STREIT 1/2019
S. 25-28
Hans. OLG, §§ 1629 Abs. 2 S. 2, 1609 BGB
Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch nach Obhutswechsel des Kindes
1. Die Geltendmachung des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs durch die bisherige gesetzliche Vertreterin im Kindesunterhaltsverfahren ist nach Obhutswechsel des Kindes in der Beschwerdeinstanz zulässig.
2. Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners stehen seiner vollschichtigen Erwerbsfähigkeit nicht entgegen.
3. Der familienrechtliche Ausgleichsanspruch ist dem Kindesunterhaltsanspruch gleichrangig i.S.v. § 1609 BGB.
4. Der Unterhaltsschuldner findet sich auch mit dem familienrechtlichen Ausgleichsanspruch in Verzug i.S.v. § 1613 BGB, wenn ihn das Kind, vertreten durch den ausgleichsberechtigten Elternteil, auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen hat.
(Leitsätze der Redaktion)
Beschluss des Hanseatischen OLG Hamburg vom 30.10.2018 – 12 UF 231/13
Aus den Gründen:
I.
Die Beteiligten sind die Eltern ihrer am … 2005 geborenen Tochter T., die zunächst bei der Mutter gelebt hat und am 31. Oktober 2016 in die Obhut des Vaters gewechselt ist. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens hat zunächst T., vertreten durch die Mutter, Kindesunterhalt geltend gemacht. Nach dem Obhutswechsel von T. zum Vater hat die Antragstellerin das Beschwerdeverfahren hinsichtlich des Kindesunterhalts für erledigt erklärt und macht gegenüber dem Antragsgegner nunmehr Zahlungsansprüche im Wege des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs geltend.
Die Vaterschaft des Antragsgegners zu T. ist mit Beschluss des Familiengerichts Hamburg-St. Georg vom 4. Januar 2012 (Gesch.-Nr. 982 F 301/11) festgestellt worden. Daraufhin hat die Antragstellerin den Antragsgegner mit Anwaltsschreiben vom 13. Januar 2012 zur Auskunftserteilung im Hinblick auf den Kindesunterhalt aufgefordert und – nachdem der Antragsgegner zunächst erklärte, sich um eine Erwerbstätigkeit zu bemühen und sodann darauf hinwies, mit der ab April 2012 gefundenen Anstellung wegen der damit verbundenen Fahrtkosten gleichwohl nicht leistungsfähig zu sein – im Juni 2012 den Unterhaltsantrag eingereicht.
Der Antragsgegner ist seit dem … 2014 verheiratet und hatte zuvor mit seiner späteren Ehefrau zusammengelebt. Aus der Ehe sind die Kinder K., geb. … 2014, und M., geb. … 2017, hervorgegangen. Das Umgangsrecht des Antragsgegners mit T. (bis September 2012 auch mit L., der Tochter der Antragstellerin aus einer früheren Verbindung) war von den Eltern zunächst lediglich auf die Wochenenden festgelegt (Gesch.-Nr. 982 F 446/10), ab Januar 2013 jedoch dahingehend erweitert worden, dass sich T. jeweils 14-täglich von Donnerstag bis Montag und in der darauffolgenden Woche am Donnerstag und Freitag beim Vater aufhielt.
Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens hat zunächst T., gesetzlich vertreten durch die Mutter und jetzige Antragstellerin, Kindesunterhalt gegenüber dem Antragsgegner in Höhe von 105% des jeweiligen Mindestunterhalts der Düsseldorfer Tabelle ab Juli 2012 sowie rückständigen Kindesunterhalt für die Zeit von Januar bis Juni 2012 in Höhe von insgesamt 1.746,– € geltend gemacht.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht die Anträge mangels Leistungsfähigkeit des Antragsgegners abgewiesen. Auf die Gründe dieses Beschlusses wird zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen. Gegen den am 23. Oktober 2013 zugestellten Beschluss hat T., weiterhin vertreten durch die Antragstellerin, die vorliegende Beschwerde erhoben, die am 25. November 2013 beim Familiengericht eingereicht und am 23. Dezember 2013 begründet wurde.
Sie hat geltend gemacht, der Antragsgegner sei arbeitsfähig und in der Lage, ein Nettoeinkommen in Höhe von 1.900,– € brutto zuzüglich Einnahmen aus einer Nebentätigkeit zu erzielen, mit dem er den geltend gemachten Kindesunterhalt zahlen könne. Der Antragsgegner behauptet, er sei erwerbsunfähig krank und mit Rücksicht auf die Unterhaltspflichten gegen Ehefrau und Kindern nicht zum Unterhalt verpflichtet. Sein Selbstbehalt sei zu erhöhen wegen der durch den umfangreichen Umgang mit T. verbundenen erhöhten Wohn- und Fahrtkosten. Deswegen sei er auch außerstande, neben einer etwaigen Arbeitstätigkeit eine Nebentätigkeit auszuüben. Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat das Gericht gemäß Beschluss vom 12. Dezember 2014 und vom 20. Januar 2016 Beweis erhoben über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Antragsgegners und seine Beschäftigungsmöglichkeiten. […]
Im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens ist die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 3. November 2017, zugestellt am 14. November 2017, selbst als Beteiligte in das Verfahren eingetreten und beantragt im Wege des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs, den Antragsgegner zu verpflichten, an die Antragstellerin einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch zu zahlen in Höhe von 8.234,– € nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Antragsänderung. Im Übrigen hat sie die Hauptsache für erledigt erklärt und den von ihr zunächst in Höhe von 16.006,– € geltend gemachten familienrechtlichen Ausgleichsanspruch mit Rücksicht auf empfangene Unterhaltsvorschussleistungen zurückgenommen. […]
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, hat aber lediglich im tenorierten Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie, soweit sie nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt bzw. zurückgenommen wurde, unbegründet und daher abzuweisen.
1. Die noch von T. als ursprüngliche Antragstellerin erhobene Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben und begründet worden, §§ 58 ff., 63 Abs. 1, 117 Abs. 1 FamFG.
2. Der im Verlauf des Beschwerdeverfahrens vorgenommene Beteiligtenwechsel ist wirksam. Die Antragstellerin ist in zulässiger Weise an Stelle der gemeinsamen Tochter in das Verfahren eingetreten.
a) Mit dem Obhutswechsel der gemeinsamen Tochter und bisherigen Antragstellerin ist die Vertretungsbefugnis der jetzigen Antragstellerin aus § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB, von der im Hinblick auf das eindeutige Übergewicht der tatsächlichen Betreuung durch die Mutter trotz des im Verlauf des Verfahrens vereinbarten erweiterten Umgangsrechts des Vaters weiterhin auszugehen gewesen ist (vgl. BGH, FamRZ 2014, 917, Rdnr. 17), entfallen. Dadurch ist der Antrag rückwirkend, also auch hinsichtlich des aufgelaufenen Unterhalts, unzulässig geworden und müsste abgewiesen werden, sofern er nicht, wie im vorliegenden Fall geschehen, für erledigt erklärt wird (zur Befugnis zur Erledigungserklärung vgl. ausführlich Norpoth, FamRZ 2007, 514 ff., zur Erledigungserklärung vgl. OLG Koblenz FamRZ 2015, 1902 m.w.N.; OLG Köln, FamRZ 2005, 1999).
Dass der bisher betreuende Elternteil, der den gesamten Unterhaltsbedarf des bei ihm lebenden Kindes gedeckt hat, gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil einen sog. familienrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend machen kann, ist allgemein anerkannt (BGH FamRZ 1984, 775 ff.; FamRZ 1989, 850 ff.; FamRZ 1994, 1102; Palandt-Brudermüller, BGB, Rdnr. 18 zu § 1606; Scholz in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 2, Rdnr. 767 ff.). Umstritten ist allerdings, ob und unter welchen Voraussetzungen im Verfahren mit dem Wechsel des Anspruchsgrundes zugleich auch die Person des Antragstellers ausgewechselt werden kann, das Verfahren also zulässigerweise mit bzw. nach einer Beteiligtenwechselerklärung fortgesetzt werden kann sowie ferner, ob dies auch dann gilt, wenn bereits in der Berufungsinstanz mündlich verhandelt wurde.
b) Die Voraussetzungen für den Wechsel eines Beteiligten auf Antragstellerseite ergeben sich grundsätzlich aus den §§ 113 Abs. 1 FamFG, 263 ZPO. Danach ist für einen gewillkürten Beteiligtenwechsel eine entsprechende Erklärung sowohl der ursprünglichen (h.M., vgl. z.B. Zöller-Greger, ZPO, 33. Aufl. 2018, Rdnr. 29 zu § 263, OLG München, NJW-RR 1998, 788) als auch der neuen Antragstellerin erforderlich, außerdem die Zustimmung des Gegners bzw. die Feststellung der Sachdienlichkeit durch das Gericht. Letztere ist hier nicht entbehrlich, da anders als in dem vom BGH in FamRZ 2013, 1378 entschiedenen Fall der Beteiligtenwechsel auch mit einer Änderung des Streitstoffs (Ausgleichsanspruch statt Unterhaltsanspruch) verbunden ist. Für den Fall, dass – wie hier – bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, wird zudem die Zustimmung des Gegners analog § 269 ZPO für erforderlich gehalten (vgl. z.B. Zöller, a.a.O., Rdnr. 30 m.w.N.; BGH NJW 2012, 3642 und FamRZ 2014, 917, Rdnr. F25).
Hiervon ausgehend ist im vorliegenden Fall der Beteiligtenwechsel in der Beschwerdeinstanz auch nach vorheriger mündlicher Verhandlung (in erster und zweiter Instanz) zulässig. Die Befugnis der Mutter, die dafür ggfs. erforderliche Erklärung auch für die minderjährige Tochter als ursprüngliche Antragstellerin abzugeben, ergibt sich aus ihrer bisherigen gesetzlichen Vertretung des Kindes gem. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB, die erst im Verlauf des Verfahrens entfallen ist (vgl. BGH, FamRZ 2013, 1378, Rdnr. 9), ggfs. in Verbindung mit den §§ 168, 672 S. 2 BGB analog (vgl. z.B. Norpoth, a.a.O.).
c) Bei der mangels Zustimmung des Antragsgegners erforderlichen Beurteilung der Sachdienlichkeit der Antragsänderung kommt es allein auf die objektive Feststellung an, ob und inwieweit die Zulassung der Antragsänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Verfahrens ausräumt und einem andernfalls zu erwartenden weiteren Verfahren vorbeugt. Maßgebend ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit. […]
d) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist der Beteiligtenwechsel auch noch in der Beschwerdeinstanz zulässig. Zwar wird davon ausgegangen, dass der Beteiligtenwechsel in der Beschwerdeinstanz der Zustimmung des Gegners bedarf, die nur dann entbehrlich ist, wenn sie rechtsmissbräuchlich verweigert wird (vgl. BGH, FamRZ 1987, 1946, Rdnrn. 10 ff. m.w.N.). Ein solcher Rechtsmissbrauch liegt bei einem Wechsel auf Antragstellerseite vor, wenn ein schutzwürdiges Interesse des Antragsgegners an der Weigerung nicht anzuerkennen und ihm der Wechsel nach der gesamten Sachlage zuzumuten ist. Hiervon ausgehend ist die Verweigerung der Zustimmung zum Beteiligtenwechsel durch den Antragsgegner im vorliegenden Fall als rechtmissbräuchlich anzusehen. […]
Der damit zulässige Wechsel auf Antragstellerseite führt dazu, dass die bisherige Antragstellerin ausscheidet und die neue Antragstellerin an ihre Stelle tritt (vgl. Zöller, a.a.O., Rdnr. 30).
3. Die Beschwerde ist, soweit sie nicht für erledigt erklärt bzw. zurückgenommen wurde, nur im tenorierten Umfang begründet. Der Antragstellerin steht gegenüber dem Antragsgegner ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch in Höhe von 4.656,16 € zu. […]
Voraussetzung für den hier geltend gemachten Anspruch ist also, dass eine Barunterhaltspflicht des Antragsgegners gegenüber dem Kind bestanden hat (1), die von der Antragstellerin erfüllt wurde (2), und für die außerdem die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB vorliegen (3).
(1) Die Barunterhaltspflicht des Antragsgegners gegenüber der gemeinsamen Tochter T. im hier maßgeblichen Zeitraum (Januar 2012 bis Oktober 2016) beruht auf den §§ 1601 ff. BGB. […]
a) Die somit dem Grunde nach bestehende Barunterhaltspflicht des Antragsgegners gegenüber T. ist zur Höhe jedoch nur teilweise begründet. […] Die Zurechnung fiktiver Einkünfte, in die auch mögliche Nebenverdienste einzubeziehen sind, setzt neben nicht ausreichenden Erwerbsbemühungen eine reale Beschäftigungschance des Unterhaltspflichtigen voraus (BGH, FamRZ 2011, 1041, Rdnr. 30 f.; FamRZ 2009, 314, Rdnr. 28). Denn dem Unterhaltspflichtigen darf auch bei einem Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit nur ein Einkommen zugerechnet werden, welches von ihm auch realistischerweise erzielt werden kann (BVerfG FamRZ 2010, 793).
b) Hiervon ausgehend muss sich der Antragsgegner für den gesamten Zeitraum von Februar 2012 bis Oktober 2016 fiktive Einkünfte zurechnen lassen, da er bei ordnungsgemäßen und ausreichenden Erwerbsbemühungen in der Lage gewesen wäre, eine zumutbare Erwerbstätigkeit zu finden und den Unterhalt von T. zumindest teilweise aufzubringen. […] Ausreichende Erwerbsbemühungen des Antragsgegners liegen nicht vor. […]
c) Die Behauptung des Antragsgegners, aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen erwerbsunfähig zu sein, ist durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt worden. Nach dem überzeugenden Ergebnis des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. A. vom 25. September 2015 ist vielmehr davon auszugehen, dass bei dem Antragsgegner zwar gewisse Einschränkungen seiner Leistungsfähigkeit vorliegen, wie z.B. Leistungsvermögen nur für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, schichtunabhängig, überwiegend im Sitzen, gelegentlich stehend und gehend mit Vermeidung von kniender, hockender und Überkopftätigkeit etc., dass aber diese Einschränkungen einer vollschichtigen Erwerbsfähigkeit nicht entgegen stehen. Der Antragsgegner ist diesen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht entgegen getreten, vielmehr beruft er sich nun darauf, mit den genannten Einschränkungen und aufgrund seiner Vita (kein Schulabschluss, keine Berufsausbildung, frühere Tätigkeiten als Kraftfahrer, Staplerfahrer, Lagerarbeiter, diverse Umschulungsmaßnahmen vom Jobcenter, zuletzt zur Sicherheitsfachkraft) keine geeignete Tätigkeit finden zu können.
d) Auch davon ist jedoch nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme nicht auszugehen. Vielmehr steht nach den Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen M., Teamleiter im Jobcenter team.arbeit.hamburg, in seinem schriftlichen Gutachten vom 6. April 2016 zur Überzeugung des Gerichts fest, dass für den Antragsgegner auch unter Berücksichtigung seines Lebenslaufs und seiner gesundheitlichen Einschränkungen durchaus realistische Erwerbsmöglichkeiten bestehen. Selbst wenn, wie der Antragsgegner unwidersprochen behauptet, er – entgegen seinen Angaben und seinen bisherigen Tätigkeiten – über keine Fahrerlaubnis zum Führen eines LKW verfügen sollte und deshalb nicht beim Containertransport eingesetzt werden kann, so kommt für ihn gleichwohl eine Tätigkeit im Wachdienst (Empfang oder Pforte) oder im Call-Center mit Nebenerwerbsmöglichkeiten in Betracht, wie vom Sachverständigen in seinem Gutachten ausführlich erläutert. Beide Tätigkeiten sind dem leichten/mittelschweren Bereich zuzuordnen und werden überwiegend im Sitzen ausgeübt, wobei durch die vorgesehenen Pausen Möglichkeiten zum Haltungswechsel bestehen. […] Der Sachverständige hat ausgeführt, dass es im Wachdienst eine erhebliche Anzahl von Stellen in der Metropolregion Hamburg gibt. Unter diesen Umständen ist der Beweis, dass für den Antragsgegner keine realen Erwerbsmöglichkeiten bestehen, auch mangels gegenteiliger Erfahrungssätze nur durch den Nachweis zu führen, dass sich der Antragsgegner hinreichend um eine Erwerbstätigkeit bemüht hat.
e) Zur Höhe des aus einer solchen Tätigkeit erzielbaren Einkommens wird ebenfalls auf die vom Sachverständigen genannten Verdienstmöglichkeiten verwiesen. Danach verhält es sich so, dass die Bezahlung im Wachdienst in der Regel nach Tarifvertrag erfolgt. Nach dem hier maßgeblichen Lohn-Tarifvertrag Wach- und Sicherheitsgewerbe ist der Stundenlohn für Sicherheitsmitarbeiter im Objektschutz-/Separatwachdienst in § 2 II.1 geregelt und beträgt 7,31 € (2012), 7,50 € (2013), 8,05 € (ab März 2014), 8,50 € (2015) sowie 9,– € (2016). Hiervon wird im Folgenden ausgegangen, da ein höheres Einkommen im Call-Centerbereich nicht realistisch zu erzielen sein dürfte, nachdem der Sachverständige dort vom gesetzlichen Mindestlohn ausgegangen ist.
Die im Wachdienst vorgesehene regelmäßige Arbeitszeit von 228 Stunden im Monat (vgl. § 6 Nr. 1.4 MTV für Sicherheitsdienstleistungen in der BRD vom 1. Januar 2012) kann allerdings nur für das Jahr 2012 zugrunde gelegt werden. Mit Rücksicht auf den Umfang des Umgangsrechts des Antragsgegners mit T., das […] nahezu einem hälftigen Anteil entspricht, kommt ab Januar 2013 eine regelmäßige Arbeitszeit in diesem Umfang nicht mehr in Betracht. Es wird daher ab Januar 2013 eine regelmäßige Arbeitszeit von 173 Stunden im Monat als zumutbar zugrunde gelegt.
Danach ergibt sich ein fiktives Einkommen aus regelmäßiger Tätigkeit in Höhe von brutto monatlich (7,31 € x 228 =) 1.812,88 € im Jahr 2012, (7,50 € x 173 =) 1.297,50 € im Jahr 2013, (8,05 € x 173 =) 1.392,65 € ab März 2014, (8,50 € x 173 =) 1.470,50 € im Jahr 2015 und (9,– € x 173 =) 1.557,– € im Jahr 2016.
Da das sich daraus ab Januar 2013 ergebende Nettoeinkommen ersichtlich nicht ausreicht, um den Mindestunterhalt aufbringen zu können, ist zu prüfen, ob dem Antragsgegner eine zusätzliche Nebentätigkeit zumutbar ist. Denn auch wenn der Unterhalt aufgrund eines – wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheit – lediglich fiktiven Einkommens festzusetzen ist, trifft den Antragsgegner eine Obliegenheit zur Ausübung einer Nebentätigkeit im selben Umfang wie einen seine Erwerbsobliegenheit erfüllenden Unterhaltsschuldner. Es wird daher im vorliegenden Fall von einem zumutbaren weiteren Arbeitseinsatz an dem jeweils umgangsfreien Wochenende ausgegangen, mit dem der Antragsgegner, ausgehend von den Ausführungen des Sachverständigen, ein zusätzliches Einkommen von rund 200,– € brutto erzielen könnte.
f) […] Insgesamt ergibt sich damit ein Unterhaltsanspruch in Höhe von (2.992,– € + 1.463,64 € + 23,64 € + 176,88 € =) 4.656,16 €. Soweit dieser Unterhaltsanspruch vor Antragseingang im Juni 2012 entstanden ist, sind die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB für eine rückwirkende Geltendmachung aufgrund des Aufforderungsschreibens vom 13. Januar 2012 erfüllt. […]
(2) Die gegenüber T. bestehende Barunterhaltspflicht des Antragsgegners ist von der Antragstellerin vollen Umfangs erfüllt worden, indem sie – von Kindergeld und Unterhaltsvorschussleistungen abgesehen – in dem hier maßgebenden Zeitraum den gesamten Lebensbedarf des Kindes einschließlich des gegenüber dem Antragsgegner bestehenden Unterhaltsanspruchs sichergestellt hat. Dabei wird davon ausgegangen, dass in Höhe des hier ohnehin nur geltend gemachten Mindestbedarfs des Kindes bereits eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass die Antragstellerin als bisherige Obhutsinhaberin diese Mittel aufgebracht hat. Auf die Frage, ob (zumindest auch) ihr Lebensgefährte zum Unterhalt beigetragen hat, kommt es nicht an, da er damit jedenfalls nicht die Unterhaltspflicht des Antragsgegners gegenüber T. erfüllt hat.
Auch die weiteren Einwendungen des Antragsgegners bleiben im Ergebnis ohne Erfolg. Seine Auffassung, der familienrechtliche Ausgleichsanspruch der Antragstellerin sei gegenüber dem Unterhaltsanspruch des im Dezember 2014 geborenen Kindes nachrangig, wird nicht geteilt, da § 1609 BGB konkurrierende Unterhaltsansprüche betrifft. Sofern die Regelung entsprechend anwendbar sein sollte, gilt die Rangfolge des § BGB § 1609 Nr. 1 BGB auch für den hier im Wege des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs geltend gemachten Erstattungsanspruch. Bei den mit Hilfe des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs geforderten Ersatzbeträgen handelt es sich wirtschaftlich gesehen um rückständige Unterhaltsleistungen, nämlich um Geldleistungen, die demjenigen zu erbringen sind, der die Unterhaltslast zunächst auf sich genommen hat (BGH, FamRZ 1984, 775; Scholz in Wendl/Dose, a.a.O., § 2 Rdnr. 768). Ebenso wie in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass durch den gesetzlichen Übergang von Unterhaltsansprüchen, z.B. auf den Träger der Sozialhilfe, deren Natur, Inhalt und Umfang nicht verändert wird (vgl. z.B. BGH, FamRZ 2001, 1698), hat dies entsprechend zumindest im Hinblick auf die Rangfolge des § 1609 BGB zu gelten, wenn es wie im vorliegenden Fall um Minderjährigenunterhalt geht, der vom betreuenden Elternteil für den an sich barunterhaltspflichtigen Elternteil zusätzlich aufgebracht wurde. Denn nur dadurch lässt sich die wirtschaftliche Gleichwertigkeit zwischen Unterhaltsanspruch und familienrechtlichem Ersatzanspruch erreichen. […]
(3) Da es sich bei dem familienrechtlichen Ausgleichsanspruch wirtschaftlich um rückständigen Unterhalt handelt, besteht der Anspruch nur in den Grenzen des § 1613 BGB (vgl. Klinkhammer in Wendl/Dose, a.a.O., § 2, Rdnr. 783). Insofern ist anerkannt, dass es für die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB genügt, wenn das Kind, gesetzlich vertreten durch den ausgleichsberechtigten Elternteil, den Verpflichteten auf Unterhalt in Anspruch genommen und ihn dadurch von seiner Zahlungsverpflichtung unterrichtet hat (BGH, FamRZ 1989, 850, 852). Dies ist vorliegend aufgrund des Schreibens vom 13. Januar 2012 der Fall. […]