STREIT 2/2021
S. 73
BGH, § 1600 Abs. 1 Nr. 3 BGB; Art. 6 GG
Vaterschaftsanfechtung durch die Mutter
Das Recht der Mutter auf Anfechtung der Vaterschaft ist nicht von weiteren Voraussetzungen und insbesondere nicht von einer Kindeswohldienlichkeit abhängig. 
Ein rechtskräftiger Ausschluss des Rechts auf Anfechtung der Vaterschaft ist nicht möglich, sodass ein Verzicht auf das Anfechtungsrecht wirkungslos ist […].
Die Mutter ist nicht nach Treu und Glauben an der Anfechtung der durch Ehe begründeten Vaterschaft gehindert, wenn die Ehe in dem beiderseitigen Wissen, dass die Braut von einem anderen Mann schwanger ist, und mit dem Ziel, dem Bräutigam den Status als rechtlicher Vater zu verschaffen, geschlossen worden ist. 
Beschluss des BGH vom 18.03.2020, XII ZB 321/19
Aus den Gründen: 
Gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 3 BGB ist die Mutter berechtigt, die Vaterschaft anzufechten. […] Die Anfechtungsfrist gemäß § 1600 b Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 BGB (ist) gewahrt. 
Das Anfechtungsrecht der Mutter ist nicht von weiteren Voraussetzungen und insbesondere nicht von einer Kindeswohldienlichkeit abhängig […]. Das Gesetz enthält für die Anfechtung durch die Mutter von der Einhaltung der Anfechtungsfrist abgesehen keine zusätzlichen Voraussetzungen. […]
Ein eigenes Anfechtungsrecht der Mutter […] hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechtes vom 16.12.1997 […] geregelt. Dabei hat er bewusst davon Abstand genommen, bei der Vaterschaftsanfechtung durch die Mutter eine Kindeswohlprüfung bzw. die Zustimmung des volljährigen Kindes als Anfechtungsvoraussetzung vorzusehen. […] Das Recht auf Anfechtung der Vaterschaft dient der Korrektur des Auseinanderfallens von rechtlicher und leiblicher Vaterschaft und damit dem Grundsatz der Abstammungswahrheit. Dem in § 1600 Abs. 1 BGB abschließend aufgezählten, eng begrenzten Kreis von Berechtigten gesteht der Gesetzgeber dieses Recht zu, weil er bei ihnen ein rechtlich schützenswertes Interesse anerkennt, eine nicht der leiblichen Abstammung entsprechende Vater-Kind-Zuordnung zu beseitigen. […]
Für das Anfechtungsrecht der Mutter streitet in verfassungsrechtlicher Hinsicht Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, der den Eltern das Recht und die Verantwortung gewährleistet, Sorge für ihr Kind zu tragen. Zur elterlichen Sorge gehört auch die Entscheidung, ob eine bestehende Vaterschaft angefochten werden soll […]. Darüber hinaus hat die Vaterschaft ganz erhebliche, wenn auch mittelbare Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Mutter, insbesondere beim Sorgerecht. […]
Der leibliche Vater des Kindes ist namentlich bekannt, sodass eine gerichtliche Feststellung der Vaterschaft nach § 1600 d BGB ohne weiteres möglich ist. […]
Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die Auflösung der rechtlichen Vater-Kind-Beziehung die seelische Entwicklung des Kindes beeinträchtigen könnte. […]