STREIT 2/2024

S. 51-62

Das Verschwinden häuslicher Gewalt im familiengerichtlichen Verfahren – im Zusammenspiel der Interpretationen von Wohlverhaltenspflicht und Kindeswohl

Mit Anmerkungen zum Eckpunktepapier des BMJ für eine Reform des Kindschaftsrechts

Die Autorin Bülthoff ist als wissenschaftliche Referentin beim VAMV e.V. tätig, Autorin Heinke ist weitere aufsichtführende Richterin am Amtsgericht a.D. und war als Familienrichterin tätig. Der Beitrag beruht auf einer Arbeitsgemeinschaft, die beide Autorinnen auf dem 48. Feministischen Juristinnentag 2024 in Berlin angeboten haben.


1. Einleitung

Seit 2002 gilt in Deutschland das Gewaltschutzgesetz. Damit kann ein Opfer von Partnerschaftsgewalt, Nachstellung, Bedrohung gerichtliche Schutzmaßnahmen in Anspruch nehmen. Nicht in den Schutzbereich des Gesetzes fallen minderjährige Kinder im Verhältnis zu ihren sorgeberechtigten Eltern (§ 3 GewSchG). Insgesamt sind die Folgen von Partnerschaftsgewalt im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern bislang nur unzureichend berücksichtigt worden,1 das gilt insbesondere auch für die sog. Kindschaftsverfahren vor den Familiengerichten.
Obwohl am 01.02.2018 in Deutschland das Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (sog. Istanbul-Konvention) Gesetz (GewSchÜ) geworden ist, scheint sich an diesem Befund noch nichts Entscheidendes geändert zu haben.2 Wenn Täter und Opfer gemeinsame Kinder haben, scheitert ein wirksamer Gewaltschutz für das erwachsene Opfer häufig an den Anforderungen, die an dessen Erfüllung der Elternrolle auch dann gestellt werden, wenn der andere Elternteil sich gewalttätig verhalten hat und/oder weiterhin verhält. Die Auswirkungen von Gewalthandlungen zwischen den Eltern auf (ihre) Kinder finden ebenfalls nur unzureichend Beachtung.
Dabei ist nach Art. 31 Abs. 2 GewSchÜ sicherzustellen, dass die Ausübung des Besuchs- oder Sorgerechts nicht die Rechte und die Sicherheit des Opfers oder der Kinder gefährdet. Diese Vorgabe bindet auch die Familiengerichte. Art. 31 Abs. 1 GewSchÜ fordert von den nationalen Gesetzgebern ferner, sicherzustellen, dass „in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallende gewalttätige Vorfälle bei Entscheidungen über das Besuchs- und Sorgerecht betreffend Kinder berücksichtigt werden. Nach dem Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung soll künftig gewährleistet werden, „dass Umgang einzuschränken oder auszuschließen (ist), wenn häusliche Gewalt festgestellt wird“.3

Zur Umsetzung u.a. dieser Vorgabe hat das Bundesministerium der Justiz am 16.01.2024 ein sog. Eckpunktepapier zum Kindschaftsrecht4 veröffentlicht, das die Anwendung der Istanbul-Konvention durch deutsche Familiengerichte verbessern soll. Fraglich ist allerdings, ob die geplanten Änderungen diesen Effekt haben werden. Vielmehr ist zu befürchten, dass vor dem Hintergrund der bislang geltenden materiellen Regeln, die durch die Reform offenbar nicht angetastet werden sollen, häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen bei der Regelung vor allem von Umgang nicht hinreichend Berücksichtigung finden werden.5
Zudem plant die Regierung Erweiterungen der Privatautonomie im Kindschaftsrecht, die insbesondere bei asymmetrischer Machtverteilung in Beziehungen, gerade auch, wenn sie durch Gewalt­ausübung geprägt werden, dem Täter zusätzliche Druckmittel gegen das bisherige Opfer in die Hand geben werden.6 Zielführende Änderungen im Verfahrensrecht sind offensichtlich nicht geplant.

Im Folgenden soll genauer beleuchtet werden, wie gesetzlich normierte Wert(vorstell)ungen (nämlich die Vermutung, dass der Umgang mit beiden Eltern dem Kindeswohl dient und die sogenannte Wohlverhaltenspflicht der Eltern) dazu führen, dass häusliche Gewalt und Partnerschaftsgewalt aus Umgangsverfahren verschwinden bzw. dort gar nicht erst wahrgenommen werden. Die Konzentration auf die genannten gesetzlichen Annahmen lässt die Notwendigkeit, die tatsächlich gegebenen Verhältnisse von Amts wegen zu ermitteln und den Gewaltvorwurf abzuklären, in den Hintergrund treten. Zuletzt wird ein Blick auf die Eckpunkte des Bundesjustizministeriums zur Reform des Kindschaftsrechts geworfen mit der Frage: werden diese den Gewaltschutz in Kindschaftsverfahren verbessern?

2. Ausgangslage

Nach wie vor sind in ca. 80 Prozent der Fälle von Partnerschaftsgewalt Frauen die Opfer,7 wobei die Gefährdung mit der Trennungsabsicht zunimmt und häufig nach der Trennung fortbesteht.8 728.000 Frauen und 43.790 Männer erziehen Kinder unter 10 Jahren allein.9 Dementsprechend richten sich Verfahren wegen Verweigerung des Umgangs fast ausschließlich gegen Frauen, da davon ausgegangen werden kann, dass diese Verfahren in Bezug auf ältere Kinder seltener angestrengt werden. Wir bezeichnen im Folgenden daher die gewaltbetroffenen Personen bzw. die Elternteile, denen ein Verstoß gegen die „Wohlverhaltenspflicht“ vorgeworfen wird, als „Frauen“ und „Mütter“, während wir „Männer“ und „Väter“ als Täter bzw. Antragsteller im Umgangsverfahren annehmen.

Das Kindschaftsrecht des BGB enthält – neben der Kindeswohlklausel in § 1697a BGB – zwei Grund­annahmen über Trennungsfamilien. Es handelt sich zum einen um die (Regel)Vermutung in § 1626 Abs. 3 BGB10 und zum anderen um die – verkürzt – sogenannte Wohlverhaltenspflicht in § 1684 Abs. 2 BGB.11 In beiden Fällen enthält das Gesetz Annahmen über Ursachen und Folgen menschlichen Verhaltens, die durch sozialwissenschaftliche Forschung in keiner Weise belegt sind.12
Annahme 1:
Der Umgang mit beiden Eltern dient in der Regel dem Kindeswohl.
Annahme 2:
Es steht allein in der Macht eines Elternteils, das Kind derart zu beeinflussen, dass es nach Trennung den Kontakt zum anderen Elternteil wünscht oder eben ablehnt (sog. Entfremdung), womit der sog. entfremdende Elternteil gegen seine Wohlverhaltenspflicht verstößt.

Die These von der Kindeswohldienlichkeit des Umgangs ist eine aus dem Naturrecht stammende gesetzliche Vermutung,13 für die empirische Belege bislang fehlen; in der Praxis geht es daher oft weniger „um das Näheempfinden von Kindern“, als vielmehr „um das Erfüllen von Normalitätserwartungen, nämlich Kontakt zu beiden Elternteilen zu halten“. „Das Problem ‚Entfremdung‘ (wird) ganz unabhängig von möglicherweise rechtfertigenden Umständen definiert“.14 Unter Hinweis auf die Wohlverhaltenspflicht bleibt die Frage „nach den Gründen von emotionaler Distanz, Kontaktwiderstand und Kontaktabbruch bzw. nicht entstandener Beziehung ausgeklammert.“15

Die beiden aufgeführten Annahmen führen dazu, dass häusliche Gewalt und Partnerschaftsgewalt oft genug in den Hintergrund der Argumentation vor Gericht treten, zugleich sehen die Gerichte keine Notwendigkeit, Gewaltvorwürfen auf den Grund zu gehen.16 Wenn man davon ausgeht, dass „Umgang immer gut“ und im Übrigen bekannt ist, dass Elternteile ihre Kinder manipulieren (können),17 müssen die vielfältigen Ursachen für das ablehnende Verhalten von Kindern nicht hinterfragt werden. Auch wird der Wille des Kindes häufig nicht ernst genommen. Vielmehr wird unterstellt, dass er auf einer Beeinflussung durch die Mutter basiert und also nicht den wirklichen Wunsch des Kindes darstellt. Eine für Kinder wie für die von Gewalt betroffenen Frauen gefährliche Situation erscheint damit als Ausnahme, die vernachlässigt werden kann und die das Gericht in der Regel nicht näher aufklären muss.

Obwohl häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen in vielen Trennungsfamilien Realität sind, ist nicht bekannt, wie oft diese in Kindschaftsverfahren vor den Familiengerichten Thema sind, weil es nach wie vor an Forschung18 fehlt. Zahlenmäßig kann man sich der Frage: wie werden häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen bei der Regelung von Umgang bislang berücksichtigt, nur durch Plausibilitätserwägungen nähern. Jährlich sind in der 1. Instanz etwa 50.000 bis 60.000 Hauptsacheverfahren19 zur Regelung von Umgang anhängig.20 Empirie über den Inhalt und den Abschluss der Verfahren gibt es nicht.
In der sog. PETRA-Studie21 berichten ein Viertel der befragten Eltern von Gewalt im Kontext der Trennung, so dass es sich nach den Autoren der Studie hier vermutlich nicht um eine vernachlässigbar kleine Gruppe handelt. Eine Quote von einem Viertel, bezogen auf die Zahl statistisch erfasster Umgangsstreitigkeiten, ergäbe eine Zahl von ca. 12.500 bis 15.000 anhängigen Verfahren zur Regelung von Umgang, in denen Gewalt eine Rolle spielen könnte, und selbst, wenn man von einem geringeren Prozentsatz ausgeht, müssten vor den Familiengerichten mehrere tausend Umgangsverfahren pro Jahr verhandelt werden, in denen häusliche Gewalt einen Teil des Konflikts ausmacht und daher eine Rolle spielen sollte.22 Beeindruckend ist in diesem Zusammenhang, dass in den 20 Jahren seit dem Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes im Jahr 2001 bis 2021 keine 20 veröffentlichten Gerichtsentscheidungen zu finden sind, in denen Umgang wegen Gewaltausübung seitens des Umgangsberechtigten ausgeschlossen wurde (§ 1684 Abs. 4 BGB).23 Dies allein zeigt, dass häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen in familiengerichtlichen Verfahren zur Regelung von Umgang ganz offensichtlich nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen wird.24

3. Die gesetzliche Wohlverhaltenspflicht als Einfallstor für Entfremdungstheorien

Die sog. Wohlverhaltenspflicht gehört zu den maßgeblichen Gesichtspunkten bei der Regelung des Umgangs von Eltern mit ihren Kindern. Sie ist in § 1684 Abs. 2 BGB normiert: Danach haben die Eltern alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Eine Subsumtion des ausreichend ermittelten Sachverhalts unter den vollständigen Gesetzeswortlaut findet sich selten. Der Gesetzeswortlaut wird von den Gerichten auf den Begriff „Wohlverhaltenspflicht“ eingedampft und kann so leichter gegen Mütter gewendet werden. Der betreuende Elternteil, in der Regel also die Mutter,25 hat die Kontakte zum anderen Elternteil nach der Rechtsprechung dabei nicht nur zuzulassen, sondern muss sie aktiv fördern. Die Wohlverhaltensklausel verbietet ihr jede negative Beeinflussung des Kindes gegen den Vater.26 Der Mutter obliegt es, auf das Kind erzieherisch dahin einzuwirken, dass psychische Widerstände gegen den Umgang abgebaut werden und das Kind eine positive Einstellung zum Umgang gewinnt.27 In vielen Entscheidungen wird nicht im Einzelnen ausgeführt, was im konkreten Fall das Verhältnis des Kindes zum Vater erschwert. Insbesondere fehlt regelmäßig eine Auseinandersetzung mit dem – früheren oder aktuellen – Verhalten desjenigen Elternteils, der den Umgang mit dem Kind erreichen möchte (in der Regel der Vater). Die Geschichte des Familienkonflikts wird nicht näher aufgeklärt. Stattdessen ist schnell von – natürlich einseitigem – „Umgangsboykott“ die Rede. Die Frage „nach den Gründen28 von emotionaler Distanz, Kontaktwiderstand und Kontaktabbruch bzw. nicht entstandener Beziehung (bleibt) ausgeklammert“.29 Die „Prüfung“ endet stattdessen häufig mit der Feststellung, der Mutter fehle es an „Bindungstoleranz“.

Das Parental Alienation Syndrome (PAS = Elterliches Entfremdungssyndrom) wurde von dem amerikanischen Kinder- und Jugendpsychiater Richard Gardner in den 80er Jahre entwickelt.30 Es sollte erklären, warum manche Kinder nach einer Trennung den getrenntlebenden Elternteil ablehnen und Umgangskontakte mit ihm verweigern, obwohl auf den ersten Blick keine nachvollziehbaren Gründe ersichtlich sind.31 Gardner nahm als Hauptursache eine Manipulation des Kindes durch den betreuenden Elternteil – in der Regel die Mutter – an, ging also grundsätzlich vom einseitigen Verschulden dieses Elternteils aus. Dieses Gedankenkonstrukt des einseitig manipulierenden Elternteils findet sich auch unter anderen Bezeichnungen wie (induzierte) Eltern-Kind-Entfremdung oder Bindungsintoleranz in familiengerichtlichen Verfahren wieder.32
Verweigert das Kind den Umgang, folgt eine einseitige Schuldzuweisung an die Mutter: Diese verstoße gegen ihre Wohlverhaltenspflicht aus § 1684 Abs. 2 BGB, da sie das Kind negativ beeinflusse. Der Mutter wird in der Folge eine unzureichende Bindungstoleranz vorgeworfen. Das missverständlich sogenannte Prinzip der Bindungstoleranz, also die Fähigkeit und Bereitschaft eines Elternteils, die Beziehung des Kindes zum anderen Elternteil zu erhalten und zu fördern, ist nach der Rechtsprechung des BGH ein Kriterium der Erziehungseignung.33 Die Mutter wird als gemindert erziehungsfähig angesehen, wenn das Kind den Umgang verweigert. Damit steht schnell ihre Erziehungsfähigkeit insgesamt in Frage. Da die Erziehungseignung ein Gesichtspunkt des Kindeswohls ist und bei eingeschränkter Erziehungseignung eine Kindeswohlgefährdung im Raum steht, droht der Mutter ein (teilweiser) Verlust des Sorgerechts.
Der Wille des Kindes, den Vater nicht sehen zu wollen und bei der Mutter zu bleiben, wird dabei nicht mehr beachtet. Dies verstößt gegen das Persönlichkeitsrecht des Kindes34 und dürfte auch mit Art. 12 der UN-Kinderrechtekonvention nicht vereinbar sein.

Dabei sind PAS und entsprechende Theorien der Eltern-Kind-Entfremdung wissenschaftlich nicht belegt: PAS wurde nicht in den offiziellen ICD-11-Kodex der WHO als Diagnose aufgenommen.35 Der Terminus „Parental Alienation“ wurde vollständig aus dem Kodex entfernt.36 Das Bundesverfassungsgericht hat das Konzept der Eltern-Kind-Entfremdung zwischenzeitlich als fachwissenschaftlich widerlegt bezeichnet: Es bestehe kein empirischer Beleg für eine Manipulation bei kindlicher Ablehnung des anderen Elternteils.37 Auch die UN und GREVIO, das Expertengremium zur Umsetzung der Istanbul-Konvention, warnen davor, familiengerichtlichen Entscheidungen Entfremdungstheorien zugrunde zu legen, da häusliche Gewalt dann unentdeckt bleibe.38 In einigen Ländern wie zum Beispiel Spanien, ist die Verwendung von pseudowissenschaftlichen Entfremdungstheorien in familiengerichtlichen Verfahren gesetzlich untersagt.39
Den Willen des Kindes regelmäßig nicht zu beachten, wie es im Rahmen von Entfremdungstheorien geschieht, indem grundsätzlich vom beeinflussten und daher unbeachtlichen Willen des Kindes ausgegangen wird, ist mit dem Kindeswohl nicht vereinbar. Dadurch wird das Kind zu einem bloßen Objekt, das willenlos zwischen den Eltern hin- und hergeschoben werden kann. Die Ergebnisse der sog. PETRA-Studie unterstreichen dies: Danach wirken sich gegen den Willen von Kindern getroffene Umgangsregelungen stark auf deren Gesundheit und Lebensqualität aus.40
In Fällen häuslicher Gewalt wirken Entfremdungstheorien besonders destruktiv: den Müttern wird nicht geglaubt und es wird ihnen unterstellt, Gewalt und Missbrauch zu erfinden, um ihre alleinige „Verfügungsgewalt“ über das Kind sicher zu stellen41 und das Kind dem Vater zu „entfremden“. Dies führt dazu, dass Müttern von Anwält*innen zum Teil abgeraten wird, Gewaltvorfälle zur Sprache zu bringen, um sich nicht angreifbar zu machen. Müttern, die sich selbst und das Kind vor weiterer Gewalt durch den Vater schützen wollen und deshalb Umgangskontakten zögerlich oder ablehnend gegenüberstehen, wird ein Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht vorgeworfen. Schutzbedarfe der Mütter vor Nachtrennungsgewalt werden damit ignoriert: Ob Umgangskontakte für sie erneute Gefährdung oder Retraumatisierung bedeuten, wird nicht in den Blick genommen.

Das Verhalten des gewaltausübenden Elternteils – in der Regel des Vaters – gerät in vielen Fällen völlig aus dem Fokus. Inwieweit dieser Verantwortung für sein gewaltvolles Verhalten übernimmt42 und ob er sich um eine Änderung seines Verhaltens bemüht, spielt im familiengerichtlichen Verfahren oftmals keine Rolle. Dass die fehlende Verantwortungsübernahme des Vaters für sein gewalttätiges Verhalten einen Verstoß gegen die ihm als Elternteil ebenso obliegende Wohlverhaltenspflicht bedeutet, da sie die Mutter und damit auch die Beziehung des Kindes zu ihr gefährdet, wird ausgeblendet.
Hier besteht dringender Reformbedarf: die Wohlverhaltenspflicht muss um den Aspekt der Verantwortungsübernahme für die Gewalt durch den Vater als dem gewaltausübenden Elternteil erweitert werden. Eine Verantwortungsübernahme kann dann angenommen werden, wenn der Vater als gewaltausübender Elternteil das Gewaltgeschehen nicht leugnet und seine eigene Verantwortlichkeit anerkennt und durch eine Gewaltverzichtserklärung und seine Teilnahme an Täterprogrammen zeigt, dass er tatsächlich um Änderung bemüht ist.

4. Kindeswohldienlichkeit des Umgangs als Einfallstor für die Wohlverhaltenspflicht

Nach § 1626 Abs. 3 BGB dient der Umgang mit beiden Eltern in der Regel dem Wohl des Kindes. Diese Regelvermutung trägt ebenfalls dazu bei, dass häusliche Gewalt bei Umgangsentscheidungen unberücksichtigt bleibt. In vielen Fällen wird nicht mehr explizit geprüft, ob der Umgang mit dem gewaltausübenden Elternteil auch tatsächlich dem Kindeswohl dient. Die erhebliche Beeinträchtigung des Kindes durch das Miterleben von Partnerschaftsgewalt wird aufgrund der bestehenden Regelvermutung oft nicht beachtet: der gewaltbetroffene Elternteil, in der Regel die Mutter, wird aufgefordert, die Gewalt, die ja nur auf der Paarebene stattgefunden habe, hinter sich zu lassen. Sie solle nun nach vorne schauen und zur Elternebene finden, um sich mit dem Vater, dem gewaltausübenden Elternteil, über den Umgang zu einigen. Dieser diene schließlich dem Wohl des Kindes. Dabei wird außer Acht gelassen: Häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen enden nach erfolgter Trennung der Eltern häufig nicht, sondern wirken auf vielfältige Weise fort: Umgangskontakte geben dem Vater die Möglichkeit, seine Frau, vermittelt über das Kind und ihre Rolle als Mutter, weiterhin zu kontrollieren und psychische Gewalt auszuüben. In vielen Fällen besteht die Gefahr der Retraumatisierung.43
Auch hier wirken Entfremdungstheorien im Hintergrund und führen zu einer überhöhten Bewertung von Umgangskontakten: Kontakte zum abwesenden Elternteil seien für das Kindeswohl unerlässlich, bei fehlenden Kontakten drohe eine Gefährdung des Kindeswohls. Dies ist aus wissenschaftlicher Sicht jedoch in dieser Allgemeinheit nicht haltbar und stellt eine gravierende Überdehnung der Befundlage dar.44 Das Konzept der „Parental Alienation“ schert sehr unterschiedliche Fallkonstellationen über einen Kamm, ignoriert relevante Differenzierungen von Hintergründen möglicher Kontaktverluste und legt damit vielfach fehlgeleitete juristische Entscheidungen und beraterische Interventionen nahe.45

Die Wohlverhaltenspflicht des § 1684 Abs. 2 BGB auf der einen Seite und die gesetzliche Vermutung des § 1626 Abs. 3 BGB auf der anderen Seite wirken dahingehend zusammen, dass häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen aus familiengerichtlichen Kindschaftsverfahren verschwinden. Die Vorstellung, dass Umgang „immer gut“ sei, lenkt den Blick der EntscheiderInnen in die Zukunft und vermittelt den Eindruck, dass die von Gewalt gekennzeichnete Vergangenheit einer Familie keine Rolle (mehr) spiele. Durch diese Annahmen und auf diese Weise entlasten sich Familiengerichte zugleich von ihrer Amtsermittlungspflicht in Bezug auf die Aufklärung des Gewaltkontextes. Das Konstrukt „Wohlverhaltenspflicht“ führt dazu, die Verantwortung für das Gelingen von Umgang vornehmlich bei der Mutter zu suchen und nach den Gründen, warum diese dem Umgang skeptisch gegenübersteht, nicht mehr suchen zu müssen. Auch auf diese Weise wird die Aufmerksamkeit in eine andere Richtung gelenkt, Opfer- und Täterrolle werden umgekehrt, Gewalt spielt keine Rolle mehr. In beiden Fällen müsste im Übrigen im Privaten ermittelt werden, wo die Erkenntnismöglichkeiten beschränkt zu sein scheinen. Auch das erspart sich die Familiengerichtsbarkeit durch die Fokussierung auf die genannten Konstrukte.

Der Druck auf Frauen in ihrer Rolle als Mütter wird aber nicht nur mittels „Wohlverhaltenspflicht“ und wegen der als ausnahmslos gesetzten Kindeswohldienlichkeit des Umgangs aufgebaut. Es gibt noch weitere Drohszenarien, die den Druck auf Mütter erhöhen und ihre Kooperation bei der Durchführung des Umgangs erzwingen sollen. Die Rede ist von Eingriffen in das Sorgerecht bis hin zur sog. Umplatzierung des Kindes einerseits und weiteren zivilrechtlichen Folgen nicht stattfindenden Umgangs andererseits. War die Elternbeziehung durch häusliche Gewalt oder Gewalt gegen Frauen geprägt, bedeutet dies die Fortsetzung des Gewaltverhältnisses – mit Hilfe des familiengerichtlichen Systems.

5. Instrumente zur Durchsetzung der Wohlverhaltenspflicht

a) Einschränkungen des Sorgerechts
Als Instrumente zur Durchsetzung der Wohlverhaltenspflicht sind zum einen die Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 S. 3 BGB sowie ein (teilweiser) Entzug des Sorgerechts der Mutter mit anschließender Umplatzierung des Kindes zum Vater46 oder einer Inobhutnahme durch das Jugendamt47 zu nennen.
Neben diesen Eingriffen in das Sorgerecht bestehen Sanktionsmöglichkeiten auf finanzieller Ebene wie Schadensersatzforderungen wegen ausgefallener Umgangskontakte, die Verwirkung von Ehegattenunterhalt oder die Auferlegung von Umgangskosten.48
In Bezug auf unterbleibenden Umgang und fehlendes Interesse des abwesenden Elternteils an Kontakt mit dem Kind gibt es kein vergleichbares Drohszenario.

Kurz eingegangen werden soll auf den Entzug des Sorgerechts, der besonders schwerwiegende Konsequenzen für die betroffenen Mütter und Kinder hat: Wird der Mutter als betreuendem Elternteil vorgeworfen, das Kind negativ beeinflusst und damit gegen die Wohlverhaltenspflicht verstoßen zu haben, steht – wegen ihrer angeblich mangelnden Bindungstoleranz – ihre Erziehungsfähigkeit in Frage. Dies kann für sie den Verlust des Sorgerechts bzw. des Aufenthaltsbestimmungsrechts als Teil des Sorgerechts bedeuten. Nicht selten wird das Sorgerecht oder Aufenthaltsbestimmungsrecht dann auf den Vater übertragen, also auf den Elternteil, zu dem das Kind nicht einmal zu Besuch möchte. Das Kind wird zu ihm „umplatziert“ und der Mutter wird (bestenfalls) ein (begleitetes) Umgangsrecht zugesprochen.49 In einigen Fällen wird das Kind von beiden Eltern getrennt, vom Jugendamt in Obhut genommen und in der Folge „fremdplatziert“. Begründet wird dies damit, dass die – von der Mutter ausgehende – Entfremdung eine Kindeswohlgefährdung darstelle. Umplatzierung und Inobhutnahme werden zum Teil mit unmittelbarem Zwang vollstreckt.50
b) Verfahrensregeln zur Durchsetzung des Wohlverhaltensgebots
Es ist aber nicht nur die Art und Weise, wie das materielle Recht ausgelegt wird, die die Wahrnehmung von Gewalt und Machtungleichgewichten hindern. Genauso bedeutsam ist der Ablauf des Verfahrens, der vom Gericht bei der Regulierung von Umgangskonflikten eingehalten werden soll. Auch dadurch kommt es zu einer einseitigen Instrumentalisierung der sog. Wohlverhaltenspflicht. Die Verfahrensregeln haben eine spezifische Zielsetzung, die den genauen Blick auf die Hintergründe des elterlichen Konflikts vernebeln und die Aufklärung von Gewaltvorwürfen verhindern.

1) Vorrang- und Beschleunigungsgebot
Gerichtlich ausgetragene Umgangskonflikte gehören zu den sog. Kindschaftssachen und damit in die Zuständigkeit der Familiengerichte, § 151 FamFG. Das Gesetz schreibt einen besonderen Verfahrensablauf vor, wenn es sich bei den Kindschaftssachen um solche handelt, die den Aufenthalt, das Umgangsrecht oder die Herausgabe eines Kindes betreffen, ebenso für Fälle der Kindeswohlgefährdung.
Zentral ist hier das in § 155 FamFG normierte Vorrang- und Beschleunigungsgebot: Umgangsverfahren sind danach zwar gleichrangig mit den eben genannten drei weiteren Kindschaftssachen, aber vorrangig vor allen anderen beim Familiengericht anhängigen Verfahren zu bearbeiten. Diese Vorschrift wurde u.a. eingeführt, um dem Interesse von Kindern an einer möglichst zügigen Lösung von elterlichen Konflikten, aber auch der Klärung und Beendigung von Gefahrenlagen zu entsprechen. Entscheidungen über Ehegattenunterhalt, Zugewinnausgleich, Scheidungsanträge müssen also zurückstehen, wenn das Gericht angerufen wird, um etwa den Umgang eines getrennt lebenden Elternteils mit dem Kind zu regeln.51 Bereits angesetzte Termine in diesen Sachen muss das Gericht nötigenfalls aufheben und verschieben.
Der beschleunigten Durchführung des Verfahrens dient vor allem der sog. frühe erste Termin. Wird beim Familiengericht ein Antrag auf Regelung des Umgangs eines Elternteils mit dem gemeinsamen Kind gestellt, erörtert das Gericht die Sache mit den Beteiligten in einem Termin (§ 155 Abs. 2 S. 1 FamFG), es soll dazu das persönliche Erscheinen der verfahrensfähigen Beteiligten anordnen (§ 155 Abs. 3 FamFG), zugleich wird das Jugendamt angehört (§ 155 Abs. 2 S. 3 FamFG).
Der Termin soll spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden. Auch wenn das beschleunigte Verfahren nach dem Willen des Gesetzgebers52 nicht schematisch gehandhabt werden soll, wird die in § 155 FamFG verwendete Formulierung „soll … stattfinden“ als Imperativ im Sinne von „muss“ verstanden. Nur aus zwingenden Gründen darf der frühe erste Termin verlegt werden (§ 155 Abs. 2 S. 4 und 5).

Üblicherweise läuft das Verfahren nach § 155 FamFG wie folgt ab: Der von den Kindern getrenntlebende Elternteil, in aller Regel also der Vater, stellt beim Familiengericht einen Antrag auf Regelung des Umgangs. Antragsgegner(in) ist die Mutter der Kinder, wenn diese seit der Trennung bei ihr leben. Ausnahmslos, so kann unterstellt werden, wird der Vater nicht vortragen, dass es seine Gewalttätigkeit war, die die Mutter und die Kinder zur Trennung veranlasst hat.
In aller Regel bestimmt das Gericht einen frühen ersten Termin in maximal 4 Wochen, manchmal früher. Mit der Terminsladung erhält die Mutter eine Abschrift des Antrages und meist Gelegenheit zur Stellungnahme. Manche Gerichte machen Vorgaben, wonach in Antrag und Erwiderung eskalierendes Vorbringen vermieden werden soll. Auch hier gibt es an die Frau nicht selten den anwaltlichen Hinweis, stattgefundene Gewalt solle nicht erwähnt werden. Jedenfalls liegt die Stellungnahme der Mutter zum Umgangsantrag des Vaters dem Gericht meist erst kurz vor dem Verhandlungstermin vor.
Eine schriftliche Stellungnahme des Jugendamtes gibt es zum frühen ersten Termin regelmäßig noch nicht, häufig haben die Mitarbeitenden des Jugendamtes auch noch nicht alle Familienmitglieder kennenlernen können. Ein Verfahrensbeistand für das Kind ist zu diesem Zeitpunkt regelmäßig noch nicht bestellt; sollte er ausnahmsweise schon eingesetzt sein, wird ein schriftlicher Bericht noch nicht vorliegen.
Kurzum: im frühen ersten Termin kennt das Gericht vor allem und häufig nur den Tatsachenstoff, der im Antrag enthalten ist, von den Hintergründen des Konflikts weiß es meist noch nichts, jedenfalls nicht viel; die Gründe, die die Mutter an der Gewährung des Umgangs hindern, sind dem Gericht regelmäßig noch nicht bekannt. Die Erörterung mit den Beteiligten erfolgt mithin regelhaft auf einer unvollständigen Tatsachenbasis. Dies ist für Fälle, in denen Partnerschaftsgewalt eine Rolle spielt, von erheblicher Bedeutung.

2) Hinwirken auf Einvernehmen
Ungeachtet der nur rudimentären Informationslage zu Beginn der Verhandlung soll das Gericht bereits im frühen ersten Termin eine Verständigung zwischen den Eltern herbeiführen: § 156 FamFG gibt dem Gericht vor, in Umgangssachen in jeder Lage des Verfahrens auf Einvernehmen hinzuwirken, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht (§ 156 Abs. 1 S. 1 FamFG). Einigen sich die Eltern über den Umgang, ist die einvernehmliche Regelung hierzu als Vergleich aufzunehmen, wenn das Gericht die Umgangsregelung billigt. Die gerichtliche Billigung erfolgt durch einen Beschluss,53 der die getroffene Regelung inhaltlich vollständig aufnimmt.
Die Billigung hat zu erfolgen, wenn die von den Eltern vereinbarte Umgangsregelung dem Kindeswohl nicht widerspricht, § 156 Abs. 2 FamFG. Diese sog. negative Kindeswohlprüfung setzt voraus, dass das Gericht die Haltung des Kindes zu der getroffenen Regelung kennt. D.h. das Kind ist möglichst bereits im Vorfeld, jedenfalls aber nach Abschluss der elterlichen Vereinbarung (auch) zu seinen Vorstellungen über den Umgang persönlich anzuhören (§ 159 Abs. 1 FamFG).54
Spricht sich das Kind gegen die getroffene Umgangsregelung aus oder wird nach Anhörung des Kindes offenbar, dass die Elternregelung nicht dem Wohl des Kindes entspricht, kann das Gericht sie nicht billigen, das Verfahren ist fortzusetzen.

3) Gerichtliche Umgangsregelung bei fehlender Eltern­einigung
Kommt es letztlich nicht zu einer Einigung der Eltern, soll das Gericht mit den Beteiligten und dem Jugendamt den Erlass einer einstweiligen Anordnung erörtern, §156 Abs. 3 FamFG. D.h., schließen die Beteiligten keinen Vergleich, muss nötigenfalls das Gericht im Eilverfahren eine Entscheidung zum Umgang herbeiführen. Im Wege einstweiliger Anordnung soll Klarheit geschaffen werden, weil befürchtet wird, dass weiterer Zeitablauf zur Entfremdung zwischen Kind und Vater führen könnte. Das Gericht soll dann den Umgang konkret regeln, Häufigkeit und Modalitäten festlegen, oder aber, bei Gefahr für das Kindeswohl, § 1684 Abs. 4 S. 1 BGB, den Umgang – befristet – ausschließen. Sind noch weitere Ermittlungen erforderlich oder sollen die Beteiligten sich nach dem Willen des Gerichts beraten lassen, soll auch dies nicht zu einer Verzögerung des Umgangs führen, das Gericht hat ggf. eine Regelung zu treffen (§ 155 Abs. 4 i.V.m. § 156 Abs. 3 S. 2 FamFG).
Eine Umgangsregelung im Eilverfahren ist nicht anfechtbar (§ 57 FamFG). Das gilt auch für einen im Eilverfahren ergangenen gerichtlichen Billigungsbeschluss. Im Hauptsacheverfahren kann der Billigungsbeschluss mit der Beschwerde angegriffen werden.55

c) Risiko unzureichender Sachaufklärung
Wie unschwer zu erkennen ist, birgt die schematische Einhaltung der gesetzlichen Beschleunigungs- und Einigungsvorgaben das Risiko unzureichender Sachaufklärung,56 ferner wird im Verfahren eine Situation erzeugt, die sich vor allem für Mütter als Druck darstellt: auf der Basis einer oft unvollständigen Tatsachengrundlage wird in nur einem gerichtlichen Termin ein Vergleichsschluss herbei argumentiert. Die Argumente sind in gewisser Weise standardisiert und werden mit verteilten Rollen vom Jugendamt, der Verfahrensbeiständin, dem Anwalt des Vaters und auch vom Gericht aufgeführt:

  • Der Umgang dient dem Kindeswohl (§ 1626 Abs. 3 BGB) auch wenn nach wie vor empirische Belege für diese These fehlen.

  • Es gehört zur Wohlverhaltenspflicht, den Umgang zu ermöglichen.

  • Die Nichteinhaltung der Wohlverhaltenspflicht kann sorgerechtliche Folgen haben, weist sie (nach der sog. Entfremdungstheorie angeblich) doch auf fehlende Bindungstoleranz hin.

  • Gewalt kann hier und jetzt nicht geklärt werden, jedenfalls aber ist sie ja nun vorbei.

  • Elterliche Einigkeit ist immer besser als gerichtliche Entscheidung.

  • Es wird auf finanzielle Einbußen hingewiesen, die der Verweigerung des Umgangs folgen können.

  • Der Umgang kann nötigenfalls erzwungen werden, denn Vergleiche und Beschlüsse können vollstreckt werden.

  • Umgangspfleger*innen können eingesetzt werden.

  • Das Sorgerecht könnte eingeschränkt oder dem anderen Elternteil übertragen werden.

Leistet die Mutter Widerstand und möchte keine vergleichsweise Regelung, weist das Gericht auf seine Pflicht zur Entscheidung hin. Dieses Argument ist rechtlich zwar zutreffend (§ 156 Abs. 3 FamFG) birgt für eine gerichtsunerfahrene Person aber weiteres Drohpotential.

d) Vollstreckung von Umgangstiteln
Abschließend gehen wir noch kurz auf das besondere Vollstreckungsverfahren ein, das im FamFG für die Durchsetzung von Umgangspflichten normiert ist. Dieses Verfahren ist schwerfällig. Rechtsprechung und Literatur verweisen daher gern darauf, dass es neben der Vollstreckung auch noch die bereits dargestellten zivilrechtlichen Sanktionen gibt, um Wohlverhalten des Aufenthaltselternteils zu erzwingen.57

Kommt es schließlich mit Genehmigung des Gerichts zu einer vergleichsweisen elterlichen Vereinbarung oder trifft das Gericht eine Entscheidung (§ 1684 Abs. 3 BGB), wie der Umgang zu gestalten ist, liegt mit dem jeweils ergehenden gerichtlichen Beschluss ein Titel58 vor, aus dem vollstreckt werden kann (§ 86 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FamFG).
Die Vollstreckung erfolgt durch Anwendung sog. Ordnungsmittel. Der Begriff verrät es bereits: die rechtsunterworfene Person59 soll zur Ordnung gerufen werden, die Festsetzung hat deutlichen Sanktionscharakter.60 Sie hat nicht nur das Ziel, bei Verstoß gegen eine Umgangsregelung dafür zu sorgen, dass diese künftig eingehalten wird, sondern sie stellt zugleich auch eine Art „Strafe“ dafür dar, dass in der Vergangenheit gegen den gerichtlichen Beschluss verstoßen worden ist. Dies unterscheidet die Ordnungsmittel des FamFG von den sog. Zwangsmitteln der Zivilprozessordnung.
Ordnungsmittel nach § 89 Abs. 1 FamFG sind:

  • Ordnungsgeld, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann,

  • Ordnungshaft.

Das Gericht kann allerdings auch sogleich Ordnungshaft anordnen, wenn die Festsetzung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg verspricht (§ 89 Abs. 1 S. 2 FamFG).
Wenn ein Kind herausgegeben werden soll, um das Umgangsrecht auszuüben, darf gegen das Kind selbst die Anwendung unmittelbaren Zwangs nicht zugelassen werden (§ 90 Abs. 2 S. 1 FamFG). Ungeachtet dessen kommt es immer wieder vor, dass Umgangsberechtigte versuchen, mit Hilfe der Polizei die Kinder zum Umgang abzuholen.

Die Festsetzung von Ordnungsmitteln unterbleibt, wenn die rechtsunterworfene Person Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass sie die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat (§ 89 Abs. 4 S. 1 FamFG). Die verpflichtete Person hat die Umstände, die den Grund für das Scheitern der Umgangskontakte darstellen, im Einzelnen darzulegen. Gelingt es der verpflichteten Person nicht, detailliert zu erläutern, warum sie an der Befolgung der gerichtlichen Anordnung gehindert war, sind Ordnungsmittel festzusetzen bzw. die bereits erfolgte Festsetzung aufrechtzuerhalten.61
Im Vollstreckungsverfahren findet keine Kindeswohlprüfung statt. Daher kann sich die Mutter nicht darauf berufen, dass das Kind den Vater nicht sehen möchte oder dass der Umgang dem Kind schade. „Beruft sich etwa ein Elternteil nach Zuwiderhandlung gegen eine gerichtliche Umgangsentscheidung auf den entgegenstehenden Willen des Kindes, wird eine fehlendes Vertretenmüssen nur dann anzunehmen sein, wenn er im Einzelfall darlegt, wie er auf das Kind eingewirkt hat, um es zum Umgang zu bewegen“.62 Auch hier wird erkennbar die Entfremdungstheorie zugrunde gelegt, indem unterstellt wird, dass allein der Aufenthaltselternteil die Willensbildung des Kindes beeinflusst (hat).
Die Mutter hat aufgrund ihrer Wohlverhaltenspflicht alles zu unternehmen, um die Kontakte des Kindes zum Vater positiv zu fördern und muss in diesem Sinne erzieherisch auf das Kind einwirken.63 Sie darf dem Kind nicht freistellen, ob und zu welchen Zeiten es den Vater besuchen will.64 Im Ergebnis muss sie auf das Kind in gleicher Weise einwirken, wie sie es täte, um das Kind zum Schulbesuch anzuhalten. Tut sie dies nicht oder kann sie ihr entsprechendes Bemühen nicht belegen, muss sie mit der Festsetzung von Ordnungsmitteln rechnen.65

Eine zwangsweise Durchsetzung der Umgangsvereinbarung gegen den Umgangspflichtigen, also regelmäßig den Vater, hingegen scheitert an dessen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG und wird regelmäßig als dem Kindeswohl nicht dienlich angesehen.66

6. Die Eckpunkte des BMJ zur Reform des Kindschaftsrechts

a) Eine Verbesserung des Gewaltschutzes?
Die vom Bundesjustizministerium im Januar 2024 veröffentlichten Eckpunkte für eine Reform des Kindschaftsrechts67 haben sich unter anderem zum Ziel gesetzt, den Schutz vor häuslicher Gewalt in Sorge- und Umgangsverfahren zu verbessern. Ob sie dieses Ziel erreichen, ist jedoch höchst zweifelhaft. Zwar enthalten die Eckpunkte einige positive Regelungen zur Förderung des Gewaltschutzes.68 So soll unter anderem gesetzlich klargestellt werden, dass das Familiengericht den Umgang für Abwendung einer konkreten Gefährdung der gewaltbetroffenen Mutter einschränken oder ausschließen kann.69 Daneben soll klargestellt werden, dass das Familiengericht Anhaltspunkte für häusliche Gewalt – auch gegen die Mutter – und deren Auswirkungen umfassend und systematisch ermitteln und eine Risikoanalyse vornehmen muss.70 Ferner soll ein gemeinsames Sorgerecht bei Partnerschaftsgewalt regelmäßig nicht in Betracht kommen.71 Allerdings ist eine gesetzliche Klarstellung dahingehend, dass der Umgang mit einem gewaltausübenden Elternteil dem Kindeswohl in der Regel nicht dient,72 offenbar nicht geplant.
Zugleich räumen die Eckpunkte aber der Eltern­autonomie einen hohen Stellenwert ein und geben den Eltern viel Freiheit, Sorge- und Umgangsrecht eigenständig rechtlich verbindlich zu regeln.

b) Risiken der geplanten Elternautonomie
Für die Trennungsfamilien, in denen das Konfliktniveau zwischen den Eltern hoch ist, stellt sich die Frage, ob eine weitreichende Elternautonomie zum Wohle des Kindes ist. Hier besteht die Gefahr, dass diese Freiheit zu einem Recht des Stärkeren führt, insbesondere bei asymmetrischen Machtverhältnissen zwischen den Eltern. Besonders gilt dies für Fälle häuslicher Gewalt, die damit in einen toten Winkel zu geraten droht.

1.) Vereinbarungen über das Umgangsrecht
Kritisch zu sehen ist hier vor allem die vorgesehene Regelung, wonach Eltern – nach Beratung durch das Jugendamt – privatautonom Umgangsvereinbarungen treffen können sollen. Wenn diese Vereinbarungen von dem Urkundsbeamten des Jugendamtes beurkundet werden, können sich die Eltern darin der sofortigen Vollstreckung unterwerfen.73 Offenbar besteht die Vorstellung, dass es gut wäre, wenn Umgangsvereinbarungen sofort mit Ordnungsgeld oder Ordnungshaft durchgesetzt werden könnten. Wie die nach § 89 Abs. 2 FamFG erforderliche Belehrung erfolgen soll, bleibt dabei unklar. Wie oben dargestellt, findet eine inhaltliche Überprüfung der Vereinbarung im Vollstreckungsverfahren nicht statt. Dies wäre nur über die Hürde des § 1696 BGB im Rahmen eines Abänderungsverfahrens möglich, wozu neue Tatsachen vorliegen müssten.74
Faire Verhandlungslösungen setzen voraus, dass die Beteiligten frei entscheiden können. Das ist in Fällen, in denen es zu häuslicher Gewalt oder Gewalt gegen Frauen kam, regelmäßig nicht der Fall. Vielmehr ergeben sich hier durch die vorgesehene Möglichkeit angeblich privat autonomer Regelungen weitere Möglichkeiten für Männer, über den Umgang mit dem Kind Macht und Druck auf die Expartnerin auszuüben. Vor allem aber bleibt völlig unklar, wie das Jugendamt aufklären will, ob es in der Elternbeziehung zu Gewalt gekommen ist. Die Mitarbeiter*innen der Beurkundungsstellen sind dazu nicht ausgebildet und nicht in der Lage.
Bei dieser sog. privatautonomen Lösung ist auch nicht erkennbar, wie der Kindeswille ermittelt und berücksichtigt werden soll. Die gern hierfür bemühte Annahme, dass Eltern am besten wissen, was ihre Kinder möchten und was ihnen gut tut, dürfte in streitigen oder in Fällen mit Gewaltausübung unzutreffend sein. Die vorgesehenen Regelungen tragen wegen fehlender Ermittlung und Berücksichtigung des Kindeswillens einen grundlegenden Mangel in sich.

In diesem Zusammenhang wird ganz nebenbei eine weitere Entrechtung der Mütter angekündigt: in Zukunft soll die Person (i.d.R. also die Mutter), die die Hauptlast der Kinderbetreuung trägt, nicht mehr die Entscheidungsbefugnis in „Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes“ (§ 1687 Abs. 1 S.2 BGB) für die Zeiträume haben, in denen sich das Kind beim Umgangsberechtigten (Vater) aufhält.75 In gewaltgeprägten Beziehungen kann dies dazu beitragen, dass alltägliche Streitigkeiten über Fragen der Erziehung und Betreuung zunehmen und die Autorität der Mutter untergraben wird.

2.) Vereinbarungen über das Sorgerecht
Auch die Sorgerechtsübertragung auf einen Elternteil und die Begründung der gemeinsamen Sorge soll nach den Eckpunkten durch Elternvereinbarung möglich sein, Voraussetzung ist auch hier eine Beratung durch das Jugendamt.76 Dies ist kritisch zu sehen, wird sich doch auch hier bei asymmetrischen Machtverhältnissen, wie sie z.B. durch die Ausübung von Gewalt gegeben sind, der dominante Elternteil gleichfalls durchsetzen können. Auch werden die Jugendämter angesichts knapper Ressourcen kaum eine der Bedeutung der Vereinbarungen angemessene Beratung leisten können.

3.) Beurkundung durch das Jugendamt
Bei den vorgeschlagenen Beurkundungslösungen scheint die Istanbul-Konvention (GewSchÜ) völlig unberücksichtigt geblieben zu sein. Durch das Beurkundungsverfahren soll – neben dem familiengerichtlichen Verfahren – eine weitere, letztlich staatlich organisierte Form gefunden werden, die der Regelung von Sorgerecht und Umgang dient. Zwar mag Art. 31 Abs. 1 GewSchÜ nicht einschlägig sein, weil dort ausdrücklich davon die Rede ist, dass Gewalt bei Entscheidungen zu Sorge- und Umgang zu berücksichtigen ist. Jedoch dürfte auch in dem vorgesehenen Beurkundungsverfahren sicherzustellen sein, dass die Ausübung des Besuchs- oder Sorgerechts nicht die Rechte und die Sicherheit des Opfers oder der Kinder gefährdet (Art. 31 Abs. 2 GewSchÜ). Es ist nicht erkennbar, wie diese Anforderung durch das alternative staatlich organisierte Verfahren vor den Jugendämtern eingehalten werden soll.

c) Wechselmodell als Leitbild
Ferner sehen die Eckpunkte vor, die Anordnung des Wechselmodells gesetzlich zu verankern.77 Das Wechselmodell soll in den Mittelpunkt der Trennungsberatung gestellt werden. Mit den Eltern soll erörtert werden, ob sie sich eine Betreuung im Wechselmodell vorstellen können.78 Zusammen ergeben diese Regelungen ein Leitbild durch die Hintertür. Mütter, die einem weitreichenden Umgang oder dem Wechselmodell ablehnend oder skeptisch gegenüberstehen, werden sich schon in der Beratung rechtfertigen müssen. Eine nicht ergebnisoffene Beratung, wie sie die Eckpunkte vorsehen, kann notwendigerweise die tatsächlichen Gegebenheiten in einer Familie nicht ausreichend berücksichtigen, es besteht die Gefahr, dass Sachverhalte „passend“ gemacht und objektiv bestehende Hindernisse nicht nur nicht erkannt, sondern auch nicht beachtet werden. Mütter, die zu ihrem und dem Schutz ihrer Kinder vor den Auswirkungen bereits erlebter und noch zu befürchtender Gewalt und Machtausübung einen ausgedehnten Umgang bis hin zum sog. Wechselmodell ablehnen, geraten noch weiter unter Rechtfertigungszwang. Auch hier ist zu fragen, wie eine solche Beratung den Anforderungen von Art. 31 Abs. 2 GewSchÜ genügen können soll.

d) Umgangspflegschaft als aufgezwungener Schutz
Zuletzt ist zu erwähnen, dass die Schwelle für die Anordnung einer Umgangspflegschaft weiter herabgesetzt werden soll.79 In Fällen häuslicher Gewalt soll sie „zur Abwendung einer Gefährdung gewaltbetroffener Mütter“ angeordnet werden können.80 Völlig übersehen wird hier, dass es sich bei der Umgangspflegschaft um eine Einschränkung des mütterlichen Sorgerechts handelt, für die ein Grund vorliegen muss. Dieser kann nach der Logik der geplanten Regelung nur der Umstand sein, dass die Mutter Opfer von Gewalt geworden ist. Auf diese Weise wird das Opfer von Gewalt für die von dem Gewalterleben und seinen Folgen ausgehende Kindeswohhlgefährdung verantwortlich gemacht. Ein „Rechtsverlust zum Schutz“ erscheint nicht nur als paternalistisch; er dürfte auch mit Würde und Persönlichkeitsrecht der betroffenen Mutter nicht vereinbar sein.
Ferner erscheint die erweiterte Umgangspflegschaft mit Blick auf Art. 48 GewSchÜ problematisch, der verpflichtende alternative Streitbeilegungsverfahren, einschließlich Mediation und Schlichtung, in Fällen häuslicher Gewalt und von Gewalt gegen Frauen verbietet.

e) Keine Verbesserung des Verfahrensrechts
Verfahrensrechtliche Regelungen sind mit der angedachten Reform nicht beabsichtigt, so dass es weiterhin völlig an gesetzlicher Anleitung für die Einhaltung der Anforderungen aus Art. 51 GewSchÜ fehlen wird.
Eine Fortbildungsverpflichtung der am familiengerichtlichen Verfahren beteiligten Professionen zu den verschiedenen Formen häuslicher Gewalt und von Gewalt gegen Frauen, ihrer Dynamiken und ihrer Auswirkungen auf die Gesundheit gewaltbetroffener Elternteile und Kinder einschließlich der Folgen miterlebter Gewalt enthalten die Eckpunkte nicht.81 Ohne eine solche wird ein umfassender Gewaltschutz aber nicht zu verwirklichen sein.

7. Fazit: Unveränderte Leitbilder als bleibende Gefahrenfaktoren

Das Eckpunktepapier lässt Schlimmes ahnen und wird nicht zu einer verstärkten Wahrnehmung von Gewalt beitragen, solange wirkmächtige Vorgaben über Kindeswohldienlichkeit und Verpflichtungen zum Wohlverhalten im Raum sind und sogar noch verstärkt werden. Die Auswirkungen der Konstrukte „Kindeswohldienlichkeit des Umgangs“ und „Wohlverhaltenspflicht“ auf die Wahrnehmung von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen werden in dem Eckpunktepapier nicht gesehen.
Eine Stärkung der Elternautonomie darf nicht zu einem Recht des Stärkeren führen. Dies betrifft vor allem die vorgeschlagenen Liberalisierungen zu Vereinbarungen zwischen den Eltern über das Sorgerecht sowie die sofortige Vollstreckbarkeit von Umgangsvereinbarungen. Wie diese Regelungen in Einklang mit den Anforderungen der Istanbul-Konvention gebracht werden sollen, bleibt ein Rätsel. Je mehr vorgerichtliche Lösungsmöglichkeiten es gibt, desto größer wird der Druck auf gewaltbetroffene Elternteile werden. Mütter geraten noch weiter unter Rechtfertigungsdruck, wenn sie, zu ihrem und zum Schutz ihrer Kinder ablehnen, dass diese nach einer Trennung Kontakt zum Täter haben. Auch die vorgesehenen Regelungen zum Wechselmodell werden diese Tendenz verstärken.

Dem Erfordernis, dass gesetzliche und sonstige Regeln zum Sorge- und Umgangsrecht dazu beitragen, dass Opfer und Kinder keiner weiteren Gewalt ausgesetzt sind, tragen die Pläne der Bundesregierung nicht Rechnung. Den Anforderungen der Istanbul-Konvention an gesetzgeberische Vorgaben und behördliches Handeln werden die geplanten Änderungen nicht gerecht. Häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen werden nicht als strukturelles Problem erkannt, das die hier geschilderten familienrechtlichen Verhaltensanforderungen und die geplante Ausweitung der Privatautonomie zu staatlich sanktionierten Druckmitteln gegen die Opfer werden lässt.

  1. So schon Kindler, Heinz/Salzgeber, Joseph/Fichtner, Jörg/Werner, Annegret: Gewalt und Umgang, FamRZ 2004, S. 1241 ff.
  2. Erster Bericht des Expertenausschusses (GREVIO) zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarats vom 11. Mai 2011 (Istanbul-Konvention) in Deutschland, S. 71 ff.; UN News: https://news.un.org/en/story/2023/06/1138057.
  3. „Wenn häusliche Gewalt festgestellt wird, ist dies in einem Umgangsverfahren zwingend zu berücksichtigen.“, Koalitionsvertrag zwischen SPD, Die Grünen, FDP „Mehr Fortschritt wagen“, S. 80.
  4. Eckpunkte des Bundesministeriums der Justiz für eine Reform des Kindschaftsrechts: Modernisierung von Sorgerecht, Umgangsrecht und Adoptionsrecht vom 25.01.2024: www.bmj.de.; hierzu Kischkel, Thomas; Sachenbacher, Ulrike, Das Eckpunktepapier des Bundesministeriums der Justiz für eine Reform des Kindschaftsrechts – zu wenig Kind, zu wenig Praxis, zu kurz gesprungen“, FamRZ 2024, S. 409 ff.
  5. Stellungnahme Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e.V.: https://vamv.de/de/presse/pressemitteilungen/eckpunkte-kindschaftsrecht-im-sinne-des-kindes-etwas-licht-und-v/; Stellungnahme des BKSF vom 24.02.2024, STREIT 2/2024, S. 93; Kischkel, Sachenbacher, a.a.O., Fn. 5, S. 411.
  6. Kischkel, Sachenbacher, a.a.O., Fn. 5, S. 411.
  7. BKA-Bundeslagebild Häusliche Gewalt 2023, unter: www.bka.de.
  8. Schröttle, Monika: Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen, in: STREIT 4/2009, S. 147-157.
  9. BMFSFJ: Alleinerziehende in Deutschland, Monitor Familienforschung 28, 17.07.2012, unter: www.bmfsfj.de. Bezogen auf Alleinerziehende mit Kindern unter 18 Jahren gibt Destatis für 2022 die Zahl der Mütter mit 1,33 Mio., die der Väter mit 239.000 an, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilun­gen/Zahl-der-Woche/2023/PD2320p002.html.
  10. § 1626 Abs. 2 BGB: „Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen.“
  11. § 1684 Abs. 2 BGB: „Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert.“
  12. Zimmermann, Janin/Fichtner, Jörg/Walper, Sabine/Lux, Ulrike/Kindler, Heinz: Verdorbener Wein in alten Schläuchen, warum wir allzu vereinfachte Vorstellungen von „Eltern-Kind-Entfremdung“ hinter uns lassen müssen, Teil 1, ZKJ 2023, S. 43 ff., S. 44; Teil 2, ZKJ 2023, S. 83 ff.
  13. Zimmermann et al., a.a.O., Fn. 13, S. 43.
  14. Zimmermann et al., a.a.O., FN. 13, S. 44.
  15. Zimmermann, et al., a.a.O., Fn. 13, S. 44 – Hervorhebung durch die Autorinnen.
  16. So bereits Kindler et al., a.a.O., Fn. 2, S. 1242.
  17. Altendorfer-Kling, Ulrike/Kliemann, Andrea/Fegert, Jörg: Fachtermini aus Medizin und Psychologie als Plädierformeln im Recht – PAS und andere Mythen ohne Evidenzbasierung, FF 2024, S. 88 ff.
  18. Meysen, Thomas/Lohse, Katharina: Umgangsrecht in Fällen häuslicher Gewalt, in: Meysen, Thomas (Hrsg.), Kindschaftssachen und häusliche Gewalt. Umgang, elterliche Sorge, Kindeswohlgefährdung, Familienverfahrensrecht, Heidelberg, S. 18 ff., S. 33 ff.
  19. DeStatis, Fachserie 10 Ziff. 2.1 erledigte Verfahren 2021.
  20. Die Zahl der Eilverfahren zur Regelung des Umgangs wird nicht gesondert erfasst.
  21. Siehe Rücker, Stefan/Walper, Sabine/Petermann, Franz†/Büttner, Peter: Kindeswohl und Umgangsrecht – Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien (sog. PETRA-Studie), Zwischenfazit Kap. 7.
  22. Zur Verprobung eignet sich auch die Zahl derjenigen Frauen, die pro Jahr mit ihren Kindern ein Frauenhaus aufsuchen: Hochgerechnet auf die rund 400 Frauenhäuser in Deutschland ist davon auszugehen, dass im Jahr 2022 rund 14.400 Frauen Schutz in einem Frauenhaus fanden. Zahlenangabe aus: Frauenhauskoordinierung: Bundesweite Frauenhaus-Statistik 2022, unter: www.frauenhauskoordinierung.de.
  23. Vgl. schon die Feststellungen in: Flügge, Sibylla: Grenzen der Pflicht zur gemeinsamen Sorge im Persönlichkeitsrecht der Sorgenden, FPR 4/2008, S. 135-138.
  24. KG Berlin, Beschluss vom 04.08.2022 – 17 UF 6/21, FamRZ 2023, S. 131 ff; OLG Köln, Beschluss vom 29.09.2022 – II 14 UF 57/22, STREIT 3/2023, S. 113 ff.; OLG Brandenburg, Beschluss vom 02.02.2021 – 9 UF 233/20, FamRZ 2022, S. 275 ff.
  25. 85 % der Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahren sind Mütter: Zahl der Woche Nr. 20 vom 16. Mai 2023, unter: www.destatis.de. Alleinerziehende Väter betreuen eher Kinder im Jugendalter: vgl. Monitor Familienforschung 28, a.a.O., Fn. 10.
  26. Saarländisches OLG, Beschluss vom 24.01.2011, 6 UF 116/10, FamRZ 2011, S. 1409-1411.
  27. Saarländisches OLG, Beschluss vom 29.10.2014, 6 WF 186/14, FamRZ 2015, S. 863-865.
  28. Zimmermann, et al., a.a.O., Fn. 13, S. 44, Hervorhebung durch die Autorinnen.
  29. Zimmermann et al., a.a.O., Fn. 13, S. 44.
  30. Gardner, The Parental Alienation Syndrome, 1992. Dazu ausführlich: Kostka: Im Interesse des Kindes? Elterntrennung und Sorgerechtsmodelle in Deutschland, Großbritannien und den USA, Frankfurt/M. 2004.
  31. Gardner entwickelte seine „Theorie“, um Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gegen den Umgangsberechtigten zu parieren.
  32. Erst jüngst wieder: Weber, Matthias/Alberstötter, Ulf: Psychologische und sozialpädagogische Grundlagen beim Sorge- und Umgangsrecht, Köln 2022, S. 141 ff.
  33. BGH, Beschluss vom 16.03.2011 – XII ZB 407/10, FamRZ 2011, S. 796-802.
  34. BVerfG Beschluss vom 17.11.2023 – 1 BvR 1076/23, STREIT 1/2024, 26 ff., m. Anm. Sabine Heinke; NZFam 2024, S. 220, m. Anm. Jessica Kriewald.
  35. Gardner wurde nicht ein einziges Mal von einem US-amerikanischen Familiengericht als Sachverständiger zugelassen.
  36. www.who.int/standards/classifications/frequently-asked-questions/parental-alienation.
  37. BVerfG, Beschl. v. 17.11.2023 – 1 BvR 1076/23, STREIT 1/2024, S. 26 ff.
  38. GREVIO, a.a.O., Fn. 3, S. 76; Bericht der UN-Sonderberichterstatterin an den UN-Rat vom 12.04.2023, STREIT 2/2023, S. 96.
  39. Ley Orgánica 8/2021, de 4 de junio, de proteccción integral a la infancia y la adolescencia frente a la violencia, Artículo 11 y; Artículo 26.
  40. Rücker, Stefan et al., a.a.O., Fn. 22, Zwischenfazit Kap. 9.
  41. Anschaulich und entlarvend: Weber, Matthias/Alberstötter, Ulf: Psychologische und sozialpädagogische Grundlagen beim Sorge- und Umgangsrecht, Köln 2022, S. 87: Der Vorwurf physischer Gewalt wird dort als Mittel zur Stimmungsmache beschrieben; eine Auseinandersetzung mit der Bedrohlichkeit und den Folgen von Partnerschaftsgewalt findet sich in dem gesamten Werk nicht.
  42. S. hierzu bereits Kindler et al. a.a.O. Fn. 2, S. 1241 ff., S. 1248.
  43. Hierzu bereits Kindler, et al., a.a.O., Fn. 2, S. 1241 ff., S. 1248 f.
  44. Zimmermann et al., a.a.O., Fn. 13, ZKJ 2023, S. 49.
  45. Zimmermann et al., a.a.O., Fn. 13, ZKJ 2023, S. 86.
  46. Vgl. hierzu nur den dem Verfassungsbeschwerdeverfahren zugrunde liegenden Fall in BVerfG, Beschluss vom 17.11.2023 – BvR 1076/23, STREIT 1/2024, S. 26-30.
  47. Vgl. nur den Ausgangsfall zu BVerfG, a.a.O., Fn. 47.
  48. Vgl. nur die Ausführungen und Nachweise bei Cirullies, Michael: Die Vollstreckung in Familiensachen, 2. Aufl. 2017, S. 311 ff.
  49. OLG Braunschweig, Beschluss vom 22.07.2022, Az.: 1 UF 180/20, FamRZ 2022, S. 1706.
  50. OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. April 2024, AZ: 7 UF 46/23, STREIT 2/2024, S. 75. Das OLG Frankfurt hat in diesem Fall entschieden, dass das Familiengericht die Unterbringung des Kindes im Heim nicht allein deshalb anordnen darf, wenn eine betreuende Mutter ihr Kind dahin beeinflusst, dass es den nicht betreuenden Vater nicht mehr sehen möchte und es deswegen zu einem Kontaktabbruch kommt. In diesem Fall war die Inobhutnahme und Heimunterbringung des Kindes auf Anordnung des AGs bereits erfolgt, inklusive Kontaktverbot zur vordem hauptbetreuenden Mutter.
  51. Damit die Beteiligten ihr Recht auf zügige Verfahrensführung auch effektiv durchsetzen können, wurden die Beschleunigungsrüge und die Beschleunigungsbeschwerde eingeführt (§§ 155b und 155c FamFG), um auf diese Weise direkt auf das gerichtliche Vorgehen Einfluss nehmen zu können.
  52. BT-Drucks. 16/6308, S. 235.
  53. „Ohne eine sachliche Kontrolle durch das Familiengericht können die Eltern die Erzwingung der das Kindeswohl berührenden Umgangsvereinbarung nicht herbeiführen. Das Gericht darf die Umgangsvereinbarung erst dann gem. § 156 Abs. 2 FamFG billigen, wenn es nach Durchführung der sachdienlichen Ermittlungen im Anschluss an die Protokollierung eine eigene wenn auch eingeschränkte Kindeswohlprüfung vorgenommen hat (BGH NJW 2020, S. 687, Rn. 12). Erst durch die familiengerichtliche Genehmigung erfährt die elterliche Umgangsvereinbarung ihre konkretisierende konstitutive Wirkung (BGH FamRZ 2005, 1471 (1473) = NJW 2005, 1524)“: BGH, Beschluss vom 31.01.2024 – XII ZB 385/23, NZFam 2024, S. 354 ff., S. 356 Rn. 20 m. Anm. Torsten Obermann.
  54. Rüdiger, Ernst: Der Umgangsvergleich, NZFam 2015, S. 804 ff., S. 806.
  55. OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.07.2023 – 11 UF 543/23, NZFam 2023, S. 1039 m. Anm. Kischkel, Thomas.
  56. Prütting/Helms/Hammer, Stephan, FamFG, 2023, § 156 Rz. 19.
  57. Cirullies, a.a.O., Fn. 49, S. 311 ff.
  58. BGH, Beschluss vom 01.02.2012 – XII ZB 188/11 -, FamRZ 2012, S. 533 Rz. 11; Beschluss vom 19.2.2014 – XII ZB 165/13, FamRZ 2014, S. 732 m. Anm. Hammer, Stephan; OLG Schleswig, Beschluss v. 21.9.2015 – 10 WF 144/15, FamRZ 2016, S. 846 f.
  59. Auch der Amtsvormund als ges. Vertr. des Kindes kann durch Ordnungsmittel zur Erfüllung einer Umgangsregelung angehalten werden: BGH, Beschluss vom 19.02.2014, XII ZB 165/13, FamRZ 2014, S. 732.
  60. BT-Drucks. 16/6308, S. 218
  61. Ernst, Rüdiger, Umgang und Unwillen, NZFam 2015, S. 641 ff., S. 642.
  62. BGH, Beschluss vom 01.02.2012, XII ZB 188/11, FPR 2012, S. 513 ff.
  63. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 29.05.2013, 5 WF 120/13, FuR 2013, S. 664.
  64. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29.10.2014, 6 WF 184/14 – zit. nach Ernst, Rüdiger, Umgang und Unwilligkeit, NZFam 2014, S. 641ff., S. 645; OLG Frankfurt a.M. vom 11.09.2012, 4 WF 196/12, ZKJ 2013, S. 263.
  65. Cirullies, a.a.O., Fn. 49, Rz. 475; OLG Saarbrücken vom 29.10.2014, 6 WF 186/14, FamRZ 2015, S. 863.
  66. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 12.09.2013, 5 WF 171/13, FamRZ 2014, S. 403 f., unter Bezugnahme auf BVerfG vom 01.04.2008, 1 BvR 1620/04, dazu: Peschel-Gutzeit, Lore Maria: Umgangspflicht – Eine Naturalobligation?, NJW 27/2008, 1922-1925; Flügge, Sibylla: Persönlichkeitsrechte als Grenze der Umgangsrechte und -pflichten, STREIT 3/2008, S. 110-116.
  67. Eckpunkte, a.a.O., Fn. 5.
  68. Eckpunkte, a.a.O., Fn. 5, S. 11.
  69. Vgl. Art. 31 GewSchÜ.
  70. Vgl. Art. 51 GewSchÜ.
  71. Kritisch zum Eckpunktepapier unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Kindern: BKSF, a.a.O., Fn. 6.
  72. Im nicht veröffentlichen Referentenentwurf des BMJV aus 2020 war immerhin die gesetzliche Klarstellung enthalten, dass der Grundsatz der Kindeswohldienlichkeit des Umgangs mit beiden Elternteilen nicht für den gewaltausübenden Elternteil gilt, soweit die Gewalt Auswirkungen auf das Kind hat. Insofern ist unverständlich, warum eine solche Klarstellung in den Eckpunkten vollständig fehlt.
  73. Eckpunkte, a.a.O., Fn. 4, S. 7.
  74. Hammer, Stephan: Sofort vollstreckbare private Umgangsvereinbarungen im Eckpunktepapier des BMJ zur Reform des Kindschaftsrechts, FamRZ 2024, S. 582 ff.
  75. Eckpunkte, a.a.O., Fn. 4, S. 10.
  76. Eckpunkte, a.a.O., Fn. 4, S. 5.
  77. Eckpunkte, a.a.O., Fn. 4, S. 9.
  78. Eckpunkte, a.a.O., Fn. 4, S. 10.
  79. Mit der FGG-Reform 2009 ist die Schwelle für die Anordnung einer Umgangspflegschaft bereits herabgesetzt worden. Vorher war Voraussetzung eine Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB.
  80. Eckpunkte, S. 11.
  81. GREVIO fordert in seinem Deutschlandbericht die deutschen Behörden auf, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Aufklärung aller am familiengerichtlichen Verfahren beteiligten Professionen darüber sicherzustellen, dass es für die so genannte „elterliche Entfremdung“ und ähnliche Konzepte keine wissenschaftliche Grundlage gibt, GREVIO, a.a.O., Nr. 228, S. 76. Die Umsetzung durch den deutschen Staat steht bislang aus.