STREIT 2/2021
S. 73-75
OLG Brandenburg, § 256 ZPO; §§ 1567, 1379 BGB
Gerichtliche Zwischenfeststellung zum Trennungszeitpunkt. Getrenntleben innerhalb der Ehewohnung
1.) In einem Stufenverfahren über einen Zugewinnausgleichsanspruch ist ein Zwischenfeststellungsantrag zum Trennungszeitpunkts zulässig.
2.) Nur gelegentliche, vereinzelte gemeinsame Mahlzeiten mit den gemeinsamen Kindern hindern die Annahme eines Höchstmaßes an räumlicher Trennung innerhalb einer gemeinsamen Wohnung nicht.
(amtliche Leitsätze, auszugsweise)
3.) Maßgeblich ist dabei, dass durch die Trennung eine Zäsur in den individuellen ehelichen Lebensverhältnissen feststellbar ist, nach der die ehetypischen Gemeinsamkeiten aufgegeben sind und zwischen den Eheleuten, anders als vor der Trennung, nur noch ganz vereinzelte Gemeinsamkeiten zustande kommen, die nicht mehr über diejenigen einer bloßen Zweckgemeinschaft hinausgehen.
(Leitsatz der Redaktion)
Beschluss des OLG Brandenburg vom 10.08.2020 – 13 UF 172/17
Zum Sachverhalt:
Der beschwerdeführende Antragsteller wendet sich gegen seine Verpflichtung zur Auskunfterteilung und Belegvorlage im von der Antragsgegnerin eingeleiteten Stufenverfahren, mit dem sie Ansprüche auf Zugewinnausgleich geltend macht. […]
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
1. Festzustellen, dass die Trennung der Beteiligten am 14. September 2014 erfolgt ist.
2. Den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin über den Bestand seines Vermögens systematisch geordnet in Form eines jeweils in sich geschlossenen Verzeichnisses mit einer zusammenfassenden Darstellung aller Einzelpositionen, getrennt nach Aktiva und Passiva, mit Angabe aller wertbildenden Merkmale, Auskunft zu den Stichtagen 14. Mai 2010 (Anfangsvermögen), 16. November 2016 (Endvermögen) und 14. September 2014 (Trennungsvermögen) Auskunft zu erteilen und die Auskünfte durch geeignete Unterlagen zu belegen. […]
Der Antragsteller hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Er hat gemeint, der Zwischenfeststellungsantrag sei unbegründet. Die Beteiligten hätten nicht seit dem 14., sondern seit dem 22. September 2014 voneinander getrennt gelebt. […]
Das Amtsgericht hat die Beteiligten angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung verschiedener Zeugen zur Frage des Trennungszeitpunktes. Mit dem angefochtenen Teilbeschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug nimmt, hat es dem Antrag stattgegeben.
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde erstrebt der Antragsteller die Aufhebung des Beschlusses und die Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht, hilfsweise die Abänderung des Teilbeschusses und Abweisung der Anträge der Antragsgegnerin. […]
Aus den Gründen:
1. Die Beschwerde ist zulässig. […]
2. Die Beschwerde ist im Hauptantrag unbegründet. Das Beschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, § 69 Abs.1 FamFG. […]
3. Die Beschwerde ist auf den Hilfsantrag nur teilweise begründet.
a) Die Beschwerde ist erfolglos, soweit sich der Antragsteller gegen seine Auskunftspflicht wendet. Denn er ist verpflichtet, Auskunft über sein Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung und zu den Zeitpunkten, die für die Berechnung des Anfangs- und Endvermögens maßgeblich sind, zu erteilen und diese zu belegen (§ 1379 Abs. 1 BGB). Die Voraussetzung hierfür, ein Scheidungsantrag, liegt vor.
b) Erfolglos bleibt die Beschwerde auch, soweit der Antragsgegner die Feststellung eines anderen Trennungszeitpunktes erstrebt. […]
aa) Der (Zwischen-)Feststellungsantrag der Antragsgegnerin ist zulässig (so auch OLG Brandenburg NZFam 2014, 86 bespr. v. Heinemann; OLG Celle NJOZ 2014, 561; a. A. OLG Koblenz NJW-Spezial 2018, 101). Insbesondere besteht durchaus ein beachtliches Interesse der Antragsgegnerin daran, den Trennungszeitpunkt gesondert feststellen zu lassen (vgl. zum Ganzen OLG Celle NJOZ 2014, 561).
Allein der Umstand, dass im Rahmen des geltend gemachten Anspruchs zur Auskunftserteilung über das Trennungsvermögen nur inzident bzw. als Vorfrage notwendig der Tag der Trennung als Stichtag zu benennen ist, beseitigt das Rechtsschutzbedürfnis nicht. Die Entscheidung zur Auskunft unter Bezeichnung des maßgeblichen Stichtages entfaltet weder eine innerprozessuale Bindungswirkung noch erwächst der in der Auskunftsstufe genannte Trennungsstichtag in Rechtskraft. Es widerspräche dem Wesen der Rechtskraft, wenn man die Entscheidungswirkung über die unmittelbar ausgesprochene Rechtsfolge (Zuerkennung eines Anspruchs auf Auskunft und Belegvorlage) hinausgreifen ließe und auch das zugrunde liegende Rechtsverhältnis (Trennung der Eheleute im Sinne von § 1567 BGB) mit einbezöge (BGH MDR 1970, 577). Es besteht mithin die Gefahr, dass die mit den weiteren Stufen des hier streitigen Zugewinnausgleichsanspruchs, aber auch im Zuge anderer Folgesachen des Scheidungsverbundes befassten (Instanz-)Gerichte zu abweichenden Ergebnissen bezüglich des streitigen Trennungszeitpunktes gelangen.
Gerade in dem hier vorliegenden Fall eines sich abzeichnenden Streites um etwaige illoyale Vermögensminderungen zwischen Trennung und Beendigung des Güterstandes (§ 1575 Abs. 2 Nr. 2, 3 BGB) gewinnt aber der Zeitpunkt der Trennung besondere Bedeutung.
Die Frage des Einsatzzeitpunktes für das Getrenntleben im Sinne von § 1567 BGB löst aber auch weitergehende Rechtsfolgen aus, so etwa Unterhaltsverpflichtungen nach § 1361 BGB, die Möglichkeit von Regelungen nach den §§ 1361a und 1361b BGB. Im Scheidungsverbund kann der Trennungszeitpunkt ferner im Rahmen der Durchführung des Versorgungsausgleichs erhebliche Bedeutung erlangen. Insofern handelt es sich bei der Frage nach dem Trennungszeitpunkt um eine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu einer anderen und damit um ein zwischenfeststellungsfähiges Rechtsverhältnis.
Der Bundesgerichtshof hat es auch bereits ausdrücklich für zulässig erklärt, den Auskunftsanspruch mit einem Zwischenfeststellungsantrag über das zugrunde liegende Rechtsverhältnis zu verbinden (BGH WM 1999, 756). Dabei hat er zugleich klargestellt, dass es für die Zulässigkeit des Zwischenfeststellungsantrages bereits ausreicht, dass das festzustellende Rechtsverhältnis für die verschiedenen Teile der Stufenklage maßgeblich ist, da es sich bei der Stufenklage um einen besonderen Fall der objektiven Klagenhäufung handelt (BGH WM 1999, 746). Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, bietet der Streitfall dem Senat keinen Anlass.
Ausgehend davon ist die umstrittene Frage des Zeitpunkts der Herbeiführung der Trennung im Rechtssinne, von der vorliegend jedenfalls auf den unterschiedlichen Stufen des Antrages der Antragstellerin unmittelbare Rechtsfolgen abhängen, einer Zwischenfeststellung zugänglich (vgl. OLG Brandenburg NZFam 2014, 86 m. Anm. Heinemann).
bb) Als Trennungszeitpunkt ist der 14. September 2014 festzustellen. Ehegatten leben getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft mehr besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht wiederherstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt (§ 1567 Abs. 1 BGB). Um feststellen zu können, dass die Beteiligten getrennt leben, müssen beide Elemente – das Nichtbestehen einer häuslichen Gemeinschaft sowie bei mindestens einem Ehegatten das Bestehen eines Trennungswillens, der erkennbar auf eine Ablehnung der ehelichen Lebensgemeinschaft gerichtet ist – an dem von der Antragsgegnerin behaupteten Trennungstag, dem 14. September 2014, vorgelegen haben und weiter vorliegen. Das vermochte die Antragsgegnerin zu beweisen:
Die Darlegungs- und Beweislast für den Trennungszeitpunkt, der taggenau zu benennen ist (vgl. MüKoBGB/Koch, 7. Aufl. 2017, § 1379 Rn. 9; Kogel Zugewinnausgleich, 5. Aufl. 2016, Rn. 448), obliegt dem auskunftsbegehrenden Ehegatten und damit hier der Antragsgegnerin (vgl. AG Heidelberg, FamRZ 2017, 278; Palandt/Brudermüller BGB, 77. Aufl. 2018, § 1379 Rn. 24, § 1567 Rn. 9; Büte Zugewinnausgleich Rn. 272; Braeuer Zugewinnausgleich Rn. 661, 665; Schulz/Hauß Vermögensauseinandersetzung Rn. 757; Kogel FF 2017, 3 (11)). […]
(2) Für die Frage, ob die Beteiligten im Rechtssinne getrennt gelebt haben, kommt es daher entscheidend auf die Frage an, ob zwischen ihnen noch eine häusliche Gemeinschaft bestanden hat. Dass dies ab dem Abend des 14. September 2014 nicht mehr der Fall war, hat die Antragsgegnerin ebenfalls nachgewiesen.
§ 1567 Abs. 2 BGB stellt klar, dass eine Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft auch innerhalb der ehelichen Wohnung möglich ist. Eine „vollkommene“ Trennung, wie sie noch unter Geltung des § 48 Abs. 1 EheG statuiert wurde, ist nicht mehr erforderlich. Es genügt ein der konkreten Wohnsituation entsprechendes Höchstmaß räumlicher Trennung (OLG Köln FamRZ 1982, 807 = BeckRS 2010, 15286; BeckOGK/Kappler BGB § 1567 Rn. 30). Die gemeinsame Nutzung der der Versorgung und Hygiene dienenden Räume (Küche, Toilette, Bad, Waschküche) sowie Absprachen über deren Benutzung schließen – wenn solche Räume nur einmal vorhanden sind – die Annahme eines Getrenntlebens folglich nicht aus. Haushaltsgeräte, die – wie die Waschmaschine – in der Wohnung nicht leicht doppelt aufgestellt werden können, können ebenfalls gemeinsam genutzt werden (BeckOGK Kappler BGB § 1567 Rn. 32). Außer den der Versorgung und Hygiene dienenden Räumen darf kein Zimmer der ehelichen Wohnung gemeinsam genutzt werden; die übrigen Zimmer der ehelichen Wohnung müssen strikt getrennt werden. Die Ehegatten müssen getrennt wohnen und schlafen (BeckOGK Kappler BGB § 1567 Rn. 33).
Nach diesen Maßstäben ist die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft mit dem 14. September 2014 festzustellen. Von diesem Zeitpunkt an lebten die Beteiligten von Tisch und Bett getrennt. Die Trennung war nach der Äußerung des Trennungsentschlusses des Antragstellers von beiderseitigem konsequenten Trennungswillen getragen. […]
Nur gelegentliche, vereinzelte gemeinsame Mahlzeiten mit den gemeinsamen Kindern hindern die Annahme eines Höchstmaßes an räumlicher Trennung nicht. Der Senat hielte es für überspannt, getrennten Eheleuten auf die Gefahr hin, die Trennung würde anderenfalls vor Gericht nicht anerkannt, vorzugeben, sie müssten, um sich auf einen Trennungszeitpunkt zu berufen, hernach auch das vereinzelte, gemessen an den individuellen Lebensverhältnissen vor der Trennung eine deutlich geringere Häufigkeit aufweisende gemeinsame Einnehmen von Mahlzeiten unter allen Umständen vermeiden. Vielmehr entspricht es der Vernunft und auch den Erfordernissen einer sozialadäquaten Kommunikation gerade unter einem Dach getrenntlebender Eltern, denen während der Trennungszeit unter Kindeswohlgesichtspunkten abverlangt wird, sozial angemessen zu kommunizieren, dass sie einander in Gegenwart der Kinder besonnen und respektvoll begegnen. Vor diesem Hintergrund müssen ganz vereinzelte Begegnungen, wenn sie im Verhältnis zur Üblichkeit in ungetrennter Zeit nur noch in deutlich geringerer Häufigkeit erfolgen, oder sonstige vernünftige verbal oder nonverbal getroffene Vereinbarungen, beispielsweise über den Weiterverbrauch bereits gemeinsam in Gebrauch genommener Lebensmittel oder Verbrauchsgüter der Feststellung des Aufgebens der häuslichen Gemeinschaft nicht entgegenstehen. Maßgeblich ist dabei, dass durch die Trennung eine Zäsur in den individuellen ehelichen Lebensverhältnissen feststellbar ist, nach der die ehetypischen Gemeinsamkeiten aufgegeben sind und zwischen den Eheleuten, anders als vor der Trennung, nur noch ganz vereinzelte Gemeinsamkeiten zustande kommen, die nicht mehr über diejenigen einer bloßen Zweckgemeinschaft hinausgehen. […]
Anmerkung der Redaktion
Die Entscheidung des OLG Brandenburg ist aus Sicht der Praxis zu begrüßen.
Die Zulässigkeit eines Zwischenfeststellungsantrags zum Trennungsdatum ist in der Rechtsprechung umstritten.
Zur Meidung abweichender, nur in den Entscheidungsgründen festgestellter Ergebnisse bezüglich des streitigen Trennungszeitpunktes in diversen Folgesachen ist bei streitigem Trennungsdatum die bindende gerichtliche Entscheidung aufgrund eines Zwischenfeststellungsantrags erforderlich und geboten.
Die nicht zu hohen Anforderungen, die das Gericht an ein Getrenntleben der Eheleute innerhalb der Ehewohnung stellt, berücksichtigen den realen Alltag vieler Familien unmittelbar nach der Trennung. Hilfreich sind die Ausführungen des Gerichts hier, wonach kleinere Gemeinsamkeiten wie die gelegentliche Einnahme von Mahlzeiten zusammen mit den Kindern dem Getrenntleben nicht entgegenstehen.