STREIT 3/2021

S. 131-132

BGH, § 17 VersAusglG

Externe Teilung betrieblicher Versorgungs­anrechte im Versorgungsausgleich nach der Entscheidung des BVerfG vom 26. Mai 2020 – 1 BvL 5/18

1. Zur Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hat das Familiengericht festzustellen, welche Versorgungsleistung die ausgleichsberechtigte Person mit dem vom Quellversorgungsträger vorgeschlagenen Ausgleichswert in der externen Zielversorgung erlangen kann und diese den Versorgungsleistungen gegenüberzustellen, die sie bei einer fiktiven internen Teilung im System der Quellversorgung zu erwarten hätte.
2. Als maßgebliche Zielversorgung für den Vergleich mit der Quellversorgung ist die gesetzliche Rentenversicherung heranzuziehen, solange der ausgleichsberechtigten Person noch keine Vollrente wegen Alters bindend bewilligt worden ist; dies gilt auch dann, wenn die ausgleichsberechtigte Person trotz entsprechender Hinweise des Gerichts ihr Wahlrecht nach § 15 VersAusglG nicht oder zugunsten einer anderen Zielversorgung ausübt.
3. Der Versorgungsträger, der die externe Teilung verlangt, hat dem Familiengericht entsprechend § 220 Abs. 4 FamFG auf Ersuchen mitzuteilen, welche Versorgung die ausgleichsberechtigte Person mit ihren biometrischen Daten im Falle einer fiktiven internen Teilung unter Berücksichtigung fiktiver Teilungskosten zu erwarten hätte.
4. Für die Beurteilung der Frage, ob die externe Teilung unter Berücksichtigung eines Toleranzrahmens von 10 % mit dem vom Quellversorgungsträger vorgeschlagenen Ausgleichswert verfassungskonform durchgeführt werden kann, kommt ein Vergleich der Versorgungsleistungen von Zielversorgung (bei externer Teilung) und Quellversorgung (bei fiktiver interner Teilung) auf der Basis von Rentenwerten oder von Barwerten in Betracht.
(amtliche Leitsätze)

Beschluss des BGH vom 24.03.2021 – XII ZB 230/16

Anmerkung der Redaktion:
Nun liegt die erste Entscheidung des BGH zur externen Teilung im Versorgungsausgleich gem. § 17 VersAusglG nach dem Urteil des BVerfG vom 26.05.2020 – 1 BvL 5/18 vor. Die Ausführungen des BGH bestätigen die vielfach geäußerten Bedenken der Praxis (s. Anmerkungen und Stimmen aus der Redaktion in STREIT 3/2020 S. 110 ff.).

Nach den Vorgaben des BVerfG hat das Familiengericht festzustellen, welche Versorgungsleistungen die konkrete ausgleichsberechtigte Person mit dem vom Quellversorgungsträger vorgeschlagenen Ausgleichswert in einer externen Zielversorgung erlangen kann, und diese den Versorgungsleistungen gegenüberzustellen, die sie bei einer fiktiven internen Teilung im System der Quellversorgung zu erwarten hätte. Dazu hat das Familiengericht zu ermitteln, welche Versorgung die ausgleichsberechtigte Person mit ihren biometrischen Daten im Falle einer fiktiven internen Teilung des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person im System der Quellversorgung unter Berücksichtigung fiktiver Teilungskosten und welche Versorgung sie bei externer Teilung zu erwarten hätte. Erforderlichenfalls hat das Familiengericht den Quellversorgungsträger zur Zahlung eines Aufschlags zu verpflichten.

Dem Familiengericht obliegen in den Fällen des § 17 VersAusglG umfassende und sehr anspruchsvolle Aufgaben bei der Durchführung eines verfassungsgemäßen Versorgungsausgleichs. Es hat durch seine Verfahrensgestaltung alle nötigen Auskünfte einzuholen und insbesondere durch die Erteilung von Hinweisen darauf hinzuwirken, dass der ausgleichsberechtigten Person eine sachgerechte Ausübung – ggf. auch eine Neuausübung – ihres Wahlrechts ermöglicht wird.
Zu den Aufgaben des Familiengerichts zählen hier insbesondere:

  • Die Prüfung des korrekten Abzinsungsfaktors und aller maßgeblichen Faktoren bei der Barwertermittlung.

  • Die Ermittlung der fiktiven Versorgungsleistungen für die Ausgleichsberechtigte bei interner Teilung in der Quellversorgung. Hierzu ist vom Familiengericht eine Auskunft des Trägers der Quellversorgung analog § 220 Abs. 4 S. 1 FamFG einzuholen.

  • Die Ermittlung der zu erwartenden Versorgungsleistungen für die Ausgleichsberechtigte bei externer Teilung in der Zielversorgung.

  • Die Feststellung, ob die externe Teilung, unter Berücksichtigung eines Toleranzrahmens von 10%, mit dem vom Quellversorgungsträger vorgeschlagenen Ausgleichswert verfassungsgemäß durchgeführt werden kann. Ist dies nach Durchführung eines Renten- oder Barwertvergleichs nicht möglich, ist vom Familiengericht ein Zuschlag zum Ausgleichswert zu beziffern. Dieser Zuschlag ist in der Beschlussfassung gesondert auszuweisen und als solcher zu bezeichnen, um damit für die spätere Umsetzung der Versorgungsausgleichsentscheidung bei der Kürzung des Anrechts des Ausgleichspflichtigen klarzustellen, dass dieser Betrag allein vom Quellversorgungsträger als Aufpreis für die von ihm erstrebte externe Teilung zu tragen ist. (Der Quellversorgungsträger hat alternativ dazu die Möglichkeit der internen Teilung.)

Diese Aufgaben kann das Familiengericht nach den Ausführungen des BGH insbesondere mit Hilfe von online-Rechnern und -Tabellen von Versorgungsträgern, Prognosen aus dem jährlichen Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung betreffend die Entwicklung des Rentenwerts, überschlägigen Berechnungen und Pauschalierungen und letztlich (kostenintensiven) Sachverständigengutachten erledigen.
Alle Schritte sind schließlich von den jeweiligen Verfahrensbevollmächtigten zu kontrollieren.

Es bleibt abzuwarten, ob die ohnehin oft überlasteten Familiengerichte diesen hohen Anforderungen gerecht werden (können). Denkbar ist auch, dass zukünftig der Versorgungsträger nach der von ihm erteilten ergänzenden Auskunft über das auszugleichende Rentenvolumen bei fiktiver interner Teilung und nach der Bezifferung eines von ihm auf eigene Kosten zu zahlenden, möglicherweise erheblichen Aufschlags für den Transferverlust durch das Familiengericht von seiner Wahl der externen Teilung absieht und zur internen Teilung zurückkehrt. Dies wäre meist die für die Ausgleichsberechtigte günstigere Lösung und für den Versorgungsträger, bei angepasster Mischkalkulation der Teilungskosten (§ 13 VersAusglG), auch interessant. Mit dieser Argumentation könnten die nachteiligen externen Teilungen nach § 17 ­VersAusglG auch ohne eine Gesetzesänderung zahlenmäßig zurückgehen.