STREIT 4/2024

S. 175-178

LAG Niedersachsen, § 22 BBiG, §§ 3, 7 AGG

Fristlose Kündigung eines Auszubildenden wegen sexueller Belästigung außerhalb der Arbeitszeit

1. Der Arbeitnehmer ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Ein außerdienstliches Verhalten beeinträchtigt die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat. Das ist der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat.

2. Die einmalige sexuelle Belästigung einer Auszubildenden durch einen Auszubildenden aus dem gleichen Betrieb außerhalb der Arbeitszeit kann einen wichtigen Grund zur Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG darstellen.(Amtlicher Leitsatz)
Urteil des LAG Niedersachsen vom 28.02.2024 – 2 Sa 375/23 Die Nichtzulassungsbeschwerde ist anhängig, BAG – 6 AZN 293/24

Aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten um den Bestand ihres Ausbildungsverhältnisses. […]

Der […] Kläger war seit dem 1. September 2020 als Auszubildender […] in dem Betrieb der Beklagten […] beschäftigt. […] Der Kläger nahm im Rahmen von Bildungsurlaub […] an einem sogenannten Jugend-1-Seminar […] teil. Die einzige weibliche Teilnehmerin an diesem Seminar war die Zeugin K. Die Zeugin K. war wie weitere Teilnehmer des Seminars ebenfalls Auszubildende der Beklagten in deren Werk […]. Der Kläger und die Zeugin K. kannten sich vor dem Seminar nicht. […] Das weitere Geschehen ist zwischen den Parteien streitig. Mit Schreiben vom 5. September 2022, dem Kläger am selben Tag zugegangen, erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger die fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses. […] Mit Urteil vom 18. April 2023 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Das Ausbildungsverhältnis des Klägers habe aufgrund der fristlosen Kündigung vom 5. September 2022 sein Ende gefunden. Die Kündigung sei formwirksam, es liege ein wichtiger Grund im Sinne des § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG vor.

Das Kündigungsschreiben vom 5. September 2022 genüge den Anforderungen des § 22 Abs. 3 BBiG. Es benenne konkret das dem Kläger vorgeworfene Verhalten gegenüber der Zeugin K. am 3. und 4. Juli 2022. Die Beweisaufnahme habe die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe in der Nacht am 4. Juli 2022 seinen Arm um die Zeugin K. gelegt und dabei ihre Brust berührt sowie eine Kussbewegung in ihre Richtung gemacht, bestätigt. […]

Aus den Gründen:

[…] Die Berufung ist unbegründet. […] 2. Das Verhalten des Klägers gegenüber der Zeugin K. am 4. Juli 2022 ist ein wichtiger Grund im Sinne des § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG.

a.) Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG kann das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit vom Ausbilder nur aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden. Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund deren dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Berufsausbildungsverhältnisses bis zum Ablauf der Ausbildungszeit nicht zugemutet werden kann. Das Verständnis des wichtigen Grundes im Sinne von § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG entspricht dem wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB. Es ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände an sich und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar war oder nicht (BAG, 31. Juli 2018 – 2 AZR 505/13 – Rn. 39; BAG, 8. Mai 2014 – 2 AZR 249/13 – Rn. 16; BAG, 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 15). […]

b.) Das Verhalten in Form der sexuellen Belästigung der Zeugin K. durch den Kläger ist „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB, § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG zu bilden.

aa.) Eine sexuelle Belästigung im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG ist gemäß § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten, die „an sich“ als wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist. Sie liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen. Schutzgut der §§ 7 Abs. 3, 3 Abs. 4 AGG ist die sexuelle Selbstbestimmung als Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes nach Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung wird als das Recht verstanden, selbst darüber zu entscheiden, unter den gegebenen Umständen von einem oder mehreren Anderen in ein sexualbezogenes Geschehen involviert zu werden. Das schließt es ein, selbst über einen Eingriff in die Intimsphäre durch körperlichen Kontakt zu bestimmen. Bei Handlungen, deren Sexualbezogenheit aus sich heraus nicht zwingend ist, wie beispielsweise Umarmungen, kann sich eine Sexualbezogenheit aufgrund der mit ihnen verfolgten sexuellen Absicht ergeben. Eine solche kann auch darin bestehen, den Betroffenen unter Verletzung seines Rechts auf Selbstbestimmung sexualbezogen zu beschämen. Geht es dagegen um ein Verhalten, dass das Geschlechtliche im Menschen unmittelbar zum Gegenstand hat, genügt für das „Bewirken“ im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG der bloße Eintritt der Belästigung. Gegenteilige Absichten oder Vorstellungen der für dieses Ergebnis aufgrund ihres Verhaltens objektiv verantwortlichen Person spielen keine Rolle. Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit verlangt – anders als noch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BSchG – nicht, dass der Betroffene seine ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlich hat. Maßgeblich ist, ob allein die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war (BAG, 20. Mai 2021 – 2 AZR 596/20 – Rn. 24). Die Beklagte hat ein eigenes schutzwürdiges Interesse daran, dass ihre Arbeitnehmer, Praktikanten und Auszubildenden respektvoll miteinander umgehen und gedeihlich zusammenarbeiten. Sie ist als Arbeitgeberin/Ausbilderin nach § 12 Abs. 1 und 3AGG darüber hinaus gesetzlich verpflichtet, ihre Beschäftigten vor sexuellen Belästigungen zu schützen (vgl. BAG, 20. Mai 2021 – 2 AZR 596/20 – Rn. 23).

bb.) Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen K. und H. und dem Inhalt der gesamten mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung der Kammer fest (§ 286 ZPO), dass der Kläger am späten Abend des 4. Juli 2022 von hinten kommend seinen Arm um die Zeugin K. gelegt und dabei auf ihre Brust geschlagen hat, woraufhin die Zeugin K. gegenüber dem Kläger geäußert hat: „Fass mich nicht an!“ und weggelaufen ist. Während sie aus dem Schwimmbad herausgelaufen ist, hat der Kläger ihr hinterhergerufen: „Stell dich nicht so an!“. Durch diese sexuelle Belästigung hat der Kläger seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten gemäß § 241 Abs. 2 BGB erheblich verletzt. […]

cc.) Das Verhalten des Klägers am 4. Juli 2022 gegenüber der Zeugin K. stellt eine sexuelle Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 4 AGG dar. Der Kläger hat […] gegenüber der Zeugin K. zum Ausdruck gebracht, dass er selbst und nicht sie über einen Eingriff in ihre Intimsphäre durch körperlichen Kontakt bestimmen will. […]

dd.) Der Kläger hat seine Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, auf die berechtigten Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen, durch die genannte sexuelle Belästigung der Zeugin K. im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG verletzt. Dem steht nicht entgegen, dass die sexuelle Belästigung der Zeugin K. während des Jugend-1-Seminars […] stattgefunden hat.

(1.) Der Arbeitnehmer ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Die Pflicht zur Rücksichtnahme kann deshalb auch durch außerdienstliches Verhalten verletzt werden. Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat. Das ist der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat. Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine Pflichtverletzung regelmäßig aus (BAG, 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09 – Rn. 31).

(2.) Die vom Kläger begangene sexuelle Belästigung hat einen solchen Bezug zum Arbeitsverhältnis. Dieser Bezug besteht bereits darin, dass der Kläger seine Kollegin, die Zeugin K., belästigt hat. Die von dem Kläger begangene sexuelle Belästigung hatte zudem negative Auswirkungen auf das betriebliche Miteinander. Die Zeugin K. hat gegenüber der Werkssicherheit […] angegeben, dass sie weder mit dem Kläger reden wolle noch mit ihm alleine sein wolle. Sie habe Angst vor ihm. Die sexuelle Belästigung stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar. Dies ergibt sich zudem auch aus der auf das Ausbildungsverhältnis anwendbaren Gesamtbetriebsvereinbarung Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz. Zudem stellt eine sexuelle Belästigung anderer Beschäftigter oder anderer Auszubildender regelmäßig eine Störung des Betriebsfriedens dar, die nach der Gesamtbetriebsvereinbarung Arbeitsordnung eine fristlose Kündigung nach sich ziehen kann.

c.) Die außerordentliche Kündigung verstößt nichtgegen das Ultima-Ratio-Prinzip. […]

bb.) Aufgrund des im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes allgemein geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des für verhaltensbedingte Kündigungen geltenden Prognoseprinzips ist vor jeder Kündigung, die wegen eines steuerbaren Fehlverhaltens des Auszubildenden ausgesprochen wird, grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich. Die gilt jedenfalls dann, wenn damit gerechnet werden kann, dass eine Abmahnung zu einem vertragsgemäßen Verhalten in der Zukunft führen wird und eine Wiederherstellung des Vertrauens zwischen Arbeitgeber und Auszubildendem erwartet werden kann. Eine Abmahnung ist dann entbehrlich, wenn es um schwerwiegende Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme oder Duldung dieses Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. In einem solchen Fall kann durch eine Abmahnung als milderes Mittel die Wiederherstellung des für ein Arbeitsverhältnis notwendigen Vertrauens nicht erwartet werden (vgl. BAG, 23. Juni 2009 – 2 AZR 103/08 – Rn. 33; BAG, 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 37; BAG, 1. Juli 1999 – 2 AZR 676/98 – Rn. 27 ff.).

cc.) Gemessen an diesen Voraussetzungen war eine vorherige Abmahnung des Klägers wegen der Schwere der Pflichtverletzung entbehrlich. Ihm musste bewusst sein, dass es sich bei seinem Verhalten um eine sehr schwere Vertragspflichtverletzung handelte, die seitens der Beklagten nicht geduldet wird. Der Kläger durfte auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Berufsausbildungsverhältnisses nicht mit berechtigten Gründen davon ausgehen, dass die Beklagte sein Verhalten gegenüber der Zeugin K. auch nur im Einzelfall duldet. […] Das Verhalten des Klägers und seine Äußerung, die Zeugin K. „solle sich nicht so anstellen“, lässt deutlich erkennen, dass er nicht gewillt ist, seinen Pflichten als Auszubildender nachzukommen, sondern im Einzelfall von weiblichen Auszubildenden erwartet, dass sie seinen sexuellen Zudringlichkeiten nachgeben oder sie zumindest dulden. Das Verhalten des Klägers ist als sexuell motiviert anzusehen und auch von der Zeugin K. so wahrgenommen worden. Unter Berücksichtigung aller Umstände wiegt das Verhalten des Klägers so schwer, dass eine Abmahnung entbehrlich war. Als milderes Mittel gegenüber der außerordentlichen Kündigung kommt eine Versetzung in einen anderen Betrieb der Beklagten nicht in Betracht. Dem steht die Schwere des Fehlverhaltens des Klägers entgegen. Ferner wäre der Kläger auch in einem anderen Werk der Beklagten in einem anderen Ausbildungsjahrgang mit anderen (weiblichen) Auszubildenden zusammen.

d.) Die abschließende Abwägung der beiderseitigen Interessen führt zu dem Ergebnis, dass vorliegend das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses das Interesse des Klägers an einer Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses überwiegt.

aa.) Bei dieser Gesamtwürdigung ist das Interesse des Ausbilders an einer sofortigen Beendigung des Ausbildungsvertrages gegen das Interesse des Auszubildenden an dessen Fortbestand abzuwägen. […] Eine außerordentliche Kündigung kurz vor Abschluss der Ausbildung ist nahezu kaum möglich.

bb.) Bei der gebotenen Anwendung vorstehender Grundsätze erweist sich die außerordentliche Kündigung der Beklagten als verhältnismäßig. Auf Seiten des Klägers ist sein Interesse zu berücksichtigen, seine Ausbildung bei der Beklagten zu Ende zu bringen sowie der Umstand, dass er nicht erst am Anfang seiner Ausbildung bei der Beklagten stand. Andererseits befand er sich aber auch nicht kurz vor Abschluss der Ausbildung, sondern (erst) zu Beginn des 3. Lehrjahres. Er hatte sonach erst etwas mehr als die Hälfte seiner Ausbildungszeit bei der Beklagten zurückgelegt. Die insoweit für den Kläger ins Feld zu führen den Gesichtspunkte müssen jedoch hinter den Interessen der Beklagten zurücktreten. Der vorliegende Kündigungssachverhalt belastet den Kläger so stark, dass aus der Sicht eines verständigen Arbeitgebers angesichts der Schwere des Fehlverhaltens nur die Möglichkeit bestand, sich mit sofortiger Wirkung zu trennen. Konkret ergibt sich die Schwere der begangenen Pflichtverletzung aus dem sexualisierten körperlichen Übergriff gegenüber der Zeugin K.

[…] Die Beklagte ist nach § 12 AGG in einem umfassenden Sinne dazu verpflichtet, die bei ihr Beschäftigten (vgl. § 6 Abs. 1 AGG) vor Benachteiligungen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zu schützen. Dazu gehört insbesondere ein effektiver Schutz vor sexuellen Belästigungen im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen der Beklagten im Rahmen der Auswahl der geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen, zu denen auch die Kündigung gehört, insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Nach § 12 Abs. 3 AGG hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG gehören, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Welche Maßnahmen der Arbeitgeber als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen, u. a. von ihrem Umfang und ihrer Intensität ab (BAG, 20. November 2014 – 2 AZR 651/13 – Rn. 15; BAG, 9. Juni 2011 – 2 AZR 223/10 – Rn. 16). Geeignet im Sinne der Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, d. h. eine Wiederholung ausschließen (BAG, 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 29).

Soweit die Beklagte diesen gesetzlichen Anforderungen nicht genügt, besteht für sie das Risiko, mit Schadensersatzansprüchen diskriminierter Beschäftigter konfrontiert zu werden. Für den erforderlichen Schutz hat die Beklagte u. a. mit dem bei ihr geltenden „Code of Conduct“, mit der Betriebsvereinbarung „Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz“ und auch durch das installierte Hinweisgebersystem die strukturellen Voraussetzungen geschaffen. Die Be-klagte hat insofern ein legitimes generalpräventives Interesse daran, dass für die Belegschaft sichtbar wird, dass Verstöße gegen die entsprechenden Vorschriften zum Schutz der Persönlichkeit und der sexuellen Integrität konsequent und effizient geahndet werden. Die Zeugin K. hat bekundet, sie sei zur Jugendvertretung gegangen, weil sie der Auffassung sei, das Verhalten des Klägers gehöre sich nicht. Es seien nicht viele Frauen bei der Beklagten und deshalb müsse man sich das Verhalten des Klägers nicht gefallen lassen. […]