STREIT 1/2025

S. 9-14

Genderaspekte in der Regulierung von Lieferketten

I. Einleitung 

Im Zuge der Globalisierung kam es bekanntermaßen zu verstärktem Outsourcing der Produktion, entlang der von transnationalen Unternehmen koordinierten globalen Wertschöpfungsketten sind Millionen Jobs im globalen Süden entstanden,1 an denen Frauen einen deutlichen Anteil haben.2 Insgesamt sind die Arbeitsbedingungen jedoch oftmals problematisch und viele der entstandenen Beschäftigungsverhältnisse niedrig entlohnt. Aufgrund der starken Konkurrenz versuchen transnationale Unternehmen niedrigere Preise durchzusetzen, was z.T. zu einem enormen Druck auf Zulieferer führt,3 die ihre Produktionskosten in erster Linie beim Faktor Arbeit reduzieren können.4 Die Gewinnmargen der Unternehmen sind infolge des Outsourcings deutlich gestiegen, während die Arbeitsbedingungen in den Ländern des globalen Südens überwiegend katastrophal sind. Diese negativen Auswirkungen der Globalisierung führten zu einer Debatte über die Verantwortlichkeit transnationaler Unternehmen. Auf UN-Ebene wurden daher 2011 mit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte inhaltliche Anforderungen an ein verantwortliches unternehmensseitiges Management von Lieferketten geschaffen. Basierend auf den UN-Leitprinzipien legte Deutschland 2016 einen Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte fest, der jedoch keine verbindlichen Pflichten für Unternehmen enthielt und kaum eingehalten wurde,5 was zur Schaffung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes führte – dieses trat zum 1.1.2023 in Kraft.6 Ähnliche Gesetze, teilweise zu Einzelaspekten unternehmerischer Sorgfaltspflichten, existieren in zahlreichen Ländern7 und nach einem turbulenten Gesetzgebungsverfahren mit kontroversen Debatten wurde am 24.04.2024 die EU-Sorgfaltspflichten-RL 2024/1760/EU8 (CSDDD) verabschiedet, sie ist bis zum 26.7.2026 in nationales Recht umzusetzen.9 Sowohl das deutsche Gesetz als auch die Sorgfaltspflichten-RL bewirken einige positive Aspekte für Frauen, spezielle Genderaspekte wurden jedoch in beiden Rechtsakten nicht berücksichtigt. 

II. Genderaspekte in globalen Wertschöpfungsketten10

Der Gesetzgeber verwendet den Begriff der „Lieferkette“, in den Sozialwissenschaften hat sich die Terminologie mittlerweile zu globalen „Wertschöpfungsketten“ (Global Value Chains) weiterentwickelt, da damit das zentrale Ziel globaler Aktivitäten transnationaler Konzerne, Profit zu generieren, besser abgebildet wird.11 Zugleich erleichtert die Wortwahl die Anwendung auf den Dienstleistungssektor, der ebenfalls sowohl vom Anwendungsbereich des LkSG, als auch dem der CSDDD erfasst ist. Trotz eines umfassenden Ansatzes der Forschung wurde die Bedeutung der Geschlechterverhältnisse und anderer Dimensionen sozialer Ungleichheit in dem „Global Commodity Chains“-Ansatz12 aus den 1990er Jahren und den meisten folgenden Arbeiten zur Wertschöpfungskette lange nicht berücksichtigt.13 Mittlerweile finden jedoch auch soziale Dimensionen der Governance entlang der Wertschöpfungskette stärkere Beachtung.14 Dieses ist wichtig, da Frauen verstärkt und in anderer Weise als Männer von Ausbeutung entlang der Lieferkette betroffen sind, sie sind strukturell benachteiligt und arbeiten häufig in Sektoren, die besonders von Prekarität gekennzeichnet sind,15 mithin in unsicheren und schlechter bezahlten Bereichen.16 Hierzu zählt nicht nur die informalisierte Ökonomie, sondern auch der niedrig bezahlte Dienstleistungsbereich, während Männer häufiger direkt in den exportierenden Unternehmen arbeiten, in denen die Bezahlung höher und die Arbeitsbedingungen besser sind.17 Zwar sind Frauen in einigen Sektoren auch direkt in der Fertigung für den globalen Markt vorzufinden, bspw. stellen sie im Textil- und Bekleidungssektor sowie der Lebensmittelindustrie vieler Länder sogar die Mehrheit der Beschäftigten.18 Hierbei handelt es sich jedoch eher um niedriger entlohnte Sektoren.19 Hinzu kommt, dass höhere Positionen wie Vorarbeiter*innen etc. immer noch überwiegend von Männern besetzt sind. Insoweit ist eine geschlechtshierarchische Arbeitsteilung in fast allen Bereichen der globalen Produktion festzustellen.20 Dieses hat zur Folge, dass Gender Wage-Gaps sehr stark ausgeprägt sein können.21 Darüber hinaus sind Frauen aufgrund der immer noch bestehenden „Zuständigkeit“ für die Reproduktion einer doppelten Belastung ausgesetzt, da sie neben den oftmals belastenden Tätigkeiten zuhause zusätzlich noch für die „Care-Arbeit“ zuständig sind.22 Hinzu kommt oftmals Diskriminierung, nicht zuletzt durch sexuelle Belästigung oder Gewalt gegen Frauen („gender-based violence“).23 Nach Angaben der internationalen Gewerkschaftsföderation ITUC haben 35 % aller über 15-jährigen Frauen weltweit, mithin 818 Millionen Frauen, sexualisierte bzw. körperliche Gewalt erfahren, entweder zuhause, in ihren Communities oder am Arbeitsplatz.24

In vielen Sektoren wie bspw. der Textil- und Bekleidungs- sowie der Agrar- und Lebensmittelindustrie wurden Frauen als billige Arbeitskräfte angeworben, oftmals in Ländern, in denen ihre Erwerbsbeteiligung (im formellen Sektor) zuvor äußerst begrenzt war.25 Die oftmals sehr jungen Frauen haben es nicht gelernt, bessere Arbeitsbedingungen auszuhandeln, legen daher weniger häufig Beschwerden ein und sind seltener in Gewerkschaften organisiert.26 Vielen Gewerkschaften fällt es zudem schwer, Zugang zu den jungen Arbeiterinnen zu finden, von den allgemeinen Problemen, als Gewerkschaftsorganisation in einem gewerkschaftsfeindlichen Umfeld zu bestehen, ganz abgesehen. So haben verschiedene Faktoren weltweit zu einem Absinken von Tarifverträgen geführt, nicht zuletzt das Subcontracting und informalisierte Beschäftigung.27 Dieser gesamte Hintergrund muss bei der Ausübung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten berücksichtigt werden, da durch das genannte Bündel an Faktoren das Risiko der Diskriminierung von Frauen in globalen Wertschöpfungsketten sehr hoch ist. Die UN-Organisation UNDP28 fordert Unternehmen daher dazu auf, die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Produktion zu fördern und aktiv Maßnahmen gegen die Diskriminierung von Frauen zu ergreifen.29

III. Genderaspekte in den Instrumenten der Sorgfaltspflicht 

Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte betonen an verschiedenen Stellen, dass bei der Ausübung der unternehmerischen Verantwortung die besondere Vulnerabilität von Frauen zu berücksichtigen ist.30 Auch die europäische Sorgfaltspflichten-RL 2024/1760/EU empfiehlt bei den Sorgfaltspflichten einen geschlechtergerechten Ansatz, wobei sich diese Empfehlung lediglich in Erwägungsgrund 33 findet und keinen Eingang in den RL-Text selbst gefunden hat.31 Auch der deutsche Gesetzgeber hat diese Maxime bei der Schaffung des LkSG nur bedingt berücksichtigt. Zwar wird auf „vulnerable Personengruppen“ hingewiesen,32 die dem Risiko einer erhöhten Rechtsverletzung ausgesetzt sind. Speziell in Bezug auf Frauen wird jedoch lediglich das Diskriminierungsverbot aus ILO-Übereinkommen Nr. 11 als einzuhaltender Standard in der Gesetzesbegründung aufgeführt, als Beispiel für unzulässige Geschlechterdiskriminierung dient die Diskriminierung bei der Entlohnung.33 Weitere Ansätze der Berücksichtigung von Genderaspekten finden sich in dem Gesetz nicht. Vorliegend wird aufgezeigt, inwieweit Genderaspekte dennoch bei der Ausübung der Sorgfaltspflichten Berücksichtigung finden könnten. 

1. Risikoanalyse sowie Präventions- und Abhilfemaßnahmen 

Das LkSG sieht vor, dass eine Risikoanalyse durchzuführen ist, mit der Risiken von Rechtsverletzungen identifiziert werden sollen. Den ersten Schritt stellt die Risikoermittlung dar, einzubeziehen sind sowohl Risiken in Deutschland, als auch Risiken in anderen Mitgliedstaaten der EU oder in Ländern des globalen Südens.34 Hierbei sind ausweislich der Gesetzesbegründung „kontextabhängige Faktoren in die Analyse einzubeziehen“, wie die politischen Rahmenbedingungen oder vulnerable Personengruppen“,35 die dem Risiko einer erhöhten Rechtsverletzung ausgesetzt sind, bspw. Frauen oder Angehörige ethnischer Minderheiten. So können sich für einzelne Länder Risiken ergeben, die aus dem Regierungs-oder Justizsystem resultieren, bspw. dass Frauen der Zugang zu bestimmten Berufen in islamischen Ländern nicht gestattet ist. Leisten Frauen Überstunden bis spät in die Nacht, so besteht oftmals das Risiko, dass sie auf dem Heimweg überfallen oder Opfer von sexueller Gewalt werden. 

Im Anschluss an die Risikoanalyse sind die ermittelten Risiken zu gewichten und zu priorisieren.36 Um Unternehmen wirklich dazu zu bringen, das Risiko der Diskriminierung von Frauen ernsthaft zu ermitteln, wäre es hilfreich gewesen, einen genderbasierten Ansatz im Gesetz vorzuschreiben. Dieses gilt umso mehr, als bspw. sexuelle Belästigung schwer zu identifizieren ist und selbst bei einer Betriebsinspektion vor Ort nicht mitgeteilt werden wird, schon gar nicht, wenn die Supervisoren bei einer möglichen Befragung anwesend sind. Befragungen der Beschäftigten müssen daher außerhalb der Betriebsstätte stattfinden und lokale Gewerkschaften und/oder Frauenrechts-NGOs eingebunden sein. 

Auf Basis der Analyse werden dann die Präventions- und Abhilfemaßnahmen festgelegt.37 Bei einer Gefährdung aufgrund von Überstunden bis in die Nacht wäre eine mögliche Präventionsmaßnahme, den Frauen einen Heimtransfer anzubieten. Bei identifizierter sexueller Belästigung wäre der Belästiger abzumahnen, zu versetzen oder zu kündigen; um weiteren Fällen vorzubeugen bieten sich einerseits Schulungen der Führungskräfte an, aber auch Selbstverteidigungs-/Selbstbehauptungskurse für weibliche Beschäftigte oder unterstützende Maßnahmen für Betroffene. 

Die regelmäßige Risikoanalyse in Bezug auf die Lieferkette ist gem. § 5 Abs. 1 S. 1 LkSG nur für den eigenen Geschäftsbereich und für direkte Zulieferer durchzuführen. Bei wesentlichen Änderungen der Risikolage ist gem. § 5 Abs. 4 S. 1 LkSG eine anlassbezogene Risikoanalyse durchzuführen. Eine solche wesentliche Änderung liegt vor, wenn das Unternehmen mit einer veränderten oder erweiterten Risikolage in der Lieferkette rechnen muss, was vor Aufnahme einer neuen Geschäftsbeziehung oder einer neuen Geschäftstätigkeit, etwa durch Eintritt in einen neuen Markt oder durch Einführung eines neuen Produktes der Fall sein kann.38 Ein Anlass ist auch gegeben, wenn bei dem nach § 8 LkSG zu errichtenden Beschwerdeverfahren entsprechende Informationen eingehen, diese können sich auch auf die Situation bei Zulieferern beziehen. 

Die EU-RL 2024/1760 (CSDDD) bringt eine deutliche Änderung bei der Ausübung der Sorgfaltspflichten, da die CSDDD vorgibt, dass diese für direkte und indirekte Geschäftspartner gleichermaßen gelten (Art. 3 Abs. 1 lit. f) ii) CSDDD), eine abgestufte Verantwortlichkeit wie nach dem LkSG wird nicht zugrunde gelegt.39 Nach Umsetzung der CSDDD in deutsches Recht ist also die jährliche Risikoanalyse nicht nur für das eigene Unternehmen (bzw. den Konzern) und für direkte Zulieferer durchzuführen, sondern für die ganze Wertschöpfungskette. Das stellt eine Verbesserung für Frauen dar, da diese seltener in den großen Fabriken der direkten Zulieferer (Tier I) arbeiten, sondern häufiger in kleineren Unternehmen beschäftigt sind, die weiter hinten in der Wertschöpfungskette vorzufinden sind. 

2. Beschwerdemechanismus 

Gem. § 8 LkSG hatten Unternehmen mit mindestens 3.000 Arbeitnehmer*innen zum 1.1.2023 ein Beschwerdeverfahren einzuführen, seit dem 1.1.2024 gilt die Vorschrift auch für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten.40 Ein Beschwerdesystem hilft vor allem dabei, Missstände entlang der Wertschöpfungskette aufzudecken. Durch die Analyse der sich bei den Beschwerden abzeichnenden Trends und Muster können die Unternehmen auch systemische Probleme feststellen und ihre Praktiken entsprechend anpassen.41 § 8 Abs. 1 LkSG gibt vor, dass ein „angemessenes“ Beschwerdemanagementsystem aufzubauen ist, dieses muss folglich wirksam sein.42

Beschwerdebefugt sind gem. § 8 Abs. 1 S. 2 LkSG alle „Personen“, der Kreis der Beschwerdebefugten ist somit nicht auf Mitarbeiterinnen des Unternehmens/ Konzerns begrenzt.43 Auch externe Personen können eine Beschwerde einreichen, eine persönliche Betroffenheit ist nicht erforderlich,44 was durch Art. 14 Abs. 2 CSDDD zudem explizit formuliert wird.45 § 8 Abs. 4 S. 1 und 2 LkSG geben vor, dass das Verfahren „für potenzielle Beteiligte zugänglich“ sein hat; „klare und verständliche Informationen zur Erreichbarkeit und Zuständigkeit sowie zum Prozedere sind in geeigneter Weise (…) öffentlich zugänglich zu machen“. Da nicht nur Arbeitnehmerinnen in Deutschland angesprochen sind, ist es notwendig, dass auf der Website nicht lediglich auf Deutsch über das Beschwerdesystem informiert wird. Auch Informationen auf Englisch dürften trotz der Möglichkeit, Online-Übersetzungstools einzusetzen, den barrierefreien Zugang nicht gewährleisten. Bereits in Süd- oder Mittel- und Osteuropa sprechen Beschäftigte nicht in ausreichendem Maße Englisch. Insbesondere aber in den „Produktionsländern“ des globalen Südens verfügen die Beschäftigten nicht über ausreichend Fremdsprachenkenntnisse, Informationen über ein Beschwerdesystem auf der Website, die nur auf Englisch vorhanden sind, können nicht als „verständlich“ eingeordnet werden und erfüllen den Willen des Gesetzgebers daher nicht „in geeigneter Weise“. Auch ein Hinweis auf online verfügbare Übersetzungsprogramme kann dieses Manko nicht heilen, wenn der Hinweis auf Englisch erfolgt und somit nicht verstanden werden kann.46

Unternehmen müssen daher den Örtlichkeiten ihrer Wertschöpfungskette Rechnung tragen und die Informationen zum Beschwerdesystem in den jeweiligen Landessprachen zur Verfügung stellen.47 In Bezug auf Genderaspekte ist beim Beschwerdemechanismus zu berücksichtigen, dass Frauen oftmals weniger häufig organisiert sind und sich seltener trauen, ihre Rechte einzufordern oder sich zu beschweren (s. o.). Insoweit empfiehlt es sich, die Informationen über die Möglichkeit der Beschwerde nicht nur online zur Verfügung zu stellen, sondern neben Gewerkschaften auch lokale Frauenorganisationen darüber zu informieren. 

Die zu meldende Rechtsverletzung hat entweder im eigenen Geschäftsbereich oder bei einem unmittelbaren Zulieferer stattgefunden oder droht stattzufinden (§ 8 Abs. 1 S. 2 LkSG), das Beschwerdeverfahren muss gem. § 9 Abs. 1 LkSG jedoch so gestaltet sein, dass auch Verstöße oder Gefährdungen bei mittelbaren Zulieferern des Unternehmens gemeldet werden können48 (§ 9 Abs. 3 S. 2 Nr. 1-3 LkSG). 

Das Unternehmen hat (eine/n) Beschwerdebeauftragte zu benennen, die/der gem. § 8 Abs. 3 S. 1 LkSG „Gewähr für unparteiisches Handeln“ bietet und keinen unternehmensseitigen Weisungen unterliegt. Es muss der Beschwerdebeauftragten daher freistehen, wie sie das Verfahren führt.49 Problematisch ist, dass der Gesetzgeber im LkSG keinen Sonderkündigungsschutz für den/die Beschwerdebeauftragte normiert hat. Für Gremien oder Personen, an die ähnliche Anforderungen in Bezug auf Unabhängigkeit gestellt werden, wie bspw. Mitglieder des Betriebsrates findet sich im Gesetz ein Sonderkündigungsschutz (vgl. für Mitglieder des Betriebsrats sowie weiterer Gremien bspw. § 15 Abs. 1 KSchG i.V.m. § 103 BetrVG). Ein solcher Schutz müsste bei einer internen Lösung daher einzel- oder kollektivvertraglich gewährleistet werden.50

Gem. § 8 Abs. 2 LkSG ist eine Verfahrensordnung für das Beschwerdeverfahren schriftlich festzulegen, die öffentlich zugänglich sein muss, bspw. über die Website des Unternehmens.51 Bei der Schaffung dieser Verfahrensordnung ist der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 6 BetrVG zwingend zu beteiligen, wenn es den Beschäftigten nicht völlig freigestellt ist, ob sie lieferkettenrelevante Vorfälle über das Beschwerdesystem melden wollen.52

3. Verbesserungen durch die CSDDD: Klagerecht 

Die CSDDD geht an einigen Stellen über das LkSG hinaus, das bedeutsamste ist die Einführung eines subjektiven Klagerechtes durch die EU-RL. Während das LkSG in § 3 Abs. 3 explizit ausschließt, das Klagen auf Schadensersatz bei Rechtsverletzungen auf das LkSG gestützt werden können, gewährleistet die CSDDD in der aktuell bestehenden Fassung eine deliktische Außenhaftung (Art. 29 Abs. 1), die es Geschädigten von Menschenrechts- oder Umweltverletzungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ermöglicht, einen zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch auf die CSDDD zu stützen. Dieser greift, wenn Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der RL fallen, keine oder nicht ausreichende präventive Maßnahmen ergreifen (vgl. Art. 10 CSDDD) oder negative Auswirkungen nicht beheben (vgl. Art. 11 CSDDD).[Versäumnisse bei der Risikoanalyse (nach Art. 8 CSDDD) oder der Priorisierung (Art. 9 CSDDD) sollen demnach keine Schadensersatzpflicht begründen, wobei eine mangelhafte Risikoanalyse oder Priorisierung zu Fehlern bei der Prävention oder Schadensbehebung führen dürfte.] Allerdings ist die CSDDD mittlerweile stark unter Druck und soll „abgespeckt“ werden, es steht zu befürchten, dass gerade das Klagerecht wieder eingestampft werden könnte. 

Da Frauen, wie herausgearbeitet, häufiger unter prekären Arbeitsbedingungen tätig sind, werden sie häufiger Arbeitsrechtsverletzungen ausgesetzt sein, sodass ihnen die Klagemöglichkeit zugute kommen würde. Allerdings wehren Frauen sich weniger häufig, wie bereits herausgearbeitet, sodass offen bleibt, inwieweit sie von dem Klagerecht Gebrauch machen würden, so es denn bestehen bleibt. Aufgrund der hohen Kosten und der mit einer Klage verbundenen Belastungen, wäre ohnehin nur mit wenigen Verfahren zu rechnen, in denen NGOs oder Gewerkschaften den Betroffenen als Prozessstandschafter*innen unter die Arme greifen. 

IV. Fazit 

Zwar können genderspezifische Risiken bei entsprechend sensibler Risikoanalyse zutage gefördert werden, von Bedeutung ist jedoch vor allem, dass den Risiken auch wirklich mit passgenauen Präventions- und Abhilfemaßnahmen begegnet wird. Ist es bereits zu Rechtsverletzungen gekommen, müssen entsprechende Abhilfemaßnahmen ergriffen werden. Wird die Risikoanalyse unter Berücksichtigung von Genderaspekten durchgeführt und sind auch die Folgemaßnahmen entsprechend konzipiert, können Frauen entlang der globalen Wertschöpfungsketten bereits jetzt von dem LkSG profitieren, was sich mit Umsetzung der CSDDD noch verstärken wird, sofern es nicht zu starken Einschränkungen der RL kommt. Allerdings müssten die Instrumente der Sorgfaltspflichten mit Unterstützungs- und Schulungsmaßnahmen einhergehen, um Frauen weltweit dazu zu ermächtigen, von ihren Rechten Gebrauch zu machen. 

Hinweis der Redaktion: 
Siehe hierzu auch Karolin Seitz, Geschlechtergerechtigkeit in globalen Lieferketten, STREIT 4/2022, S. 155. 

  1. Die ILO identifizierte 2013 die Zahl von 453 Millionen Beschäftigten entlang globaler Wertschöpfungsketten, ILO (2015), ILO-Research Paper No. 16, S. 7.
  2. Laut ILO waren 2013 190 Millionen Frauen entlang globaler Wertschöpfungsketten tätig, ILO-Research Paper No. 16, S. 8.
  3. ILO (2017), INWORK Issue Brief Nr. 10, S. 7 ff.
  4. ILO (2017), INWORK Issue Brief Nr. 10, S. 11.
  5. Lediglich zw. 13 und 17 % der befragten Unternehmen hatte die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans erfüllt, Auswärtiges Amt, Monitoring zum Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (2020), online: https://www.auswaertiges-amt.de/resource/blob/2375460/543e6de4d80a95b8e26186ca4da44f27/nap-monitoring-ergebnisindikation-data.pdf
  6. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vom 16. Juli 2021, BGBl. I S. 2959.
  7. Vertiefend: Zimmer, Die Umsetzung und Weiterentwicklung des LkSG (2025), siehe unter IV.1. (im Erscheinen)
  8. Richtlinie (EU) 2024/1760 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2024 über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der RL (EU) 2019/1937 und der Verordnung (EU) 2023/2859.
  9. Vertiefend zur EU-RL: Zimmer, Die Europäische Sorgfaltspflichtenrichtlinie 2024/1760/EU und ihre Umsetzung ins deutsche Recht, ZESAR 11/12 2024, S. 461 ff.
  10. Der Absatz basiert auf Kapitel II.4. eines Gutachtens für das HSI zum Thema: Die Umsetzung und Weiterentwicklung des LkSG. Rechtsfragen zum Schutz menschenrechtlicher und umweltbezogener Rechte in der betrieblichen Praxis, das stark überarbeitet wurde (im Erscheinen)
  11. Gereffi/Humphrey/Sturgeon, The Governance of Global Value Chains, RIPE 1/2005, S. 78 ff; Hübner, Globale Wertschöpfungsketten organisieren (2015), S. 6.
  12. Vgl. Gereffi/Korzeniewicz (Hrsg., 1994), Commodity chains and global capitalism.
  13. Sproll, Ungleichheit in globalen Wertschöpfungsketten, ÖZS 2020, S. 385 (390)
  14. Barrientos/Bianchi/Berman, Gender and Governance of Global Value Chains, ILR 4/2019, S. 729 (733)
  15. Seitz, Geschlechtergerechtigkeit in globalen Lieferketten, STREIT 4/2022, S. 155; UNDP, Gender Dimensions (2019), S. 6
  16. Barrientos/Bianchi/Berman, Gender and Governance of Global Value Chains, ILR 4/2019, S. 729 (730); ILO (2016), Decent work in global supply chains, S. 8
  17. Sproll, Ungleichheit in globalen Wertschöpfungsketten, ÖZS 2020, S. 385 (392)
  18. Barrientos/Bianchi/Berman, Gender and Governance of Global Value Chains, ILR 4/2019, S. 729
  19. Bspw. im Vergleich zur Automobilindustrie
  20. Sproll, Ungleichheit in globalen Wertschöpfungsketten, ÖZS 2020, S. 385 (393)
  21. ILO (2016), Decent work in global supply chains, S. 8
  22. Barrientos/Bianchi/Berman, Gender and Governance of Global Value Chains, ILR 4/2019, S. 729 (732)
  23. Barrientos/Bianchi/Berman, Gender and Governance of Global Value Chains, ILR 4/2019, S. 729 (733); FWF (2018), Breaking the Silence, S. 3 ff.
  24. ITUC, online: https://www.ituc-csi.org/GBV?lang=en (21.7.2024)
  25. Barrientos/Bianchi/Berman, Gender and Governance of Global Value Chains, ILR 4/2019, S. 729 (732)
  26. Barrientos/Bianchi/Berman, Gender and Governance of Global Value Chains, ILR 4/2019, S. 729 (730, 732); ähnlich auch UNDP, Gender Dimensions (2019), S. 6
  27. ILO (2016), Decent work in global supply chains, S. 25
  28. United Nations Development Programme
  29. UNDP, Gender Dimensions (2019), S. 20
  30. So bspw. in den Allgemeinen Prinzipien; unter I.B. im Kommentar zu Prinzip 3; unter II.A. im Kommentar zu Prinzip 12 sowie im Kommentar zu Prinzip 18
  31. Zur CSDDD: Zimmer, Die Europäische Sorgfaltspflichtenrichtlinie 2024/1760/EU und ihre Umsetzung ins deutsche Recht, ZESAR 11/12 2024, S. 461 ff.
  32. BT-Drs. 19/28649, S. 44; Brunk, Menschenrechtscompliance, S. 222; Hembach, Praxisleitfaden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, S. 140; KKRS-Lorenzen, § 5 LkSG, Rn. 25 (1. Aufl. 2023); Zimmer, Die Umsetzung und Weiterentwicklung des LkSG (2025), siehe unter II.4 (im Erscheinen)
  33. Vgl. BT-Drs. 19/28649, S. 24 u. 38
  34. Grabosch-Grabosch, § 5, Rn. 63; Zimmer, Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (2023), S. 34
  35. BT-Drs. 19/28649, S. 44; Brunk, Menschenrechtscompliance, S. 222; Hembach, Praxisleitfaden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, S. 140; KKRS-Lorenzen, § 5 LkSG, Rn. 25 (1. Aufl. 2023); Zimmer, Die Umsetzung und Weiterentwicklung des LkSG (2025), siehe unter II.4. (im Erscheinen)
  36. KKRS-Lorenzen, § 5 LkSG, Rn. 1
  37. BT-Drs. 19/28649, S. 44
  38. BT-Drs. 19/28649, S. 45
  39. Zimmer, Die Europäische Sorgfaltspflichtenrichtlinie 2024/1760/ EU und ihre Umsetzung ins deutsche Recht, ZESAR 11/12 2024, S. 461 (464)
  40. Vertiefend zum Anwendungsbereich: Zimmer, Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (2023), S. 16 ff.
  41. DGCN, Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Umsetzung des Rahmens der Vereinten Nationen „Schutz, Achtung und Abhilfe“, Anm. zu LP 29, S. 37
  42. Zimmer, Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, 2023, S. 44
  43. Da jedoch auch Mitarbeiter*innen des Unternehmens/Konzerns Beschwerde einreichen können, ist der Betriebsrat bzgl. des einzuführenden Verfahrens nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zwingend zu beteiligen, vgl. Zimmer, Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (2023), S. 75
  44. KKRS-Kocher, § 8 LkSG, Rn. 20; Sagan, ZIP 2022, 1419 (1427); Zimmer, Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (2023), S. 45. Siehe zudem die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 19/28649
  45. Vertiefend zur EU-RL: Zimmer, Die Europäische Sorgfaltspflichtenrichtlinie 2024/1760/EU und ihre Umsetzung ins deutsche Recht, ZESAR 11/12 2024, S. 461 (468)
  46. So aber Sagan, ZIP 2022, S. 1419 (1424); offener: Dutzi/Schneider/Hasenau, DK 11/2021, S. 454 (458); Stemberg, CCZ 2022, S. 92 (94). Wie hier: Zimmer, Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (2023), S. 47
  47. Ähnlich wie hier: Stemberg, CCZ 2022, S. 92 (94); Zimmer, Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (2023), S. 47
  48. KKRS-Kocher, § 8 LkSG, Rn. 24; Stemberg, CCZ 2022, S. 92; Zimmer, Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (2023), S. 46
  49. Edel/Frank/Heine/Heine, BB 2021, S. 2165 (2168); KKRS-Kocher, § 8 LkSG, Rn. 52; Zimmer, Die Umsetzung und Weiterentwicklung des LkSG (2025), siehe unter V.2 ff. (im Erscheinen)
  50. Zimmer, Die Umsetzung und Weiterentwicklung des LkSG (2025), siehe unter V.2. (im Erscheinen)
  51. BT-Drs. 19/28649, S. 50
  52. Vertiefend zur Beteiligung des Betriebsrates: Zimmer, Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (2023), S. 74 ff.