STREIT 3/2021
S. 129-130
OLG Brandenburg, § 1 GewSchG, §§ 29 Abs.1, 51 Abs. 1 S. 2 FamFG
Tonbandaufnahme von Äußerungen des Antragsgegners im Gewaltschutzverfahren
Zur Glaubhaftmachung im Gewaltschutzverfahren kann auch eine Tonbandaufnahme von Äußerungen des Antragsgegners herangezogen werden. Das gilt zumindest dann, wenn die Aufnahme im öffentlichen Straßenraum erfolgte und die Antragstellerin den Antragsgegner zuvor darauf hingewiesen hatte, dass sie Gespräche mit ihm aufnehmen werde.
(Leitsatz des Gerichts)
Beschluss des OLG Brandenburg vom 06.08.2020 – 15 UF 126/20
Aus den Gründen:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den am 25.06.2020 verkündeten Beschluss, mit dem das Amtsgericht die im Verfahren der einstweiligen Anordnung gegen ihn ergangene, bis zum 04.12.2020 befristete Unterlassungsanordnung vom 04.06.2020 nach mündlicher Verhandlung aufrecht erhalten hat, ist gem. §§ 57 S. 1, S. 2 Nr. 4, 58 Abs.1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere rechtzeitig erhoben worden.
In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg.
[…] Dass das Amtsgericht in den Gründen seiner Entscheidung einerseits ausgeführt hat, seine Entscheidung nicht auf den Augenschein der in der mündlichen Verhandlung von der Antragstellerin präsentierten und laut vorgespielten Audiodatei zu stützen, andererseits den Inhalt der Audiodatei für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Antragstellerin herangezogen hat, führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Maßgeblich ist allein, dass die tatsächlich erfolgte Würdigung des Sachverhalts unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Inaugenscheinnahme folgerichtig und verfahrensrechtlich zulässig war.
Zu der gem. § 51 Abs. 1 S. 2 FamFG im einstweiligen Anordnungsverfahren ausreichenden Glaubhaftmachung einer Tatsachenbehauptung sind alle Beweismittel des Freibeweises (§ 29 Abs. 1 FamFG) einschließlich der Versicherung an Eides statt (§ 31 Abs. 1 FamFG) zugelassen (BT-Drs. 16/6308, 190). Zur Glaubhaftmachung bedarf es nicht der vollen gerichtlichen Überzeugung, sondern es genügt ein geringerer Grad der richterlichen Überzeugungsbildung, der bereits vorliegt, wenn bei freier Würdigung des gesamten Verfahrensstoffs eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die glaubhaft zu machende Tatsache zutrifft (BGH, MDR 2007, 669; OLG Saarbrücken, FamFR, 2010, 538). Praktisch bedeutet dies, dass nach der vorzunehmenden Würdigung aller Umstände für das Vorliegen der Tatsache mehr spricht als dagegen (Burschel in BeckOK-FamFG, 35. Ed., § 31, Rn. 10; Prütting in MüKo-ZPO, 6. Aufl., § 294, Rn. 24, m. w. N.). Darüber, ob die Glaubhaftmachung ausreichend ist, entscheidet das Gericht nach freier Überzeugung. Dabei sind neben dem tatsächlichen Vorbringen und dessen Glaubhaftmachung durch die übrigen Beteiligten auch weitere präsente Beweismittel zu berücksichtigen (Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl., § 31, Rn. 14).
An diesem Maßstab gemessen ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden, soweit sie davon ausgeht, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Vorbringens der Antragstellerin, dass sie von dem Antragsgegner am 19.05.2020 mit dem Tode bedroht worden sei, spricht. Ob es hierfür bereits genügt, dass die Antragstellerin ihre an Eides statt versicherten Behauptungen „plastisch, detailreich und inhaltlich plausibel“ dargestellt hat, während der Antragsgegner sich in seiner eidesstattlichen Versicherung darauf beschränkt hat, den von der Antragstellerin geschilderten Geschehensablauf zu bestreiten und zu behaupten, dass es bei dem Zusammentreffen der Beteiligten an jenen Tage keine Besonderheiten gegeben habe, erscheint zwar fraglich, da gerade von demjenigen, der einen bestimmten Geschehensablauf in Abrede stellt, keine „plastische“ Schilderung des von ihm bestrittenen Ereignisses erwartet werden kann. Letztlich kommt es hierauf für die Beurteilung des Vorbringens der Antragstellerin angesichts des Inhaltes der von ihr im Anhörungstermin präsentierten und vom Amtsgericht in Augenschein genommenen Audioaufnahme nicht an, da nach den Feststellungen des Amtsgerichts der Inhalt der Audioaufnahme weitgehend der Darstellung der Antragstellerin über den von ihr geschilderten Gesprächsverlauf und über die sonstigen Tatumstände entspricht und auch eine große Ähnlichkeit der darin hörbaren Stimme des männlichen Gesprächspartners mit der des Antragsgegners erkennbar war. Dann aber ist die Annahme, dass mehr für die Richtigkeit des Tatsachenvorbringens der Antragstellerin als für das des Antragsgegners spricht, gerechtfertigt.
Der Antragsgegner kann sich aus den im wesentlichen Kern zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des Inhaltes der Audiodatei auch nicht mit Erfolg auf ein Beweisverwertungsverbot berufen. Allerdings dürfen Privatgespräche ohne Einwilligung des Gesprächspartners weder auf einen Datenträger aufgezeichnet noch durch Abspielen der Aufzeichnung anderen zugänglich gemacht werden. Die Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot stellt nicht nur eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des hiervon Betroffenen, sondern auch eine Straftat (§ 201 StGB) dar. Dieses Verbot ist grundsätzlich auch im familiengerichtlichen Verfahren zu beachten und hindert das Gericht daran, eine ohne Einwilligung des Betroffenen angefertigte Audioaufnahme als Beweismittel zu verwerten, und zwar ohne dass es dabei darauf ankäme, ob die Beweiserhebung im Wege des Strengbeweises oder des Freibeweises erfolgt.
Der Schutz des gesprochenen Wortes ist jedoch nicht schrankenlos. Insbesondere wenn es – wie hier – nicht der unantastbaren Intimsphäre zuzuordnen ist, vielmehr in Konflikt zu dem ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht eines anderen tritt, zu dessen Durchsetzung die Audioaufnahme verhelfen soll, kann das Selbstbestimmungsrecht über das eigene Wort sich nicht über dessen schutzwürdige Belange schlechthin hinwegsetzen. Ein so absolutes Verwertungsverbot nicht gestatteter Tonaufnahmen wäre unannehmbar (BGH, NJW 82, 277; BVerfGE 34, 238, 246 ff.; 35, 202, 221 ff.). Aus diesem Grund kann eine ohne Zustimmung gefertigte Aufzeichnung des gesprochenen Wortes und ihre Verwertung zur Wahrheitsfindung im Zivilprozess zulässig sein, wenn unter den besonderen Umständen des konkreten Falls bei Abwägung der widerstreitenden Interessen sowie mit Rücksicht auf die generelle Bedeutung der betroffenen Schutzgüter die Rechtsverwirklichung, der dieses Beweismittel dienen soll, Vorrang vor dem Schutz des gesprochenen Worts haben muss (BGH, a. a. O., m. w. N.).
Vorliegend überwiegt das Interesse an der Wahrheitsfindung und somit an der Ergreifung von Maßnahmen zum Schutz vor erneuten Bedrohungen und Nötigungshandlungen, welche auch die Gefahr einer künftigen Eskalation in sich bergen und geeignet sind, den Bedrohten in erheblicher Weise psychisch zu belasten.
Von Bedeutung für die Abwägung ist auch, dass das aufgezeichnete Gespräch im öffentlichen Straßenraum stattfand (vgl. hierzu Bacher in BeckOK-ZPO, 36. Ed., § 284, Rn. 22.1) und die Antragstellerin nach ihrem insoweit unbestrittenen Vorbringen den Antragsgegner zuvor darauf hingewiesen hatte, dass sie Gespräche mit ihm aufzeichnen werde. […]