlohn ausgehend von einer täglichen Arbeitszeit von 21 Stunden zugesprochen. Ob für das Arbeitsverhältnis (hier im Entsendemodell) das Arbeitszeitgesetz gilt oder die Ausnahme des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG anzuwenden ist, war nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Revisionsentscheidung des BAG (vom 24.06.2021 – 5 AZR 505/20 –) ist dem LAG in allen wesentlichen Punkten gefolgt.1

Das Entsendemodell

Im weiteren prüft die Verfasserin das „Entsendemodell“, das häufig als rechtlich unproblematisch eingeschätzt und den Privathaushalten daher zur Durchführung empfohlen wird. Bei diesem 3. Modell können bis zu vier Akteure beteiligt sein: die zu Betreuenden bzw. deren Angehörige, die eine deutsche Vermittlungsagentur aufsuchen, die ihnen wiederum den Kontakt zu einer ausländischen Agentur vermittelt, die wiederum die Betreuungsperson anstellt und entsendet.
Für die Betreuten bzw. deren Angehörige hat das „Entsendemodell“ den Vorteil, dass sie weder Arbeitgeber sind noch das Risiko eingehen, scheinselbständige Betreuerinnen in ihrem Haushalt zu beschäftigen, da zwischen den Betreuten und den Pflegekräften keine vertragliche Beziehung besteht. Die Pflegekräfte sind Arbeitnehmerinnen der Agentur und erbringen dieser gegenüber ihre arbeitsvertraglich geschuldete Leistung, nämlich Pflege und Betreuungsleistung im Haushalt der zu Betreuenden, und haben dieser gegenüber ihren Lohnanspruch.
Für die Betreuungskräfte besteht der Vorteil im diesem Modell 3 darin, dass sie Arbeitnehmerinnen sind und wie von der Autorin angenommen, das Arbeitszeitgesetz und das Mindestlohngesetz anwendbar sind. Nachteil kann aus Sicht der Betreuerinnen sein, dass sie bei der Ausübung ihrer Tätigkeit gegenüber der Agentur weisungsgebunden sind und somit deren Vorgaben hinsichtlich Arbeitszeit und Urlaubsregelung maßgeblich sind.
Die Autorin setzt sich umfangreich mit der Frage auseinander, ob und wie das Entsendemodell vom Überlassungsmodell (Modell 4) abgegrenzt werden kann, ob also bei genauem Betrachten eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Sie diskutiert die Streitfragen anhand der Rechtsprechung des EuGH sowie der weiteren Urteile zu diesem Modell, insbesondere hinsichtlich der Fragen des feststehenden Entsendezeitraums nach Art 12 Abs. 1 VO EWG 1408/71, der Folgen einer zeitweiligen Unterbrechung und erneuten Entsendung sowie des Anwendungsbereichs des Ablöseverbots.
Sie kommt bei einer Gesamtbetrachtung aller Streitfragen zu dem Ergebnis, dass aus kollisionsrechtlicher Perspektive eine Zuordnung der Pflegekraft zum System der sozialen Sicherheit des Entsendestaats nach Art. 12 Abs. 1 VO zweifelhaft ist und auch auf dieses Modell das Mindestlohngesetz Anwendung findet. Es entstehen für Pflegebedürftige bei Wahl des „Entsendemodells“ genauso wie beim „Arbeitgebermodell“ sehr hohe Kosten und es fehlt an der Vereinbarkeit mit dem Arbeitszeitgesetz.

Das Überlassungsmodell

Als letztes Modell prüft die Autorin das „Überlassungsmodell“ nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), auch wenn dieses von Agenturen selten angeboten wird. Verbraucherinformationen hierzu gibt es – anders als zu den anderen Modellen – kaum, allerdings warnen diese davor, dass sich andere Ausgestaltungen im Bereich der ‚unzulässigen’ Arbeitnehmerüberlassung bewegen könnten. Insbesondere dieser Frage geht die Autorin nach.
Nach diesem Modell 4 sind die Betreuten Entleiher im Sinne des AÜG, die Agentur ist Verleiher und die Pflegekraft Leiharbeitnehmerin. Pflegekraft und Agentur verbindet ein Leiharbeitsvertrag gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 AÜG. Agentur und Betreute schließen einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG. Während des Einsatzes der Pflegekraft bei den Betreuten überträgt die Agentur ihr arbeitgeberseitiges Weisungsrecht auf diese bzw. Angehörige. Als Verleiher bedürfen die Agenturen einer Überlassungserlaubnis der Agentur für Arbeit (§ 1 Abs. 1 S. 5 AÜG), liegt diese nicht vor oder wurde entzogen, ist die Arbeitnehmerüberlassung verboten.
In ihrer sorgfältigen Analyse der faktischen 24-h-Pflege prüft die Autorin, ob nicht viele der als Entsendung bezeichneten Vertragsabschlüsse – und häufig auch die im „Selbstständigenmodell“ vereinbarten – ungeachtet derer Bezeichnung in den geschlossenen Verträgen als (verdeckte) Arbeitnehmerüberlassung einzustufen sind. Voraussetzung ist, dass die Vertragsbeteiligten über die konkrete Durchführung des Arrangements einig sind und dass es sich für die Agentur um eine durchgehend geübte Vertrags­praxis handelt. Da wie beim Entsendemodell das ArbZG und das MiLoG gelten, sieht die Autorin in einer möglichen Geltung des AÜG erhebliche Vorteile vor allem für die Pflegekräfte, eingeschränkt auch für die anderen Beteiligten.
Vor diesem Hintergrund setzt sich die Autorin kenntnisreich mit den Tatbestandsvoraussetzungen des AÜG einerseits und dem Gesetzeszweck andererseits auseinander, die nur vereinzelte Rechtsprechung und vielfältige Stimmen aus der Literatur berücksichtigend. Im Ergebnis stellen sich ihr viele anders bezeichnete Pflege- und Vertragsverhältnisse in der Realität als ‚verdeckte’, unerlaubte bzw. illegale Arbeitnehmerüberlassungen dar, schon wegen der fehlenden Überlassungserlaubnis. In der Folge kann es gemäß § 9 Abs. 1 AÜG zur Unwirksamkeit der geschlossenen Verträge kommen. Solche Fälle der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung ziehen nicht nur sozialrechtliche Konsequenzen nach sich, es muss in der Folge angenommen werden, dass zwischen der Betreuten bzw. deren Angehörigen und der Pflegekraft ein Arbeitsverhältnis entstanden ist.
Handelt es sich hingegen um eine erlaubte Arbeitnehmerüberlassung, sind das Mindestlohngesetz und das Arbeitszeitgesetz zu beachten. Weiterhin ist die Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten einzuhalten.

Zusammenfassung

Die Autorin hat mit ihrer Untersuchung der faktischen und rechtlichen Verhältnisse gezeigt‚ dass es den Beteiligten eines typischen Pflegearrangements nach den gegenwärtigen gesetzlichen Vorgaben nicht möglich ist, ordnungsgemäß zu handeln, ohne dabei die durch Rechtsvorschriften gesetzten Grenzen zu überschreiten. Dem liegt zugrunde, dass es von den bisher getroffenen Wertentscheidungen des Gesetzgebers nicht getragen ist, durch eine Pflegekraft eine Rundum-Betreuung pflegebedürftiger Menschen in einem Privathaushalt durchführen zu lassen. Sie schließt mit einem Plädoyer für eine breite gesellschaftliche Diskussion, die die vielfach praktizierten illegalen Betreuungsarrangements – und angesichts der demografischen Entwicklung werden es noch mehr werden – zur Kenntnis nimmt, und an deren Ende eine klare Wertentscheidung sowie gesetzgeberisches Handeln stehen sollten. Faktisch ist es derzeit – ausgehend von einer 40-Stunden-Woche und der Arbeitszeit von 8 bis maximal 10 Stunden am Tag – nicht möglich, eine Rundumbetreuung mit weniger als 3 Pflegekräften juristisch korrekt zu erhalten.
Dr. Barbara Bucher hat mit dem Buch eine einzigartige Grundlage für die Auseinandersetzung mit der rechtlichen Gestaltung der „Live-in Pflege“ geschaffen, die insbesondere für Juristinnen, die sich mit der arbeitsrechtlichen oder sozialrechtlichen Vertragsgestaltung auseinandersetzen, von großer Bedeutung ist. Das Buch dient als Nachschlagewerk genauso wie als Grundlagenwerk, um sich mit den verschiedenen Vertragsmodellen zu beschäftigen. Im Hinblick auf die ausstehende gesellschaftliche Diskussion und das erforderliche gesetzgeberische Handeln ist es ein überaus lesenswertes Buch.

  1. Siehe dazu in diesem Heft das Urteil des BAG S. 20 ff. und den Beitrag von Barbara Bucher S. 24 ff.