STREIT 3/2025
S. 140-141
Feminismus als Ritter:in in glänzender Rüstung? Bericht von der 5. Feministischen Sommerakademie 2025
Bereits zum fünften Mal in Folge fand vom 13. bis 15. Juni 2025 die Sommerakademie für Feministische Rechtswissenschaft statt, in diesem Jahr in Hamburg. Unter der Schirmherrschaft von Dr. Dorothy Makaza-Goede und organisiert durch ein engagiertes Orgateam aus jungen Jurist:innen sowie der unterstützenden Struktur des Vereins „Sommerakademie Feministische Rechtswissenschaft e.V.“ widmete sich die Akademie einer kritischen Auseinandersetzung mit den Krisen unserer Zeit.
Das Motto „Reimagining Feminist Legal Futures in a Changing World“ eröffnete einen Raum, in dem bestehende Machtverhältnisse nicht nur analysiert, sondern auch neu gedacht und intersektional-feministische Zukunftsvisionen entwickelt wurden. Ausgangspunkt war eine Welt im Ausnahmezustand: Klimaerwärmung, autoritäre Verschiebungen, wachsende Repression gegenüber FLINTA*, globale Aufrüstung, militarisierte Grenzen. Zurzeit sind wir mit einer Polykrise konfrontiert: dem gleichzeitigen Auftreten und der gegenseitigen Verstärkung multipler, miteinander verflochtener Krisen, die bestehende gesellschaftliche und politische Ordnungen destabilisieren. In dieser krisenhaften Verdichtung stellt sich die Frage: Was kann Recht noch leisten? Und was muss sich an seinen Grundlagen ändern, wenn es nicht nur reagieren, sondern transformativ und proaktiv agieren soll?
Eröffnet wurde die Akademie am Freitag von Dr. Dorothy Makaza-Goede mit einer Reflektion zum Thema: „Artificial Intelligence and Legal Feminist Futures; Are we too late to the party?“ In ihrem Beitrag analysierte sie, wie KI-Technologien patriarchale Machtverhältnisse verfestigen, zugleich aber auch das Potenzial bergen, diese aufzubrechen. Sie zeigte konkrete Strategien auf, mit denen „algorithmische Gerechtigkeit“ möglich wird, und ermutigte die Teilnehmenden, sich kritisch mit dem Thema auseinanderzusetzen. Sie betonte die Notwendigkeit, Fragen zu stellen, als Methode feministischer Erkenntnisgewinnung, die die Kolonialität von Wissen und Wissensproduktion radikal infrage stellt. Mit einem Augenzwinkern bezeichnete Makaza-Goede die Sommerakademie als „Ritter in glänzender Rüstung“ und wies sogleich auf die problematische Konnotation dieser Metapher hin. Dennoch zeige sie sinnbildlich, dass die Akademie eine Leerstelle füllt, die die traditionelle Rechtswissenschaft bislang offenlässt.
Auch die abendliche Lesung von Minna Salami aus ihrem Buch „Can Feminism Be African? – A Most Paradoxical Question“ griff die Thematik der Akademie auf und vertiefte sie aus afrofeministischer Perspektive. In der Lesung des Kapitels „Superiorism“ analysiert Salami, wie eurozentristische Denkweisen, die auf Überlegenheit und Ausgrenzung basieren, zur Rechtfertigung von Machtausübung, Kontrolle und Gewalt genutzt werden. Doch dieses Überlegenheitsgefühl oder Superiorism ist nicht nur Vergangenheit. Es prägt bis heute, wie globale Machtverhältnisse funktionieren, und trägt maßgeblich zur Fortsetzung kolonialer Gewaltverhältnisse in heutigen politischen, ökologischen und sozialen Krisen bei.
Am Samstag und Sonntag vertieften die Teilnehmenden die Diskussionen in thematisch unterschiedlichen Tracks. Den Track 1: „Feministische und dekoloniale Perspektiven auf Militarismus und Sicherheit“ eröffnete Lina Abraham mit einem Vortrag zum Thema „Sexuelle Gewalt als Praxis: Mehr als nur eine strategische Waffe im Konflikt“. Sie analysierte sexuelle Gewalt nicht allein als Kriegsinstrument, sondern als Folge patriarchaler Männlichkeitskonstruktionen. Anschließend sprach Hoda Bourenane über „Männlichkeitsvorstellungen und Sicherheit“ und diskutierte mit den Teilnehmenden, wer Sicherheit eigentlich definiert, warum sie oft nur im Kontext internationaler Konflikte gedacht wird und wie feministische Außenpolitik kritisch hinterfragt werden kann. Den Abschluss bildete Annika Knauer mit ihrem Beitrag „Enforcing Women’s Rights – How International Courts and Tribunals (don’t) Respond to Crises“, in dem sie die Rolle internationaler Gerichte im Umgang mit geschlechtsspezifischen Menschenrechtsverletzungen beleuchtete. Im Fokus stand die Frage, inwieweit feministische Perspektiven Eingang in internationale Rechtsprechung finden und wo sie an institutionelle Grenzen stoßen.
In Track 2 widmeten sich die Vorträge dem Thema „Strafjustiz neu denken: Feministische Antworten auf Gewalt“. Den Auftakt machte Jennifer Graf mit ihrem Vortrag „Ein feministisches Strafrecht – Reformpotenzial der Widerspruchslösung“. Sie ging der Frage nach, ob das historisch gewachsene Sexualstrafrecht geschlechtsspezifische Stereotype reproduziert und inwiefern die gesetzgeberische Reform hin zum „Nein heißt Nein“ erfolgreich war. Anschließend stellte Cristina Valega Chipoco in ihrem Beitrag „Transformative Justice – Feminist Legal Reflections on Restorative Approaches to Sexual Violence“ das Konzept der transformativen Gerechtigkeit vor. Sie diskutierte mit den Teilnehmenden, inwieweit restorative Ansätze eine alternative Möglichkeit im Umgang mit sexualisierter Gewalt bieten können und inwieweit diese besser auf die Bedürfnisse der Betroffenen eingehen. Den Abschluss bildete Clara Wellhäußer mit ihrem Vortrag „Geschlechtliche Selbstbestimmung im Strafvollzug – Bruch mit der Geschlechterbinarität“. Sie problematisierte die gesetzlich verankerte binäre Trennung im Strafvollzug und plädierte für eine verfassungsrechtliche Überprüfung dieser Praxis aus einer Perspektive geschlechtlicher Selbstbestimmung.
Im dritten Track „Feministische Perspektiven auf Klimagerechtigkeit“ setzten sich die Referentinnen und Teilnehmenden mit unterschiedlichen Zugängen zu Klima und Umwelt aus feministischer Sicht auseinander. Verena Kahl eröffnete mit „Climate Change and the Voices Unheard“ und zeigte auf, wie binäre Narrative zur Klimakrise vulnerable Gruppen ausschließen können. Sie plädierte für ein ecofeministisches Verständnis von Klimagerechtigkeit, das auch nicht-menschliches Leben und marginalisierte Perspektiven einbezieht. In „Ecofeminism Framework on Climate Justice and Activism“ thematisierte Adenike Oladosu die Auswirkungen von Umweltveränderungen wie Wasserknappheit und mangelndem Zugang zu Landbesitz auf die Lebensrealität von Frauen in afrikanischen Kontexten und machte deutlich, wie sich ökologische und soziale Ungleichheiten gegenseitig verstärken. Den Abschluss bildete Ida Westphal mit „Feministische Rechtswissenschaft für den Umwelt- und Klimaschutz“, in dem sie theoretische Grundlagen des Ökofeminismus sowie das Konzept gesellschaftlicher Naturverhältnisse vorstellte und deren Bedeutung für eine feministische Umweltrechtsprechung diskutierte.
Auch abseits der Vorträge bot das Rahmenprogramm vielfältige Möglichkeiten zum Austausch und zur Vernetzung. Neben der Lesung von Minna Salami konnten die Teilnehmenden am Samstagmittag an Thementischen verschiedene feministische Initiativen und Vereine kennenlernen. Beim gemeinsamen Perlenbasteln und einem inhaltlichen Speeddating gab es Raum für kreative Begegnung und Gespräche. Eine dekoloniale Campusführung machte koloniale Kontinuitäten in der Geschichte der Universität Hamburg sichtbar, während die Ausstellung „Was ihr nicht seht“ dazu einlud, sich kritisch mit rassistischen Aussagen auseinanderzusetzen.
Die Sommerakademie 2025 hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig Räume sind, in denen feministische, dekoloniale und kritische juristische Perspektiven gemeinsam gedacht, geteilt und weiterentwickelt werden können. Die Beiträge, Gespräche und Begegnungen haben Impulse zum Weiterdenken, zum Vernetzen und zum gemeinsamen politischen Handeln gesetzt. Wir danken allen, die die Akademie mitgestaltet haben, und freuen uns, dass die Impulse der Akademie weiterwirken, in Gedanken, kritischen Diskursen und in der juristischen Praxis.