STREIT 2/2020
S. 67
Doris König: Der Schutz von Frauenrechten im Rahmen der Vereinten Nationen
Aus: STREIT 4/96, S. 159-167 (Auszug)
(…) Die Ausgangslage in den Vereinten Nationen war dadurch gekennzeichnet, daß im Jahre 1945 nur 30 der 51 Gründungsmitglieder den Frauen das Wahlrecht gewährten. (…) Um den Frauen erstmals weltweit die Mitwirkung an politischen Entscheidungsprozessen zu ermöglichen, verabschiedete die Generalversammlung am 10.12.1952 das Übereinkommen über die politischen Rechte der Frauen, das den Frauen das aktive und passive Wahlrecht sowie das Recht, öffentliche Ämter zu besetzen, sichert. Dieses Abkommen beruhte auf den umfangreichen Vorarbeiten der Frauenrechtskommission. Im Bereich der entgeltlichen Beschäftigung sowie auf dem Gebiet der Erziehung und Ausbildung arbeitete die Kommission eng mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und mit der UNESCO zusammen. Die Gleichstellung der Frau am Arbeitsplatz wurde in zwei Übereinkom¬men der ILO sichergestellt, dem Übereinkommen über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit vom 29.06.195 l und dem Übereinkommen über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25.06.1958. (…)
Um einen besseren Schutz junger Mädchen und Frauen vor einer zwangsweisen Verheiratung zur erreichen, wurde auf Betreiben der Frauenrechtskommission im Jahre 1962 von der Generalversammlung das Übereinkommen über die Erklärung des Ehewillens, des Heiratsmindestalters und die Registrierung von Eheschließungen verabschiedet. (…) Bei der Verabschiedung des Übereinkommens empfahl die Generalversammlung ein Mindestalter von 15 Jahren.
Ferner setzte sich die Frauenrechtskommission seit den frühen 50er Jahren für die Abschaffung traditioneller Gebräuche sowie althergebrachter Gesetze und Praktiken ein. (…) Das Problem der genitalen Verstümmelung von Frauen wurde aber bewußt ausgeklammert, da insoweit keine Übereinstimmung zwischen den Mitgliedstaaten erzielt werden konnte. (…)
Die zweite Phase der Aktivitäten um eine Verbesserung der Stellung von Frauen war von der Einsicht getragen, daß vertragliche und gesetzliche Bestimmungen allein die Lage der Frauen nicht wesentlich verbessern könnten. Es wurde den Verantwortlichen in den Vereinten Nationen, aber auch in den Mitgliedstaaten klar, daß Frauenförderung in einen breiteren sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhang gestellt werden müsse, um wirksam werden zu können. Demgemäß trat neben das Ziel der Gleichbehandlung im Recht die Förderung von Frauen im Bereich der Entwicklung. (…)
Im Anschluss an das Jahr der Frau erklärte die Generalversammlung die Jahre 1976 bis 1985 zur Dekade der Frau. (…) Als Erfolg der UN-Frauendekade ist die Verabschiedung der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 18.12.1979 zu werten. (…) Den Abschluss der UN-Frauendekade bildete die 3. Weltfrauenkonferenz in Nairobi im Sommer 1985. Der Weltentwicklungsbericht des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) von 1995 macht deutlich, daß Frauen trotz zum Teil erheblicher Fortschritte bei der Beseitigung der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen – in keiner Gesellschaft der Welt die gleichen Lebenschancen haben wie Männer. (…) Darüber hinaus macht der Bericht deutlich, daß die geringsten Fortschritte auf dem Wege zur Gleichberechtigung bei der Beteiligung der Frauen an politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen zu verzeichnen sind. Weltweit werden nur 10% aller Parlamentssitze und 6% aller Kabinettsposten in nationalen Regierungen von Frauen eingenommen. (…)
Positiv zu vermerken ist, daß das Thema „Gewalt gegen Frauen“ in den letzten zehn Jahren als ein wichtiges Problem des internationalen Menschenrechtsschutzes erkannt und behandelt worden ist. Im Anschluss an die Weltmenschenrechtskonferenz von Wien 1993 setzte die Menschenrechtskommission des Wirtschafts- und Sozialrates eine Sonderberichterstatterin zu diesem Thema ein, die im November 1994 einen ersten Bericht zur Gewalt gegen Frauen vorlegte. In ihrem Bericht machte sie deutlich, daß es nicht mehr mit internationalen Menschenrechtsstandards vereinbar ist, Gewalt gegen Frauen, insbesondere innerhalb der Familie oder im Rahmen von Abhängigkeitsverhältnissen, als Privatangelegenheit anzusehen, für die der Staat keinerlei Verantwortung trägt und die als durch traditionelle, religiöse oder kulturelle Anschauungen gerechtfertigt angesehen wird. (…)
Die Erzielung weiterer Fortschritte wird entscheidend davon abhängen, ob es gelingt, das Bewußtsein der Entscheidungsträger in den einzelnen Staaten und innerhalb der Organisationen der Vereinten Nationen zugunsten der Rechte und Entfaltungsmöglichkeiten von Frauen allmählich zu verändern. Hierzu wird es einer verstärkten Zusammenarbeit der zuständigen Institutionen mit den nichtstaatlichen Frauenorganisationen bedürfen. Auf der rechtlichen Ebene ist eine Verbesserung der Durchsetzung von Frauenrechten dringend erforderlich. Das in der Frauendiskriminierungskonvention von 1979 vorgesehene Berichtssystem reicht – wie die bisherige Erfahrung gezeigt hat – bei weitem nicht aus, um die in der Konvention garantierten Rechte in den einzelnen Vertragsstaaten auch umzusetzen. Deshalb erscheint es mir wichtig, den von der Frauenrechtskommission und von CEDAW unterstützten Vorschlag, die Konvention durch ein Fakultativprotokoll zu ergänzen, in dem ein Individualbeschwerdeverfahren eingerichtet werden soll, nachdrücklich zu unterstützen.